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beiankunftauskunft · 7 years
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39. Irgendwie verzogen (IV)
39. Irgendwie verzogen (IV) Kaum glänze ich eine Woche lang mit Abwesenheit, verändern sich die Grundfesten meines Kiez' dramatisch. Unser Lieblingsrestaurant mitsamt meiner Leib- und Magenspeisen ist nämlich verschwunden. Das ist eine Katastrophe! Nun bin ich gezwungen, etablierte Ernährungsgewohnheiten komplett neu zu strukturieren. Dabei hielt das BARINI am Böhmischen Platz all die kleinen wie großen Begehrlichkeiten parat, die mich glücklich und mit einem anhaltenden Lächeln nachhaltig sättigten. Dort aß ich meine ersten Arancini: frittierte Safranreisbällchen mit Bolognese-Füllung an Tomatensauce und Salat. Fortan war ich süchtig nach den goldbraunen, tennisballgroßen Kugeln. Was dieses kleine Restaurant jedoch so besonders machte, war das gekonnte Aufeinanderprallen italienischer und anatolischer Küche: Im Safranreis schmeckte man Koriander, die Bolognese war beseelt von Kreuzkümmel und Minze gab der Soße den richtigen Pfiff. Zu seinen Hochzeiten war das BARINI das erste Haus am Platz. Unvergessen jene Fete de la Musique, als man eine Bühne aufbaute und den Kiez bis Sonnenuntergang mit Italo Disco bespielte. Damals naschten wir abwechselnd Häppchen von der großen Vorspeißenplatte und tanzten zu Charlies "Spacer Woman". Ein grandioser Abend, der einander fremde Nachbarn hinauslockte und zusammenrücken ließ. Am folgenden Morgen war alles anders: nun kannte man sich, grüßte einander und traf sich fortan regelmäßig an der Tischtennisplatte zum Turnier. Über das Ende und seine Ursachen ließe sich trefflich streiten. Heute ist unklar, welcher Sargnagel zu erst eingeschlagen war: Lustlosigkeit oder Konkurrenz? Erstere wurde in Gestalt einer neu eingestellten Bedienung zelebriert: Eine gepiercte und gehackte Butch mit Undercut, bösem Blick und derartig schlechter Laune, dass es sich schon wie ein Rausschmiss anfühlte, wenn sie dir die Speisekarten auf den Tisch knallte. Tatsächlich brachte sie das Kunststück fertig, einen komplett wortlos zu bedienen. Zu jener Zeit verkam der Laden zum Cliquentreffpunkt: Eine handvoll etablierter Stammgäste lungerte im Bar- und Eingangsbereich mitsamt dazugehöriger Hunde herum und demonstrierte Verbrüderung, während Normalogästen ein von abschätzenden Blicken und Getuschel versehener Spießrutenlauf in den Gastraum zugemutet wurde. Zu verübeln war denen dieses solidarische Zusammengerücke und skeptische Geklotze allerdings nicht, steuerten sie doch sehenden Auges auf das Ende zu. Dieses Ende wurde in Gestalt einer ebenso zierlichen wie resoluten Bauleiterin zweimal wöchentlich auf der gegenüberliegenden Straßenseite vorstellig und orchestrierte dort eine großflächige Kernsanierung teilweise bracher, teilweise entmieteter Gewerberäume in den Erdgeschossen vier aufeinander folgender Hausnummern.  Heute befinden sich dort von rechts nach links: eine ansehnliche Pizzeria, ein gehobenes Foodstyle-Restaurant sowie eine internationale Kindertagesstätte; allesamt Symbole für einen im Wandel begriffenen Kiez, in dem kein Platz mehr für ein kleines, liebevolles, unaufgeregtes, authentisches und mit den Leibspeisen einer vergangenen Ära aufwartendes Lokal sein wird. Die Zukunft jedenfalls heißt Frühstück; zumindest wenn man den Neueigentümern Katie und Flo Glauben schenken möchte. Immerhin hat sich Skeeter schon eine Meinung gebildet und diese via Edding in Versalien der Nachbarschaft mitgeteilt: "NO MORE HIPSTER SHIT!"
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beiankunftauskunft · 7 years
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beiankunftauskunft · 7 years
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38. Fluchtlinie Messestadt (Epilog)
38. Fluchtlinie Messestadt (Epilog) Als ich das Bett bestieg, war meine Wut auf Viktor und H. noch grenzenlos. Scheinbar sind Multimillionäre hier nicht besonders gelitten. Vielleicht, weil die Stadt in ihrer jüngsten Geschichte von zu zahlreichen Gönnern alimentiert und in Teilen enteignet wurde. Versöhnliche Schläfrigkeit brachte mich indes zur Überzeugung, dass der Eklat auf ein Missverständnis zurückzuführen sein musste. Das geht ja garnicht anders, denn unmittelbar zuvor waren wir uns alle noch grün. Und jetzt halt "rot". Dabei kann ich - mit Abstand beurteilt - H. nicht übel nehmen, sich von mir provoziert gefühlt zu haben. Wenn Viktor mich nämlich tatsächlich so vollmundig und mit Großkotz angekündigt hatte, kann man mich nur verachten. Ist ja logisch. Und dennoch macht sich in mir das Bedürfnis nach Aktionismus breit. Anfangs tendierte ich noch zur Vergeltung, inzwischen ist mir aber nach Wiedergutmachung zumute, was eigentlich auch unsinnig ist. Ich glaube, es wäre eine gute Idee, wenn ich - ganz anonym natürlich - eines von H.s unromantischen Gemälden kaufe und an Annabell verschenke. Eines von den Großformatigen. Fürs Schlafzimmer. Das vereine Wiedergutmachung und Vergeltung: H. bekäme die Kohle und ich entzöge sein Werk der Öffentlichkeit, lasse es verkümmern im Privaten. Klassische Win-Win-Situation. Und jetzt: Gute Nacht.
