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VIII
Das gleichmäßig pulsierende rote Alarmlicht strich methodisch über Harrys zitternde Hände, während die immergleiche fast menschliche Stimme aus der Decke und aus jeder Wand zu schallen schien. ALARM! Bitte begeben Sie sich unverzüg-. Er ließ seinen Kopf in seine unruhigen Hände fallen, verzog sein Gesicht und ließ einen lautlosen Schrei los. Es muss doch alles endlich ein Ende haben, diese verdammte Stimme treibt mich noch in den Wahnsinn. Harry knirschte seine Zähne zusammen und spannte seine Arme an, nur um von einem fast schon zerreißenden Schmerz in seinem Oberarm aus der Fassung gerissen zu werden. Tief ein. Tief aus. Er richtete sich auf und betrachtete das Schussloch in der Rüstung an seinem Oberarm. In seinen Augen glühte das Loch in seiner Rüstung noch immer, er konnte doch ganz genau spüren, wie es seine Haut langsam verbrannte, auch wenn ihm alle etwas anderes sagten. Wie gern würde er einfach die Rüstung losreisen, am besten seinen ganzen Arm mit dazu und einfach wegrennen. Stattdessen saß er dort, alle Fenster verbarrikadiert, jede Tür verschweißt und verriegelt und stierte seine Waffe an, die gut 2 Meter vor ihm gegen die Wand lehnte.
„Hier!“ eine lächelnde, breite Figur mit langen, schwarzen, welligen Haaren streckte ihm eine Wasserflasche entgegen, seine eigentlich dunkle Rüstung im grellen Rot des Alarms eingetaucht. Harry nahm ihm die Flasche wortlos ab, während sich Benji ihm gegenübersetzte. Er starrte ihn noch immer mit einem kleinen, fast schon beruhigenden Lächeln an. Harry fixierte seinen Blick auf das mit Klebeband tapsig eingekreiste A auf Benjis Panzerung.
„Harry, richtig?“ Harry blickte nur kurz auf und nickte langsam. „Einer von uns?“, Benji tippt auf das übergroße A auf seiner Brust. Ein schmerzhaftes kleines Lächeln machte sich in Harrys Gesicht breit und er neigte seinen Kopf leicht auf die Seite, „So ähnlich.“. „Ah!“ sein Grinsen wurde mit einem Schlag um ein Vielfaches breiter „Ein Kommunist, hm?“, Harry nickte ein bisschen lebhafter, sein Blick noch immer gen Boden gerichtet. „Und Leute nennen mich einen Träumer! Komm, du kannst doch die letzten Stunden deines Lebens nicht damit verbringen, eine Depression zu entwickeln!“ Benji sprang auf, hob Harrys Waffe auf und ging voraus, ohne auf seine Antwort zu warten. Nachdem Harry verarbeitet hatte, was gerade passiert war, sprang er ebenso auf und eilte ihm nach. Wortlos ließen sie den beklemmenden, in Rot getauchten Raum hinter sich und durchschritten einen Korridor, an dessen Ende sich ihnen eine riesige, belebte Halle eröffnete, Hektar um Hektar an Getreidefeldern, soweit das Auge reichte, gefüllt mit mechanischen Erntehelfern und hier und da ein paar Ingenieure. Benji und Harry stiegen die hellen Stiegen herab, begrüßt von 2 weiteren Mitstreitern, einer mit einem weiteren eingekreisten A, aber diesmal in rot und schwarz gefärbt, der andere mit einer roten, gekrümmten Rose mit einem schwarzen Stiel, an dem Stoffteil seiner Rüstung angeheftet. Hier drinnen hätte man meinen können, dass der Kampf schon vorbei war, ja dass er sogar nie stattgefunden hätte.
Sie gingen weiter an den Feldern vorbei und es wirkte fast so, als würde ausnahmslos jeder Anwesende hier Benjis engster Freund sein. Harry war es nicht gewohnt, von irgendjemandem, geschweige den allen, begrüßt zu werden.
Die Felder hinter sich lassend bogen sie links ein, wo Metallteile auf einem Haufen, Waffen auf dem anderen und jegliche Elektronik auf wieder einen anderem schlampig, aber doch geordnet, lagen. Von den drei Mechanikern, die gerade einen Unterdrücker auseinandernahmen, hob nur eine ihren Blick, leuchtete beim Anblick der Zwei förmlich auf, blieb aber sie beäugend stehen, ein Schweißgerät in der Hand. Benji hob verspielt eine Augenbraue kurz bevor er den Schweißer entgegengeworfen bekam.
„Hey Dummkopf, vielleicht sollte ich dich die Dinger mal auseinandernehmen lassen, damit du mal in deinen Schädel bekommst, dass mir die halb verschrottet nichts mehr bringen.“ Lächelnd auf den Boden schauend näherte er sich ihr langsam und legte eine übergroße Hand auf ihre Wange „Tut mir außerordentlich leid, dass ich mein Leben beschützt habe.“ Er musste sich herunterbeugen, um sie zu küssen „Das nächste Mal mach ich’s besser, dann kannst du mich am Ende auseinandernehmen, Eileen.“ Mit einem breiten Grinsen nahm sie ihm das Gerät wieder ab und drehte sich um „Kaum zu glauben, aber tot bist du mir tatsächlich NOCH unnützer als lebendig! Sie sitzen im Übrigen heute in der Rüstungskammer, Angst vor Anschlägen nehm‘ ich an.“
Harry schaute bloß von weiter im Hintergrund zu, ihn hatte es noch nie gestört, nicht im Mittelpunkt zu stehen. Er ließ seine Gedanken kurz schweifen und fragte sich, ob jemand trauern würde, wenn er beim nächsten Mal diesen Robotern zum Opfer fallen würde, wurde aber abrupt aus seinem Gedankengang gerissen, als sein neuer Freund ihn rief und wieder, ohne auf eine Antwort zu warten, weiterspazierte. Im Weitergehen warf er noch kurz einen Blick auf Eileen, eine relativ kleine, aber sichtlich stark gebaute Frau mit einer vollen, aber kurzen Irokesen-Frisur, verschwitzt von Kopf bis Fuß. Sie traf seinen Blick und begegnete ihm kurz mit einem leichten Lächeln, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit widmete.
Vor dem umgestalteten Hauptquartier hangen gut ein paar dutzend verschiedene Fahnen, die meisten irgendwelche Variationen von schwarz oder grau und rot mit Symbolen, die er teilweise selbst noch nie gesehen hatte. Harry ist immer wieder selbst erstaunt, wie sich solche eine unterschiedliche und instabile Allianz zusammenhalten ließ. Anstatt in das imposante frühere Kontrollhaus zu gehen, machte sich Benji stattdessen auf in die nebenliegende kleine Rüstungskammer, deren Tür hinter einer komplett schwarzen Fahne versteckt war.
