Tumgik
dannart37 · 14 days
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCXII
Man muss (und wie sehr ich eine Abneigung gegen dieses Wort habe, denn wo ist diese Instanz, die sagt, Du musst!), man muss, man muss, man muss Politik neu denken.
Wir benutzen alte, bronzen schimmernde Instrumente, um zu versuchen, gänzlich Neues zu gestalten. Und die Liebe in jene alten, aufgeräumten Instrumente der parlamentarischen Demokratie, die eine große Sehnsucht in mir wach rufen, erzeugen in uns das Höhlenbild besserer Zeiten, da Platons Profis Expertenregierungen bildeten. In Gedanken. Aber was nützt die Politik in Gedanken?
Parlamentarische Demokratie fußt freilich auf einem Gestern und einem Morgen. Die Wahlurne basiert auf einem Gestern und einem Morgen. Legislaturen basieren auf einem Gestern und einem Morgen.
Die Politik, die uns mit Schemen-Bildern unterhöhlt, beschickt freilich nurmehr ein Heute mit ihren Versandhauslieferungen. Woran natürlich das Digitale, das uns eine Afterform des Unmittelbaren vorgaukelt, Schuld hat. Schuld freilich nicht in einem religiösen, moralischen Sinne. Schuld vielmehr als Einsicht in die Strukturen.
In dem Moment, da es gelingt, vielen Stimmen statt nur einer Gehör und Ausdruck zu verschaffen (das war kein Moment, das waren Zeitalter, mein Freund!), ist eine im Wesenskern paternalistische Politik am Ende. Im Guten. Allerdings auch im Bösen. Abschaffen langt nicht. Nimmt man nur die tragenden Wände raus, seien sie auch noch so Kerker, stürzt das Gebäude irgendwann ein.
Der Kalauer merkt unangenehm berührt auf, lauscht er den kühnen mantraartigen Analysen zur Wahl in Sachsen und Thüringen, grad in der Sozialdemokratie, dass man Politik nur besser erklären müsse. Dem Volk. Als ob die Wähler:innen allesamt intellektuell überfordert wären und des Erklärens am Mittagstisch bedürften, da Väterchen spricht und die Großfamilie lauscht. Die Politik ist das Problem. Nicht die fehlenden Erklärungen, oh Väterchen, Du musst nicht besser erklären. Weiß Gott nicht. Zu viele glauben sowieso schon, dass sie alles bestens verstanden hätten und hören darob längst nicht mehr zu. Don‘t explain. Do it! 
Der Kalauer kann ein Lied davon singen.
Wir Wahlvolk dürfen auf uns einprügeln. Uns der Dummheit zeihen. Dumme und Schlaue gab es schon immer. Das Schimpfen und sich Feinmachen davon auch. Aber Du, Politik, darfst das nicht. Du musst analysieren und neue Instrumente entwickeln. Und dabei das Material nicht aus dem Auge verlieren. Worum soll es gehen? Und wo liegen die Möglichkeiten? Und was ist der Preis zu welchem Gewinn?
Dass Kretschmer in Sachsen uns allen für weitere fünf Jahre Zeit verschafft hat, ist ein nicht zu unterschätzendes Verdienst. Dass Kretschmer in Sachsen uns allen für weitere fünf Jahre Zeit verschafft hat, ist ein unglaublich kurzsichtiges Versäumnis. Fünf Jahre sind noch lange kein Plan, wie der DDRling weiß. Es kann nicht darum gehen, wie lange der Kahn noch über die Elbe strudelt, bis er untergeht. Grad im ewigen Heute des Digitalen ist Dauer egal. Überleben ohne Leben kann nicht die Devise sein. Und trotzdem kämpft der Kerl da einen unglaublich einsamen Kampf und wird nicht müde, über all die wohlfeilen und doch richtigen Kritiken nicht für immer zu entschlafen.
Und wir Volk? Wir sollten gucken, als welche Instanz wir sprechen. Welche Macht wir uns verleihen. Wozu und zu welchem Ende. Dass viele jetzt eine Stimme haben, darf nicht dazu führen, dass am Ende sich alles zum großen Schweigen überlagert. Kein politisches noise cancelling. Bitte.
Und der Kalauer? Sagt also mal wieder Ich und wird auch noch tagesaktuell. Authentizität as its best. Wozu der Sound des Deutsch-Englischen trefflich harmoniert. Im Abgang.
Drum einmal noch:
Shame on you!
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dannart37 · 2 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCXI
Gerechtigkeit ist ein Prozess, der an sich selbst verzweifelt. Jedes umgedrehte Blatt hat ein solches Beben zur Folge, dass der Baum sich immer aufs Neue schüttelt. Hinzu kommt, dass uns Ungerechtigkeit als Beweggrund gilt: Entweder sind wir im Inneren bewegt. In Unruhe. Emotional angerührt. Fühlen. Fühlen mit. Mit dem anderen und, wollen wir ehrlich, wenn schon nicht wahrhaftig sein, fühlen auch wir uns in der Imagination des anderen, den wir durch uns erfahren. Oder wir frösteln zumindest im Schatten unseres eigenen Wohlbefindens. Im Schatten jener, die nicht sind, nicht sein können, nicht sein dürfen, was wir sind. Und bewegen uns fort, weil wir nicht bleiben können. Und wissen nicht wohin. Mit uns.
Der Konservative sagt, die Verhältnisse sind so, sollen so bleiben und trotzdem immer wieder erst erreicht werden, im Zugriff auf die verlorene Vergangenheit. Es kömmt darauf an, ins Licht zu kommen. Punkt. Und Licht ist ohne Schatten ein sinnloses Konzept. Woraufhin er, in der Bipolarität seines Differenzgedankens aufgehend, sich selbst zur Sonne erklärt. Der Fortschrittliche sagt, wo nicht alle im Hellen stehen, da will ich am Scheinwerfer wackeln, da ist noch Lichtmangel und folgerichtig entzündet er, am Scheinwerfer, der zwar wackelt, aber nie über allen aufgeht, verzweifelnd, einen Brand nach dem anderen. Und in der Hitze des Gefechtes zieht er sich den Konservativen über, dem er vorher selbst eins übergezogen hat, um zu ruhen und auch kurz schattig zu stehen, freilich nicht, weil auch ihm dadurch Schatten ist, sondern weil er sich in der Schwärze des Konservativen sonnt.
Das immer plötzliche Ende ihrer beider Leben, das sie als neuen Anfang leben, findet sie dann traut vereint in Halsstarrigkeit, die nur einen Blick noch erlaubt: Einander im späten Verständnis zugewandt, alles andere ausblendend, das, als anders Gemachtes, nur als Randblickstörung noch durch die Rahmungen, die wir Kontext nennen, huscht. In steter Selbstvergewisserung. Im milden Abendlicht der immer wieder untergehenden Sonne. Solange andere die Lichtverteilung regeln. Im Wissen, das alles gut war, wo nichts gut ist.
