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Anke Schwarzer
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ankeschwarzer · 3 years ago
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ReMapping Memories Lisboa – Hamburg
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ReMapping Memories Lisboa – Hamburg: (Post)koloniale Erinnerungsorte ist ein mehrjähriges Projekt des Goethe-Instituts Portugal mit Partnern in Lissabon und Hamburg. Es widmet sich den stein- und „mental-map“-gewordenen Spuren und Hinterlassenschaften des Kolonialismus und des antikolo­nialen Widerstands im öffentlichen Raum in den beiden Hafenstädten Hamburg und Lissabon. Das Projekt zeigt am Beispiel zweier Zentren des europäischen Imperialismus, welche Spuren und Einschreibungen des Kolonialen in europäischen Städten bis ins 21. Jahrhundert bestehen, und will damit einen Beitrag zur Dekolonisierung des öffentlichen Raums leisten. Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen, Künstler*innen und Stadtführer*innen beschäftigen sich seit vielen Jahren mit diesem Thema und haben vielfach eine großartige und oft zu wenig beachtete Pionier- und Forschungsarbeit geleistet. Das Projekt knüpft an diesen Arbeiten an.  www.re-mapping.de
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ankeschwarzer · 3 years ago
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»Wir sind gerade wieder überbelegt«
Small Talk mit Anke Schwarzer | Jungle World, 25.11.2021
Der 25. November fungiert alljährlich als »Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen«, feministische Gruppen und mittlerweile auch staatliche Institutionen organisieren Veranstaltungen, um unter anderem die Gewalt in Partnerschaften zu thematisieren. Dem Bundeskriminalamt zufolge sind 2020 rund 119 000 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern bedroht, ihrer Freiheit beraubt, gestalkt, zur Prostitution gezwungen, verletzt, sexuell genötigt, vergewaltigt oder ermordet worden. Die »Jungle World« sprach mit Anika Börjesson, Sozialpädagogin in einem Frauenhaus des Vereins »Frauen helfen Frauen Hamburg«, über die Situation schutzsuchender Frauen in der Covid-19-Pandemie.
Welche Bedeutung hat der »Internationale Tag ­gegen Gewalt an Frauen« für Sie?                          
Der Tag ist immer noch sehr nötig. Wir sind gerade wieder überbelegt. Dabei sind wir das größte Haus in Hamburg, haben 61 feste Plätze und dazu sieben Räume für die Notaufnahme. Mit diesen unterstützen wir die zentrale rund um die Uhr geöffnete Notanlaufstelle für Hamburg, wohin alle Frauen und ihre Kinder zunächst kommen und von wo sie dann auf die festen Frauenhäuser verteilt werden. In Hamburg gibt es fünf autonome Frauenhäuser und eines von der Diakonie, insgesamt stehen rund 240 Plätze zur Verfügung. Aber trotzdem müssen wir immer wieder Frauen nach Schleswig-Holstein oder Niedersachsen ­schicken.
Wie hat sich die Lage in den vergangenen Jahren verändert?
Die Gewalt an sich ist nicht weniger geworden. Was uns aber auffällt, ist, dass die Frauen es immer häufiger mit Multiproblemlagen zu tun haben. Wir müssen nicht nur die Frauen stabilisieren und stärken, Anträge schreiben und eine Wohnung finden, sondern wir haben es mit vielen anderen Schwierigkeiten zu tun, bis hin zu Abschiebungen, die im Raum stehen. Andererseits ist es gut, dass unsere Öffentlichkeitsarbeit funktioniert: Die Frauen wissen, dass es uns gibt – auch in den Flüchtlingsunterkünften.
Erhalten Frauen aus dem länd­lichen Raum auch einen Platz bei Ihnen?
Wir sind immer gut ausgelastet, aber uns erreichen viele Anrufe von Frauenhäusern aus den umliegenden Bundesländern, die gerne Hilfe von uns hätten. Hamburg ist als Großstadt anonymer, und wir ver­suchen, Plätze anzubieten. Aber meistens ist es umgekehrt und wir brauchen die Hilfe von Frauenhäusern in anderen Bundesländern, weil wir selbst voll belegt sind. Das ist für Frauen, die aus Hamburg kommen, häufig sehr schwierig. Die Bus- und Bahnanbindung ist oft nicht einfach, und es ist für sie teuer, nach Hamburg zu fahren. Umgekehrt gibt es aber auch Frauen, die gerne auf’s Land möchten, weil sie sich dort sicherer fühlen und dann weit weg vom Gewalttäter sind.
Wie wirkt sich die Covid-19-Pandemie auf Ihre ­Arbeit aus?
Im Lockdown im Frühjahr 2020 hatten wir eine ungewöhnlich geringe Auslastung in allen Hamburger Häusern. Wir gehen davon aus, dass die Frauen in dieser Zeit keine Möglichkeit hatten, das Haus zu ver­lassen. Sie waren eingesperrt, auch die Schulen hatten geschlossen. Wir hatten einen panischen Anruf von einer Frau, die mit ihren Kindern bei der kurzen Gelegenheit, Hausaufgabenpakete von den Schulen für das Homeschooling abzuholen, die Wohnung verlassen konnte. Insgesamt hat sich die pädagogische Arbeit mit den Kindern sehr verändert. Früher hatten wir feste Angebote, haben Ausflüge gemacht. Jetzt mussten einige Kinder schon in Quarantäne und die Mütter sind ängstlich geworden. Die Kinder sind leider sehr viel auf ihren Zimmern und wir bekommen weniger mit.
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ankeschwarzer · 3 years ago
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»Das Vorgehen ist extrem problematisch«
Small Talk mit Anke Schwarzer | Jungle World,  21.10.2021
Es gab breite Kritik an der späten Evakuierung und der zögerlichen Aufnahme von ehemaligen afghanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr. Auch in Deutschland verwehrt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihnen oftmals ihre Rechte – so zumindest der Vorwurf der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Darüber sprach die Jungle World mit Wiebke Judith, Rechtspolitische Referentin bei Pro Asyl.
Welche Erkenntnisse haben Sie darüber, dass das BAMF Afghanen und Afghaninnen in Erstaufnahmeeinrichtungen unter Druck setzt, einen Asylantrag zu stellen, obwohl sie bereits ein Visum »aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen« nach Paragraph 22 des Aufenthaltsgesetzes erhalten haben?                     
Es gibt aus Sicht des Bundesamts zwei Gruppen, die im Rahmen der sehr chaotischen Evakuierung nach Deutschland gekommen sind: Einmal die Ortskräfte, die nachweislich für deutsche Einrichtungen gearbeitet haben, oder anderweitig als besonders gefährdet gelten und – jetzt plötzlich – diejenigen, für die das nicht zutreffen soll. Diese Gruppe soll deswegen keine Aufenthaltserlaubnis nach dem Paragraph 22 erhalten. Diese Position finden wir extrem fragwürdig, da die Personen bereits ein entsprechendes Visum aufgrund der festgestellten Gefährdung erhalten haben. Das BAMF hat unseren Informationen zufolge den Erstaufnahmeeinrichtungen mitgeteilt, dass der Bund für die Unterbringung dieser Personen nur noch bis zum 27. September aufkommen wird.
Was bedeutet das für die Betroffenen?
Die Erstaufnahmeeinrichtungen haben die Menschen zum Teil sehr explizit vor die Wahl gestellt, entweder einen Asylantrag zu stellen oder die Einrichtung zu verlassen und damit obdachlos zu werden. Dieses Vorgehen ist extrem problematisch. Die Menschen mussten Afghanistan unter dramatischen Umständen verlassen und hatten häufig noch keine Chance, hier mental anzukommen. Jeder muss eine unabhängige Beratung erhalten, um dann freiwillig und informiert zu entscheiden, ob ein Asylantrag gestellt werden soll.