Harry war sich zuerst unsicher, aber nach mehreren Rufen von Benji ging er endlich selbst durch die kleine Tür. Was sich vor ihm befand war ein äußerst ungewöhnlicher Anblick. Umgegeben von sperrig aufgestellten Rüstungen und Waffen stand ein kleiner, gläserner Tisch in der Mitte, um den sich ein Dutzend Leute versammelt hatten. Alle starrten die Beiden an. Benji fühlte sich, wenig verwunderlich, sofort zuhause und begann, die ersten Kollegen zu grüßen, während sich Harry verunsichert auf die einzelnen Personen fokussierte. Er kannte ein paar. Er glaubte den Anführer dieser einen militanten Sekte zu erspähen, ganz am Ende des Tisches, ein wenig isoliert von den anderen und als einer der Wenigen ohne Rüstung, dafür von Kopf bis Fuß in Gold und Weiß gekleidet. Neben ihm stand jemand in einer Robe, die einem Magniden überraschender Weise ähnelt und neben ihm ein halbes Dutzend an Männer und Frauen in unterschiedlichen Rüstungen, die er alle nicht kannte. Als die Aufmerksamkeit wieder von ihm weichte, setzte sich Harry in eine Ecke und bemerkte erst jetzt, dass Benji ja noch Harrys Waffe in der Hand hielt.
Der Raum wurde immer stiller und selbst Benji hörte mit seiner Konversation auf und setzte sich, als ein stark gebauter Mann sich erhob und mit einer unerwartet sanften, aber kommandierenden Stimme das Wort ergriff.
„Ich werde mich kurz fassen, meine Mitstreiter. Berichte auf Zelen bestätigen, dass sich die Magniden auf dem Weg zur Nexus gemacht haben. Wie viele, welche, oder wer mit ihnen kommt, kann ich nicht sagen. Die Kommunikation zur Erde ist nach wie vor abgeriegelt und wir konnten die Kampfroboter weit genug weg von der Kommunikationsstation zurückdrängen, dass sie in diesem Bereich keine Bedrohung mehr darstellen. Allerdings …“ er pausiert kurz um seine nächsten Worte klar zu wählen „…allerdings haben wir Sektor A endgültig verloren. Wir haben seit gestern Abend keine Nachrichten mehr von ihnen erhalten. Noch immer ist kein einziger Überlebender aufgetaucht. Auch unsere medizinische…“
Seine Stimme wurde für Harry immer leiser und leiser und sein Kopf begann sich langsam zu senken. Seine Brust fühlte sich an als würde sie sich mit jedem Atemzug immer enger und enger schnüren. Der ganze Raum begann sich um ihn zu kreisen, immer schneller und schneller bis er sich regelrecht durch die Tür warf und einen tiefen Atemzug tat. Nein … es kann nicht sein, nicht Sektor A, nicht der ganze, es gibt sicher … er hat sicherlich überlebt, er… Benji machte langsam die Tür auf und blieb in ihr stehen. Zum ersten Mal war sein Gesicht frei von jeglichem Lächeln, von jeglicher Zuversicht.
Ohne ein Wort auszutauschen, stellten sie sich gemeinsam vor eine der großen Panorama-Glasplatten, die den Blick ins endlose Weltall freigab. Es war ungewöhnlich beruhigend, als ob nichts von all dem Irgendetwas bedeuten würde. Harry drehte sich langsam zu Benji um, der wortlos mitten im Gang stand.
„Es ist still. Der Alarm. Er ist weg…“
Harry lächelte, bevor seine letzten Momente läuteten.
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VII
Starke Winde zogen und zerrten an seiner Robe, als wollten sie sie ihm vom Leibe reißen. Finn stand auf der Sichtkuppel der Brücke eines zum Hauptquartier der Kolonie umfunktionierten, kleinen Kolonieschiffs und blickte über einen ausgedehnten, weitläufigen Wald, dessen Laubteppich, den rhythmischen Windböen folgend, nahezu melancholisch vor sich hin raschelte, nach und nach in den Schatten einer sich bedrohlich langsam aufbauenden Wolkenfront fiel und es fast so wirkte, als würde die Ruhe des Waldes im nächsten Moment zerschlagen und der Himmel förmlich über der fremden Idylle einstürzen.
Er dachte an die Gefallenen, die Verletzten und wagte es nicht, sich die Situation auf seinem Lebenswerk, der Nexus, auszumalen. Der Angriff der Roten war in keinem denkbaren Szenario vorhergesehen, schließlich hatte die Regierung den Ring für zerschlagen erklärt, als die gesamte Führungsriege vor ein Gericht und schließlich in Sicherheitsverwahrung in der Alpha-Zitadelle verfrachtet wurden. Niemand hätte jemals erwartet, dass die Roten überhaupt noch existieren konnten, wobei diese Tatsache bei einer flach aufgebauten Terrorristen-Organisation eigentlich hätte berücksichtigt werden müsste. Vielleicht, dachte er, hatten die Vertreter der Exekutive wichtigere Angelegenheiten, als sich um eine damals an Bedeutung verlierenden Organisation zu kümmern. Dieser Fehler wird nun bezahlt werden - von tausenden Unschuldigen.
Sein Gedankenstrom riss ab, als dasselbe mit der Wolkendecke geschah und Finn nur noch sah, wie ein mächtiger Blitz zuckend und zappelnd durch die Wolken fuhr, diese auseinander trieb und irgendwo in dem endlosen Wald einschlug. Der darauf folgende Donner ließ Finn bis in sein Knochenmark erschüttern, während er von dem durch den Wolkenbruch ausgelösten Regenströmen in kürzester Zeit vollständig durchnässt wurde. Von unten herauf kroch nun die zunehmende Kälte der heran nahenden Nacht, von oben entgegnete dieser das Regenwasser, die sich irgendwo in der Mitte trafen und Finn zusammen zucken ließen. Die Winde hatten zugenommen und zerrten nun dermaßen an seiner Robe, dass er sie entweder hätte loslassen, oder selbst von den Winden hätte weggetragen werden können, also entschloss er sich, die Kuppel zu verlassen und seine Privatgemächer aufzusuchen, um das weitere Vorgehen überdenken zu können.
Die Eingangstür öffnete sich knarrend und zischend und aus dem vernebelten, regnerischen Draußen trat die hochgewachsene humanoide gestalt, Finn, und zog mürrisch murmelnd in seinem charakteristisch-gebrochen, humpelndem Gang an Sunny und Bagel vorbei, öffenete die Tür zu seinen Gemächern und verschwand dahinter. Sunny und Bagel blickten ihm nach, und sich darauf hin gegenseitig an. Ratlos saß Sunny auf der Treppe des großen, halbkreis-förmigen Empfangs, dessen Außenwand eine große, ebenfalls in einem halbkreis geformte Glasfront bildete. Im Hintergrund war konstant das Rascheln und Klacken der Folien, Bretter und Plastikdecken des nur dilletantisch verbarrikadierten Durchgangs zum ehemaligen Westflügel zu hören.
