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allesdazwischenblog · 8 months ago
Text
Ein erster ehrlicher Liebesbrief
Ein authentischer Liebesbrief. Die Namen wurden zur Anonymisierung verändert. Der Brief wurde am 25.11.2024 versandt und blieb unbeantwortet.
Tom,
das hier ist ein Brief, den ich niemals abschicken werde.
Ich hab das noch nie gemacht. Wie schreibt man einen Brief an jemanden, der ihn niemals lesen wird? Wir werden es herausfinden.
Warum ich dir schreibe, ist wohl etwas, was du dich fragen würdest, wenn du diesen Brief erhalten würdest. Weil ich immer noch manchmal an dich denke. Wir waren nicht lange befreundet, und ich weiß gar nicht, ob du dich überhaupt noch an mich erinnerst. Es muss 2019 gewesen sein, als wir uns im Urlaub in Holland kennengelernt haben. Du, dein Bruder und ein paar andere deutsche Kinder habt Verstecken (oder Fangen? Vielleicht Verstecken-Fangen) gespielt & ich habe mich euch angeschlossen. Danach haben wir jeden Tag gemeinsam verbracht. Eigentlich waren wir so unterschiedlich, aber trotzdem haben wir uns so gut verstanden. Wir haben über Politik gesprochen. Ich fand in dir einen exzellenten Gesprächspartner. Und du in mir hoffentlich das Gleiche. Jedenfalls kam es mir so vor.
Nachdem wir uns verabschiedet haben, hast du mir Briefe geschickt und ich dir. Einmal haben wir auch telefoniert. Ich erinnere mich noch so deutlich daran, wie ich im Büro von meinem Vater saß und mich ehrlich einfach gefreut habe, von dir zu hören. Und dann hast du etwas gesagt, mit dem ich gar nicht einverstanden war, ich glaube es ging um einen neuen Jugendpfarrer bei euch. Wie ich so bin, habe ich bestimmt die nächsten 20 Minuten einen Monolog gehalten, warum ich anderer Meinung bin. Du hast mich nicht unterbrochen, und als ich fertig war meintest du nur: “Ja, ich weiß. Ich bin deiner Meinung, ich habe das nur gesagt, um dich diskutieren zu hören.” Ich weiß nicht, ob du das realisiert hast, aber das hat mich unfassbar gefreut. Ich habe mich in dem Moment so gesehen, verstanden und wertgeschätzt gefühlt. Das ist bis heute das Schönste, was mir jemals jemand gesagt hat.
Seit ich deinen letzten Brief bekommen habe, ist so viel Zeit vergangen. Du müsstest jetzt so um die 19 sein. Ich weiß gar nicht, ob deine Adresse noch dieselbe ist. Vielleicht seid ihr umgezogen, vielleicht bist du ausgezogen. Dein kleiner Bruder kommt bestimmt bald in die Schule, er war noch ein Baby, als ich dich das letzte mal gesehen habe. Und dein anderer Bruder? Ich weiß gar nicht, wie alt er jetzt sein müsste.
Ich hoffe dir geht’s gut. Ich hoffe, das[s] was auch immer du gerade machst, dass du glücklich bist. Und ein bisschen hoffe ich auch, dass du dich noch an mich erinnerst.
Und falls nicht: Hi. Du kanntest mich als Lara, aber den Namen habe ich schon seit Jahren nicht mehr. Er hat nicht gepasst. Ich heiße jetzt Luke, bin 18 und ein Mann. Es hat sich eben viel verändert. Dieses letzte Jahr war ich viel unterwegs. Ich habe mein Abitur gemacht und dann war ich vier Monate in Holland als Matrose auf einem Segelschiff. Ich habe gerade eine Operation hinter mir, aber mir geht es gut. Ich bin glücklich.
Manchmal frage ich mich, warum du dich irgendwann nicht mehr gemeldet hast. Vielleicht hast du mich vergessen, immerhin haben wir nur eine Woche miteinander verbracht.
Vielleicht schicke ich diesen Brief ja doch ab, in der Hoffnung, dass deine Adresse noch die Gleiche ist. Ich weiß nicht, wie hoch die Chance ist, dass er bei dir ankommt. Vielleicht landet er auch in einer Schublade in meiner Kommode, neben deinen Briefen, die ich all die Jahre aufgehoben habe. Das klingt alles so sentimental, ich weiß nicht, woran das liegt. Aber eigentlich habe ich nichts zu verlieren.
Egal, ob der Brief bei dir ankommt, ob du dich an mich erinnerst, oder dich vielleicht sogar entscheidest, mir zu antworten, ich hoffe einfach, dass es dir gut geht und du ein gutes Leben lebst.
Ich habe keine Ahnung, wie ich das beenden soll.
-Luke
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