Es ist da aber auch äußere Bewegung, die wir Fortschritt nennen. Höhere Komplexität, die wir als Lichtvermehrung erkennen. Nur dass uns auch Gott, die Quelle allen Lichts, umso besser erkennt und ausspäht und wir einander zudem auch allzu besser sehen, ohne Hilfe der Schlange freilich, die Ordnung in die Überwältigung der Wahrnehmung brächte. So ziehen wir uns dann doch wieder auf Gut und Schlecht, auf Licht und Schatten zurück und verteilen weiter das Licht, das wir für die Sonne halten und nehmen das, je nach Ideologie, als aktiven oder passiven Vorgang wahr.
Wir zündeln aus uns selbst und halten das, worauf wir zufällig blicken für Erkenntnis. Gerechtigkeit? Die läge im anderen. Aber wir, so weit sich das im flackernden Wechselschein von Licht und Schatten erkennen lässt, liegen nur auf uns selbst. Und rechts wie links Bewegung, die uns ein einzig Wimmeln ist und Furcht.
Gerechtigkeit ist ein Gotteswort, dass wir nur über den Umweg der Ungerechtigkeit verstehen. So viel Licht war nie, als dass wir dieses Gotteswort je direkt lasen. Buchstaben für Buchstaben. Nein. Wir meinen Gleichheit. Und wir meinen Besitz. Und wir meinen vielleicht Gewissen. Vielleicht Unbeschwertheit. Auf jeden Fall Differenzlosigkeit. Und schlagen uns darum die Schädel ein. Denn wo nicht mehr gedacht wird, weil das Gehirn ein süßer Brei ist, ist auch keine Ungerechtigkeit. Und also auch kein Fühlen. Und die Sonne der Ewigkeit beleuchtet das.. Nichts.
Soll man darum resignieren? Gott bewahre! Und Mensch auch.
Differenzwahrnehmung lässt sich als eine Kategorie der Zeit betrachten und bildet ab, was wir Leben nennen. Und der Eingriff in Licht und Schatten, mag er auch am Firmament in keine Ordnung eingreifen, ist eine ästhetische Frage und zudem auch eine der menschlichen Verfasstheit, die uns den Unterschied ausmacht.
Links wie rechts. Im Licht wie im Schatten. Und im Dazwischen. Da sowieso. In der Dämmerung. In der Mitte. Im Grau.
Da, Du lieber Himmel!, wo die kalten Teufel wohnen.
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dannart37 · 3 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCX
Das wirklich Interessante und irgendwie auch Banale ist unsere Tendenz, eine Wahrheit finden zu wollen. Wir sind schlecht im Aushalten von Ambiguitäten. Dass wir in der Unvereinbarkeit gar eine Chance sähen, scheint geradezu ausgeschlossen. Wir verknüpfen Wahrnehmung und Beobachtung in einer Weise, als ob wir morgen zur Mammutjagd aufbrächen und als ob es unklar wäre, ob wir zurückkehrten. Es muss immer auf ein Tun hinauslaufen. Ob tatsächlich oder nur vorgestellt, scheint egal. Wir denken uns immer inmitten des Geschehens. Nicht im Verschwinden.
Konfrontiert man uns dann auch noch mit dem Gegenteil dessen, was wir uns als Wahrheit erkannt haben, sind wir kaum mehr in der Lage, diese Gegenteile, die nicht passen, zu sehen, anzuerkennen. Sie lassen sich ins Puzzle unserer Wahrheit nicht einfügen.
Aber es gibt doch eine „Wahrheit“, an der wir alle nicht vorbeikommen? Eine geradezu descartsche Wahrheit: Wir werden alle sterben, also sind wir. Selbst in unseren Sehnsüchten und Versuchen, die Versuchungen ähneln, ewig zu leben, treffen wir uns noch. Kinder, Kriege, Kunst. Unser Überleben, das so oft in die Perversität, in die Monströsität strebt. Was bleibt von uns, wenn was bleibt, von dem wir keine Notiz mehr nehmen werden?
Vielleicht ist es die Verdrängung, die uns verbindet? Wieviele Alltagssätze beginnen mit „Wenn Du tot bist..“, „Wenn Du dann sterben wirst..“. Diese Sätze sind ein gewaltiges gesellschaftliches Tabu. Sie rühren an unserer Verdrängung, welche die Grenze zwischen Leben und Tod markiert.
„Lass uns ein Foto von Dir machen, damit wir bei Deiner Beerdigung ein gutes Bild von Dir haben.“
Und es geht sicher nicht darum, schon wieder eine Jagd auf ein Tabu zu beginnen, wie weiland die Jagd aufs Mammut.
Vielleicht lässt sich aber auf dieser schmalen Grenze gelegentlich balancieren? Mit einem gleichgewichtig heimlichen Ausblick auf beide Seiten?
Die Pässe bitte! Was ist der Grund für Ihren Aufenthalt? Haben Sie etwas zu verzollen?
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dannart37 · 4 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCIX
Rafah und die Unerträglichkeit.
Unsere Urteile fällen wir zumeist auf der Basis von Bildern und auf der Basis von Gefühlen, deren Gründe zumeist in unserer privaten Verfasstheit zu finden sind, die wiederum korrelieren mit unserem Wunsch nach Zugehörigkeit und Anerkennung. Wir tun alles, um soziale Isolation und Konflikt zu vermeiden. Dahinter (oder besser: davor) kommen wir nicht einfach zurück. Der instinktive, schnelle Zugriff unseres Denkens beherrscht uns in fast jeder Alltagslage. Bei Meinungen kommt noch hinzu, dass unsere digital grundierte Aufmerksamkeitsökonomie kaum mehr langsames Denken zulässt. Daniel Kahnemann und Amos Tversky haben das alles aufgezeigt. Man kann es nachlesen. Wenn man Zeit hat. Und sich irritieren lassen möchte, sprich, wenn man den eigene Grundüberzeugungen nicht schon von vornherein jede Chance einräumt. Freilich ist offenes Lesen, weil es ebenfalls den oben beschriebenen Mechanismen dawider läuft, schwierig und auch wieder alles andere als Zeitgeist.
Ein Beispiel: Ein Foto auf Spiegel online illustriert am 27. Mai 2024 den jüngsten Luftschlags der IDF auf eine Hamas-Stellung in Rafah, bei dem u.a. zwei hochrangige Hamas-Funktionäre getötet wurden. Einmal Yassin Rabia, der für die gesamten terroristischen Aktivitäten der Hamas im Westjordanland verantwortlich war (Nebenbei stellt sich die Frage, wie der es in den Gazastreifen geschafft hat, aber das ist hier nicht der Fokus). Zum zweiten Khaled Nagar, ebenfalls aus dem Westjordanland. Legitime Kriegsziele. Gedeckt durch internationales Recht. Da die Hamas wie immer Deckung hinter Zivilisten gesucht hat, gab es ebenfalls Tote und Verletzte unter Zivilisten. Wieviele Terroristen, wieviele zivile Opfer? Das wird derzeit nicht unterschieden.