Wie läuft inzwischen die Evakuierung der gefährdeten Menschen aus Afghanistan?
Eines der großen Probleme ist, dass selbst Menschen mit einer Aufnahmezusage nicht wissen, wie sie aus dem Land kommen sollen. An den Ausreisemöglichkeiten muss die Bundesregierung aktiv arbeiten. Die angekündigte Zahl von 200 Menschen pro Woche ist angesichts der Lage sehr gering. Es gibt keine von Deutschland organisierten Flüge mehr. Wir drängen darauf, dass weiter verhandelt wird, damit Menschen sicher ausreisen können. Leider verschärft sich die Situation von Tag zu Tag, etwa an der Grenze zu Pakistan.
Neben den sogenannten Ortskräften gibt es andere Menschen, die von den Taliban verfolgt werden. Über 300 Richterinnen haben sich aus Angst vor der Rache freigelassener Straftäter versteckt. Der Deutsche Juristinnenbund setzt sich für sie ein. Was halten Sie davon, dass einzelne Verbände für bestimmte Gruppen eine Aufnahme fordern?
Grundsätzlich ist es verständlich, wenn Interessenverbände ihre Gruppen wie Anwälte oder Journalistinnen nach vorne stellen, aber gleichzeitig ist es wichtig, die Gesamtsituation nicht aus den Augen zu verlieren. Im Auswärtigen Amt gibt es eine Liste mit besonders gefährdeten Personen. Dass plötzlich mit dem Ende der Evakuierungsflüge eine Frist gesetzt wurde, dann doch wieder neue Namen aufgenommen wurden und dann wieder nicht, ist absolut nicht sachgerecht. Es muss kontinuierlich geprüft werden, ob eine Gefährdung vorliegt. Zudem ist es notwendig, von dieser ad hoc-Vorgehensweise wegzukommen und langfristig für eine Aufnahme zu sorgen, etwa über Länder- und Bundesaufnahmeprogramme, wie es sie auch im Fall Syriens gab.
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ankeschwarzer · 3 years ago
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Coming soon...
Schwarzer, Anke: [De]colonial memory practices in Germany’s public urban space. In: Capdepón, Ulrike und Dornhof, Sarah (ed.): Contested Memory in Urban Space. Materiality, Traces and Monuments in Global Contexts. Palgrave Macmillan Memory Studies, Springer International Publishing, 2022
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ankeschwarzer · 3 years ago
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@asr, Franche-Comté, France 2019
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Tribute to murdered monarch
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An exhibition in Hamburg is currently taking account of Germany’s colonial rule in Cameroon and the opposition it triggered. A broad range of artefacts and documents is used to tell the story of King Rudolf Duala Manga Bell, who was executed by German officers. The exhibition’s target group is young people and their families – and the general idea is to raise awareness of colonial history.
by Anke Schwarzer | D + C, August 2021
A large-format graphic novel stretches along the  walls,  winding  past  contracts and  correspondence,  old  portrait  photographs  and  new  artworks.  It encircles  wooden  “tange”  –  canoe  prow  ornaments  made  by  Cameroon’s coastal  communities  –  and  a  “kaba”,  a  Ngondo  festival  dress  owned  by Queen Mother  Delphine  Douala  Bell.  The  special  exhibition  “Hey  Hamburg, kennst  Du  Duala  Manga  Bell?”  (“Hey  Hamburg,  do  you  know  Duala Manga  Bell?”)  at  the Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) focuses on the German colonial period in Cameroon.
“To  my  knowledge,  this  exhibition  is  the  first  major  public  tribute  in Germany to the Cameroonian King Rudolf Douala Manga  Bell,”  said  Princess Marilyn  Douala  Bell  when  she  attended  the  opening  of  the  exhibition in April by video link. The great-granddaughter  of  Rudolf  Duala  Manga  Bell  sees  the  current  exhibition,  which  will  also  be hosted in Cameroon, as a potential bridge for dialogue.
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Nur eine Geste
Deutschland erkennt den ­Genozid an den Ovaherero und Nama an, will aber keine Reparationen zahlen
von Anke Schwarzer | Jungle World, 03.06.2021
Deutschland hat mit der namibischen Regierung über die Anerkennung des Genozids an den Ovaherero und Nama verhandelt. Mit dem Ergebnis sind viele Nachkommen der Opfer unzufrieden.
 »Froh und dankbar« sei er darüber, verkündete Außenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag vergangener Woche, dass nun endlich eine Einigung mit der namibischen Regierung getroffen sei. Sechs Jahre lang war ­unter Leitung des früheren namibischen Diplomaten Zedekia Ngavirue und des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Ruprecht Polenz (CDU) verhandelt worden. Das Ergebnis: Deutschland erkennt den Völkermord an, entschuldigt sich und zahlt über 30 Jahre hinweg 1,1 Milliarden Euro an den namibischen Staat.
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Einmal Benin hin und zurück
von Anke Schwarzer | Jungle World, 20.05.2021      
Nach jahrelangen Debatten hat Deutschland als erstes Land angekündigt, geraubte Kunstwerke aus dem ehemaligen Königreich Benin an das heutige Nigeria zurückgeben. Einige Beobachter hegen Zweifel, ob die Rückgabe vollständig erfolgen wird.                                               
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Demokratieerinnerung im Selbstexperiment
Ein mit Bundesmitteln finanziertes Projekt zur Demokratiegeschichte hat die Kritik postkolonialer Gruppen auf sich gezogen.
Von Anke Schwarzer | Jungle World, 04.03.2021
Was haben der frühere bayerische Ministerpräsident und Oberleutnant der Wehrmacht, Franz Josef Strauß (CSU), die antifaschistische Schriftstellerin Erika Mann, der jüdische Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld und die afrodeutsche Dichterin May Ayim gemeinsam? Alle vier zählen zu den »100 Köpfen der Demokratie«, die die Arbeitsgemeinschaft (AG) »Orte der Demokratiegeschichte« seit vergangenem Herbst auf ihrer Website vorstellt.
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Gedenken mit Sondernutzungserlaubnis
Vor 40 Jahren ermordeten Mitglieder des rechtsextremen Terror­netzwerks »Deutsche Aktionsgruppen« zwei Menschen in einem Hamburger Flüchtlingsheim. Es waren nicht die einzigen Verbrechen dieser Art im Jahr 1980.             
von Anke Schwarzer | Jungle World, 20.08.2020
Es war anders geplant: Zum 40. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags auf ein Flüchtlingswohnheim in der Hamburger Halskestraße sollte endlich eine feste Gedenktafel am Tatort stehen. Doch auf der Kundgebung am Samstag wird die Initiative für ein Gedenken an Nguyen Ngoc Châu und Đo Anh Lân voraussichtlich wieder nur eine provisorische Tafel aufstellen können. Obwohl die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte bereits Mitte 2019 einen entsprechenden Beschluss gefasst habe, scheitere das Aufstellen der Informations- und Gedenktafeln am bürokratischen Dickicht von Eigentumsfragen und Sondernutzungserlaubnissen, so die Gruppe, in der sich Überlebende des Anschlags, Zeitzeugen, Bekannte der beiden Opfer und Personen aus antirassistischen und antifaschistischen Gruppen engagieren.
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Bye-bye, Bismarck
In vielen Ländern werden Statuen von Befürwortern der Sklaverei oder des Kolonialismus umgestürzt. Auch Deutschland war eine Kolonialmacht, doch Ehrungen für deren Vertreter haben bislang nur wenige Menschen irritiert.
von Anke Schwarzer | 02.07.2020, Jungle World
Seit Wochen demonstrieren Tausende Menschen weltweit gegen Rassismus und Polizeigewalt. Anlass war der Tod von George Floyd, der am 25. Mai in Minneapolis bei einer Festnahme starb, weil der Polizist Derek Chauvin mehr als acht Minuten lang auf seinem Nacken kniete.
