zwischen Multipler Sklerose und Borderline (w / 27 / MS Diagnose 2019 / keine Medikamente)
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Metaphern
Fatigue ist gerade mein “Lieblingsthema”. Wahrscheinlich weil es das Symptom meiner MS ist, welches ich am meisten fürchte. Wenn ich Verabredungen deswegen absagen muss - andere Betroffene mögen das nur allzu gut kennen - kommen Fragen wie: “Fatigue? ..du bist dann müde, oder wie? Ich fühle mich auch ziemlich abgeschlagen heute.” Dass das nicht im Geringsten zutreffend ist, muss ich wohl niemandem erzählen. Obwohl ich natürlich weiß, dass es in dieser Gesellschaft niemand leicht hat aka wer ist schon gesund und was heißt das überhaupt!? Tatsächlich aber - ich weiß nicht, ob sich in diesen Situationen meine Borderline-Seiten bemerkbar machen oder ob es anderen MS Betroffenen ohne Persönlichkeitsstörung ähnlich geht - fühle ich mich davon unfassbar angegriffen. Ich fühle mich nicht ernst genommen, nicht verstanden. Habe das Gefühl, dass mich die anderen als Drama Queen abstempeln (rational weiß ich, dass meine engen Freunde viel Verständnis dafür haben, mich nicht verurteilen und mit diesen Fragen einfach nur versuchen wollen zu verstehen, was sich da bei mir abspielt. Meine Emotionen reagieren allerdings gegenläufig. Da der Struggle real ist, habe ich einige Metaphern bzw. Umschreibungen gesucht und gefunden, um die für mich am präsentesten Symptome für die Außenwelt erklärbar zu machen: - Was ist Fatigue für mich? Ich weiß, dass sie auftaucht, wenn ich ein Kribbeln auf der Kopfhaut und einen heiß-kalt-Wechsel an der Innenseite meiner Stirn (zwischen Hirn und Schädeldecke) spüre. Dann irgendwann setzt das Gefühl ein, dass mein Schädel geöffnet ist und eine wechselwarme Duschbrause über mein Hirn läuft (Ja, das klingt eklig und ist es auch.) Gleisende Müdigkeit setzt ein, das Denken stagniert, sprechen fällt schwer. Ich habe kein Schlafbedürfnis, bin allerdings antriebslos und schwach. - Wie fühlen sich die Sensibilitätsstörungen an? Dauerhaft scheint mein rechtes Bein in Mitleidenschaft gezogen. Es kribbelt und ich erfahre Temperaturmissempfindungen. Tagsüber fühlt es sich so an, als ob ich eine sehr enge Strumpfhose tragen würde, die hin und wieder an meinen Beinhaaren zieht. Die Strumpfhose ist sehr nass und wechselt zwischen einem Zustand von in kaltem Wasser getränkt und dann wieder in heißem Wasser getränkt sein. Abends liege ich dann oft im Bett und kann nicht schlafen, weil sich meine Beine anfühlen, als ob sie verbrennen würden. Also in der Form, als würde man die ganze Zeit in eine viel zu heiße Badewanne steigen und es konsequent ignorieren. - Taubheitsgefühle? Die machen sich in der Regel am Steiß, Hintern und Bauchraum bemerkbar. Es ist eine Mischung zwischen Lokalanästhesie und einem engen Korsett, was mir den Atem abschnürt. Manchmal ist es auch nur so, als ob ich zu lange auf einem Körperteil gelegen hätte (in dem Fall gesessen), sodass ich es nicht mehr spüre. Wenn es sehr schlimm wird, dann denke ich, dass mich jemand so sehr umarmt, dass es mich völlig zerquetscht.
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Brain WTFog ?
Wow, wie sehr hab ich gefeiert, dass ich (noch) keine Fatigue erleiden muss. Sch(w)ubs, der Spaß war dann auch ziemlich schnell wieder vorbei, pünktlich zu Weihnachten. Mit meinem Partner als Vergleichspunkt, der zu jeder Zeit schlafen kann und ziemlich schnell schlapp und müde ist, hab ich mich dahingehend recht sicher gefühlt: keine Fatigue. Einige Streits, Wutausbrüche und Familienbegegnungen später war’s dann so weit: „Schmecken die Plätzchen von Jan?“ Frug ich dreimal innerhalb weniger Stunden, lass es vielleicht sogar nur eine Stunde gewesen sein. Jedes Mal beim Aussprechen fiel mir dunkel im Hintertreffen ein, dass ich das womöglich schon gefragt hatte, aber so wirklich erinnern konnte ich mich nicht. Außerdem ließ ich den Wohnungsschlüssel nun des Öfteren draußen stecken, vergaß andauernd was ich im nächsten Augenblick tun wollte oder bereits gesagt hatte. Namen und Begriffe, mit denen ich mich wenige Minuten davor beschäftigt hatte, fielen mir nicht mehr ein. Hallo Demenz, mit 27, dachte ich mir, bis ich dann auch schon wieder vergessen hatte, worüber ich eigentlich nachdachte. Ich war ja schon immer ein Listenmensch, aber selbst die bewahrten mich nicht mehr so richtig davor, Dinge zu verpeilen - und das für einen Kontrollfreak wie mich! Und na ja, nach den Mahlzeiten könnte man eigentlich sagen, dass es das schon wieder gewesen ist für den Tag: Ich bin nicht müde in der Form, dass ich dann unmittelbar schlafen müsste, ich habe eher das Gefühl, dass mein Verstand gemuted ist, ich mir unfassbar einen reingekifft habe und mir jemand zusätzlich eine Bratpfanne über den Kopf gezogen hat. Ich bin SO langsam. Es fühlt sich an, als würde sich ein riesiger nasser Schwamm im vorderen Bereich meines Hirns befinden, der gegen meine Stirn drückt, ein Kribbeln auslöst und verhindert, dass irgendwelche Informationen weitergeleitet werden. Die ersten zwei Stunden des Tages gehen meistens klar, danach sind meine Kräfte wieder verbraucht. Dann fange ich an, als hätte mich jemand ausgeschaltet, apathisch durch die Gegend zu starren - Warten auf … ja, worauf eigentlich? Hört das wieder auf? Ich bin mir nicht sicher, hoffentlich. Klar, ich hab gerade einen Schub, der irgendwann aufhören wird, aber ob sich meine kognitiven Fähigkeiten gänzlich zurückbilden, bleibt fraglich. Ich war immer sehr scharfsinnig, hab nichts vergessen und alles mitgeschnitten. Das macht sich natürlich nicht so ideal mit einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ. Sowieso, die Kombination aus Borderline und MS fühlt sich bereits an, als hätte ich mein Todesurteil schwungvoll unterschrieben. Ich hab mir ja immer gewünscht, dass ich mich mal bisschen mehr gehen lassen kann und vielleicht ein klein wenig abstumpfe. Na ja, vielleicht ist das gerade der Benefit dieses Zustandes: viel kommt da nicht mehr an. Ich bin ziemlich gechillt, weil Aufregung einfach meilenweit entfernt ist vom Möglichen: es ist einfach zu anstrengend. Also dass Aufregung, Wut, Aggression und Verzweiflung anstrengend sind und eigentlich keinerlei Energeiaufwand wert sein sollten, ist irgendwie klar. Das jetzt aber auf die harte Tour zu „meistern“ ist trotzdem irgendwie zynisch. Wohl bekomm’s.
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