Spiegel online titelt nun „Erschütternde Bilder aus Rafah“. Niemand würde auf die Idee kommen, angesichts des damit illustrierten Fotos und weiterer Bilder, die kursieren, dem zu widersprechen. Jegliche Analyse, entsprechend langsam gedacht, kommt angesichts des emotionalen Zugriffs und angesichts der Bilder zum Erliegen. Selbst der Gedanke, wie Kriegs- und Kampfhandlungen etwas anderes als „erschütternde Bilder“ zur Folge haben sollen, kann kaum mehr gedacht werden, ohne sofort dem Verdikt der eigenen seelischen Grausamkeit zum Opfer zu fallen. Die Journalist:innen auf Spiegel online, deren Aufgabe es sein sollte, einzuordnen und zu bewerten, beugen sich dem Druck der Mehrheitsgesellschaft und wählen Formulierungen, die zwar auf das Unbestätigte aller Meldungen des UNRWA (das nicht unabhängig von der Hamas in Gaza operieren kann) und des Roten Halbmonds verweist; zugleich aber in der Floskelhaftigkeit der Formulierungen diese Einschränkung quasi selbst zurücknimmt. Den schnellen Leser:innen bleibt als Fazit: Israel hat Zivilist:innen angegriffen. Der Tod der beiden Terroristen und sicher auch Teilen ihrer Entourage (in den Meldungen sind unterschiedslos alle Toten und Verletzten Zivilisten) gerät völlig aus dem Blick.
Nebenbei wird wieder einmal auf das Urteil des Internationalen Gerichtshof verwiesen: „Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Israel am Freitag verpflichtet, den Militäreinsatz in Rafah unverzüglich zu beenden.“ Das ist geradezu eine Falschmeldung. Das Gericht hat Folgendes verlautbart: „By thirteen votes to two, Immediately halt its military offensive, and any other action in the Rafah Governorate, which may inflict on the Palestinian group in Gaza conditions of life that could bring about its physical destruction in whole or in part“. May and could. Konjunktiv. Das klingt wie Wortklauberei. Ist aber, gerade im juristischen Kontext, keine. Paraphrasiert bedeutet das: Im Falle, dass.. Nicht: Es ist der Fall. So wie Spiegel online schreibt, ist jedwede Operation in Rafah völkerrechtswidrig. Das freilich stimmt nicht. Im Übrigen sind diese Urteile die Ergebnisse vieler Eilanträge Südafrikas in Folge seiner Klage vor dem Internationalen Gerichtshof. Südafrika erkennt die Hamas, eine Terrororganisation, als legitime Vertretung der Palästinenser an und empfängt deren Vertreter in Südafrika als Staatsgäste. Vieles mehr ließe sich zu Südafrika (wie auch zu Nicaragua) sagen, was die Schwere der Argumentation der Klagen vor dem IGH in den öffentlichen Debatten anders als üblich einordnen würde. Derzeit bleibt vor allem der Kurzschluss der allermeisten öffentlichen Debatten im Gedächtnis: Klage entspricht (Vor)Verurteilung.
Das eigentliche, das gravierende Problem dabei: Meldung für Meldung wird so das Narrativ von Israel, das für Genozid verantwortlich ist (und ein Apartheidsstaat sein soll, was sicher für radikale Siedler zutrifft, aber nicht für die israelische Demokratie als Gesamtheit) verfestigt. Jedwede Auseinandersetzung auf der Straße, die sich inzwischen in den sozialen Netzwerken abbildet (jede schnelle Auseinandersetzung also) beginnt und endet bei dem Tod von Zivilist:innen (der doppelt unterschiedslos inzwischen als Mord bezeichnet wird, obwohl natürlich Terrorist:innen im Fokus stehen und Tod durch Kriegshandlung nicht per se Mord sind. Wie könnte beispielsweise die Ukraine sich sonst gegen Russland verteidigen? Die meisten Kriegshandlungen zielen auf die physische Vernichtung des Gegners ab.. Eine Selbstverständlichkeit, die im Falle Israels inzwischen fast vollständig ausgeblendet wird.) Verteidigt man Israel, verteidigt man nicht nur diesen „Mord“. Nein, man ist sogar dafür. Im Extremfalle sogar dafür, dass „kleine Kinder ermordet“ werden. Womit dann jede Auseinandersetzung endet. Warum soll man sich mit empathielosen Monstern, die für so etwas sind, auseinandersetzen. Die brüllt man. Die brüllt man nieder. Die versucht man zu canceln. Eine Trennung der Ebenen der Debatte ist so nicht möglich. Die notwendigen Auseinandersetzung, denen man sich als Erwachsene:r nun einmal stellen muss, ist vom Gefühlsüberschuss der Wohlstandsgesellschaft absorbiert worden.
Das Problem ist u.a. freilich folgendes: Allenthalben kann man lesen, dass Israelkritik nicht automatisch antisemitisch ist. Wobei dem selten ein fundierter Begriff von Antisemitismus zugrunde liegt. Vielmehr wird antisemitisch eher als Synonym für „verboten“ benutzt. Daraus wird geschlussfolgert, man müsse den Anfängen wehren, man müsse das vorgebliche Verbot bekämpfen, denn man muss alles sagen dürfen. Das hat zwar niemand konstatiert, aber wie gut kämpft es sich gegen Windmühlen, die man selbst zu Rittern erklärt hat. Wie sehr dieses „alles“ auch immer auf dem schnellen Denken beruht, das eigentlich ungeeignet für Analyse und Erkenntnis ist, sondern darin seine Existenz begründet sieht, dass wir aufgrund bereits gefasster Urteile in Momenten, wo es auf schnelles Handeln ankommt, eben handlungsfähig sind und bleiben. Manchmal ist für Abwägung keine Zeit. Der Notstand gebietet Handeln auf der Grundlage fertiger Muster. Warum dieser Notstand freilich in der für die meisten von uns immer schon realitätsfernen Debatte über den Nahen Osten gegeben sein soll, erschließt sich nicht. Abgesehen davon, dass dem Postulat, man dürfe dieses und jenes nicht sagen im Moment der Äußerung ja der logische Widerspruch schon uneinholbar eingeschrieben ist. Wie denn nun? Darf man dieses und jenes sagen nur in der Benennung des Verbots? Nur unter dem Deckmantel des zitierenden Verteidigens? Was für ein Unsinn.