Sunnys Blick schweifte durch den Raum, der Glasfront entlang, blieb an markanten Konturen der Außenwelt hängen.
“Wie groß ist das Schadensausmaß, was haben wir verloren?” fragte Bagel mit gedämpfter, fast schon andächtiger Stimme. Sunny blickte an Bagel hinauf, er stand vor ihr, hatte ein Fasertablet in der Hand, auf dem er müßig einen Schadensbericht einhackte, dann den Kopf hob und mit angestrengter Mine den zerrissenen Raum musterte, den Blick über die Särge, die angeschwelten, rußbeschmutzten Ränder des Durchgangs und die Blutflecken, welche sich hier und da über den Boden erstreckten.
“13 Tote. Die Farm ist verloren, Mutterboden und viele Setzlinge und Samen wurden zerstört. Unsere Vorräte waren im Keller gelagert und haben überlebt. Dennoch werden wir uns früher oder später von dem Planeten ernähren müssen.” “Wer ist gestorben?” “Zwei Kommunikationstechniker, ein Zoologe, fünf Zivilisten, zwei Piloten, und drei Soldaten.” “Das heißt unsere Biologen und Botaniker haben überlebt?” “In der Tat.” “Das ist, ohne respektlos werden zu wollen, immerhin Glück im Unglück”
Sunny blickte Bagel intensiv an und schüttelte langsam den Kopf.
“Tut mir leid. War nicht böse gemeint. Der Verlust der anderen schmerzt natürlich trotzdem. Wann ist die Beisetzung?” “Wohl morgen früh. Außerdem machen Gerüchte die Runde, dass Bollogg und Finn planen, auf die Nexus zurück zu kehren, um dort für Ordnung zu sorgen.” “Haben wir Transportmittel dafür?” “Die aktuellen Berichte widersprechen dem zumindest nicht.” “Naja, danke für die Info, ich werde den Schadensbericht abschließen und hochladen. Gute Nacht.” “Kein Problem. Gute Nacht.” Bagel verließ den Raum und verschwand in seinem Raum. Sunny saß nun alleine auf der Treppe des Foyers und blickte in die kalte, verregnete Nacht. Der Regen prasselte auf das metallene Dach, gab ein leises, aber entspannendes Rauschen von sich. Hintergründig hörte sie, wie sich die Heizungen aktivierten und warmes Wasser nachpumpten. Plötzlich, aus dem Augenwinkel heraus, huschte ein Schatten vorbei, geradewegs an der Glasfront entlang und verschwand hinter einem der großen metallenen Stützpfeiler. Sunny spähte an dem Pfeiler vorbei in die Nacht und wie auf einen ungehörten Befehl hopste eine große, humanoide und schlacksig wirkende Silhouette über das Feld vor dem Hauptgebäude und verschwand im tiefen Wald. Davon muss ich morgen berichten. Dachte Sunny sich noch, schmierte stichwortartig einige Bemerkungen zu der seltsamen Begegnung auf einen Notizzettel, stand auf und begab sich zu ihrer Kabine.
Finn saß ruhig, entspannt da und blickte Bollogg intensiv an. Dieser saß Finn gegenüber, schweigend und erwiderte den Blick. “Du wirst mich nicht hindern können, Bollogg. Das ist mein Lebenswerk, verstehst Du? Ich kann nicht zulassen, dass es von irgend welchen Vandalen zerstört wird.” wisperte er Bollogg zu. “Auf dem Schiff herrscht gerade Anarchie. Wenn wir uns als Magniden dort hin begeben, geschweige dessen, uns unter das Volk zu mischen. Bist Du wahnsinnig? Es wird keine zwei Tage dauern, da hast Du bereits einen Dolch im Rücken, wenn überhaupt.” “Und deshalb brauche ich Dich. Du bist der geistliche Anführer. Die Leute vertrauen Dir. ICH vertraue Dir. Wenn jemand selbst Feinde bekehren kann, dann Du, Bollogg. Ich bitte Dich.” Bollogg seufzte, schloss die Augen und schwieg für eine Weile.
”Wenn sie uns umbringen, würde ich Dir das niemals verzeihen.” Bollogg öffnete die Augen, zwinkerte und legte Finn eine Hand auf die Schulter und grinste breit. ”Verdammter Schleimer. Wann geht es los?” “Ich werde noch die Beisetzung der Gefallenen anführen, danach will ich aufbrechen.” Bollogg stand auf und strich die Falten aus seiner Robe. ”Also, Captain. Auf geht’s, retten wir die Nexus. Gute Nacht.” Im Umdrehen zwinkerte Bollogg noch einmal, machte eine verabschiedende Handbewegung und verließ den Raum.
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VI
Der Sternenhimmel war tiefschwarz, jedoch war kein einziger Stern zu sehen. Trotz der Lichtverschmutzung wusste Picco, dass dort draußen - weit in der Ferne - eine Kleinstadt durch das All schwebt, und an dessen Spitze ihre engsten Freunde; seit so vielen Jahrzehnten schon verschollen, dass sie nur noch als eine verblassende Erinnerung in ihrem alltäglichen Leben übrig bleiben.
Wäre da nicht ihr Beruf. Der grau-rötliche Computer, fixiert an einem silberfarbenen Komplex, der weit aus dem Gebäude führt, begann auf einmal den kalten, nur durch Mondlicht beleuchteten Raum abwechselnd in Rot und Gelb zu beleuchten. Eine Nachricht. Picco versteifte, setzte beide Füße abrupt auf den Boden und schaute sich unsicher im menschenleeren Büro um. Es war schon lange nach Feierabend. Was hat eine Nachricht von der Nexus um diese Uhrzeit verloren? Unsicher führte sie ihre Hand zur bläulich schimmernden Maus und öffnet die unverschlüsselte Nachricht. Sie und das Zimmer wurden wieder in dem altbekannten hellen Blau beleuchtet.
S-O-S. Es sind Schüsse gefallen. Zivilisten werden hingerichtet. Kommunikation wird blockiert. S-O-S
Es fühlte sich an, als hätte ihr jemand mit voller Wucht in die Magengrube geschlagen. Ohne es zu bemerken hatte sie aufgehört zu atmen, während die Nachricht immer und immer wieder durchgelesen wurde, als hätte sie sich lediglich verlesen, als wäre sie einfach übermüdet, als wäre dies alles gerade nicht passiert.
Es muss ein Scherz sein. Warum sollte jemand genau ihr einen Hilferuf schicken? Sie ist doch nur für Kommunikation zwischen Familien hier und auf der Nexus verantwortlich. Sie ist ganz unten in der Hierarchie der Zitadelle, über die Nexus weiss sie gerade mal das, was in den Nachrichten steht.