In  Neuseeland, den USA, Martinique, Südafrika, Belgien, England und Spanien wurden bei den Protesten im Juni zahlreiche Denkmäler von ihren Sockeln gestürzt; eine Praxis, die es bereits seit ein paar Jahren gibt:  Columbus, Konföderierte, Menschenhändler und Besitzer von versklavten  Afrikanern sowie andere Kolonialisten und Rassisten. Manche wurden mit  Farbe besprüht, andere enthauptet. In den meisten Orten haben sich  lokale Initiativen, etwa von First Nations und Menschen afrikanischer  Herkunft, bereits jahrelang – meist erfolglos – um eine Entfernung von  Monumenten bemüht, die Sklaverei und Kolonialismus glori­fizieren.  Mittlerweile haben einige Stadtverwaltungen Denkmäler abgebaut, die  sonst zu Schaden hätten kommen können, etwa in London die Statue von  Robert Milligan, einem schottischen Kaufmann, der im 18. Jahrhundert  ­Zuckerplantagen auf Jamaika besaß, auf denen mehr als 500 Afrikaner  ­versklavt waren.
Und in Deutschland? Hierzulande wimmelt es von Wilhelms und Ottos. In  Parks und auf Plätzen stehen mehrere Hundert Statuen des preußischen  ­Ministerpräsidenten und ersten Kanzlers des wilhelminischen Reichs,  Otto Fürst von Bismarck, des Sozialistenverfolgers, preußischen Siegers  über Frankreich und Österreich sowie Gastgebers der Berliner  Afrika-Konferenz 1884/1885. Das Schlussdokument der Kon­ferenz, die  Kongoakte, bildete die Grundlage für die Aufteilung Afrikas in Kolonien.  Allein in Hamburg gibt es drei Statuen von Bismarck, dazu mehrere  Denkmäler und Büsten des einstigen deutschen Kaisers Wilhelm I. In  Kirchen hängen koloniale Gedenk­tafeln; in Museen stehen Büsten von  Wissenschaftlern und Spendern, die rassistische und koloniale  Bestrebungen vorangetrieben haben. Nicht selten waren sie eng  verflochten mit dem Aufstieg des antisemitischen Nationalsozialismus. Es  finden sich auch Straßennamen, die Akteure des Sklavenhandels ehren,  wie Hinrich van der Smissen, Joachim Nettelbeck oder Heinrich Carl  Schimmelmann.                    
Es ist in Deutschland dennoch schwer, all die Ehrungen für Verfechter  des Kolonialismus und Rassismus zu entfernen. Es fehlt an Bewusstsein  dafür, dass Deutschland nicht nur eine postnationalsozialistische,  sondern auch eine postkoloniale Gesellschaft ist. Das Künstlerkollektiv  Peng! und die Initia­tive Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) haben  Ende Juni eine Landkarte erstellt, die die große Zahl kolonialer  Ehrungen deutlich machen soll. Das Projekt ist partizipativ und wird  ständig erweitert. Im Deutschlandfunk sagte Simone Dede Ayivi (ISD), es  gehe bei der Aktion nicht um das Vergessen oder darum, Geschichte  auszulöschen. Es solle vielmehr an die Zeit des Kolonialismus erinnert  werden. »Deutschlands Kolonialgeschichte darf nicht aus dem Stadtbild  verschwinden. Im ­Gegenteil. Die Grausamkeit des Kolonialismus muss  sichtbar gemacht ­werden, der Opfern soll gedacht werden, der  antikoloniale Widerstand und der fortwährende Kampf gegen Rassismus  sollen geehrt werden«, heißt es auf der Website des Projekts. Gleichwohl  stellt sich die Frage nach dem Umgang mit den steinernen Lobpreisungen  von Personen. Darf man sie stürzen, beschmieren, demolieren?
Es fallen harsche Worte in diesen Tagen – die Denkmalstürze seien  »barbarisch« und »gewalttätig«. Manche sprechen gar von »Zensur« und  übersehen, dass es bei der momentanen ­Bewegung nicht um staatliches  Handeln geht. Gleichzeitig werden Figuren, die für rassistische Gewalt  und Sklaverei stehen, wie Heinrich Graf von Schimmelmann, Vasco da Gama  und Christoph Columbus in der Öffentlichkeit mit Monumenten und  Straßennamen zelebriert. Was ist dagegen schon die »Gewalt« einer  Sprühdose? Ob hingegen die nächtliche Enthauptung einer vielfach als  rassistisch stereotypisierend und daher als erniedrigend kritisierten  Skulptur in Berlin-Zehlendorf symbolisch geglückt ist, darüber lässt  sich streiten. Nicht nur richtet sich dieser Angriff statt gegen eine  koloniale Männerfigur gegen das – völlig zu recht umstrittene – Bildnis  einer afrikanischen Frau aus den zwanziger Jahren, sie erinnert auch an  eine Hinrichtung. Nun soll die Statue in ein Museum kommen.
Der britische Historiker David Olusoga äußerte sich im Guardian  über die Versenkung einer Statue des Sklavenhändlers Colston im Hafen  von Bristol. Er sah eine »historische Symmetrie«; Colston, von dessen  Schiffen auf der Überfahrt verstorbene Sklaven ins Meer geworfen wurden,  »schläft mit den Fischen«. Olusoga betonte: »Das war kein Angriff auf  Geschichte – das ist Geschichte. Es ist einer jener seltenen  historischen Momente, die dazu führen, dass die Dinge nie wieder so sein  können, wie sie waren.« Ob diese optimistische Sichtweise auf  Veränderung berechtigt ist, wird sich zeigen.
Die Stadt Hamburg lässt gerade ein 34 Meter hohes Bismarck-Denkmal –  das weltweit höchste – für viele Millionen Euro herausputzen. Am Sonntag  protestierten 120 Menschen dagegen. Die Gruppen »Intervention  Bismarck-Denkmal Hamburg« und »Decolonize Bismarck« forderten die Stadt  auf, die Sanierung des Denkmals im Alten Elbpark zu beenden und die  koloniale Verstrickung Bismarcks zu beleuchten. Auch an anderen Orten  scheint es für viele ein Frevel zu sein, an Namen, Ehrenbürgerschaften  und Monumenten, die häufig in vordemokratischen Zeiten entstanden sind,  auch nur zu rütteln. Es ist an der Zeit, sich ernsthaft und kontrovers  mit diesen Hinterlassenschaften zu beschäftigten und sich auch mit der  Aussicht anzufreunden, dass viele von ihnen nicht einfach nur mit  kontextualisierenden Texttafeln versehen werden können – zumindest wenn  man die Auffassung teilt, dass der Kolonialismus ein  Menschheitsverbrechen war.
Das ist nun kein Plädoyer für ein hektisches Entfernen derartiger  Monumente. Manches braucht Überlegung und Diskussion, und es gibt keine  pauschalen Richtlinien: Der Erhalt und die Pflege eines Denkmals der  Menschenverachtung kann vielleicht im Kontext einer Gedenkstätte  sinnvoll sein. In einer Parkanlage aber muss eine moderne demokratische  Gesellschaft den Mut aufbringen, solche ­Monumente zu entfernen oder  zumindest umzugestalten. Man kann sie in Depots oder Museen lagern, wenn  man sie nicht zerstören will. Denkbar ist auch, die Denkmäler so  umzugestalten, dass ihre politische Aussage gebrochen und die Kritik  daran deutlich wird – möglicherweise ohne gleich ein ganzes Gegendenkmal  errichten zu müssen.