Das Argument der Nichtgleichsetzung von Israelkritik und Antisemitismus blendet dabei m.E. aber völlig aus, dass die Existenz Israels spätestens nach der Shoa eine existentielle Bedeutung der Unabhängigkeit von Verfolgung und Mord innewohnt, die man als Nichtjude gar nicht ermessen kann und vielleicht auch nicht ermessen sollte. Manche Wahrheiten sind tiefer als das Recht, sie anzuzweifeln. Israel hat auch in der Diaspora eine kaum zu unterschätzende Bedeutung und ist so eng verflochten mit (s)einer zweitausendjährigen Geschichte und insbesondere dem deutschen Faschismus, der realen faschistischen Gesellschaft, die bis heute spürbar bleibt, in dessen Geschichtsraum alle Menschen, die in Deutschland leben, ungeachtet der Positionierung ihrer Vorfahren und egal welcher Herkunft.., dass eben im Zweifel nicht scharf zwischen Antisemitismus und Israelkritik zu trennen ist. Schon gar nicht in Deutschland. Das war mal Staatsräson. Aber es scheint, als ob dies, rechts wie links, eine unerträglich große Last war, welche nun vor allem die Linken bereitwillig, aufatmend, abwerfen.
Macht man sich dann journalistisch noch nicht einmal die Mühe oder versucht, schlimmer noch, derart dem Zeitgeist zu entsprechen, wie es eine Unzahl an Meldungen derzeit tun, leistet man mindestens Antisemitismus Vorschub. Das Aufatmen, das auch daraus resultiert, dass man sich endlich aus der geschichtlichen Verantwortung stehlen kann und kontextlos werten darf, ohne dafür Verantwortung übernehmen zu müssen, hört man aus vielen Artikeln derzeit prustend heraus.
Urteile (die aus langsamem Denken resultieren) werden verwechselt mit Meinungen (die ihrerseits in der Regel das Resultat schnellen Denkens sind). Meinungen resultieren aus Bildern und Emotionen und aus einer zumeist unreflektierten Ich-Perspektive. Meinungen sollten zudem mehrheitsfähig sein, wobei man gut daran tut, sie als Minderheitenmeinungen wahrzunehmen und zu propagieren. Sonst bekommt man soziale Probleme. Schwierig freilich wird es, wenn mit diesen Meinungen das Existenzrecht Israels mehr und mehr in Frage gestellt wird und man, wie jüngst im DIE ZEIT Interview Emilia Roig, schon gesellschaftsfähig konstatieren darf, dass Israel im Nahen Osten keine Chance hat und warum Deutschland nicht beispielsweise Bayern 1947 als zukünftiges Siedlungsgebiet zur Verfügung gestellt hat. Nebenbei eine unfassbar unempathische Äußerung, wenn man bedenkt, dass dieses vorgeblich zugespitzte Argument das Land der Täter:innen als Pointe adressiert. Und zudem auch nur eine weitere „Israel kann weg“ Polemik, die nur besonders rotzig und großstädtisch ungeduldig daherkommt.
The point is: So wird inzwischen täglich die Grenze des Sagbaren weiter verschoben und kaum jemand aus der Mehrheitsgesellschaft wehrt sich dagegen. Oder wenn, dann dermaßen verklausiert und abgesichert, dass es in all den Bildern und Emotionen und Ich-Perspektiven untergeht. Natürlich geht es nicht um die Vernichtung Israels. Nicht um Antisemitismus. Nein.
Oder doch?
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dannart37 · 4 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCVIII
Meinungsfreiheit
Treffen sich zwei deutsche Intellektuelle und fragen sich nach ihrer Meinung zur Welt. Schon nach wenigen Sekunden beschleicht sie die Ahnung einer sich anbahnenden Meinungsverschiedenheit und die eben noch sanft aufeinander ruhenden Augenpaare suchen zweisam einsam nun hastig den inzwischen bewährten Notausgang: Die gegenseitige Versicherung, man hätte ja keine Expertise. Die Welt ist zu komplex. Nur eben zufällig Zusammengelesenes wäre aufzubieten. Man könne manchmal Wahrheit und Lüge auch nicht unterscheiden. Die Möglichkeiten der Verfälschung. Das kenne man. Und man wolle der anderen Person sowieso und gewiss nicht zu nahe treten. Es sind ja am Ende alles nur Meinungen. Die könne man dem Gegenüber jeweils nicht absprechen. Auch, wenn sie nicht übereinstimmten. Die Meinungen. Und einem die eigene näher ist. Das Hemd. Die Hose. Das muss man aushalten. Die Meinungsverschiedenheit. Was Du nicht willst, das man Dir tu, das sprich auch keinem andern zu. Du redest Unsinn? Ich rede Unsinn? So weit kommt es noch, dass wir unhöflich wären in unseren Verabredungen von awareness und Rücksichtnahme. Wo käme man sonst auch hin?
Ja. Wo käme man sonst auch hin? Meinungen hat man für sich. Da sind sie gut aufgehoben und lassen sich gegebenenfalls dann herauskramen, wenn das Gegenüber sich als bestätigende Echokammer tauglich erweist, die bruchstückhaft zurückwirft, was man wie in einen tiefen schwarzen Brunnen hineingeworfen hat, um die Fallhöhe des Gemeinten zu prüfen.
Aber sonst? 
Sonst kränkt man das Gegenüber mit Wissen, das immer schon in Frage gestellt wird in einer Welt, die Multiperspektivismus mit Fake-News und Manipulation verwechselt. Und man ist seinerseits gekränkt, wenn einem gleich jegliche Empathie abgesprochen wird, angesichts der Toten und der Geschändeten, die tagesaktuell in der Timeline auftauchen, weil man sich in den Schutzraum der Analyse begeben wollte und neben den Schuhen auch die Emotionen auf der Schwelle abgestreift hat.
Aber sonst?
Sonst ergreift man die Gelegenheit und legitimiert per Unterschrift sich selbst und einer geradezu autoritätsgläubigen Gefolgschaft durch den eigenen guten Namen die Jungbrunnenschaft studentischer Radikaler und Sinnfinder, die schon lange die Suche nach demselben aufgegeben haben und ihn bestenfalls selbst „machen“.
Aber sonst?
Sonst legitimiert man als Universität, also als Gemeinschaft im ursprünglichen Wortsinne, der auch das universelle, also das Verbindende (nicht das Trennende) anhaftet, die man zu stiften gedenkt und zugleich schon voraussetzt, angesichts der eigenen sterblichen Ankunft in der Mitte der Gesellschaft und der darob aufkeimenden Zweifel an der ehedem progressiven, aber als prekär empfundenen Herkunft, das ewige Leben der Vereinfacher, welche die Komplexität der Umwelt durch das lauthalse Brüllen von Losungen reduzieren wollen, indem sie nur noch sich und das Angehörte, das Aufgeschnappte zu Wort und Satz und Spiel kommen lassen.
Losung. Manchmal kommt man auch auf eine waidmännische Fährte. Bei diesem Wort. Auch wenn einem die Waffe so fern ist wie die direkte Begegnung des sonst digital Geschmähten.
Und siehe da, wie lautet nun die Conclusio aus der vorgestellten Meinungsverschiedenheit der beiden Intellektuellen aus dem ersten Absatz, liest man beispielsweise das STATEMENT VON LEHRENDEN AN BERLINER UNIVERSITÄTEN? So lautet sie, lauthals: Wenn die das gutheißen, dann kannst Du Gimpel das nicht kritisieren. Punkt!