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beiankunftauskunft · 7 years
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37. Fluchtlinie Messestadt (V)
37. Fluchtlinie Messestadt (V) - Sag mal: Hast du 'n Knall? - Ich? Wieso ich? - Was war das denn gerade? - Ha! Frag ich mich auch. Der Typ ist doch nicht ganz dicht. - Alter, hast du überhaupt eine Ahnung wer H. ist? - Bisher kannte ich nur den Namen. Jetzt weiß ich: Er ist ein veritabler Vollidiot. - Ey, mache mal langsam. Immerhin warst du bei ihm zu Gast. - So geht der also mit seinen Gästen um? Interessant. Werd ich zu Hause mal ausprobieren. - Du kapierst das nicht. H. ist ein sensibler Künstler. Hochsensibel. Das Atelier ist seine dritte Herzkammer. Da kannst du nicht so profan mit den Fingern schnippen. - Doch, kann ich. Haste ja gehört. - Dann brauchst du dich nicht wundern, wenn er dich rausschmeißt. - Moment mal, Viktor. Der Typ hat mich und meine Mutter aufs allerübelste beschimpft, ist fast handgreiflich geworden und hat mich rausgeschmissen. Das alles wegen eines Fingerschnippens? Also: Wer von uns beiden hat hier den Knall? - Man, du musst das verstehen... - Nee. Sorry. Wenn sich einer so verhält, versteh ich erstmal garnix. Und deine Versuche die Unflätigkeiten von H. mit seinem Status zu rechtfertigen, sind doch lächerlich. Ab wann darf ich denn legitim Leute beschimpfen und handgreiflich werden? Als berühmter Maler? Als Musiker mit einer Topten-Platzierung vielleicht? Oder als egomanischer, selbstverliebter Chefredakteur? Oder als Multimillionär? Also ich bin Multimillionär. Da dürfte es kein Problem sein, Menschen wie Dreck zu behandeln. - Man, jetzt sieh das doch nicht so verbissen. - Verbissen ist der Spinner, der wegen eines Fingerschnippens ausrastet. Nicht ich. Und mit billiger Täter-Opfer-Umkehr brauchst du mir garnicht zu kommen. Ich hab nur ein dezentes Geräusch erzeugt. Ich habe keine Mütter beschimpft, ich habe keinen bedroht. Ich bin auch nicht fast handgreiflich geworden. Und ich habe niemanden rausgeschmissen. Was willst du mir eigentlich einreden? - Dass du einfach mehr Respekt zeigen sollst. Ist das so schwer zu checken? - Hab ich doch. - (...) - Weißt du Viktor, ich kann verstehen, dass du stolz auf deinen Superstar bist. Du kannst ihn anfassen, du kannst ihn duzen und besuchen. Das bleibt dir auch unbenommen. Aber dass du ihn so unkritisch abfeierst, ist schon bemerkenswert naiv. - Jetzt mal halblang. Du bist doch hierher gekommen, mit deinem Batzen Kohle. Du willst dich doch hier einkaufen. Sei ehrlich: Das ist doch der wahre Grund, wieso du überhaupt hier bist. Jetzt machst du H. vom Kellner zum Koch, weil er dir, dem Herrn mit der Kohle, Grenzen setzt. - Du hast ihm von meinem Lottogewinn erzählt? - (...) - Das Nicken heißt "ja", oder? Mein Gott, wie bescheuert kann man sein? Und K. und die ganzen Leute wissen auch davon? - (...) - Und alle wollen mir was verkaufen? - (...) - Okay. Und du? Wofür willst du Geld von mir? - So eine Art Franchise-Kooperation und einen zweiten Laden in Berlin... - Und anstatt mich zu fragen, hast du so einen dämlichen Auflauf fabriziert? - Keine Ahnung. - Okay, zum Mitschreiben: Ich bin hier, weil mein Zuhause eine Baustelle ist. Darauf hab ich nämlich keinen Bock. Da dachte ich so: Besuchste einen alten Kumpel und guckst, was dort geht. Bisher wusste nur eine einzige Person von meinem Lottogewinn. Und mein Bankberater und die zuständigen Mitarbeiter der Lottogesellschaft. So. Jetzt hast du das breitgetratscht und - was noch viel schlimmer ist - ein Gerücht gestreut, dass ich hier bin um zu investieren. Was für ein Bullshit, ey. Vielen Dank auch. - Du selbst hast mir gesagt, du willst dein Geld nicht verplempern, sondern was Vernünftiges anstellen mit Kunst und so. - Man Viktor, da war ich besoffen. - In vino veritas. Das sage ich dir als Barkeeper. Das ist meine Kernkompetenz, da kenne ich mich aus. -  Orr. Je später der Morgen desto platter die Sprüche, oder was? - Ach halte doch deine arrogante Fresse! Kommst hier angetingelt mit deinem... Was ist das eigentlich: Ein Sakko, Frack oder doch eher Mantel? Konntest dich wohl nicht entscheiden? Und dazu diese Schickimicki-Lederschuhe... - Ey, die sind Handarbeit und halten mindestens zehn Jahre... - ... ja und? Und seit wann trägst du Hemden. Ist das der Multimillionärs-Dresscode? - Ach komm. Lass sein. Das ist mir echt zu blöd. Ich geh jetzt pennen.
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beiankunftauskunft · 7 years
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36. INFLUENCER MARKETING+++Neu+++Jetzt auch hier+++
36. Influenza Marketing
Ein Problem das jeder kennt (4): Du bist abends mit deinen Kumpels so swaggermäßig am Rumchillen bis einer feststellt: Morgen ist Montag und alle müssen arbeiten. Umgehend macht sich Entsetzen breit, manchen ist die Panik ins Gesicht geschrieben und Angstschweiß erzeugt olfaktorischen Stress. Doch das muss nicht sein: Montags gehe ich gern in die Gemeinschaftsarztpraxis am Karl-Marx-Platz. Frau Doktor schreibt mich bereitwillig nach zwei Hustern und einem Überlastungsseufzer für drei Tage krank. Nützlicher Nebeneffekt: Nach zwei Stunden im mit Influenzapatienten vollgestopftem Wartezimmer kongruiert die Wahrscheinlichkeit sich einen Grippevirus einzufangen zuverlässig Richtung p = 1. Um auf Nummer Sicher zu gehen, empfiehlt sich die Bedienung des praxiseigenen Fahrstuhls inklusive anschließendem Gepopel. Das garantiert einem die mehrfache Verlängerung der aktuellen Krankschreibung. Gehe auch Du noch heute in die Gemeinschaftsarztpraxis am Karl-Marx-Platz. Es lohnt sich!
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beiankunftauskunft · 7 years
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35. Fluchtlinie Messestadt (IV)
35. Fluchtlinie Messestadt (IV) Nach drei umtriebigen Tagen musste ich anerkennen, dass mir das allabendliche Kneipengehocke mit Viktor seinen Stempel aufdrückte. Mittags kam ich zunehmend schwerer aus dem Bett. Mit flauem Magen ließ es sich nicht frühstücken, was der Flauheit ungünstigerweise zuträglich war. Erst wenn sich der Hunger ohrenbetäuend laut und schmerzhaft knurrend artikulierte, war es möglich, ihn mit vornehmlich Deftigem zu bekämpfen. An Viktor hingegen gingen die nächtlichen Sessions spurlos vorbei. Als hätte es die Stunden zuvor keine mindestens drei Bier und zahllose Schnäpse mit Gästen und Freunden gegeben, sprühte Viktor morgens ständig vor Frische, Jugendlichkeit und Elan. Unter der Ankündigung, mich nun in die Szene einführen zu wollen, holte er mich heute vor der Pension ab und gab der Taxifahrerin die Anweisung "Spinnerei. Da wo der Turm steht". Unterwegs plagte mich ein Unwohlsein ganz anderer Art. Schamvoll erinnerte ich mich, vergangene Nacht Viktor gegenüber eine lockere Zunge gehabt und freimütig von meinem Lottogewinn gesprochen zu haben. Daraufhin änderte sich Viktors Verhalten: Nun wirkte er auf mich ruhiger, schweigsamer, bedächtiger - ich würde sogar sagen: kontrollierter. Der Turm - das Ziel unserer Taxifahrt - entpuppte sich als Backsteinesse umgeben von Industriearchitektur des 19. Jahrhunderts. Feierlich schritt Viktor auf eine der uns umgebenden Türen zu. Wir betraten einen wirklich riesigen Hausflur und stiegen Treppenstufen hinauf, bis vor uns eine geöffnete Tür erschien. Dahinter befand sich ein potemkinsches Dorf: Eine ehemalige Industriehalle in der mittels Trockenbau und Holzbrettern kleine Miniflachdachhäuser erbaut worden. Unser freundlicher Gastgeber (Viktor zufolge ein Künstler namens K.) begrüßte Viktor und mich mit