Manche erinnert das Stürzen von Statuen auch an den regime chance  von 2003 im Irak, als US-Soldaten beim Einmarsch in Bagdad eine  Monumentalstatue des irakischen Diktators Saddam Hussein niederrissen.  Dabei geht es in der gegenwärtigen Debatte noch nicht einmal um den  Sturz einer Regierungsform oder gar darum, eine Siegerpose einzunehmen –  sondern lediglich darum, die Gleichheitsprinzipien, die sich  demokratische Gesellschaften selbst in die Verfassung geschrieben haben,  im öffentlichen Raum sichtbar werden zu lassen. Oder, mit den Worten  der US-Autorin Kimberly Jones, deren Video »How Can We Win?« im Juni  viral gegangen war: Man solle doch froh sein und zur Kenntnis nehmen,  dass schwarze Menschen keine Rache suchten, sondern lediglich Gleichberechtigung.
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Den Völkermord aussitzen
Genozid an Ovaherero und Nama: Der Bundestag hat es in der vergangenen Woche abgelehnt, sich bei den Nachfahren der Opfer des Völkermords in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika zu entschuldigen.
von Anke Schwarzer | Jungle World, 28.03.2019
Es war alles andere als ein Showdown nach vielen Jahren der Debatten und Anträge: Die Uhr des Bundestags zeigte bereits Mitternacht an, als am Donnerstag voriger Woche die wenigen verbliebenen Abgeordneten ihre Reden zum Umgang mit dem Völkermord an den Ovaherero und Nama hielten. Die SPD gab ihre Einlassung nur zu Protokoll. Danach lehnte der Bundestag mit den Stimmen der Union, der SPD, der AfD und der FDP den Antrag der Linkspartei mit dem Titel »Versöhnung mit Namibia – Entschuldigung und Verantwortung für den Völkermord in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika« ab. Die Linkspartei und die Grünen stimmten dafür.
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ankeschwarzer · 4 years ago
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Flucht aus Vietnam
Vor 40 Jahren lief das Rettungsschiff Cap Anamur zum ersten Mal aus. Der gleichnamigen Organisation verdanken Tausende Flüchtlinge aus Vietnam ihr Leben.
von  Anke Schwarzer | Jungle World,  29.08.2019  
Vor 40 Jahren legte das Schiff Cap Anamur in Japan ab und nahm Kurs auf Singapur und das südchinesische Meer, das zwischen Vietnam, Malaysia, China, Brunei, Indonesien und den Philippinen liegt. Dort trieben zu jener Zeit zahlreiche überfüllte Holzboote mit Menschen, die aus Vietnam geflüchtet waren. Ziel des Schiffs und seiner Besatzung war es, Menschen aus Seenot zu retten.
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ankeschwarzer · 5 years ago
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Der weiße Mann als Norm
von Anke Schwarzer | Publik Forum, 20.8.2020
 Wie kolonial ist die Wissenschaft? Die Forschung war und ist oft nicht neutral und unschuldig, sondern verwoben mit Rassismus und Kolonialismus – bis heute
Neutral und objektiv: So sehen viele Menschen die Wissenschaften. Doch ob Medizin, Geschichte, Philosophie, Physik oder Biologie: Die wissenschaftliche Debatte ist immer auch ein sozialer Prozess, in den verschiedene Interessen und Perspektiven miteinfließen – absichtlich oder nicht. Auch der Kolonialismus hat seine Spuren in der Wissenschaft hinterlassen, indem er bestimmte Forschungen finanziert und damit für seine Projekte instrumentalisiert hat. In den vergangenen Jahren steigt das Interesse daran, diese Spuren aufzudecken – und mitunter auch zu beseitigen.
 So hat bereits vor einigen Jahren eine Statue den Protest von Studierenden an der Universität Kapstadt hervorgerufen. Das Monument stellte den britischen Unternehmer und Politiker Cecil Rhodes dar, einen der führenden Akteure im Wettlauf um afrikanische Kolonien. Es stand dort seit 1934. Die studentische Kampagne »Rhodes must fall« erreichte, dass die Statue des Kolonialherrn 2015 abgebaut wurde.
Rhodes’ Denkmal in Oxford will die britische Universität mit einem Beschluss vom Juni dieses Jahres nun ebenfalls entfernen lassen. Zugleich hat die Uni angekündigt, Projekte für eine größere Diversität unter den Studierenden und Forschern anzustoßen. An der Person des Cecil Rhodes lässt sich die Verstrickung von Kolonialismus und Wissenschaft deutlich aufzeigen. Der Brite war Ende des 19. Jahrhunderts durch Diamanten- und Goldgeschäfte im kolonisierten südlichen Afrika zu einem der reichsten Männer der Welt geworden. Als Regierungschef der damaligen Kap-Kolonie hat er nach Ansicht vieler Historiker auch den Grundstein für die spätere Apartheid in Südafrika gelegt. Rhodes sah die britischen Staatsbürger als »erste Rasse der Welt« an. In seinem Testament hinterließ er seinem alten Oriel-College in Oxford ein beträchtliches Vermögen, und seine Stiftung vergibt jedes Jahr Stipendien an rund 200 Studierende – bis heute. Der Universität Kapstadt hat er Grundstücke gespendet.
 Zusammen mit seinem Freund und Geschäftspartner, dem Hamburger Unternehmer Alfred Beit, gründete Rhodes den Diamantenkonzern De Beers. Als Milliardär und Mäzen spendete er nicht nur Geld für Bildungseinrichtungen und Gemälde für Museen, sondern auch zwei Millionen Mark für die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung. Diese ermöglichte 1908 Expeditionen in deutsche Kolonialgebiete im Südpazifik. Dort wurden Männer, Frauen und Kinder als Forschungsobjekte fotografiert, untersucht und vermessen. 15 000 Objekte von den Inseln – Gipsabdrücke, Körbe, Boote, Stabskarten, wertvolle Artefakte und Masken – wurden von den Wissenschaftlern ins Museum für Völkerkunde verschleppt.
Es war die Zeit des reichsdeutschen Kolonialismus, die mit der Berliner Afrika-Konferenz 1884/85 ihren Anfang nahm. Auf Einladung des Reichskanzlers Otto von Bismarck teilten die Vertreter von 13 europäischen Staaten, der USA und des Osmanischen Reiches fast den gesamten afrikanischen Kontinent unter sich auf. Vertreter afrikanischer Länder waren nicht anwesend.
 Tropenhäuser für den Profit
 Ein augenfälliges Beispiel, wie Wissenschaft für rassistische Politik und koloniale Verwaltung dienstbar gemacht wurde, ist das Hamburgische Kolonialinstitut, aus dem 1919 die Hamburger Universität hervorging. Ziel dieser Einrichtung war es unter anderem, das Personal für die damaligen deutschen Kolonien auszubilden. Professoren und Dozenten lehrten Swahili und andere afrikanische Sprachen, Tropenmedizin sowie Sprachen und Geschichte Ostasiens.
Wie Rassismus und Kolonialismus in Wissenschaft eingewoben sind, zeigt sich nicht nur daran, mit wessen Geld Universitäten gegründet, Gebäude gebaut und Expeditionen mitfinanziert wurden. Auch die Forschung im Dienst der kolonialen Ausbeutung war Teil verschiedener Disziplinen, etwa der Biologie, die Wissen gezielt für die Zucht von Rinderrassen und Nutzpflanzen in Regionen jenseits des gemäßigten Klimas erweiterte. »Tropengewächshäuser« und botanische Gärten zeugen bis heute von dieser Verflechtung. Nicht zufällig wurde im Botanischen Museum Hamburg 1885 ein Labor für die Begutachtung von Rohstoffen wie Kaffee, Ölfrüchten, Tabak, Jute oder Kautschuk eingerichtet.