Nachdem sie eine gefühlte Ewigkeit lang erstarrt vor der Nachricht saß, begann sie endlich wieder zu Sinnen zu kommen. Nach unzähligen nervösen Fehlklicken hatte sie es endlich geschafft, die Nachricht an das höchste Büro weiterzuleiten, jedoch wusste sie, dass eine Nachricht aus ihrem Abteil ihn niemals erreichen würde. Mit einem Satz sprang sie also auf, schnappte ihren Ausweis, rannte quer durch das Büro, durch zwei eiserne Bögen, mit schnellen Schritten die marmorweiße Wendeltreppe hinauf, bis sie endlich im grüngrauen Zimmer angelangt war. Ein müder, im weißen Mantel angezogener stellvertretender Sekretär versperrte ihr den Weg durch die letzte, eiserne Tür.
„Er ist nicht hier.“
„Dann hol ihn her! Es ist ein Notfall.“
Er drehte sich langsam und mit verschränkten Armen im Sessel um „Das bezweifle ich.“
„Es ist von der Nexus. Dringend. Oder willst du daran schuld sein, dass tausende Menschen – wenn nicht das ganze verdammte Schiff – zugrunde gehen, nur weil du zu faul warst, einen Anruf zu tätigen?!“, sprudelte es aus ihr raus, während sie den laminierten Ausweis in ihrer Hand fast zerdrückte.
Von dem plötzlichen Ausbruch aufgeweckt lehnte er sich vor und begann anzurufen – sie noch immer unsicher beäugend. Dadurch ein wenig beruhigt, lockerte sie ihren Griff und setzte sich auf die Holzbank an der stählernen Wand, um zu warten.
Mit den Füßen nervös konstant auf und ab wippend hörte sie endlich eine schwere Metalltür in der Ferne aufgehen, dicht gefolgt von einer großen, schlanken Figur, die den Raum betrat, den Sekretär ignorierend die neue Besucherin grüßte und zur Tür ging, um sie für seinen unerwarteten Termin zu öffnen. Von seinem Auftritt nur noch nervöser stand sie sofort auf, folgte ihm in das weite Büro und setzte sich gegenüber dem imponierenden Sessel – nein, Thron – hin. Der gut gebügelte schwarze Anzug mit einer perfekt hergerichteten grünen Krawatte täuschte nicht über seine Ermüdung hinweg.
Der Kanzler begann das Gespräch mit einem leichten Seufzer.
„Nun? Was ist denn das für eine Katastrophe, von der Daniel geredet hat?“
Sie atmete noch ein letztes Mal tief durch und deutete ungeduldig auf den kleinen Laptop auf dem hölzernen Tisch.
„Schauen Sie nach. Es ist eine Nachricht. Von der Nexus.“
Scheinbar erst durch diesen Satz wirklich aufgeweckt, begab er sich sofort zur Arbeit. Nach einiger Zeit reinen Schweigens, nur unterbrochen durch die Geräusche der mechanischen Tastatur, verfinsterte sich der Blick des Staatsoberhauptes mit einem Schlag. Ungefragt begann Picco:
„I-Ich nehme an, wer auch immer die Kommunikation blockiert hat, hat nicht von der Verbindung meiner Abtei-„
Sie sichtlich ignorierend betätigte er eine Taste am - in den Tisch eingebauten – Display.
„Daniel, ordere jeden Leiter der ersten 10 Sektionen in mein Büro. Sofort. Und aktiviere den Sicherheitskodex 3, nur autorisiertes Personal darf Signale und Nachrichten von der Nexus empfangen, alles muss mir und den 10 Leitern alleine berichtet werden und alle übrigen Sektionen verlieren temporär alle Kommunikationsrechte.“
Nun, scheinbar, erinnerte er sich an ihre Anwesenheit und richtete seinen Blick wieder auf sie.
„Das was heute passiert ist, darf auf keinen Fall diesen Raum verlassen.“
-Picco, 6.6.2123 n.I.Z.
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V
Das gelb-hellgrünliche Moos gab etwas nach, bot jedoch genug Halt. Langsam trat er heraus und sah sich in der Manier eines kleinen Kindes, welches zum ersten Mal seine Umwelt erblickte, um. Die anderen Magniden folgten einer nach dem anderen. Rui a'gran drängte die andere Wache und den Techniker beiseite und landete mit einem großen Satz neben den Magniden. Mit einem Schwung lag seine Waffe über der Schulter und er begann, in Richtung der markierten Stelle zu stapfen. Der Techniker sicherte das Shuttle und der Rest der kleinen Truppe folgte a'gran in den Wald.
Eine schwere Metalltür, mit schwarz-gelben Querstreifen überzogen, öffnete sich. Drinnen herrschte ein geschäftiges Chaos, das an einen Bienenschwarm erinnerte. Finn blickte in ein Dutzend schockierte Gesichter. Im Vordergrund standen Seve und R'ollor, die als Leiter der kleinen Basis bereits vor sechs Monaten auf Zelen landeten. Erst R'ollor, dann auch Seve und schließlich der gesamte Rest der Besatzung fiel auf die Knie und verbeugte sich, offenbar von der unangekündigten und unerwarteten Ankunft der ranghöchsten Besatzungsmitglieder höchstpersönlich vollkommen überfordert. “Schluss mit dem Kult.”, griff Bagel ein, “Wir sind doch keine Götter.” Verlegen und etwas verwirrt erhoben sich die Menschen, Bolloggs, Smoofs und Torianer wieder. Sie mieden den Augenkontakt zu den Magniden und eine peinliche Stille begann, den Raum zu füllen. Eine entfernte Explosion war zu hören. Ein allgemeines Aufschrecken brach die Stille. Plötzlich stürzte ein blutiger Smoof durch eine Hintertür. “RENNT!”, schrie er und tat seinen letzten Atemzug. Die Anwesenden tauschten verwirrte Blicke, als eine weitere Explosion den rechten Flügel des Gebäudes in Stücke riss.