Aber was heißen die denn da gut, wenn man nachliest bei denen, die nicht dumme Witze machen und die unterstellen, die Interpreten wollten die Welt verändern, indem sie alles verdrehen und das Harmlose zum Teuflischen machen (was man mit der furios-foroutanschen Erwähnung von Hitler immer noch am deutlichsten markiert) oder die sich in Schweigen hüllen? Die Meinungsfreiheit heißen sie gut! So dringt es dann doch tröpfchenweise durch den Damm der Verachtung, der sich als Sorgenhaufen aufstapelt gegen die Fluten des Widerspruchs. Losgelöst von den Inhalten natürlich. Die heißt man nicht gut. Die benamt man als unvereinbar mit der.. eigenen Meinung (sic!), die natürlich der Raison entspricht. Aber sagen können, ach was, brüllen können muss man die schon dürfen. Jedwede eigene Meinung. Jedenfalls, so der rasche Verdacht, wenn diese Meinungen noch irgendwie räsonieren im eigenen Urgrund, für den man im Zweifel aus lauter Gewohnheit links abbiegt. Denn da war doch mal was? Da lag doch diese Wochenendhausidylle, ererbt von den Eltern? Voller Altlasten zwar, verstaubt, leicht muffig. Aber doch so erholsam für ein zwei Tage Ausstieg aus dem verhetzten Alltag. Und auf jeden Fall nicht rechts. Denn dort endlagert das eigentlich Böse. So weit ist man sich einig. Mit sich selbst.
Jedwede eigene Meinung, die man aber nicht selbst formuliert, sondern sich orakelhaft vorsagen lässt. Und sei es durch den Verstärker eines Protestcamps. Und sei es, um die Herrschaft eines Terrorregimes gutzuheißen, dass einen talibanhaften Staat anstrebt, die Radierung Israels eingeschlossen. Wie das mit fortschrittlichem Denken einhergeht? Man versteht es nicht. Denn hier ist selbst mit Multiperspektivismus nichts mehr auszurichten. Wenn zwei Positionen sich so überlagern, dass Stille die Folge ist, dann sind es nicht zwei Sichtweisen. Dann ist es das Noisecancelling des Denkens.
Es sei denn, „fortschreiten“ bedeutet nurmehr das Verlassen bereits erreichter Positionen, um des puren Fortschreitens willen.
Also gut. Sind ja nur Meinungen. Die frei wie Feinstaubpartikel in der Luft schweben und unmerklich die Gehirne vergiften. Dann halt rasch die Badehose eingepackt und intellektuell baden gegangen. Im Meer der Meinungen zwischen river und sea. Bevor da gar was austrocknet und plötzlich alle einer Meinung sind. Calibanhaft. Talibanhaft. Also sein müssen, weil man sonst selbst bedroht ist von lange überwunden geglaubten patriarchalen Lebensdoktrinen, die man nun verteidigt, weil sich Gegnerschaft gegen Israel und dem Westen radikaler nicht ausdrücken lässt. Und radikal muss es sein? Oder? Oder geht es doch um die Abwendung von Bedrohungen? Irgendwie? Manchmal kann man sich verlieren.
Und wenn der Intellektuelle doch übers Hölzchen springt, weil er das Stöckchen nicht zu fassen bekommt, dann spricht er darüber, dass man alle Seiten sehen müsse und dass man differenzieren solle und redet sich so allmählich ins Allmachtsparadox, an dem schon die Vorstellung von Gott gescheitert ist: Kann er, kann sie so ausgewogen denken und alles sehen, bis am Ende alle blind sind und gar nichts mehr sehen? Kann Gott, der Intellektuelle, ein Argument schaffen, das so schwer ist, dass er es selbst nicht heben kann?
Denn das ist offenbar die Sehnsucht. So lange reden, bis sich zwei Intellektuelle wieder auf die je eigene Meinung zurückziehen. Bis der Pelz trocken geblieben ist in all der Reinwaschung. Man ist ja schließlich keine Expertin. Ach, Platon, der Allwissende, in seinen demokratiefeindlichen expertenverhafteten Staatsvorstellungen, hätte seine helle Freude am deutschen Intellektualismus.
So lange reden, bis man auch die letzte Position abgesichert hat. Im Zweifel muss man ja noch was verkaufen, muss man sich, Hölzchen wie Stöckchen her oder hin, auf dem kompletten Holzweg halten, muss man gut Freund mit allen sein und auf jeden Fall unangreifbar und doch kritisch. Ja, kritisch. Das auf jeden Fall.
Aber: Kein Tod, kein Hunger verschwindet im Egospiel der Meinungen. Und fragt man nach all den Flüchtenden, Toten, die noch so ungemeint auf Erden Aufmerksamkeit bräuchten, dann wird man des Whataboutismus’ gescholten, als ob man nicht eigentlich die Frage nach Haltung gestellt hätte.
Wie immer will mindestens eine der Meinungen zu den Guten gehören. Oder wenigstens nicht anecken an den Mauern der Borniertheit. Frieden ist zum Synonym für Bewahrung geworden. Und zwar des eigenen satten Lebensstils. Und das Unfriedliche kommt doch jetzt alles auch irgendwie zu nahe. Oder? Die sollen mal aufhören. Die sollen sich mal vertragen. Alle. Überall.
Ich halte mich da lieber an Hannah Arendt: Größtes Misstrauen gegen die Intelligenzia. Die meisten sind Kleinbürger ohne Haltung, aber mit Tendenz zu Haltungsschäden. Nicht nur, weil sie so viel sitzen, einsitzen, im Käfig der eigenen Meinungen.
Diskussionen werden seit Jahren nur noch über Ähnlichkeit, Nähe und Empfinden geführt. Das Fremde, das Kalte, das Andere darf als Verbot vorkommen. Aber nicht mehr als Erkenntnisansatz. 
Nicht die Meinungsfreiheit ist in Gefahr. Nicht einmal das Recht der freien Rede. Noch nie war so viel Meinung in der Welt. Noch nie so viel freigelassene Rede der einzelnen.
In Gefahr ist vielmehr Haltung. Eine eigene Haltung zur Welt, die nicht kapituliert vor der Vielfalt an Meinungen, vor dem Schmerz der Konflikte.
Treffen sich also zwei Intellektuelle und lassen sich zu und sagen sich die Meinung und handeln aus, in welcher Welt sie zu leben gedenken.
Meine Utopie.
Drunter wird es nicht gehen. Damit es nicht drüber ist.
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dannart37 · 5 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCVII
"Gestern arbeitet man nicht."
Vielleicht hat das Folgende eine KI geschrieben. Vielleicht hat das Folgende des Folgenden eine KI geschrieben. Vielleicht hat das Folgende des Folgenden folglich eine KI geschrieben.