 Eine besonders gewaltvolle Geschichte ist das Messen und Sammeln von Schädeln. Auch wenn Deutschland in den letzten Jahren mehrere Schädel etwa an Namibia, Australien und Paraguay zurückgegeben hat, liegen bis heute viele aus Gräbern und in Kriegen geraubte Schädel und Gebeine in deutschen Instituten und Museen. Etliche europäische Wissenschaftler im 19. Jahrhundert haben fälschlicherweise angenommen, dass Intelligenz abhängig vom Gehirnvolumen sei. Deshalb versuchten sie mithilfe der Kraniometrie, der Vermessung von Schädeln, zu Erkenntnissen über die Intelligenz von Menschen zu kommen. Ein besonderes Anliegen war dabei, die angebliche intellektuelle Überlegenheit von Weißen gegenüber Schwarzen und von Männern gegenüber Frauen zu »beweisen«.
In der Beschreibung von »Menschenrassen« zeigen sich auch die Schattenseiten der Aufklärer. Die rationale Vernunft, wie sie der Philosoph Immanuel Kant und andere postulierten, sollte Maßstab der Wissenschaft sein. Denken, unabhängig von Religion und Kirche, sollte nicht nur Erkenntnisfortschritt bringen, sondern auch politische Emanzipation – das galt allerdings schon damals nicht für alle Menschen. Kant legt in Abhandlungen und Briefen zwar dar, dass alle Menschen von einer Art und von der gleichen Abstammung seien. Nichtsdestotrotz konstruiert er Rassehierarchien, definiert Rassen wie »Kupferrote« und »Olivgelbe« und erklärt: »Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen.«
 Der weiße Mann wird zum Zentrum und zur Norm des Fortschritts, für ihn gibt es die Menschenrechte – in Abgrenzung zu Frauen und Nicht-Weißen. Auch wenn das Konzept »Menschenrassen« ein Fake ist: Es ist bis heute wirksam. Darum sahen sich vier Professoren 2019 zu einer Erklärung veranlasst: Sie plädierten auf der Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Jena dafür, den Ausdruck »Rasse« im Zusammenhang mit menschlichen Gruppen nicht länger zu verwenden. Diese willkürliche Einteilung der Menschheit habe zu Verfolgung, Versklavung und Ermordung von Abermillionen Menschen geführt. Für den Begriff gebe es »keine biologische Begründung und tatsächlich hat es diese auch nie gegeben«, stellen die Verfasser fest. »Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung.«
 Welches Wissen gilt?
 Die Tatsache, dass Weißsein unbewusst als »Normalfall« und ein weißer Mann als prototypischer Mensch gesehen wird, wird im Wissenschaftsbetrieb kaum reflektiert. Welches Wissen gilt und welches wurde an den akademischen Rand gedrängt? Wer wird gehört und wer darf sprechen? Warum haben wir in Deutschland so wenige Daten und Studien zu den Auswirkungen des institutionellen Rassismus auf klinische Studien etwa in der Krebsforschung oder in der Psychiatrie? Inwieweit orientieren sich Theorien und Technik an »weißer« Haut?
 Die physikalische Belichtungstechnik und Informatik der künstlichen Intelligenz hat beispielsweise mit einer Normsetzung gearbeitet, die heute für Probleme sorgt: So ist ein biometrischer Fotoautomat des Hamburger Landesbetriebs Verkehr nicht in der Lage, Fotos von Schwarzen aufzunehmen. Der Fall einer Hamburgerin, die deshalb keinen internationalen Führerschein beantragen konnte, ging Anfang des Jahres durch die Presse.
Aber auch Disziplinen wie die Philosophie sind von rassistischen Macht-Asymmetrien geprägt. Der Philosophieprofessor Arnold Farr erklärte dazu in dem Band Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland: »Weiße Philosophen haben das Privileg, sich selbst als Menschen und nicht als rassifizierte Wesen oder als rassische Kategorie zu erfahren. Der Luxus, sich selbst als Menschen und nicht als rassifizierte Wesen zu etablieren, ist von Anfang an das Ergebnis von Rassifizierung.«
Durch fehlende Repräsentation von Wissenschaftlern of Color an den Universitäten und in Lehrtexten wird eine weitere Ausgrenzung befördert. Eine Professur, ein Institut oder Zentrum, das kritische Rassismusforschung betreibt, gibt es in Deutschland bislang nicht. Der Verein »Adefra – Schwarze Frauen in Deutschland« hat erst kürzlich die Dringlichkeit von Black Studies in Deutschland betont. Immer noch bestimmten weiße Forschungsperspektiven den Diskurs um Rassismus und Rassismusforschung. Schwarze Wissenschaftsproduktionen würden ignoriert und übersehen. »Ihre wissenschaftlichen Erzeugnisse werden zwar verwertet, aber erneut marginalisiert«, so der Verein Adefra.
Die Geschichten darüber, wie Wissenschaft das geworden ist, als was sie sich gerade darstellt, sind nicht lapidar. Im Zusammenhang mit Rassismus sind sie ausgrenzend, vereinnahmend und gewaltvoll. Sie sind in vielen Jahrhunderten gewachsen. Es wird sicher sehr lange dauern, bis dieses »offizielle Wissen« dekolonisiert ist.
*Das Adjektiv »Schwarz« wird groß geschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich nicht um eine Eigenschaft handelt, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist, sondern um einen politischen Begriff: »Schwarz« oder auch »Person of Color« sind Selbstbezeichnungen von Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft Rassismuserfahrungen machen.
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ankeschwarzer · 5 years ago
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Später Prozess
Das Verfahren gegen den früheren KZ-Wachmann endete mit einer Jugendstrafe auf Bewährung
von Anke Schwarzer | Jüdische Allgemeine, 30.07.2020
Noch im Lager hätten sie einander geschworen, bis an ihr Lebensende Zeugnis über die menschenverachtenden Zustände abzulegen – sofern sie überleben. »Das ist eine Pflicht, so sehe ich das«, sagt Halina Strnad am Ende ihrer Aussage, die live per Video aus Australien in den Saal 300 des Landgerichts Hamburg übertragen wird. Im Januar dieses Jahres sitzt die Rentnerin in einem Polizeirevier in Melbourne; ein Glas Wasser steht vor ihr auf dem grauen Tisch, an dem auch ihr Anwalt Rajmund Niwinski Platz genommen hat.
Halina Strnad ist fast genauso alt wie der 93-jährige Angeklagte Bruno D., der in der vergangenen Woche wegen Beihilfe zum Mord in 5232 Fällen und der Beihilfe zum versuchten Mord in einem Fall schuldig gesprochen wurde. Nach neun Monaten und 45 Gerichtsterminen wurde der Rentner zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Die Richterin Anne Meier-Göring setzte sie zur Bewährung aus. Weil der Täter zur Tatzeit minderjährig war, wurde das Jugendstrafrecht angewandt.
Seit Oktober vergangenen Jahres wurde vor dem Landgericht Hamburg verhandelt – längstens zwei Stunden pro Termin. Ärzte saßen neben dem Angeklagten, der stets mit dem Rollstuhl in den Saal gefahren und von seiner Tochter, seiner Ehefrau und weiteren Familienmitgliedern begleitet wurde. Er befolgte jeden Termin. Jedes Mal trug er dabei Sonnenbrille und Hut sowie eine Mappe, die er sich vor das Gesicht hielt, bis die Fotografen den Verhandlungssaal verlassen hatten.