“ALARM! Bitte begeben Sie sich unverzüglich in Ihre Kabinen und verlassen Sie diese nicht, bevor der Ausnahmezustand zurückgezogen wird.” Ava wiederholte die Nachricht immer wieder in einer zarten, gutmütigen aber dennoch drängenden Stimme. Wanda rannte den Gang herunter. Sie rannte an einer Tür vorbei, welche grobe Rauchschwaden ausstieß, im Türrahmen lag eine verbrannte Leiche. Feuer loderte, Plasmaschüsse und metallene Schreie erfüllten die engen Gänge. “ALARM!” Sie bog rechts ab. Dort wurden gerade ein paar Einwohner hingerichtet. “Bitte begeben Sie…” Wanda riss das Gitter eines Lüftungsschachts weg. “… sich unverzüglich in Ihre …” Mit einem Satz war sie in dem Schacht, unbemerkt “… Kabinen und verlassen Sie …” Schüsse und Schmerzensschreie ertönten. “… Diese nicht, bevor …” Langsam und leise kletterte sie den Schacht entlang zu einer kleinen Biege, wo sie Waffen und Vorräte gebunkert hatte “… der Ausnahmezustand zurückgezogen wird.” Sie nahm das Impulsgewehr, überprüfte die Munition und kletterte zufrieden weiter. Zwei Schächte weiter hörte sie erneut Schreie. Sie näherte sich dem nächsten Gitter und sah hindurch. Ja, das waren Verräter. Mit dem Waffenkolben schlug sie das Gitter heraus und verließ den Schacht. Die Verräter bemerkten sie und eröffneten das Feuer. Kaum hatten sie drei Schüsse abgefeuert, hatten sie Wandas Schüsse zwischen den Augen. Sie schob die Toten in das Feuer und rannte weiter. Immer noch wiederholte Ava die Nachricht. Sie hörte metallische Schritte, legte die Waffe auf den Boden und ein Tuch darüber und kauerte sich in die gegenüberliegende Ecke. Im nächsten Moment stampften schussbereite Wachroboter um die Ecke, befahlen ihr, Schutz zu suchen und marschierten weiter. Wanda nahm die Waffe auf und rannte weiter. Im nächsten Gang knieten ein paar Zivilisten zur Wand, die Hände hinter dem Kopf. Hinter ihnen die bekannten dunkelrot gekleideten Gestalten mit angelegten Waffen, auf die Köpfe zielend. Schüsse fielen und Blut tränkte den Boden. Wanda befreite die Zivilisten und wies ihnen den Weg zu einem sicheren Versteck. Sie rannte weiter. Eine Maschinenhalle, wo Kampfroboter produziert wurden. Die Dunkelroten plünderten gerade Bauteile. Wanda setzte an, als ein lautes “Halt!” die anderen aufschrecken ließ. Sie richteten lange Bolzen-Waffen auf sie. Langsam erhob Wanda die Hände. “So ist gut.” Der Hintere näherte sich. “Wollen wir doch mal sehen, wa-“ Wanda warf sich herum und verdrehte seinen Kopf in eine unmögliche Position. Die anderen zwei feuerten, trafen statt Wanda ihren Kollegen und gaben ihm dadurch den Rest. Wanda packte des Toten Elektronenpeitsche, tanzte förmlich um ihre Feinde herum, während sie ihnen elektrische Schocks verpasste, bis nur noch zwei zuckende Körper auf dem Boden lagen.
Die Lichter verdunkelten sich. Die simulierte Nacht trat ein. Wanda hatte sich in einer Farm im Backbone des Schiffs niedergelassen. Der Schiffs-interne Nachrichtendienst berichtete von Anarchie in vier Sektoren. Wanda lag in einem kleinen Zelt mitten in einem Maisfeld und blickte aus der Kuppel hinaus in ein erschlagendes, aber göttlich wirkendes Sternenchaos. Ihr Fasertablett nuschelte die Nachrichten vor sich hin. Sie drehte die Lautstärke auf. ”… immer noch in Anarchie. Eine Gruppe Aufständler besetzt derzeit die Sektoren A102-104 und B1-3. Bitte begeben Sie sich in die markierten Sicherheitszonen. Die Kampfroboter geben ihr Bestes, um die Widerständler in Gewahrsam zu bringen. Wir empf- … äh Moment … Wir erhalten derzeit die Meldung, dass es auch auf Zelen einen Anschlag gab. Dieser war wohl auf die Magniden selbst gerichtet. Glücklicherweise sind diese jedoch unverletzt geblieben. Die Besatzung ihres Shuttles sowie große Teile der stationierten Mannschaft seien wohl bei Explosionen umgekommen. Der Ausnahmezustand bleibt weiterhin bestehen. Bitte beachten sie, dass-“
Sie schaltete das Tablett ab und stand auf. Wanda stellte sich auf einen Holzblock und lugte über die hohen Maispflanzen. Nach wie vor war die Farm, die über den kritischen Sektoren direkt an der Außenhülle lag, vollkommen verlassen. Der Mais bot guten Sichtschutz, zudem war die Tarnung nahezu perfekt. Nicht zuletzt bot es auch Nahrung und Wasser. Sie richtete die Selbstschussanlagen, die Sensoren und die Geräuschfallen aus, und legte sich schlafen.
-Wanda V. D. H, 2.6.2123 n.I.Z.
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IV
Wie eine stählerne Wolke schwebte es den blasblauen Himmel entlang und warf einen Schatten zu gewaltig, um ihn zu entkommen. Seit Monaten sehnten wir uns schon danach und endlich war es angekommen. Ich hatte seit Ewigkeiten nichts in diesem gewaltigen Ausmaß gesehen und doch hatte ich Angst, dass es in dem Moment verschwinden könnte, in dem ich meine Augen abwenden würde. „Seve!“ Aus meinen wirren Gedanken gerissen, wendete ich mich vom Schiff ab und sah R’ollor vor mir in seiner grün, braun, schwarzen Rüstung stehen, sein Visier vorsichtshalber wie immer geschlossen. Seine pedantisch von Staub und Dreck gesäuberten Waffe hing locker von seiner Schulter auf den Boden gerichtet. „Wir müssen uns auf den Weg machen, die Sonne geht bald unter und sie werden bestimmt bald ankommen.“
Noch einen letzten Blick nach oben gerichtet stand ich schweigend endlich von dem mit wilden Moos-ähnlichen Pflanzen bedeckten Stein auf, den ich als Sessel missbraucht hatte, als wir ein kleines, silber glänzendes Shuttle am Himmel erblickten. In regelmäßigen Abständen blitzte helles, blaues Licht auf, das abrupt wieder endete, während das Beiboot immer weiter Richtung Oberfläche sank. „Denkst du das sind die Magniden?“, stellte ich - die Raumkapsel beim Landen betrachtend - in den Raum, schwang meine Waffe über die Schulter und begann meinen Rückweg. „Höchstwahrscheinlich nicht. Ich denke kaum, dass sie ohne ihre prachtvolle Nexus jemals irgendwohin gehen würden und wenn doch, dann nicht mit einem so mickrigen, herkömmlichen Raumschiff ganz ohne Begleitschiffe. Außerdem solltest du dir endlich angewöhnen, dein Visier nicht ständig offen zu lassen, wir sind nicht mehr Zuhause.“ „Stört es dich etwa überhaupt nicht, den ersten mit Leben befüllten, in so vielen kraftvollen Farben schillernden Planeten, den wir jemals betreten haben, nur durch dieses grässliche Orange zu sehen?“ „Wenn’s mich am Leben hält…“ „Außerdem sind wir ebenfalls in einer „mickrigen, schlichten“ Kapsel hier angekommen!“ „Ja eben…“
Die gelangweilte Wache, offensichtlich nicht besonders glücklich in solch einem historischen Moment Türsteher spielen zu müssen, beäugte uns kurz, grüßte uns mit einer zügigen Handbewegung, öffnete das schwere, dicke, metallene Tor, das der wilden Natur ein abruptes Ende versetzte, und richtete seinen Blick wieder gen Himmel. Unsere Basis glich einem befestigten, alten Flughafen. Eine große, wenig benutzte, mit weißen Markierungen bemalte Fläche wartete geduldig auf irgendein Schiff, das sich hierher verirren sollte, daneben eine kleinere, belebtere Ladefläche für Hubschrauber und Kapseln. Eine kleine, für unsere Basis jedoch verhältnismäßig große Menschenmenge war dort versammelt, machte letzte Vorbereitungen und erwartete gespannt die Ankunft der ersten Bewohner der Nexus, die wir seit genau 6 Monaten zuletzt gesehen hatten. Gespannt, jedoch zurückhaltend lehnten wir uns in der Nähe gegen eine Wand, ich legte meinen Helm ab und R’ollor öffnete zögerlich sein grau, orange schimmerndes Visier und gemeinsam beobachteten wir in Stille das kleine, immer näherkommende Schiffchen, immer noch langsam und sanft in die Atmosphäre schneidend.