stillem Wasser und Vodka. Unterdessen bemerkte ich weitere Gäste die sich unverkrampft um einen Computer gruppierten: manche tanzten, andere suchten auf Youtube nach Songs, fast alle hatten ein Longdrink-Glas in der Hand und von irgendwo her duftete ein Joint. Viktor stellte mich der Reihe nach den Leuten vor. Dabei benutzte er auf mich referierend oft die Erklärung "... der von dem ich dir erzählt habe..." Was er denen von mir erzählt hatte, blieb jedoch vorerst Viktors Geheimnis. Immerhin stellte sich schnell heraus, dass es sich bei den potemkinschen Häusern um nichts weiteres als Zimmer handelte, die der Eigentümer in der Fabrikhalle eigenhändig errichtete, um eine bessere Wohnqualität zu erzielen. Ich fand seine Idee so sensationell, dass ich mich über meine popelige Wanddurchbruchlösung daheim zu ärgern begann. Die Gäste dieser offenbar anlasslosen Feier waren mir allesamt auf Anhieb sympathisch. Wenn sie nicht gerade äußerst ansehnlich tanzten, unterhielten sie sich über wunderbare Themen wie Kafka, David Bowie, Reclam-Bücher oder Raketenwissenschaft. Dabei interessierten sie sich tatsächlich für Inhalte und nicht dafür, ein Thema einzig als plakativen Slogan vor sich herzutragen. So war es kein Wunder, dass die Zeit im Schnellzugtempo verstrich. Während des Sonnenaufgangs stromerte ich zwischen den potemkischen Häusern entlang, erschruk vor einem vögelnden Pärchen, wählte einen anderen Weg und entdeckte an einer Wand ein fast winziges Bild. Hellwach und mit geweiteten Pupillen staunte ich es an. Es erschien mir wie der klassisch-romantische Blick am Baum vorbei vom Rügener Kreidefelsen hinab auf die Ostsee - nur halt ohne Kreidefels und Baum, dafür mit Wasser, Schlagschatten und angedeutetem Strand. Das sachte Gestöhne der Verliebten im Ohr und unter dem Eindruck des draussen vor den Fabrikloftfenstern sich rötlich vorbeiwalzenden Sonnenaufgangs begriff ich dieses kleine Kunstwerk aus Öl auf Leinwand als Allegorie auf die Romantik des 19. Jahrhunderts und auf das, was davon heute übrig is [sic]. Während ich so vor mich hin starrte, schlug K. nach Sonnenaufgang vor, einen Maler namens H. in seinem Atelier zu besuchen. Alle schienen H. zu kennen und stimmten K. begeistert zu. Bei H. angekommen, schien sich dieser tatsächlich über den Besuch der hellwachen Nachtschwärmer zu freuen. Man begrüßte sich weitgehend herzlich während ich an meterhohen Leinwänden entlang schlenderte und schon wieder feststellen musste, dass Friedrichs Romantik hier nicht nur durch Abwesenheit glänzte, sondern von einem nüchternen Realismus hingerichtet wurde, aus dessen zeitgenössischer Perspektive sie - die Romantik - ebenso kitschig erscheint, wie das Kunstgewerbe auf dem Weihnachtsmarkt. Das alles befand sich auf Handballfeld-Größe zwischen hohen, kahlen Wänden und teilweise abgehangenen Panoramafenstern. Beeindruckt, freudig und gedankenversunken streckte ich meinen rechten Arm aus, schnippte mit den Fingern und verfolgte mitsamt Gehör aufmerksam den Weg des Schalls von meiner Hand hin zu den uns umgebenen Wänden, von dort reflektiert zur nächsten Wand undsoweiter, immer weiter sich aufschaukelnd und flatternd bis unter die Decke in schwindeligen fünf Metern Höhe, wo sich das Geräusch mit seiner eigenen Hallfahne erstickte. Plötzlich
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beiankunftauskunft · 7 years
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34. Fluchtlinie Messestadt (III)
34. Fluchtlinie Messestadt (III)
Viktors Werdegang steht sinnbildlich für das neue Verhältnis der beiden Metropolen. Einst in einer angesagten Berliner Werbeagentur als Logogott beschäftigt, flüchtete er dem dekadenten Mitte-Style überdrüssig nach Leipzig. Das selbstzentrierte Zugezogensein dieser bärtigen Fatzken widerte ihn zunehmend an. Keiner konnte mehr geradeaus reden: alberne Anglizismen, Schlagwortsprech und Sprachautomatismen, die ihr eigenes Hohlsein zu verbergen versuchten und deren einziger Inhalt das Signalisieren der Zugehörigkeit zu einer exklusiven [sic] Szene darstellte. Apropos inhaltliche Leere: Deren Partys und Musik zeugen noch immer von einem anspruchsarmen und Tiefgründigkeit vermeidenden Lifestyle, der seine Bedeutungen allein über Bezugnahmen und Referenzen rekrutiert. Das alles mündet in einen Glumpatsch der Auswechselbarkeit und Uniformität: sowohl beim Aussehen als auch beim Reden. Kennste einen, kennste alle. In Leipzig eröffnete Viktor recht bald eine Bar. Das Konzept war echt ausgefuchst, gab es doch dort neben ausgesuchten Getränken auch kleine Häppchen zu überschaubaren Preisen in Michelinstern-Qualität. Viktors Augen funkelten vor Begeisterung, als er mir dies bei den besten Sichuan-Nudeln meines Lebens im Chinabrenner erzählte. Dort, in dieser von Garküchen inspirierten Location, kam Viktor auf seine Geschäftsidee. Das war spät abends, als er einer ebenso exklusiven wie exzessiven Geburtstagsparty eines berühmten Malers beiwohnte, in deren Verlauf Gäste ausgelassen auf Tischen tanzten und/oder sich voller Genuss die aufgetischten Dumplings auf der Zunge zergehen ließen. Sowieso sei das Leipzig in welchem er sich bewege ein zweigesichtiges. Tagsüber herrsche aufgeräumte und professionelle Geschäftigkeit, abends und nachts komme die Zeit der Kreativen, der Künstler, der Schwärmer, der musikverliebten Humanisten, der Drogeristen, der Hutträger, der Narren, der Sinnsucher und Sinnmacher. Viktor kennt sie alle. Jeden hat er schon mindestens einmal betrunken gemacht. Später bekam ich Viktors Bar präsentiert. Die Einrichtung entsprach einem Maschinenraum der Abendgestaltung: Nüchterner Funktionalismus in Gestalt unverputzter Wandflächen und verchromter Be- und Entlüftungsrohre verschiedener Durchmesser wurde von Tischplatten aus warmem Holz und samtigen Sitzecken gekontert. Das war stilistisch absolut überzeugend und lud zum gepflegten Versacken ein. Doch das beste an dem Schuppen war sein Name: "Elli Pergamelli". Ein Name mit merkwürdigem Eigenleben: Der legt sich hin und wieder stumm auf die Zunge und geistert wie ein Ohrwurm durch den Kopf seiner Opfer - was er wohl seiner prosodischen Struktur zu verdanken hat. Viktor hatte diesen Namen einst im E-Mail-Verteiler seiner ehemaligen Agentur entdeckt und nie wieder vergessen können. Logisch, dass ein unvergesslicher Name perfekt für seine Bar war. Perfekt waren auch die aufgetischten Snacks. Allem vorran das Dessert: Ein Cookie mit warmer Karamelfüllung und Eis - dazu Haselnussschnaps. Eine Mischung, die an Gefährlichkeit kaum zu überbieten war. Während ich unterdessen die Stimmung der sympathischen und freundlichen Leipziger auf mich wirken ließ, begrüßte Viktor immer wieder persönlich Gäste, die er sehr gut zu kennen schien. Später - weit nach Küchen- und Barschluss - erklärte er mir das illustre und prominente Spektrum seiner Kundschaft. Da durchquerten wir gerade dem Morgengrauen entgegen den mystisch erscheinenden Clara-Zetkin-Park. Vor uns und an seinen Rändern erhoben sich terassenförmig gestaffelte Neubau-Lofts. Vereinzelte Riesenfrösche hechteten aus dem Dickicht über den Weg hinweg ins nächste Dickicht. Ein alter Mann mit Hut kam uns auf wackeligen Beinen entgegen. Er war in Begleitung von zwei Hunden. Einer der beiden schien blind gewesen zu sein. Und weiter vorn - kurz vorm Parkausgang - kopulierten zwei Menschen ohne zu Hause oder Geduld im Unterholz. Als ich meine Pension betrat, ward es draussen schon hell. In der Stille des Zimmers vernahm ich laut rauschendes Blut in meinen Ohren. An dieser Stelle war klar, dass ich wenigstens bis Mittag schlafen werde...