NEBENKLÄGER
In der Zeit, als Halina Strnad mit ihrer Mutter ins KZ Stutthof verschleppt wurde, schob der junge Schütze Bruno D. mit seinem Karabiner 98 Wache auf einem der Türme. Er sorgte so dafür, dass die Gefangenen nicht fliehen konnten. Die junge Frau, die im polnischen Poznan auf die Welt kam und damals noch Wagowska mit Nachnamen hieß, hatte im September 1944 bereits fünf Jahre im Ghetto in Łódz und im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zugebracht.
Im Gegensatz zu Auschwitz habe es in der Baracke keine Stockbetten gegeben, sondern nur Stroh auf dem Boden. Es sei so voll gewesen, dass sich nicht alle Frauen hinlegen konnten. »Bald gab es Platz. Viele sind sehr schnell gestorben«, sagt Halina Strnad.
Bis die Rote Armee das Lager am 9. Mai 1945 befreite, waren mehr als 100.000 Menschen dorthin verschleppt worden: polnische Zivilisten aus der Region, Juden aus Frankreich und Deutschland, aus Auschwitz und den geräumten Ghettos in Riga und Kaunas, norwegische und polnische Widerstandskämpfer sowie sowjetische Kriegsgefangene. Historiker schätzen, dass etwa 65.000 Menschen dort umgebracht wurden – in geheimen Genickschussanlagen im Krematorium des Lagers, am Galgen, mit Zyklon B in einer Gaskammer und in einem verschlossenen Eisenbahnwaggon sowie durch die lebensfeindlichen Haftbedingungen.
Sie seien »Untermenschen« genannt worden und hätten auch angesichts des Hungers und der fehlenden Hygiene bald wie »Untermenschen« ausgesehen, berichtet Halina Strnad und nimmt einen Schluck Wasser. »Die einzige Arbeit, die wir hatten, war, die Leichen herauszutragen und die Läuse zu töten«, erzählt sie weiter.
Die Frauen seien bespuckt und geschlagen worden. Als sich eine Mitgefangene darüber beschwerte, dass die Deutschen ihr ganzes Eigentum beschädigt hätten, habe ihre Mutter gesagt, dass der größte Schaden den Menschen angetan werde, und dabei auf ihre Tochter gezeigt. »Nach dem Krieg habe ich sehr hart daran gearbeitet, normal zu werden«, sagt Halina Strnad.
REGISTRIERKARTE
»Wir haben unsere Knochen gerettet, jetzt müssen wir unsere Seele retten«, das habe ihre Mutter nach der Befreiung so gesagt, erzählt Lucienne-Suzanne »Schoschana« Rabinovici in ihrer 1991 erschienenen Autobiografie. Sie und ihr Cousin Shimon Indursky waren ebenfalls Nebenkläger im Hamburger Stutthof-Verfahren. Die Urteilsverkündung erlebte sie allerdings nicht mehr: Sie und drei weitere Nebenkläger sind vor Prozessende gestorben.
Viele der 40 Zeugen, darunter 35 Überlebende aus Polen, Israel, Australien, den USA, Litauen, Kanada, Frankreich und Norwegen, konnten wegen ihres Gesundheitszustandes nicht nach Hamburg reisen oder per Video befragt werden. Viele Nebenkläger gaben ihre Zeugenaussagen per Liveschaltung zu Protokoll, andere betraten den Gerichtssaal persönlich. Neben Halina Strnad wurde auch David Falahi Ackermann in Israel per Liveschaltung befragt – wegen der Corona-Pandemie konnte er nicht reisen. Vier weitere Überlebende aus Israel, Frankreich und Polen sowie der Sohn eines Überlebenden aus Norwegen haben den Gerichtssaal persönlich betreten und ausgesagt.
Genugtuung, Pflicht, Angst und Dankbarkeit – die Gedanken, Motive und Gefühle der jüdischen und nichtjüdischen Überlebenden waren so unterschiedlich wie die Nebenkläger selbst. »Ich erinnere mich nicht an ihn, er sich wahrscheinlich auch nicht an mich – wir sind beide älter geworden«, sagt Rosa Bloch, als sie dem Angeklagten gegenübersitzt. Sie hat ihre Registrierkarte aus dem KZ dabei und streckt sie für alle sichtbar in die Höhe.
Ende Januar war die frühere Ingenieurin aus Israel angereist, um ihre Geschichte und die ihrer Mutter vor Gericht zu erzählen. »Es war das Ziel, unsere Anzahl zu verkleinern«, sagt sie, nachdem sie von Appellen, Hunden, Schlägen und Hunger berichtet hat. »Sie waren sehr grausam, weil sie dachten, wir seien keine Menschen mehr«, sagt Rosa Bloch. Die Wachleute hätten alles gesehen. »Ich will, dass sie eine Strafe bekommen«, betont die zierliche Frau mit fester Stimme. Sie könne nicht verzeihen und auch nicht vergessen. »Ich habe ihn angeschaut, auch in die Augen, aber es gab keine Reaktion«, sagt Rosa Bloch später in der Verhandlungspause.
BELASTUNG
Für viele der Überlebenden war der Prozess enorm wichtig, aber auch belastend. Manche forderten eine Verurteilung, aber keine Haft. Michal Kor ließ über seinen Anwalt mitteilen: »Der Krieg ist vorbei. Ihm sollte vergeben werden. Ich möchte keine weiteren Bestrafungen.«
Für die Jugendstrafe ist ein Rahmen von sechs Monaten bis zu höchstens zehn Jahren Gefängnis vorgesehen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine dreijährige Freiheitsstrafe verlangt. Einen Freispruch hatte der Verteidiger des Angeklagten, Stefan Waterkamp, gefordert.
Für die Haupttat sei es egal gewesen, ob der Angeklagte auf dem Wachturm gestanden habe oder nicht. Den Terror gegen die Gefangenen hätten die SS-Mannschaften im Lager und deren Helfer, die sogenannten Kapos, ausgeübt. Sein Mandant sei zur Wehrmacht einberufen und zum Wachdienst in dem KZ gezwungen worden.
In seinem sogenannten letzten Wort behauptete der Angeklagte, dass er erst durch die Berichte der Nebenkläger und der Sachverständigen von dem »Ausmaß der Grausamkeiten« erfahren habe. Er wolle sich bei den Überlebenden und Angehörigen entschuldigen.
Die Richterin sagte zum Angeklagten: »Sie hätten in Stutthof nicht mitmachen dürfen!« Sie kritisierte, dass er seine Schuld bis zuletzt nicht wahrhaben wollte und damals keinen Versuch unternahm, sich versetzen zu lassen. »Sie sehen sich weiter nur als Beobachter dieser Hölle«, sagte sie. »Doch Sie waren einer der Gehilfen dieser menschgemachten Hölle«, so Meier-Göring in der Urteilsverkündung.
GEWISSEN
»Dass ich einmal einem KZ-Wachmann vor Gericht gegenübersitze, 75 Jahre danach – das ist etwas, was ich mir nicht habe vorstellen können«, sagte Henri Zajdenwergier nach seiner Aussage im Februar dieses Jahres. Der Franzose, der in der Textilbranche tätig war und seit über 20 Jahren Rentner ist, berichtete über die unmenschliche Behandlung im KZ Stutthof.