Als sie sich gerade in der letzten Landephase befand, hörten wir plötzlich hektische Rufe um die Ecke und das Öffnen des schweren, äußeren Tors. Ich nahm in schnellen Bewegungen meinen Helm in die Hand und machte mich mit großen Schritten auf den Weg zu dem Ursprung der Geräusche, dicht gefolgt von R’ollor. Und da sahen wir, was wir niemals erwartet hätten. Zwei mit gut polierten, schwarzen Ganzkörperrüstungen gepanzerte Soldaten traten mit Waffen in den Händen zügig in die Basis ein, um nach einigen Metern diszipliniert und das Umfeld sichernd stehen zu bleiben. In hellen, farbenfrohen, reich verzierten Kutten tauchten sie schließlich durch das Tor auf. Jeweils den Helm in der Hand und neugierig die Einrichtung betrachtend trat ein Magnid nach dem anderen näher an uns heran. Noch immer komplett unter Schock, kam R’ollor als erster zu seinen Sinnen und kniete sich rasch vor ihnen nieder. Seinem Beispiel folgend tat ich dasselbe, begab mich ebenfalls auf mein Knie und senkte meinen Kopf so tief ich konnte. „Willkommen!“
-Seve, 1.6.2123 n.I.Z.
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III
Hektische Menschenmengen. Erdrückende Hitze. Lautes Geplärr. Hätte Wanda die Situation in kurzen Stichpunkten beschreiben müssen, hätte sie eben jene gewählt. Sie war für die Verwaltung des größten Heck-Hangars zuständig und musste sich andauernd mit aufgebrachten, entdeckerlustigen Leuten auseinandersetzen und erklären, dass das große Schiff, das gerade am Ablegen war, mit Sicherheitsrobotern und kleineren Vorstoß-Trupps gefüllt war, die die Landeflächen absichern sollten und nach Verordnungen der Magniden keine Zivilisten verschifft werden durften. Da waren jene, die das Leben der Nexus leid waren, jene, die einen anderen Planeten kolonisieren wollten aber auch welche, die diese Möglichkeit als willkommene Abwechslung zum doch trägen Leben auf dem Generationenschiff sahen.
Als sich die gewaltigen Hangartore langsam öffneten und sich den Augen der Schaulustigen einem durch den Schild bläulich getrübte Weite offenbarte, als sich das Schiff ebenso langsam den Schienen entlang auf das Schwarz zu schob, als es den schützenden Schild berührte, jubelten die Massen. Wanda stand wie gebannt dort, den Blick an den im Vergleich zur Nexus winzigen aber dennoch erdrückend großen metallenen Riesen geheftet. Plötzlich fuhr ihr ein Schock den Rücken herab; eilig drängte sie sich ihren Weg durch die Masse bis hin zu einem kleinen Lift der sie zu einer kleinen Kanzel auf der Außenhülle der Nexus beförderte, wo es schon eindringlich ständig wiederholt wurde:
“Vanguard an Nexus, bitte antworten. Vanguard an Nexus, bitte antworten.” Mit einem Satz war sie an ihrem Platz, setzte das Headset auf und antwortete: “Hier Nexus, Hangar C-1. Alles in Ordnung?” “Abdocken erfolgreich. Erbitten Starterlaubnis.” Sie leitete die Anfrage an die Schiffs-K.I. weiter. “Grünes Licht”, meldete sie, “Starterlaubnis erteilt. Viel Glück.”
Sie hatte direkten Sichtkontakt zu dem Klasse-C-Kampfschiff. Es war ein überwältigendes Gefühl. Nicht nur stand sie in einer Glaskuppel, umgeben von einem Panorama ohne gleichen, sie konnte als eine der relativ wenigen Privilegierten das Spektakel des Starts betrachten, wie die Antriebe aufflammten, der Koloss in Zeitlupe drehte und sich verhältnismäßig langsam von seinem Mutterschiff entfernte und als Entdecker und erster seiner Art neuen Boden berühren würde. Sie spürte förmlich, wie die gesamte, etwa 60′000 Lebewesen starke Bevölkerung gleichzeitig den Atem anhielt, das Schiff in der Zeit stehen blieb und sich alles in Zeitlupe zu bewegen schien.
Es knackte. “Erreichen Reisegeschwindigkeit. Ankunft in Atmosphäre in etwa zehn Minuten.” “Verstanden.” Das Kampfschiff beschleunigte, als es das von der Nexus ausgehendende Feld, dass die Geschwindigkeit limitierte, verließ. Es wurde kleiner und kleiner, bis es schließlich von der lebendig wirkenden Kugel verschlungen wurde. Stille. Eine beruhigende Atempause, nachdem die letzten Wochen von Hektik und Aufregung geprägt waren.
“Beeindruckend, nicht wahr?” Wanda drehte sich um, Pur’iado stand dort. Der alte Torianer trat neben sie. Er blickte hinaus. “Dies ist der größte Schritt, den unsere Allianz jemals getan hat. Noch niemand hatte die Möglichkeit, jemals einen fremden Planeten zu betreten. Ich wette mit dir, die Magniden befinden sich auf der Vanguard. Van der Huckos würde sich nie den ersten Schritt nehmen lassen.” Sie lachten. “Da hast du wohl recht.”, antwortete Wanda, “Aber ich glaube nicht, dass die Magniden solch ein Risiko eingehen würden.” “Ist was dran.” “Ich gehe mal zurück in meine Kabine. Übernimmst du hier?” “Mach’ das. Ich passe hier auf.”