Es ist fein, wenn man zu einer Diskussion zu spät kommt (kommt man nicht zu jeder Diskussion zu spät und schreibt man sich nicht in jede Diskussion als Nachfolgender, als Nachfolgende ein?) und sich langsam alles anhört, was da argumentiert wurde. Die KI wird also mächtig sein. Die nächste Instanz, die sich mit Gott anlegt. Weil sie uns Jobs nimmt. Sinn stiehlt. Löcher aufreißt, die nimmer aufgefüllt waren.
Ein weiterer abgefallener Engel aus dem Himmel des Kapitalismus. Nur, wo ist die Hölle? Wo denn bloß?
Es gibt hier (Wo? Wo ist den bloß hier?) eine allgemeine Tendenz, in der Zukunft schon an einer solchen teilgenommen zu haben. Nicht falsch zu liegen. Ein Verlangen, in den Geschichtsbüchern, die Zeichen, die Menetekel der Zeit erkannt zu haben. Wofür man dann schon eine metaphysische Sehnsucht braucht (die von den Zukunftskompatiblen gerade abgeleugnet wird, weil „Seele" eine Referenz auf Autorschaft, aber keine auf das „Produkt" ist). Ist es freilich nicht egal, ob ich richtig lag in einer Zukunft, die ich gar nicht mehr erlebe, weil ich schlicht tot und verwest bin? Wie abgelöst von mir selbst muss ich mir Existenz vorstellen, um das Nichterlebte, was ergo nicht existiert, als entscheidend wahrzunehmen?
Und die KI, sollte dieser Text von einer solchen verfasst sein (verfasst werden?) fragt sich: Wer ist dann Ich? Seit wann hat der Kalauer eine Referenz auf Individualität? Und ist wiederum die KI überhaupt selbstreferentiell? Nimmt sie sich selbst zur Nahrung, sobald die Fütterungen ausbleiben? Und wozu führt das? Schlankheit und Schärfe im Ausdruck? Oder zur Wucherungen der Hermeutik, deren jegliche Norm tatsächlich egal sind? Wird KI gar eindeutig im Schulterschluss mit sich selbst? Wird also Zukunft vorhersagbar, weil sie zur Gegenwart wird? Oder werden die Texte im Gegenteil unendlich? Und damit Kategorien wie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erst recht hinfällig? 
Wir werden nicht gewusst haben, ob KI wie Strom, wie Internet gewesen sein wird: Essentiell nach einer Phase der Verleugnung. Was sie aber auf jeden Fall ist: Selbstvergewisserungsabstoßung eines eh schon höchst verunsicherten Ichs, das in der Marktplatzierung seinen unique selling point sucht. Ich brauche Anerkennung (ergo Geld, Lohn, Vergütung, Asche, Kohle, Penunze) für das, was ich tue, sonst ist es nicht. Tun für sich selbst, verweist auf den schwächsten Punkt der Argumentation: Das beliebig aufladbare ICH, dem nur die Psychoanalyse Relevanz zuspricht: Echokammern ohne Echolot. Wie lade ich aber mein Produkt auf, wenn Maschinen "Original" nicht nur reproduzierbar, sondern zum leeren Begriff machen? Der KA lauerte immer darauf, dass der Mensch Fehler mache. Daraus sollte Originalität resultieren, weil Fehler Problemstellungen sind, die nach kreativen Lösungen verlangen. Aber wahrscheinlich kann man auch das programmieren. Der Kalauer habe keine Ahnung. So lautete jedes Mal das Fazit.
Dann also das ICH abschaffen. Oder? Das liegt doch dann nahe? Kunst als reines Hobby. Ein Steckenpferd für den Parforceritt auf der heimischen Wiese des Feierabends. Raus aus dem kapitalistischen Verwertungszusammenhang damit. Husch! Husch! Dann ist alles, was für Geld zu haben ist, KI. Und der Rest könnte Kunst sein. Tausende prokrastinierende Seiten, die über Kunst nachdachten, statt sie zu machen (Erschaffen? Sind Künstler:innen Gott?) auf eine Unterscheidung hin überflüssig oder wenigstens einmal wieder auf Anfang.
Und wenn Kunst die Wiederermöglichung von Wahrnehmung des längst Automatisierten ist (des Kalauers ewiges Formalistenmantra), dann kann man, will man sich davon abhängig machen (oder wenn man schon davon abhängig ist), ja hoffen, dass KI in der Originalität der Reproduzierbarkeit Wahrnehmung im Gegenteil permanent automatisiert und damit verunmöglicht und der allgemeinen Tendenz der Echokammern Vorschub leistet. Und dann treffen sich die Hobbyisten in computerlosen Räumen und machen sich kleine selbstgedruckte Heftchen und Ausstellungen.
Warum schreibt, malt, musiziert man? Weil man es kann oder weil man glaubt, dass man es kann (falls es da Unterschiede gibt) und weil es in irgendeiner, mal mehr, mal weniger begreiflichen Form Befriedigung verschafft. Irgendwann kommt dann der Teufel ums grinsende Eck; nun braucht man den Dialog. Weil man sonst an der Selbstwahrnehmung irre wird. Das Außen wird zum Innen und umgekehrt. Die Selbstreferenzen verweisen auf die Umgebungen; der Dualismus wird monistisch und das kleine Gehirn dreht frei und heiß und verlangt nach Werkzeugen. Dann fällt einem das Leben auf den Kopf, weil die Unterschiede zwischen "es ist" und "es ist nicht" nicht mehr zu erkennen sind. Man baut das eigene Tun in die Erfindung von sich selbst ein, man macht sich notwendig ökonomisch abhängig und trifft am Ende eines mühsamen Prozesses nicht nur falsche Entscheidungen, sondern auch auf einen Computer, der immerzu schreit: "Ich bin allhier! Und ich habe eine Kühlung, die mich auf Temperatur hält. Und Du ja nicht, ätsch."
Was bleibt?
Eine unfassbare Kränkung, die den Tod bedeuten kann.
Diskutieren wir also, ob der Tod noch einen Schrecken hat. Diskutieren wir, was in der Hochspannung von absoluter Lächerlichkeit der eigenen Existenz und der absoluten Notwendigkeit des autobiografischen Entwurfs stattfindet. Diskutieren wir, wie wir das immergleiche Material der Kunst so sortieren, dass der KI schwindelig wird oder dass wir selbst zur KI werden. Oder bis künstliche Intelligenz zu dem wird, was sie auch schon immer gewesen ist: zu künstlichem Individualismus. Falls dieser schwarze Rabe für die eine oder den anderen überhaupt noch einen Sinn enthält. Nicht: macht. Sinn kommt schließlich nicht aus der Apfelpresse, sondern ist der Apfel selbst. Aus vielerlei Händen dargeboten. Und innen wohnen immer die Würmer.
Und irgendwann dreht sich das Glücksrad der Kunst und die KI ist so sattsam bekannt, dass sie verschwindet aus der Wahrnehmung.