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beiankunftauskunft · 7 years
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33. Fluchtlinie Messestadt (II)
33. Fluchtlinie Messestadt (II)
Viktor ist ein Auskenner. 2 Tequlia und 2 Bier sind offenbar die perfekte Dosis um sich Lepzsch zu nähern. Auf einmal macht nämlich alles Sinn: Dieser verbummelte Fußballfan am Montagmittag zum Beispiel, der in der Bahnhofshalle textsicher und eisern wie eine Käsereibe das komplette gereimte Fanblockmantra zum Besten gab. Oder der städtebauliche Schildbürgerstreich, der in Gestalt einer mehrspurigen Straße die zum Kopfbahnhof gehörende Straßenbahnstation abschnitt und zu einer schwer erreichbaren Insel deklarierte. Die selbe Straße, die in ihrem weiteren Verlauf zu einer unüberschaubaren, bodenversiegelnden Fläche wurde und in ihrem Vorhandensein Bühne und Platz für abertausende entschlossene Montagsbürger bot, während man im fernen Dresden vielmehr mit dem Versuch der Blockade einer Bahnstrecke und der allgegenwärtigen Sehnsucht nach Flucht beschäftigt war. Wenn, wie an so einem goldenen Herbsttag, die Sonne erbarmungslos diese Betonwüste bescheint, werden unsentimentale Erinnerungen an das sozialistische Lebensgefühl wach: An den einzelnen Menschen der nichts zählte. Der Bäume, Blumen und Wiesen nicht missen durfte. Der als Proletarier maximal vereint kein "Ich", sondern ein "Wir" zu denken hatte. Das "Wir" flog den Unterdrückern letztlich um die Ohren - syntaktisch gekoppelt mit dem Terminus "Volk". Auf einen Berliner wirkt das moderne Leipzig beinahe mediterran. Das mag an den vergleichsweise niedrigen, stuckverziehrten und tageslichtverwöhnten Häuserzeilen liegen, vor allem aber am beeindruckenden Wesen der Leipziger Frauen. Dieses lässt sich am treffendsten mit den Begriffen Klasse, Stil, Eleganz und Leichtigkeit verschlagworten und mich als Betrachter staunen. Keine missmutigen und uniformen Knödelfrisur-plus-Hochwasserhose-plus-Rundbrille-plus-Fransendeckenumhang-Klone, wie wir sie in Berlin überdrüssig sind, sondern stolze, lächelnde, facettenreiche Weiblichkeit. Zunächst schleppte mich Viktor in eine "Pension". Die befand sich im zweiten Stock eines Gründerzeit-Eckhaus' mit imposanter Patina aus Dreck und Zeit. In Wirklichkeit war die Pension ein gehobenes Hostel bestehend aus Ein- und Mehrbettzimmern im Stil der 20er Jahre, bestückt mit barocken Möbeln, Tapeten und Betten. Der Eigentümer nannte es "Künstlerpension", was Sinn macht, betreibt er doch untendrunter eine Bar, welche im 1.Stock - also in unmittelbarer Nachbarschaft zur Pension einen Tanzraum mit Bühne beherbergt. Hier sollte ich die nächsten Tage wohnen...
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beiankunftauskunft · 7 years
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32. Fluchtlinie Messestadt (I)
32. Fluchtlinie Messestadt (I)
"Moinsn" entfuhr es dem erschrockenen Handwerker, als er mich im karierten Pyjama aus dem Schlafzimmer schlurfen sah. Am Hinterkopf kratzend brummte ich ihm ein knurziges "Hm" entgegen und steuerte unbeirrt zielstrebig Bad 2 entgegen, wo ich hoffte, meine allmorgentliche Notdurft erledigen und mir ein paar Hände voll Wasser ins Gesicht werfen zu können. "Nee! Hier...Halt! Ditte jeht nu awer nich, wa!" "Hä?" "Da is jetz allet abjestellt. Keen Wasser, keen Strom. Weeste?" "Orr Nee" Ich bog links in die Küche ab. Unterwegs nahm ich meine körperliche und mentale Zerknirschheit zur Kenntnis. Die dazugehörigen Erinnerungen stellten sich unmittelbar ein: Silberfischkrieg, verstörender B-Movie Schocker aus den 70ern und derbe Filme auf Hopfen und Weed. Nach kurzer Katzenwäsche stopfte ich Wechselklamotten in meinen Rucksack und flüchtete, nicht ohne zuvor den Handwerker-Häuptling an die pünktliche Fertigstellung der Umbauarbeiten und das ordnungsgemäße Hinterlassen meiner Wohnung zu erinnern. Es war Montagmorgen und ich hatte keinerlei Plan - weder für die kommenden Stunden, noch die gesamte Woche. Doch bei einem war ich mir sicher: Ich wollte weg! Raus aus dieser lauten, verstaubten und ungezieferverseuchten Baustelle. Eilig hastete ich zum S-Bahnhof Rixdorf. Eigentlich eine recht angenehme Zufußstrecke, morgens, wenn die Dealer noch schlafen und man unbehelligt seiner Wege gehen kann. Unterwegs fasste ich den Entschluss, mich für die Dauer weiterer Umbauarbeiten in Diaspora zu begeben. Ich rief Viktor an, einen alten Buddy, der vor zwei Jahren geschäftlich nach Leipzig gezogen war. Viktor hörte sich nach langem Klingeln zwar ziemlich verschlafen an, von meinem Vorschlag, ihn zu besuchen, war er dennoch begeistert. Am Bahnhof Südkreuz sollte meine von Merkwürdigkeiten geprägte Reise in die kleinere, attraktivere, intelligentere und - wie sich zeigen wird - ausgeflipptere Metropolenschwester Berlins starten. Die erste Irreführung begegnete mir auf Gleis 3 in Gestalt eines Schummel-ICE: Mein als Intercity Express deklarierter Zug hatte eine Lok. Eine rote E-Lok der Baureihe 101. Die angekoppelten Waggons schienen, was ihre Identität betraf, unentschlossen, sahen sie doch aus wie eine in die Jahre gekommene Mischung der Zuggattungen ICE und IC. Beim Einstieg die nächste Überraschung: Innen traf mein Auge auf feinstes Holzfurnier, dezent veredelt mit Chromelementen. Das Platzangebot übertraf das eines ICE: Keine beengte Röhre sondern ein luftiger Waggon mit großen Fensterflächen, schwarzen Ledersitzen, Deckenverkleidungen aus gebürstetem Edelstahl, Schweizer Birnbaumholz und einer erhabenen Laufruhe. So düste ich nach Leipzig. Während sie mir Frühstück am Platz servierte, klärte mich die Zugbegleiterin auf, dass es sich hier um einen "Metropolitan" handelte, den Zug eines ehemals größenwahnsinnigen Hassardeurs, der vor 2 Jahrzehnten das Schienenmonopol der Deutschen Bahn angreifen wollte und grandios scheiterte. Sein Rollmaterial wurde vom Monopolisten übernommen und überlackiert. Immerhin. Leider war die rasante Fahrt viel zu schnell vorbei. Mir blieb gerade Zeit, das Frühstück zu verspachteln, da erreichten wir schon die ausgefranzten Außenränder meiner Destination. Der Shabby Chic, wie man ihn entlang der Stecken in  Berlin, Brüssel oder Paris kennt, stellt sich hier erst unmittelbar im Bahnhofsvorfeld ein: Verlassene und bunt angebombte Stellwerke verlieren sich unter einem unvorstellbar komplexen Spinnennetz aus Oberleitungen und zwischen zahllosen Gleissträngen, beeindruckend große und alte Lokschuppen in Backsteinoptik beherbergen funktionstüchtige Schienenfahrzeuge und kleine Rangierloks arbeiten wie emsige Ameisen, stellen wahlweise Personen- oder Güterzüge zusammen und übergeben diese rotlackierten Stromkästen mit Rädern untendran und Fühlern obendrauf. Und inmitten dieser betulichen Betriebsamkeit schwebte mein Wunderzug in Europas größten Kopfbahnhof ein. Etwas wehmutig verließ ich den "Metropolitan" und traf am Ende des Bahnsteigs auf Viktor. Er sah gut aus, viel besser, glücklicher und erholter, als ich ihn aus Berlin kannte. Diese Stadt schien ihm gut getan zu haben. Nach kurzer Begrüßung schlug er vor - oder ordnete vielmehr an - unser Wiedersehen im Gleis 8 zu begießen: Einer berüchtigten Bahnhofskneipe in Sichtweite der Bahnsteige. Meinen anfänglichen Widerspruch führte ich auf den noch immer milde dröhnenden Kater zurück, doch Viktors Überredungskünste und die Erinnerung an das üppige "Metropolitan"-Frühstück ließen mich nachgeben. So ließen wir uns umgeben von Berufspendlern, Durchreisenden und Gestrandeten auf je zwei Bier und zwei Tequila ein, bevor Viktor sich anschickte, mir sein Leipzig zu zeigen - eine Ankündigung, die er mit einer Warnung versah: "Vergiss Berlin! Hier steppt der Bär!" ...