“Ein Schauspiel.” “Ohne Gleichen.”, fügte Bollogg hinzu. “Ja”, erwiderte Finn, “Ohne Gleichen.” Sie befanden sich auf der Brücke der VSS Vanguard, unter ihnen näherte sich Stück für Stück der grün-bläuliche Planet, den sie Zelen genannt hatten. “Meine Herren, ich möchte Ihnen nahelegen, sich zum Hangar zu begeben.”, unterbrach Ava, “Wir nähern uns der angestrebten Position. Die Daiya ist bereit und die anderen Magniden warten schon.” Bedacht wandten sich die beiden von dem Panorama ab und passierten den schnellsten Weg zum Hangar, wo sie bereits vom Kapitän der Vanguard empfangen wurden. “Sind Sie sicher, dass sie keine Begleitschiffe brauchen? Ich meine, wenn etwas passiert kann Ihr Schiff nicht gleich erkannt-” “Was soll bitte passieren?”, unterbrach Finn ihn, “dieser Planet ist allenfalls von einer primitiven Spezies bewohnt, ein gesamtes Geschwader loszusenden wäre zu diesem Zeitpunkt reinste Ressourcenverschwendung.” Der Kapitän schluckte. “Selbstverständlich.” Bollogg drängte: “Na los, die anderen warten schon.”, grinste den Kapitän an und schob Huckos in Richtung des kleinen Beischiffes, der Daiya. Ihnen folgten zwei Wachen, ein Torianer und ein Smoof und der Techniker. Mit einem Satz war der Torianer innerhalb des Schiffes, wobei er seine Gefährten schubste und fast umwarf. “Sag’ mir deinen Namen”, sprach Luti ihn darauf hin an. Die Wache drehte sich zu ihm und verbeugte sich. “Ich bin Rui a’gran, stets zu Diensten.” “Sei doch nett zu deinem Umfeld, und zwar zu jedem, nicht nur deinen Vorgesetzten.” “Ich bitte um Entschuldigung.”, erwiderte er, wobei er sich wegdrehte und dem Smoof seine Waffe in die Hand drückte. Er verließ den Raum.
Engelsgleich setzte das Beischiff auf. Die Luke öffnete sich beinahe theatralisch langsam und die Magniden erhoben sich. Finn verließ das luxuriös eingerichtete Magnidenschiff und betrat die Landeluke. "Wie sieht's mit der Zusammensetzung der Luft aus?" Der Bordtechniker, ein Mensch mit dem Namen David blickte auf die Anzeigen. "Minimal höherer Stickstoffgehalt. Ansonsten ist die Luft reiner als die der Erde mit signifikant höheren Sauerstoffanteilen."
Rui a’gran schubste die zweite Wache Richtung Ausgang: "Teste du doch ob man überlebt." Er lachte herablassend. Dafür erntete er abermals missbilligende Blicke und starrte beschämt auf den Boden. Finn öffnete sein Visier und atmete tief ein. In ihm kam ein Gefühl des Heimwehs auf, als er den belebenden Duft einer Region, die im Frühling erblühte, wahrnahm. Die Luft war durchsetzt von sowohl süßlich-bezaubernden, von jungen Blumen und derer Sprießlinge ausgegebenen, als auch dem herb-edlen, von mit Raureif bedeckten Blättern und dunkler, in dem des Sterns ausgehenden Lichtes bratender Rinde ausgehenden Duft. Finn setzte den Helm ganz ab und legte ihn beiseite. “Schön, genau wie Frühling auf der Erde.” Er setzte seinen Fuß auf den weichen, moosbedeckten Boden.
-F.V.D. Huckos, 1.6.2123 n.I.Z.
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II
Dunkelheit. Da saß er also und blickte hinaus. Langsam schob sich der metallene Gigant voran durch ein ewiges Schwarz. Noch war Nacht auf der Nexus, das Schiff wie leergefegt, der sanfte, klerisch erleuchtend wirkende Schein des Sternes, dessen System sie den wohlklingenden Namen A04-C Jaune gegeben hatten, war seine einzige Gesellschaft. Ansonsten war er allein. Gebannt saß er dort, blickte auf den Planeten und dachte an seine Vergangenheit.
“Ava? Wie spät ist es?” Die Schiffs-K.I. antwortete mit ihrer sanften Stimme. “Nach irdischer-europäischer Zeit schreiben wir derzeit 4 Uhr 53. Ich empfehle Ihnen dringend, ein wenig Schlaf einzuholen, damit sie zur Ankunft wach sind.” Er machte eine wegwerfende Geste. “Ihre Entscheidung.”, schloss Ava.
Stille kehrte zurück. Er erhob sich aus seinem Kapitänssessel. Seine Magniden kennzeichnende und in Handarbeit gefertigte, rot-goldene Robe fuhr mit langen, senkrechten Falten von seinem Nacken auf den Boden. Er strich die Kleidung glatt und zog sich die Kapuze über. Langsamen Schrittes wandte er sich der Aussicht ab und verließ die Erhöhung der Magniden. Beinahe schleichend folgte er dem Verlauf des Flurs bis hin zum Antigravitations-Lift der ihn in einen Panoramaraum am Fuße der Brücke beförderte. 40 Jahre waren sie bisher unterwegs gewesen und es war ihm, als seien er und seine Kollegen, seine Freunde nicht gealtert. Er betrat den Panoramaraum. Sensoren bemerkten ihn und öffneten die gesicherten Außenwände. Der Anblick erschlug ihn, er taumelte. Zumindest fühlte er sich so. Die Schwärze war durchsetzt von Punkten. Weiss, Rot Blau. Vor ihm der blassgrün-bläuliche Riese mit seinem gold-gelblichen Stern. Das Farbspiel, das ihm geboten wurde, war überwältigend. Das Universum ward in diesem Moment von solch einer Schönheit, dass er sich am Liebsten aus dem Schiff hätte katapultieren lassen, um Teil dieses Spektakels einer unnatürlichen Vollkommenheit zu werden.
“Ava?” “Ich höre.” “Sag’ mir Bescheid, sobald es 7 Uhr ist. Ich möchte pünktlich zurück auf der Brücke sein.” “7 Uhr. Natürlich.”
In ein paar Stunden würden die Lichter in den Fluren, Farmen, Maschinenräumen und Hangaren langsam aufhellen und das Schiff allmählich wieder mit Leben füllen. So war es zumindest schon immer gewesen. Doch heute war ein anderer Tag. Zelen, der erste für uns bekannte Wesen bewohnbare und erstaunlicherweise sogar von einer intelligenten Rasse bevölkerte Planet. Er würde den Menschen, Smoofs, Torianern und Bolloggs die Ankunft ankündigen. Dahin war der klassische Tagesrhythmus, jeder würde zu den Fenstern stürmen, den neuen Planeten sehen und einen Teil der Energie haben wollen. Einer der wenigen Tage, an denen die Brücke für die Öffentlichkeit zugänglich war.