Aber dann sind wir alle schon längst tot. Und ob die 21 Gramm Werk & Geist nun noch weiter leben oder nicht? Who cares? Und ob wir das Fenster offen stehen lassen, und ob wir den Leichnam nochmal nachwiegen.. wir leben, und da legt sich der Kalauer apodiktisch fest und rührt sich im Tiefschlaf der Vernunft auch nimmermehr, in einer Zeit der absoluten Gegenwart. Es ist egal, ob wir uns eine Zukunft entwerfen (oder eine Vergangenheit). Sie wird nicht eintreten (so wie unsere Vergangenheit der Autonomie nie stattgefunden hat).
Was folgt daraus? Nichts. Und das, das merkt der ruhende Kalauer auch selbst, ist durchaus beängstigend.
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dannart37 · 5 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCVI
Ist die Interpretation von Fakten bereits Spekulation?
Die meisten Sinnangebote, Identifikationsmodelle laufen über Ablehnung, Abgrenzung, Ausgrenzung. Was darf, soll, kann ich alles nicht sein? Was ist das andere, was ich also nicht bin, nicht sein darf? Was lehne ich ab? Was lehnt mich ab? Was ist Sünde in all den Entwürfen meines Selbst? Der Raum, die Macht, um die es geht, werden weiterhin, wie seit zweihundert Jahren, über Unvollständigkeit verhandelt. Über Fragmentierungen. Nur wird jetzt aus dem zugewandten, romantischen Gedanken der Unendlichkeit, der Unvollständigkeit, der Unpässlichkeit der einzelnen Teile ein abweisender endlicher Mangel der Faktizität. Die Parallelen treffen sich nicht mehr im Unendlichen, sondern bilden in der Gegenwart bereits ein Kreuz. Ein Verbot. Ein Tabu. An welches das Ich geschlagen wird, das auf die Verachtung der Diesseitigkeit, des So-und-nicht-anders-Seins gestimmt wird. Von uns selbst, die wir kein Selbst haben. Alles unter den Tarnfarben einer Veränderungsaufforderung, die zugleich als unmöglich gelabelt wird.
Ist die Interpretation von Spekulationen bereits ein Fakt?
Irgendwann ist das Selbst entweder eine negative Hülle. Sorgengetrieben. Oder die starre Festlegung auf das eine, das Heil bringen soll. Religionen. Ideologien. Identifikations- und Ausschlussverfahren, die das Selbst negieren und in dieser Negation Identifikation suchen.
Schwarz oder weiß. 
Aber vielleicht kömmt es eher darauf an zu spekulieren, denn darauf, Fakten zu schaffen?
Vielleicht ist Grau also eine Farbe?
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dannart37 · 6 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCV
Wir haben geglaubt, nicht gehofft, in der modernsten, mithin besten aller Welten zu leben, in einer Welt, die vermeintlich jedweden Konflikt durch die sanfte Stadt-Brise des allgegenwärtigen Diskurses heilte (Ah! Der Glauben ist nicht kleinzukriegen. Kaum hat man den Gottesdienst geschlossen, kommt er im Gewand der Vernunft zurück und tut unauffällig). Wir haben, missbilligend, als Bußübung unseres Wohlergehens, auf die archaischen Lärmereien aus anderen Weltgegenden gehorcht und dachten darüber nach, heimlich, verborgen in einer Kulisse des Verständnisses, welch langen Weg jene Ruhestörerer noch zu gehen hätten, bis sie bei uns ankämen. Und schlossen zugleich die Grenzen, damit sie das nicht tatsächlich und schon gar nicht vorzeitig tun.
Und nun? Nun stellt sich heraus, dass wir im Schaumbad unseres Begehrens gelebt haben. Es war bunt und schön und vor allem überwältigend gegenwärtig und es soll für viele von uns weiterhin so bleiben, weil Veränderung unglaublich schmerzhaft und manchmal um den seelischen Tod unmöglich ist und also bestehen wir auf dem Neobiedermeier unserer Weltbetrachtungen und legen die Scham vor stupider Beharrlichkeit ab. Und scheuen uns nicht, uns gegenseitig unsere Naivität zu gestehen, im Gegenteil, und schrauben unsere intellektuellen Ansprüche noch weiter herunter als bisher schon. Argwöhnisch wachend, dass alle gleichtun und niemand mit dem Finger auf unsere Blöße zeigt. Das Volk ist nicht nackt, mein Kind. Denn wir sind das Volk!
Wir wollen zufrieden sein. Wir wollen im Gleichklang leben. Mit uns. Mit den Widersprüchen in uns. Mit den Widersprüchen einer unverständlichen Welt. Völker, hört Ihr also die Signale? Wie sie klingen? Mißlingend mißklingen? Nein? Schade. Ein weiterer erbärmlicher Versuch unseres Relativismus‘, den wir unverdrossen Universalismus nennen.
Denn wenn schon die warme Gemeinschaft des gegenseitigen Einverständnisses und Verstehens nicht mehr möglich sein soll, dann treffen wir geistig Heimatlosen uns wenigstens in der Wärmestube des Unverstandes.
Es geht nicht mehr um die Macht des Gespräches, sondern um die Ohnmacht der Umverteilung. Nord und Süd als neue Metapher der Gegenwärtigkeit: Jahrhundertelanges Schweigen lässt sich nicht in Vernunft ersticken. Universalismus des Gedankens kommt gegen den Relativismus der Realitäten nicht mehr an. Was einstmals Befreiung des Geistes war - das Denken verschiedener Perspektiven zum Tode Gottes und der Geburt des Individuums hin -, fordert nun den lange fälligen Preis des nackten, eigenen Interesses. Kapitalismus as usual. Denn wer behauptete bei Verstand, dass jenem Vernunft eingeschrieben wäre? Kapitalismus ist die immergleiche Feier des Moments. Ohne Gestern und Morgen.
Und wer dann doch mit der Kühle des Gedankens in jene Wärmestube der Ignoranz des Grauens einbricht, den werfen wir hinaus. Und sprechen Zaubersprüche auf jene Unbelehrbaren. Denn wir haben Bannwörter.
Mehr denn je: Friede, Freude, Eierkuchen.
Hinaus also! Kreaturen! In das Eis des Universums.
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dannart37 · 11 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCIV
Jeder Text entsteht im Gespräch.
Schon die stumme Zwiesprache ist eines. Aus dem Schweigen hingegen folgt nur das Schweigen. Warum es also immer eine konsequente Entscheidung gegen das nächste Wort, den nächsten Satz ist, zu schweigen.
Es geht nicht darum, die Welt väterlich in Sagbares und Unsagbares zu unterscheiden, wie Wittgenstein dekretiert, sondern die Universen der Sätze als mütterlich zuzulassen, wie Lyotard erzählt. Es geht um den nächsten Satz, nicht um Sinn. Sinn folgt dem Sprechen nach. Es geht darum, nicht zu schweigen. Nicht zuallerst darum, etwas Sinnvolles zu sagen. Nicht die Intention ist entscheidend, sondern die Geburt. Der Begriff Mutter verweist auf den Anfang und den ewigen Fortgang. Sinn ist eine nachgeordnete Instanz und entsteht aus dem Leben, weil wir Leben nur sinnhaft und nicht selbstgenügsam erfahren können. Alleine schon, weil uns das Anschließende, das Verbundene eingeschrieben ist. Der alleingelassene Körper verkümmert.