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beiankunftauskunft · 7 years
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31. Der totale Krieg (II)
31. Der totale Krieg (II)
21:15 Uhr: Shit, diese gottverdammten Mistviecher spielen mit! Eben lümmelte ich noch entspannt auf dem Sofa rum und versuchte mich mit der Doku "Phase IV" auf ARTE weiterzubilden, da sah ich im Augenwinkel etwas winziges vorbeiflitzen. Kann das sein? Und wenn ja: Wie kann das sein? Ich beschaue meine Füße, an denen sich noch immer Sneakers befinden. Beim Gedanken an deren geriffelte Sportsohle überkommt mich Schaudern: Kann es sein, dass sich die Viecher im Sohlenprofil festhalten? Während ich glaubte, sie zertreten zu haben? Und dass sie sich somit aus dem Bad heraus durch die ganze Wohnung verschleppen lassen? Ja. Es kann. Dieser Erkenntnis folgen unwillkürliches Ekeljucken und Melodie sowie Textzeile des Gassenhauers "Silberfische in meinem Bett". Panisch renne ich zur Wohnungstür, streife mir im Hausflur hektisch die Sneaker von den Füßen und ziehe mir Budapester mit glatter, fester Sohle an. Im Vergeltungsmodus stürme ich daraufhin das Bad: Tür auf, Licht an und zack alles zertreten was auch nur halbwegs einem Silberfischchen gleicht. Mindestens ein Duzend wuselnder Mistkriebel habe ich erwischt. Für meine Feinde muss das ein Gemetzel bisher ungekannten Ausmaßes gewesen sein, das größte Massaker seit Silberfischchengedenken. Ich kann nur inständig hoffen und an deren Intelligenz appellieren, von weiteren Provokationen abzusehen und einfach umzuziehen. Das wäre die für alle Beteiligten beste Option. 22:06 Uhr: Auf ARTE spielen die Terminten jetzt ihre Überlegenheit aus. Mittlerweile gruselt es mich tatsächlich, woran nüchtern [sic] betrachtet auch Bier und Gras nicht unbeteiligt sind. Sorgen mache ich mir insbesondere wegen der vermeintlich in der Sneaker-Sohle verschleppten Tierchen. Was, wenn die sich vermehren? Oder schlimmer noch: Wenn sie Eier trugen, die sie nun in meiner Wohnung verteilen? Eigentlich bin ich ja ein absoluter Gegner von Chemiewaffen in Wohnungen. Aber jetzt? Jetzt bin ich geneigt, mich über die Ächtung von ABC-Waffen hinwegzusetzen und morgen unverzüglich die Kammerjägereinheit zu aktivieren. Annabell kann ich jedenfalls keine Silberfische im Bett zumuten. Eines ist auf jeden Fall klar: Will ich mich heute nächterdings nicht von Panikattacken begleitet in den Halbschlaf wälzen, der mir dann garantiert Träume mit insektoider Weltherrschaft bereithalten wird, muss ich mich mit Bier und Gras soweit komatös abdichten, dass ich es wenigstens sediert bis ins Morgengrauen schaffe. 23:23 Uhr: Hui! Auf dem Weg vom Kühlschrank zur Couch bemerke ich meine Schlagseite. Naja, vier Bier laufen halt nicht so unbeeindruckt durch. Außerdem steht ein weiterer Toilettengang an. Den habe ich zwar maximal herausgezögert, doch wenn man muss, muss man. Die Rauchdauer eines Joints lang überlegte ich, wie ich meinen nächsten Toilettenbesuch gestalten soll. Immerhin habe ich den Anspruch, meinen Feinden stets mindestens einen Schritt vorraus zu sein. Dummerweise bin ich inzwischen so verpeilt, dass sich die Verfolgung eines erhellenden Gedankens als äußerst kompliziert erweist. Welche Methoden stehen mir denn zur Verfügung? Außer der Lichtmanipulation und dem Zertreten? Aber Möglicherweise war das Massaker von vorhin ausreichend, um den Viechern klarzumachen, dass sie hier zwar unerwünscht sind, aber gern in einer anderen Etage siedeln dürfen. Andernfalls gibt es heute Nacht wohl noch den totalen Krieg. 23:39 Uhr: Es ist soweit. Ich betrete Bad 2 mit dem festen Vorsatz kompromisslos gegen die Bedrohung vorzugehen. Und um zu pissen. Soweit scheint alles ruhig. Bis auf die Flecken der zermatschten Gefallenen finden sich auf dem Badboden keinerlei Hinweise auf Zuckergäste. Ich besetze die Klobrille, entspanne plätschernd meine Blase und beobachte den Boden mit Argusaugen. Nach 1,5 Minuten erblicke ich etwas schockierendes: Winzige, halb durchsichtige Babysilberfischchen - zwei an der Zahl - tasten sich vorsichtig, beinahe ängstlich aus der Ritze im Silikon hervor und wagen es 3,6 Zentimeter weit ins Bad hinein. In Kommunikationsabsicht wackel ich mit meiner ledernen Schuhspitze. Sie bleiben abrupt stehen, bewegen sich keinen Zehntelmillimeter. Die armen Babysilberfischchen. Sie sind entweder die einzigen Überlebenden des Massakers oder wurden von ihren älteren Stammesmitgliedern als Vorhut geschickt. Die Schweine. Wie mies das ist, die Kleinsten vorzuschicken. "Huschhusch zurück" flüstere ich. Doch sie stellen sich tot. Was soll ich jetzt machen? Kinder töten? Wehrlose Babysilberfischchen. Die kennen doch nicht einmal die Duck-and-Cover-Methode. Möglicherweise ist diese Mitleidsmasche aber auch Teil einer neuen Strategie: Einmal nachgegeben werde ich alsbald - vielleicht noch heute Nacht - von einer ganzen Vielfüsslerarmee überrannt. Nein Danke! Und fatsch werde ich zum Silberfischkindermörder.
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beiankunftauskunft · 7 years
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30. INFLUENCER MARKETING+++Neu+++Jetzt auch hier+++
30. INFLUENCER MARKETING
Ein Problem das jeder kennt (3): Du bist abends mit deinen Kumpels so swaggermäßig am Rumchillen bis einer feststellt: Das Gras ist alle! Umgehend macht sich Entsetzen breit, manchen ist die Panik ins Gesicht geschrieben und Angstschweiß erzeugt olfaktorischen Stress. Doch das muss nicht sein: Mein Gras kaufe ich immer bei Sainabou in der Hasenheide. Sainabou hat stets die beste Qualität und handelt mit mir, ohne aufdringlich zu werden. Sainabou nimmt seinen Job und seine Kunden ernst. Ich vertraue ihm. Er vertraut mir. Er hat mich noch nie abgezockt. Sainabou hat seinen Busch und die Bunker im Griff, er ist immer freundlich und hält für seine Kunden ein Lächeln bereit. Check auch Du Sainabous Gras in der Hasenheide aus. Es lohnt sich!