Der 92 Jahre alte Zeuge wurde von der bekannten Nazijägerin Beate Klarsfeld begleitet. Dem Angeklagten persönlich habe er nichts zu sagen, antwortete Zajdenwergier auf eine entsprechende Frage der Richterin. Er könne nichts entschuldigen, der Angeklagte müsse alleine mit seinem Gewissen zurechtkommen und sich mit seinen Taten auseinandersetzen. Henri Zajdenwergier fügte hinzu: »Ich verstehe nicht, warum dieser Mann erst jetzt angeklagt wird.« Die Richterin erwiderte: »Das ist ein großes Versagen der deutschen Justiz.«
Er könne nichts entschuldigen, sagte ein Zeuge, der Angeklagte müsse alleine mit seinem Gewissen zurechtkommen und sich mit seinen Taten auseinandersetzen. Bekanntlich blieb das Gros der NS-Täter und -Helfer straffrei, viele konnten ihre Karrieren fortsetzen. Diesen Unwillen zur Strafverfolgung hatte der Autor Ralph Giordano 1987 die »zweite Schuld« genannt, den Geburtsfehler der Bundesrepublik Deutschland. Diese Hypothek belastete auch den späten Prozess in Hamburg. Zajdenwergier sprach von einer »Parodie«.
Das Verfahren steckte im Dilemma und warf Fragen auf: Was für eine Rolle spielt der Erziehungsgedanke als wichtiges Prinzip für das Jugendstrafrecht, wenn der Täter bereits ein Greis mit schlohweißem Haar ist? Wie kann ein Strafverfahren 75 Jahre nach der Tat Aufklärung bringen?
Deutsche Landeskriminalbeamte hatten einen Tatort zu begehen, der völlig verändert ist, der in eine Gedenkstätte umgewandelt worden war. Vor Gericht beschrieben sie die Höhe der wiederaufgebauten Türme und das Sichtfeld auf Gaskammer und Krematorium. Nebenkläger versuchten, auf Fotos und Lagerplänen zu erkennen, wo sich welche Barackennummer befunden haben könnte. Sachverständige erklärten dem Gericht, wie Menschen an Hunger sterben und wie an Zyklon B.
DILEMMA
Ein Grunddilemma bestand darin, zwar einerseits sorgfältig die Beweise aufzunehmen, andererseits aber die tickende Uhr mit Blick auf das hohe Alter des Angeklagten und der Nebenkläger nicht aus den Augen zu verlieren. Bereits von Anfang an war die Anklage auf die Fälle beschränkt, die sich in bestimmten Bereichen des Hauptlagers zugetragen haben.
Bemerkenswert war die Entscheidung der Richterin, den bloßen Wachdienst in einem KZ wie Stutthof auch jenseits des sogenannten Todesblocks als Beihilfe zum Mord und auch als Beihilfe zum andauernden versuchten Mord zu werten. Verbrechen, die in der Kürze der Zeit auch jenseits des Anklagevorwurfs der Staatsanwaltschaft nachweisbar waren, wurden in drei Fällen berücksichtigt. Der Prozess hat stattgefunden. Und es hat einen Schuldspruch gegeben – das hatten sich wohl alle Nebenkläger erhofft.
Der Staat hat endlich klargemacht, dass Beihilfe zum Massenmord bestraft wird – auch wenn eine Bewährungsstrafe für manche Beobachter das falsche Signal ist. Positiv lässt sich dem sehr späten und damit letztlich unbefriedigenden Prozess abgewinnen, dass er durch die zeitliche Verzögerung für die zweite und dritte Generation erreichbar war und damit für transgenerationale Fragen nach Umgang mit Schuld und Trauma, nach Gefühlserbschaften und Verantwortungsübernahme. Der Enkel der Nebenklägerin Judy Meisel, Ben Cohen, sagte nach dem Urteil in einem Interview: »Es gibt Grautöne. Wenn wir heute verhindern wollen, dass es wieder dazu kommt, müssen wir diese Nuancen verstehen«, so Cohen.
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ankeschwarzer · 5 years ago
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Jugendstrafe für einen Greis
Im Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann des KZ Stutthof ist das Urteil gefallen. Das Landgericht Hamburg hat den früheren KZ-Wachmann Bruno D. wegen Beihilfe zum Mord in mehreren Tausend Fällen und Beihilfe zum versuchten Mord in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.
von Anke Schwarzer | Jungle World, 30.7.2020
Am Donnerstag vergangener Woche endete in Hamburg einer der vermutlich letzten NS-Prozesse mit einer Verurteilung. Es ging um Verbrechen, die vor 75 Jahren verübt wurden. Straftaten, die schon längst hätten aufgeklärt werden müssen. Beinahe hätte auch das späte Verfahren gegen Bruno D., einem früheren Wachmann im KZ Stutthof, die letzte Hürde nicht genommen: Dieses Mal hing es weniger an unwilligen Staatsanwälten und Gerichten, sondern an dem Gutachter und Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE), Klaus Püschel, der dem Angeklagten im Mai vergangenen Jahres Verhandlungsunfähigkeit bescheinigt hatte, wie die Nebenklagevertreterin Christine Siegrot in ihrem Schlussvortrag berichtete.
Doch die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring hatte erhebliche Zweifel am dünnen Gutachten und beauftragte einen weiteren Sachverständigen, der dem Rentner sehr wohl Verhandlungsfähigkeit attestierte. So begann im Oktober dann doch der Prozess – längstens zwei Stunden pro Termin. Ärzte begleiteten den Angeklagten, der stets mit dem Rollstuhl in den Saal gefahren und von seiner Tochter, seiner Ehefrau und weiteren Familienmitgliedern begleitet wurde. Jedes Mal trug er dabei Sonnenbrille und Hut ­sowie eine Mappe, die er sich vor das Gesicht hielt, bis die Fotografen den Saal verlassen hatten. Der Prozess fand nach Jugendstrafrecht statt, weil der Angeklagte zu Beginn der Tatzeit im Jahr 1944 erst 17 Jahre alt war.
Das KZ Stutthof bei Danzig gilt als das erste Konzentrationslager außerhalb der deutschen Grenzen und es war das letzte, das von den Alliierten befreit wurde. Die ersten Gefangenen kamen direkt nach Kriegsbeginn Anfang September 1939. Bis die Rote Armee das Lager am 9. Mai 1945 befreite, waren über 100 000 Menschen dorthin verschleppt worden: Juden aus Auschwitz und den geräumten Ghettos in Riga und Kaunas, gefangene Widerstandskämpfer aus Dänemark, Norwegen und Polen sowie sowjetische Kriegsgefangene. Historiker schätzen, dass etwa 65 000 Menschen dort umgebracht wurden – in geheimen Genickschussanlagen im Krematorium des Lagers, am Galgen, mit Zyklon B in einer Gaskammer und in einem verschlossenen Eisenbahnwaggon sowie durch die lebensfeindlichen Haftbedingungen.
Nach 44 Gerichtsterminen verurteilte das Gericht den 93jährigen D. vergangene Woche zu zwei Jahren Jugendstrafe auf Bewährung. Darüber hinaus muss er die Kosten für seinen Anwalt und seine eigenen Auslagen übernehmen. ­Efraim Zuroff, der Direktor des Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Centers, begrüßte die Verurteilung grundsätzlich. Das Strafmaß beurteilte er in der is­raelischen Tageszeitung Haaretz jedoch als »sehr, sehr enttäuschend«. Zuroff bezeichnete es als »ein Syndrom deplatzierter Sympathie«. In einem Tweet schrieb er, dass D. nun die Freiheit habe, ungestraft nach Hause zu gehen, während die Überlebenden mit ihren Alpträumen und Traumata zurückblieben. Der Staatsanwalt Lars Mahnke hatte eine dreijährige Freiheitsstrafe gefordert. Zudem sollte der Angeklagte die Kosten des gesamten Verfahrens tragen. Der Verteidiger Stefan Waterkamp plädierte für einen Freispruch.