Er wandte sich ab und lief zurück zum Aufzug. Die Gravitation kehrte sich und zog ihn in zügiger Geschwindigkeit den langen Hals hinauf, auf dem die Brücke thronte und passierte die Kabinen der anderen fünf Magniden. Überall herrschte die Dunkelheit vor. Huckos erkannte seine Kabine, die Sensoren in seinem Kopf taten dies der Tür gleich und befahlen dem Lift den Stillstand. ‘Technologie’, dachte er, ‘nun kann sie schon meine Gedanken lesen.’ Er trat hinaus und öffnete seine Kabine. Der Anblick erschlug ihn abermals, dieses mal jedoch mit einer Bedrängnis, die ihn an sein physisches Gefängnis erinnerte. Er betrat den Raum und lies sich in das bequeme Bett fallen. Seine Sicht verschwamm, noch bevor er bemerkte, dass er lag.
“Captain. Captain Huckos. Wachen Sie auf. Wir haben 7 Uhr!” Langsam öffnete er die Augen. Durch die Tür drang das dumpfe Geplärr und Geschrei der Menschenmassen. Finn rollte sich aus dem Bett und rieb sich die Augen. Langsam schritt er zur Tür und öffnete sie. Der Antigravitations-Lift war vollgedrängt von Leuten, die auf die Brücke wollten. Er gesellte sich zu den Massen. Oben angekommen bahnte er sich seinen Weg durch die Menge, bis er auf das Podest gelangte. Livy und Bagel waren bereits vor Ort, Huckos setzte sich an seinen Platz. Kurze Zeit später trafen noch Luti, Sunny und Bollogg ein. Man konnte ein Schauspiel bewundern, welches noch nie jemand zu sehen bekommen hatte. Zelen, der blassgrün-bläuliche Planet lag nun direkt vor ihnen und wurde langsam, Kilometer für Kilometer, größer und beeindruckender. Dies war ein Tag, den niemals jemand vergessen sollte.
-F.V.D. Huckos, 31.5.2123 n.i.Z.
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I
Es war angenehm kühl, wie an jedem Morgen. Das verhältnismäßig große, jedoch äußerst minimalistisch eingerichtete Zimmer roch leicht nach polierten Fließen und Vanille, die seit Tag 1 hoffnungslos gegen den kalten Geruch kämpft, der dieses Schiff durchgehend verfolgt. Wie an jedem Morgen…und doch war dieser Morgen wie kein anderer vor ihm. Euphorisches Gemurmel und schnelle Schritte füllten den sonst so stillen Gang und drängten durch die dünnen Wände in mein Gemach, in dem ich gerade meine Finger über die sanfte Seide einer dunklen, grauen Robe mit roten Verzierungen strich. Summus Sanctus. Nil sine magno vita labore dedit mortalibus. war in goldenen Schriftzügen eingraviert. Die tausenden Gedanken, die durch meinen Kopf schwirrten, zu schnell um auch nur einen für längere Zeit zu halten, wurden zur Seite geschoben, als ich meine Arme schließlich in die Robe führte, die verdeckte Glastür sich zur Seite schob und ich den Menschenmassen mich anschloss, die sich im breiten Cockpit an den Fenstern versammelt hatten, um das zu sehen, was kein Mensch vor ihnen jemals gesehen hat, worauf wir uns die letzten Jahre schon vorbereitet hatten. Zelen. A04-C02. Die Hälfte unseres gesamten Sichtfeldes war gefüllt von einer enormen grün schimmernden Kugel, umrahmt von einer leichten bläulichen Schicht der schützenden Atmosphäre mit einem benachbarten Stern, der diesen so lebendig scheinenden Planeten und uns, die wir so an die Dunkelheit gewöhnt waren, mit grellem, gelben Licht nicht blendete, sondern erhellte. Nach einer Weile, die ich genauso erstarrt wie der Rest der Mitreisenden an den Fenstern verbracht hatte, gesellte ich mich nun ruhigen Schrittes, um meine Würde zu bewahren, zu den 5 anderen Magniden der Nexus, die auf einer Erhöhung über die Menschenmassen thronten. Immerhin war ich selbst in diesem Moment ein wichtiger, spiritueller Anhaltspunkt für jeden Gläubigen in diesem Raum; meine menschlichen Gefühle durften nicht die Überhand an jenem historischen Tag gewinnen. Meine Mitstreiter, genauso gebannt von der überwältigenden Schönheit unserer Entdeckung, würdigten mich kaum eines Blickes, als ich meinen rechtmäßigen Platz neben den Captain einnahm. Wir 6, jeder in seiner eigenen, handgefertigten, in unterschiedlichen Farben schillernden Robe, richteten nun gemeinsam den Blick auf den ersten bewohnten Planeten, den die Menschheit jemals erreicht hat, während nach der ersten Euphoriewelle sich ein kollektives Schweigen durch den Raum ausbreitete. Dabei war es keineswegs ein unangenehmes oder unsicheres, sondern eins aus tiefstem Respekt und Ehrfurcht. Wir waren endlich angekommen. Jedes Individuum, das in diesem Moment das sah, was wir sahen, wusste, dass dies der Beginn einer neuen Ära sein würde und das Gefühl, dass uns keine Grenzen mehr gesetzt waren, verbreitete sich wie Lauffeuer. Zelen…
-Bollogg, 1.6.2123 n. i. Z.
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Prolog
Hier endet eine Geschichte. Tausende. Doch jedes Ende bedeutet einen Anfang. Jedes Ende, wo man in ein riesiges Geflecht verlässt, beginnt eine neue Linie Dieses Geflecht ist zusammengesetzt aus Geschichten, einzelnen Schicksalen, großen und guten und intelligenten und kleinen und bösen Wesen, die in einem großen Mosaik ein perfektes Gesamtbild ergeben.
Jede einzelne Geschichte ist ihr eigen, doch nur zusammen ergeben die Scherben ein Fenster und ermöglichen dem außen stehenden einen klaren Blick in ein Geflecht, ein Netz, in das man überall einsteigen und sich beliebig bewegen kann.
Ein Geflecht aus Raum und Zeit.
Ein Geflecht mit unendlich Enden und Zielen.
Ein Geflecht ohne Anfang.
Ein Geflecht, dass keinesfalls so fest und strikt ist, wie es zuerst den Anschein erwecken möge.
Ein Geflecht, das wirkt und auf das gewirkt wird.
Seinen Namen kannte niemand. Auch seine Herkunft, seine Ziele und Gedanken blieben schleierhaft.
Er war eines Tages aufgetaucht, hatte der kleinen, gebeutelten Stadt Rinorina geholfen. Er brachte Technologie, Wohlstand und Reichtum und erschuf die Metropole Saint Rinoris.
Man sagte ihm nach, die geheiligten Bolloggs stünden hinter ihm. Er befände sich in der Gunst des Vierten.
So endet eine Zeitlinie. Und so beginnt eine Zeitlinie. Auf ein neues.
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