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beiankunftauskunft · 7 years
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29. Der totale Krieg (I)
29. Der totale Krieg (I)
Gent ist definitiv eine Reise wert. Nicht nur wegen der Gebrüder Eyck und des mittelalterlichen Miefs, auch wegen der beeindruckenden Hochgeschwindigkeitsbahnfahrt mit Thalys und ICE. Und natürlich war ich in Begleitung von Annabell unterwegs, die sich heimwegs nach dem aktuellen Stand der Wohnungsumgestaltung erkundigte. Ich eröffnete ihr, dass innerhalb der nächsten Tage die Baderneuerung abgeschlossen sei und sie im Anschluß die Kücheneinrichtung übernehmen könne. Als sie vor ihrer Tür dem Taxi entstieg und ich weiter Richtung zu Hause düste, war ich gespannt auf den Baufortschritt in meiner Wohnung. Doch dort angekommen, packte mich das blanke Entsetzen: Die Handwerker hinterließen Bad 1 als unbenutzbare, grundentkernte und verstaubte Trümmerwüste. Dagegen wurde in Bad 2, dem ehemaligen Nachbarwohnungsbad, nicht ein einziger Handgriff getätigt. Zum Glück, wie ich schnell feststellen durfte, denn ein Defäktionsbedürfnis drängte mich um 18:42 Uhr zur Erstbenutzung und ohnehin war ich noch viel zu Gent-begeistert, um mich aufregen zu wollen. Wie ich da also im Sitzen gedankenverloren vor mich hin defäktierte, erblickte ich auf den weißen Bodenfliesen drei kleine Schmutzpartikel die sich verstörenderweise bewegten. Ich musste schon ein wenig grübeln, um mir bewusst zu werden, dass es sich hier um Silberfischchen handelte. Meine erste naive Gegenmaßnahme sah vor, die schlüpfrigen Scheißerchen mit der Klopapierrolle zu erschlagen, was bei Silberfischchen wegen ihrer robusten Schuppen und der ökonomischen Oberfläche erwiesenermaßen nicht funktioniert. Also konzentrierte ich mich auf die gewissenhafte Beendigung meiner Defäktion und versuchte im Anschluss die Viecher zu zertreten. Mit der Filzsohle meiner Hausschuhe kam ich jedoch zum gleichen unbefriedigenden Ergebnis wie beim Einsatz der Klopapierrolle. Außerdem flüchteten die flinken Mistkriebel in Fliesenfugen, wo sie sich schützengrabenmäßig einbunkerten: Duck and cover. So tauschte ich Hausschuhe gegen Sneakers und betrat kampfbereit das Bad aufs Neue. Doch die Viecher waren weg - was mich zunächst beruhigte und die insektoide Bedrohung im ehemaligen Nachbarwohnungsbad schnell in Vergessenheit geraten ließ 20:19 Uhr: Meine inzwischen biergefüllte Blase trieb mich wieder gen Toilette. Diesmal entschied ich mich wohlweislich sofort für feste Schuhe und griff erneut zu Sneakers, zurrte die Senkel fest, schlich ins Bad, setzte mich auf den Klositz und lauerte meinen neuen Feinden auf. Es dauerte, bis sie sich blicken ließen. Wahrscheinlich hatte sich meine Anwesenheit im Volke der Silberfischchen rumgesprochen. Schließlich kamen die ersten beiden aus winzigen Ritzen im Silikon zwischen Kachelboden und Wandfliesen gehuscht. Wenige Zentimeter wagten sie sich vor, hielten kurz inne und preschten plötzlich wie verabredet los. In Blitzgeschwindigkeit schnellte ich hoch, trat drauf und erwischte beide - noch bevor sie Zuflucht in den Fugen finden konnten. Ich war zufrieden. 20:31 Uhr verließ ich das Bad bei angeschaltetem Licht. Bis dahin konnte ich drei weitere Exemplare töten. Absichtlich bediente ich mich fortan etablierter Methoden der psychologischen Kriegsführung: Eine halbe Stunde später löschte ich das Licht, um es zwei Minuten darauf wieder an- und erneut auszuschalten. War das Bad im Zustand dunkel, klopfte und polterte ich gegen die Tür. Meine Zuckergäste sollten begreifen, dass sie weder im Dunkeln noch im Hellen sicher waren. Dieses Psychospiel erweiterte ich alsbald um eine neue taktische Bedingung: Bad im Hellen betreten, die Silberfischchen jedoch ignorieren. Das Ziel war klar: Es sollte sich ein Gewöhnungseffekt einstellen, in dessen Folge sich meine Feinde in Sicherheit wähnten und von mir einfacher zu liquidieren seien...
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beiankunftauskunft · 7 years
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28. INFLUENCER MARKETING+++Neu+++Jetzt auch hier+++
28. INFLUENCER MARKETING
Ein Problem das jeder kennt (2): Du bist abends mit deinen Kumpels so swaggermäßig am Rumchillen bis einer feststellt: Das Bier ist alle! Nun könnte man ganz relaxt zu Alis Lottoladen-Schrägstrich-Kiosk wackeln und sich mit dem Nötigsten eindecken. Doch es ist Sonntag. Späti-Verbot. Umgehend macht sich Entsetzen breit, manchen ist die Panik ins Gesicht geschrieben und Angstschweiß erzeugt olfaktorischen Stress. Doch das muss nicht sein: Sonntagabends kaufe ich Tabak und Bier im AK44-Kiosk am S-Bahnhof Sonnenallee. Die haben die Fenster mit Holzbrettern verbarrikadiert und schlagen so dem Ordnungsamt ein Schnippchen. Im AK44 herrscht eine fetzige Stimmung, man ist immer freundlich, der Bierkühlschrank hält für jeden Geldbeutel etwas bereit und es gibt sogar Katzenfutter. Check auch Du sonntags den AK44-Kiosk am S-Bahnhof Sonnenallee aus. Es lohnt sich!
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beiankunftauskunft · 7 years
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27. INFLUENCER MARKETING+++Neu+++Jetzt auch hier+++
27. INFLUENCER MARKETING
Ein Problem das jeder kennt: Du bist abends mit deinen Kumpels so swaggermäßig am Rumchillen bis einer feststellt: Das Bier ist alle! Umgehend macht sich Entsetzen breit, manchen ist die Panik ins Gesicht geschrieben und Angstschweiß erzeugt olfaktorischen Stress. Doch das muss nicht sein: Abends kaufe ich Tabak und Bier im Lottoladen-Schrägstrich-Kiosk bei Ali am Böhmischen Platz. Ali ist immer freundlich, der Bierkühlschrank hält für jeden Geldbeutel etwas bereit und das Zeitschriften-Repertoire ist erschöpfend. Check auch Du Alis Lottoladen-Schrägstrich-Kiosk aus. Es lohnt sich!