Für die Haupttat, die Beihilfe zum Mord an 5 232 Menschen zwischen August 1944 und April 1945, sei es egal gewesen, ob der Angeklagte auf dem Wachturm ­gestanden habe oder nicht. Den Terror gegen die Gefangenen hätten die SS-Mannschaften im Lager und deren Helfer, die sogenannten Kapos, ausgeübt. Sein Mandant sei zur Wehrmacht einberufen und zum Wachdienst in dem KZ gezwungen worden, nachdem seine Wehrmachtseinheit in die SS übernommen worden war. Die Maxime des ­Angeklagten sei es gewesen, keinen Schuss abzugeben und niemanden zu misshandeln. Den Wachdienst als solchen habe D. nicht als verbrecherisch erkennen können. Es habe keine Vorbilder gegeben, ebenso wenig die Möglichkeit der Befehlsverweigerung. »Wieso sollte ausgerechnet ein 18jähriger aus der Reihe tanzen?« so Waterkamp. Der Angeklagte behauptete in seinem Schlusswort, er habe erst durch die Berichte der Nebenkläger und der Sachverständigen von dem »Ausmaß der Grausamkeiten« erfahren. Er wolle sich bei den Überlebenden und Angehörigen entschuldigen.
»Ich möchte seine Entschuldigung nicht, ich brauche sie nicht«, sagte der 93jährige frühere polnische Gefangene Marek Dunin-Wasowicz der Nachrichtenagentur AFP in Warschau. Er ist einer der 40 Nebenkläger aus Polen, Israel, Australien, den USA, Frankreich und Norwegen. Wenn D. sage, dass er vom Geschehen im Lager nichts bemerkt habe, dann lüge er, so Dunin-Wasowicz. Vielen der Überlebenden war der Prozess wichtig, auch wenn die Aussage vor Gericht für einige enorm belastend war. Manche verlangten eine Verurteilung, aber keine Haft. Michael Kor, ein Stutthof-Überlebender, ließ über seinen Anwalt mitteilen: »Der Krieg ist vorbei. Ihm sollte vergeben werden. Ich möchte keine weiteren Bestra­fungen.«
Die Vorsitzende Richterin Meier-Göring sagte zum Angeklagten: »Sie hätten in Stutthof nicht mitmachen dürfen.« Sie kritisierte, dass D. seine Schuld bis zuletzt nicht wahrhaben wollte und dass er damals keinen Versuch unternommen hatte, sich versetzen zu lassen. »Sie sehen sich weiter nur als Beobachter dieser Hölle«, sagte sie. »Doch Sie waren einer der Gehilfen dieser menschengemachten Hölle.« Die Entschuldigung des Angeklagten habe sie zur Kenntnis genommen, aber »die Frage bleibt, wofür Sie sich entschuldigen«, so die Richterin bei der Urteilsverkündung.
Der Prozess gegen D., dessen Dienst als Wachmann den Ermittlungsbehörden seit 1982 bekannt gewesen war, hat eine wichtige symbolische Bedeutung, kam aber viel zu spät. Vieles lässt sich nach so vielen Jahrzehnten nicht mehr aufklären. Ob der Verurteilte im Prozess gelogen, ob er nur verdrängt und ver­gessen hat – auch das lässt sich nach 75 Jahren kaum noch feststellen. Und der Erziehungsgedanke einer ­Jugendstrafe ergibt bei einem Greis wenig Sinn. Der Prozess kam auch für vier der Nebenkläger zu spät: Sie verstarben noch vor dem Urteil.
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ankeschwarzer · 5 years ago
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Überlebende sagen aus
Im Verfahren gegen einen Wachmann des KZs Stutthof ist die Beweisaufnahme abgeschlossen
von Anke Schwarzer | 02.07.2020, Jüdische Allgemeine
Das NS-Verfahren gegen den 93-jährigen ehemaligen KZ-Wachmann Bruno D. vor dem Landgericht Hamburg gilt als eines der letzten in Deutschland. Und es könnte eines sein, das nicht vor Urteilsverkündung eingestellt wird, wie es etwa beim Landgericht Münster im Frühjahr 2019 der Fall war.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg wirft dem Angeklagten Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vor. Die Taten soll er zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 begangen haben. Zu seinen Aufgaben gehörte es der Anklage zufolge, eine Flucht, Revolte oder Befreiung von Gefangenen zu verhindern.
Die Hauptverhandlung begann bereits im Oktober vergangenen Jahres, nun soll Ende Juli das Urteil fallen. In den letzten beiden Gerichtsterminen Ende Juni und Anfang Juli verlas die Vorsitzende Richterin weitere Aussagen von Überlebenden, die nicht nach Hamburg reisen konnten und sich auch nicht in der Lage sahen, per Video befragt zu werden.
Unter ihnen befanden sich Fred Zeilberger aus Würzburg und Marga Griesbach aus Witzenhausen, die beide in den USA leben. Bald schon werden die 18 Nebenklägervertreter ihrer Mandanten halten – insgesamt 40 Überlebende oder Angehörige von Opfern. Sie leben in Australien, Polen, Kanada, in den Niederlanden, Norwegen, Frankreich, in den USA und in Israel. Einige von ihnen sind zum Prozess angereist, haben als Zeugen ausgesagt und durften als Nebenkläger auch Fragen an den Angeklagten richten.
Andere Aussagen, wie die von Halina Strnad aus Melbourne, wurden per Video in den Gerichtssaal übertragen, da eine lange Reise aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war. Sie war, zusammen mit ihrer Mutter, nach fünf Jahren im Ghetto in Lodz und im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im September 1944 ins KZ Stutthof verschleppt worden.
Prozess Auch die Berichte von David Falahi Ackermann wurden per Video aus seinem Wohnzimmer in Israel übertragen. Der 89-Jährige hatte zwar geplant, persönlich zum Prozess zu kommen und die Reise mit einem Besuch in der Gedenkstätte Stutthof zu verbinden, um sich dort von seinen ermordeten Eltern zu verabschieden. Doch der Ausbruch der Covid-19-Pandemie macht ihm einen Strich durch die Rechnung.
Der Rentner hat vor Gericht ausführlich über die Räumung des KZs Ende April 1945 berichtet, dass das Wachpersonal damals mehrere Tausend Gefangene zur Weichselmündung trieb. Dort mussten die Gefangenen Lastkähne besteigen, die die Ostseeküste entlang Richtung Westen gezogen wurden.
Während der Angeklagte Bruno D. zu einem früheren Zeitpunkt behauptet hatte, er habe auf der Überfahrt keine Toten gesehen, sagte Ackermann: »Es sind Tag und Nacht Menschen gestorben. Man hat die Leichen ins Meer geworfen.« Etwa fünf Tage seien sie unterwegs gewesen – ohne Essen und Trinkwasser. Als einer der letzten Augenzeugen beschrieb er das Massaker an KZ-Gefangenen am Strand von Neustadt, das in den Morgenstunden des 3. Mai 1945, wenige Stunden vor der Ankunft britischer Panzer, stattgefunden hat.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat im Verfahren gegen Bruno D. diese Taten aus der Anklage ausgeklammert. Tatsächlich ahndete die Justiz dieses Verbrechen nie. Mitte Juni hatte die Staatsanwaltschaft zudem angeregt, die Strafverfolgung im Prozess gegen Bruno D. auf die vollendeten Taten zu beschränken und die versuchten Morde aus »verfahrensökonomischen Gründen« auszuklammern.
Es stehe zu befürchten, dass das Verfahren wegen des hohen Alters des Angeklagten sonst nicht mehr zu Ende gebracht werden könnte. Gleichwohl hatte Oberstaatsanwalt Lars Mahnke betont, dass diese Beschränkung auch dem Umstand geschuldet sei, dass es den deutschen Strafverfolgungsbehörden in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen sei, »die Täter und Teilnehmer des verfahrensgegenständlichen Massenmords zeitnah und mit der gebotenen Konsequenz zur Verantwortung zu ziehen«.
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