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beiankunftauskunft · 7 years
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26. Handwerk & goldener Boden
26. Handwerk & goldener Boden
Unter Berufstätigen gelten Handwerker als eigentümliche Spezies. Verglichen mit anderen, insbesondere vom Aussterben bedrohten Arbeitnehmern wie Journalisten oder Einzelhändler, mutet der Handwerker wegen der gefühlt hunderte Jahre zurückreichenden Tradition seiner Zunft wie ein verstaubter aber quicklebendiger Dinosauerier an. Und dieser Dinosaurier hat Privilegien: Er kommt und geht wann er will. Um Festlegungen zu vermeiden, entzieht er sich jedem Versuch einer Abstimmung und nagelt man ihn doch einmal auf eine Uhrzeit fest, erscheint er im Schnitt drei Stunden später. Warum er das macht? Weil er kann! Am Ende geht nämlich alles irgendwann kaputt und dann brauchen wir sie, die Handwerker. Meine Handwerker hatten nach erfolgtem Mauerdurchbruch zur unbewohnten Nachbarwohnung den Auftrag, Bad 2 auf Gästeklogröße zurückzubauen und Bad 1 zu vergrößern und aufzuhübschen. Dafür rückten sie in 4er Mannschaftsstärke an. Natürlich drei Stunden zu spät. Tag 1 war offenbar für die Anlieferung der Baumaterialien reserviert. Gips, Trockenbauwände, Rohre, Fliesen und so allerei Gerümpel wurden hinauf geschleppt. Ihr permanent flehentliches Herbeiwünschen eines Fahrstuhls war in Verbinung mit einer Prise Ironie anfangs noch erträglich, wurde aber schnell zum Klagelied, das die gestandenen Männer lächerlich erscheinen ließ. Die Materialanlieferung dauerte keine zwei Stunden. Im Anschluss war "Feierabend". Nicht etwa Mittagspause. Nein, Feierabend. Der Arbeitseinsatz für Tag 2 musste kurzfristig telefonisch abgesagt werden. Begründung: Notfall auf einer anderen Baustelle. An Tag 3 wurde die Manschaftsstärke auf das Minimum reduziert: 1 Handwerker kündigte an, lediglich einzelne Rohre freilegen zu wollen. Begründung: Da Tag 2 abgesagt wurde, könne der Auftrag nun nicht wie vereinbart vor dem Wochenende abgeschlossen werden. Und da ich seinem Mutmaßen nach am Wochenende nicht auf einer Baustelle ohne Wasseranschluß leben möchte, würden an Tag 3 eben nur Rohre freigelegt werden. Tag 4 - Freitag - wäre dann frei, weil: Begründung siehe oben. Weitergemacht, beziehungsweise erstmal richtig angefangen, wird am Montag. Bemerkenswert war die schroffe und abbügelnde Art, mit der der Kollege seine Ankündigung vortrug. Mein Verständnis für die einseitige terminliche Neuausrichtung des Auftrags hielt sich Grenzen. "Ich bin am Wochenende sowieso nicht da." entgegnete ich trocken. Und: "Mir ist herzlich egal, wie es hier aussehen wird. Kümmern sie sich darum, den Auftrag pünktlich abzuschließen." Maulig griff der Kollege zu seinem Handy und blökte etwas auf nuschelndem Berlinerisch in den Apparat. Eine halbe Stunde später standen vier weitere Kollegen vor der Tür, bepackt mit allerlei Werkzeug. Zwei Kollegen kannte ich von Tag 1. Die anderen beiden waren augenscheinlich balkanesische Schwarzarbeiter in Jogginghose und Pullover, die erst vor wenigen Minuten angeheuert wurden: Kleingewachsen, bierbäuchig, mit markanten Knollnasen, leerem Blick und tief zerfurchter Gesichtshaut, in deren Tälern Dreck vorheriger Baustellen wie Sediment anzulagern schien. Und da mir der Sinn ganz und gar nicht danach stand, den Kollegen stundenlang beim lärmenden Arbeiten zuzuschauen, ließ ich den Anführer ein Schlüsselübergabeprotokoll unterschreiben, machte mich aus dem Baustaub, sammelte Annabell nach Feierabend auf und düste mit ihr nach Gent, wo wir uns ausführlich mit der Paragone zwischen Bildhauerei und Malerei zu beschäftigen vornahmen.
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beiankunftauskunft · 7 years
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25. Bettlermonolog
25. Bettlermonolog
das juckig geht nich weg. will kratzern darf nich kratzern. ganze nacht schon kratzert mit fingernägels wo was dann blutig war. krätzig. scheiß krätzig. fick. brauch was fürdurchdienacht. wennstens gudd die neue tschuhe. kann laufen jetzt. gudd laufen. geilistisch. muss laufen wo zum s-bahnhof hin. muss laufen. muss mein kleinstgeld kriegen. arbeit. frage heut nurnoch: kleinstgeld? und: bitte für nur 1 kaffee? drei eurogeld wäre perfett wäre vier katongs wein wäre dann um eense wäre in unnakunft bei mittagessen wäre dann halbe stunde für katong numero eens wäre dann in suff bis abentbrot in unnakunft wäre dann noch drei katongs wäre dann teddi, schnauz, rochäh unn dem rochäh sein glumpscher kumpel dazu. wennstens die habe ziggis von fitschi unn was zun reinmachen. was wo riecht nach plastick darf man nicht soviel. was wo riecht nach katzepisse ist auch okay. alles was wo riecht muss draussen rauchen. wegen rausverweis. hatt ich scho zweimal. muss dann in alten bauwagen an straße pennen. bei die drei schnapspolen. muss ich nich haben. lieber die unnakunft. für einsmal fick eins geturnte ziggi. wäre dann noch zwei katongs fürdurchdienacht. glotze du nicht so an mich ran. reichtyp. seh ich aus scheiße, wa?! leck mich fick. zebra. müssen anhalten. scheißautos. glotzen alle blöde raus. glotzt mal woanders, ey! woaaaanders! am kiosk ist dor rütschie. aba der darf eh nich rein wegen stinken. edelpenner. suppenkasper mit was wo keen zahn mehr in fresse hat unn kaputte füße aber pilsator in glaspulle saufen. der feine herr. will nich wissen, was rütschie fürdurchdienacht hat. fahstuhl is gudd. fahstuhl läuft auch. geilistisch. "Hier ist auch drinnen drinne noch Platz auch. Bitteschön" ... "Ja Bitteschön. Nicht? Können auch noch reinpassen. Bitteschön!" fick. dann eben nich. dumme kuh! wohl angst ob ich dein kind fresse oder krank mache. hab selbs kinder 3 stück auf der welt. alles hab ich gegebt für die. studieren arbeit. dann hamse mich ausgesetzt wie dreck wegen zu alt. kuh! jetzt hier bahnsteig. heut wennstens mit die tschuhe. geilistisch. blabla - fehrte fahgäste strömung in triebslauf. spätung unn fall - blabla. nochma haare streichen lächeln unn los! "En-'tschuldigung. En-'tschuldigung. K-könnte ich vleicht...Ha-haben Sie bitteschön Kleinstgeld für mich...ähm für ein Kaffee?" arsch! "Ja? Nein? En-'tschuldigung. Für ein Kaffee? Kleinstgeld?" scheißlack affe. "Bitteschön?" "Dankenschön. Vielen Dank. Habe auch Sie eine schön Tag!" wennstens 50 zent eurogeld. "En-, En-, En-'tschuldigung Sie! Bitte eine Frage. Für ein Kaffee haben Sie Klein- ähm Kleinstgeld für mich? Nur für ein Kaffee? Bitteschön?" ja blabla arbeiten. was tust du denken was ich machen? penner! "Darf ich Sie eine Frage? Nur für ein klein Kaffee? Ha-haben Sie vleicht Kleinstgeld? Bitte?" war kloar. "En-'tschuldigung?" ja dreh einfach weg. fick. die ganze a-löcher. seh ich aus wie ansteckend aus? "Ich wollt nur einma fragen... Hallo? En-'tschuldigung?" fick. was das da vorne? is das...? muss ich gucken... ist das 25er flasche? ja! geilistisch. unter bank wie für mich hinnestellt. schnell weg in tasche und runna in kiosk bevor eener kommt unn se mich wegklaun will. wie rütschie. juckig ist wieder da. scheiß krätzig. fick. brauche mehr kleinstgeld unn juckig tut weh tun...
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beiankunftauskunft · 7 years
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24. Wohnungsdialoge (I)
24. Wohnungsdialoge (I)
- Und? (genervt) - Hi! Was und? - Wollt ihr schon bestellen? - Na ich weiß nicht. Hast du denn schon...? - Wenn ihr noch braucht, komm ich später... - Nein, nein. Ich nehme Panini mit Tomaten-Paprika-Creme, Walnüssen, Tomaten, Weichkäse und Rucola. - Okay. - Und ich nehme...ähm... die mit Couscous gefüllten Paprika am Jogurth-Minz-Dip mit Gurken. - Was trinken? - Ein helles Rollberg... - Für mich einen grünen Veltliner und eine Rhabarbersaft-Schorle. - ... - Boah! Wie ist die denn heut drauf? So maulig. Da bekomm ich gleich schlechte Laune. - Wer weiß, was die so gestresst hat. Das letzte Mal war sie eigentlich nett. - Und uneigentlich? - Uneigentlich auch. (lacht) - Eigentlich kann ich sie gut verstehen. Da guckst du aus dem Fenster und siehst drüben die reiche Konkurrenz. Der eigene Laden läuft nur so mittel und bei denen da tobt der Bär. Was sind das überhaupt für Typen? Kennst du jemanden, der schon dort war? - Nö. Im Neuköllner hab ich mal ein Portrait über einen Kerl gelesen, der wohnt Braunschweigerstraße. Dort, wo draussen am Hauseingang die Halbstarken und Dealer rumlungern. Der macht irgendwie was mit Mode und geht dort immer hin, weil der Kaffee gut sei. Er hat im Interview auch gesagt, dass er die Dealer immer grüßt. Ha! Wenn du das Foto von ihm gesehen hättest, würdest du wissen, dass das Angeberei ist. Ich kauf ihm das nicht ab. Never! - Aha. Weil der Kaffee gut sein soll, geht der dort hin? Und dafür haben die die Ladenfläche ein Jahr lang entkernt? Und eine übelst teure Hitech-Küche übelst aufwendig einbauen lassen? Inklusive Ablassventil für abgeschiedenes Fett direkt in der Hausfassade. Irre. - Dein Antifa-Freund hat sich dort neulich auch mit Edding auf den Tischen draussen verewigt. Verpisst euch very much steht da, glaub ich, drauf. - Skeeter? Der Typ ist nicht mein Freund. Wenn die Antifa wüsste, was der treibt, würden die dem den Edding wegnehmen. Oder die Finger brechen. Oder beides. Letztens hat er an der internationalen Kita nebenan irgendwas wirres mit Revolte, Gewalt und Leben gekrakelt. Der peilt es einfach nicht. Wahrscheinlich ist der genauso besoffen, wie die nächtlichen Pöbel-Trolle im Facebook. - Mit dem Unterschied, dass man den Besoffen-auf-Facebook-Kram am nächsten Tag wieder löschen kann. - Stimmt genau. - So. Einmal Panini, hier die Paprika. Ihr Bier. Bitteschön. Und der Wein und die Rhabarberschorle. Guten Appetit. - Danke. - Na dann. Lass es dir schmecken. - Dir auch. - ... - ... - Du, Ich hab mir die Wohung angeschaut, von der du erzählt hast. - Echt? Hast du? Und? - Anschauen ist fast zu viel gesagt. Da waren minimum einhundert Leute da. Alle wegen dieser einen Wohnung. - Wahnsinn. - Du hättest sehen müssen, wie die sich benommen haben. Auweia. Da tun sich Abgründe auf. Der Vormieter, also der, der die Wohnung jetzt weitervermieten will, hatte dort Zettel ausgelegt. Damit sich die Interessenten mit ihren Daten eintragen können. Da war ein Typ, der hat gleich mal einen Stapel ausgefüllter Zettel heimlich - so schwups -  in seiner Tasche verschwinden lassen. Andere hatten richtig beeindruckende Exposés über sich selbst mitgebracht, teilweise seitenlang und bebildert. Da fragst du dich erstens: Wer macht so was? und zweitens: Was soll das bringen, außer ein übersteigertes Ego auszustellen? Auch wie sich die Leute verhalten haben: mit so einer unterschwelligen Aggression. Einer blieb minutenlang in einem Türrahmen stehen und verwehrte damit den anderen Besuchern den Zutritt zu weiteren Zimmern. Dabei tat er so, als würde er geschäftig irgendwas mit seinem Handy machen. Der ließ die Besichtiger quasi von sich abprallen. Und so ein Büro-Mensch im Maßanzug stolzierte herrisch herum und fabulierte mit seinem Etepetete-Frauchen laut über die zukünftige Inneneinrichtung. Ein Paar bot dem Vormieter sogar einen Pachtgarten an, um den Zuschlag zu bekommen. Die festgelegte Ablösesumme von 7500 Euro sollte natürlich erlassen werden. Und ganz zum Schluss, eigentlich schon nach Ende der Besichtigungszeit, kreuzte - das glaubst du nicht - noch ein weiteres Paar auf. Du hättest die Frau sehen sollen: Kleines Schwarzes, Riemchen-Pumps, Möpse knapp unters Kinn geschnallt. Ihr Freund Schrägstrich Ehemann hat sie dann allein gelassen, damit sie sich "umsehen" könne. Ich bin dann auch gegangen, aber die Intention dieser letzten Besucher war schon ziemlich offensichtlich. - Schrecklich. Ich hab dir doch gesagt, dass die Leute in dieser Stadt immer seltsamer werden. Aber erzähl endlich: Wie war nun die Wohnung? - Die Wohnung ist schon toll. Keine Frage. Große, hohe Räume, Stuckdecken. Zwei Bäder fand ich ein wenig übertrieben, ist aber okay. - Also willst du sie nehmen? - Nein. - Warum nicht? - Wegen dem Rattenkönig. Von dem hat mir der Typ vom Späti unten im Haus erzählt. - Rattenkönig? Was ist das? - Musst du dir ein Rattennest vorstellen. In diesem Rattennest leben hunderte Ratten. Die verheddern sich irgendwann mit ihren Schwänzen zu einem riesigen Knäul. Und dieses Knäul ist dann sozusagen wie ein Organismus. Babyratten werden geboren, rennen draussen rum, schleppen Fressen an und verknäulen sich mit den anderen, wenn sie groß genug sind... - Ekelhaft. Gut, dass ich kein Fleisch bestellt habe. Das ist ja gruselig. - Eben! Der Späti-Typ hat weiterhin erzählt, dass unter der Brandmauer vom Haus ein verschütteter Keller ist. Dort lebt der Rattenkönig. Giftköder haben da keine Chance. Normalerweise müsste man unterirdisch aufwendig einen Mauerdurchbruch vornehmen und das Vieh dann mit einem Flammenwerfer... - Krass! Ich will's garnicht wissen... - Hm. Das mit dem Flammenwerfer geht aber nicht. Wegen der Statik von dem Haus. - Kann das sein, dass du mich gerade verarschst? - Ich? Niemals! Außerdem hat mir der Späti-Typ gesagt: nie im Leben  würde der Hauseigentümer einem Nachmietervertrag zustimmen. Ist ja klar, der ist ja nicht dumm, dafür aber geldgeil. Bei einer Neuvermietung kann der Eigentümer nämlich wieder dicke 20 Prozent mehr Miete kassieren. Bei einer Nachvermietung durch den Vormieter bleibt es bei der alten Miete. - War das Theater also komplett für umsonst? - Könnte man meinen. Jedenfalls hab ich mir noch andere Wohnungen angeguckt. Kannst du alle vergessen: entweder überteuert wie sonstwas oder langweilig und dunkel. Also bin ich zu meinem Vermieter und hab ihm nach zähem Ringen meine Wohnung und auch die leerstehende Nachbarwohnung abgekauft. Nächste Woche kommen die Handwerker. Die machen zwei Wände weg und mauern eine Wohnungstür zu. - Du bist verrückt. Du nimmst mich doch schon wieder auf den Arm! - Nö. Ich hab mir das ziemlich rational überlegt. Immerhin ist das die erste sechsstellige Summe, die ich investiere. Wir haben dann also 125 Quadratmeter und fünf Zimmer. Hier ist dein Schlüssel.
(Und Annabell so: *freu)
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