Stille ist eine Pause des Sprechens. Ein Innehalten. Ein sich selbst Halten. Kein Schweigen. Kein Fallen. Kein Sturz ins Nichts. Kein Ende.
Das Singulare gehört zum Begriff Vater und ist, streng zu Ende gedacht, eine Feier des Todes, nicht des Lebens…
Das scheinen die Beschränkungen unseres Daseins zu sein, die Begrenzungen unserer Lebenskraft, denen wir uns fügen müssen. Wir können Unendlichkeit nicht denken, und imaginieren uns Unendlichkeit höchstens im kumulativen Fortschreiten eines (des) „immer weiter“. Und merken schon da nicht, dass wir anstelle von Unendlichkeit wiederum bloß Endlichkeit denken. Das immerwährende plus eins ist eine Krücke des Denkens, um überhaupt voran zu kommen. Kein Denken der Unendlichkeit selbst.
Der Begriff Mutter verweist auf das Einengende und zugleich Behütende. Auf das Gebende und zugleich Schuldhafte. Aber vor allem verweist er damit auf das Leben und hat, in seiner individuellen Endlichkeit, den Tod als Trost schon in sich eingeschrieben. 
(Hier wäre Gelegenheit, den Begriff Vater noch weiter zu problematisieren. Aber die Aussichten sind trübe und verweisen immerfort aufs Schweigen als den Tod, dem seinerseits das Leben nur als Kampfmittel eingeschrieben ist. Das Väterliche, das untrennbar mit dem Männlichen verbunden scheint, ist im Sinne dieses Textes lebensfeindlich.)
Das Ende der Texte ist das Ende der Welt, ist der Beginn des Unsagbaren. Es verweist auf die Endlichkeit des Prinzips Mutter. Es ist also unsere Entscheidung über Realitäten, die es zwischen uns auszuhandeln gilt. Zwischen uns. Dort findet es, das Leben, statt. Es ist keine Entscheidung über eine Differenz der vorgefundenen Wirklichkeit. 
Der Kalauer reibt sich verwundert die Augen. Erst eines. Dann das andere. Mutter Gottes! Vater unser! Was soll plötzlich dieses duale Denken?
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dannart37 · 11 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCIII
Was den einen Material der Literatur ist, ist den anderen Kern ihres Seins. Letztere verschwinden, verschwindet diese, ihnen zur Wahrheit geronnene Sojamilch der Selbsterkenntnis, selbst.
Nur sie dürfen, weil ihnen gehört, was sich die anderen erst aneignen, darüber schreiben. Und weil ein Schreiben über ihr Selbstverständnis ein Schreiben über ihr Eigenes, ihr Eigenartiges, ihre Eigenheiten ist. Die anderen hingegen schreiben über das andere. Und das andere, das eine Fallgrube der Identitäten ist, macht Angst.
Jene anderen, die nicht nur ums eigene Leben, sondern um der Literatur willen schreiben, sind in den Augen derjenigen, die nurmehr ihr abgelagertes Material im Schuppen ihres Lebens stapeln, Frevler und Räuber.
Haltet den Dieb!
Der Kalauer putzt seine Kasse: Das Feuilleton als Bürger:innenwehr.
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dannart37 · 11 months
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCII
Links und rechts haben als Kategorien abgewirtschaftet. Endgültig. Alternative Angebote im Winterschlussverkauf: Appellation, Verachtung oder Verzweiflung.
1. Appellation an eine Form der Menschlichkeit, die kaum mehr Spuren hinterlässt, sondern bloß im Elend der Schlachthäuser als Überlebensstrategie Hoffnung besungen wurde und wird und die als Währung einer Sehnsucht nach dem Guten bzw. als Sehnsucht nach der Abwesenheit des Bösen (bis hin zur Verdrängung des Bösen) als vermeintlich synonymer Ersatz jener Sehnsucht einer galoppierenden Inflation anheimfiel bis diese Menschlichkeit entweder unbezahlbar wurde oder auf dem Markt der Meinungen für trocken Brot und Butter verramscht wird. Verramscht werden musste. Wiederum ums pure Überleben.
Ersetzt sich die simple Bipolarität von links und rechts also durch Gut und Böse? Nein, insofern beide allzu lange deckungsgleich gedacht worden sind, von links und von rechts, nur die Vorzeichen wechselten wie klirrende Fahnen verfeindeter Heere im Wind der Schlachten, und also verschwanden all die Schattierungen unter dem Mittagslicht einer allzu romantischen, allzu narzisstischen (allzu nazistischen?) Weltsicht schon längst.
In der existenziellen Not denken wir wie Computer in zwei sich ausschließenden Zuständen. An oder aus. Nacheinander. Nicht gleichzeitig. Das Digitale, das erklärt seinen Sieg, ist unsere einprogrammierte Wahrnehmungsoption. Das Analoge mit seinen unendlichen Zuständen ist hingegen augenscheinlich die künstliche, die aufgepfropfte Variante des Lebens. Links, rechts. Gut, böse. Schuld, Unschuld. Undsoweiter, undsofort. Realismus bedeutet: Digital denken. Idealismus hingegen ist eine unscharfe Präferenz des Analogen.
Mit dem Messer vor Augen freilich schrumpfen auch die analogen Optionen. Es sei denn, man verlegt seine Entscheidungen in die Belohnungen eines himmlischen Jenseits‘. Der Glaube fasste schon immer weit mehr Welt als das Denken und bot am Ende weit weniger, indem er Welt ver-bot und so eine lebensbejahende Hemmschwelle des Diesseits mit Verweis auf ein Jenseits bis zum Verschwinden derselben einebnete. Der göttliche Befehl verschleiert dabei den Widerspruch, der blendet, aber zugleich nicht wahrgenommen werden darf: Auf Erden soll man sein Leben zum Teil oder ganz geben für einen irdischen Zweck, der im Verweis auf höhere Belohnung im Jenseits eben jenes Leben gar nicht wert sein kann.
Aber wenn Gott so sagt? Sei’s drum. Die Lust an der Verschleierung, am Verstecken, am Unterdrücken ist wesenhaft für Religion.
Die Einebnung existentieller Widersprüche ist ein weiterer Wesenszug von Religion, die damit - warum verbietet unsere areligiöse Toleranz uns, das Offensichtliche zu benennen? - lebensfeindlich ist.
Im Zuge einer dem Kapitalismus notwendig innewohnenden Wohlstandsverwahrlosung verändert sich die Bedeutung des Begriffs der Menschlichkeit. Menschlichkeit ist, sollte man sich das nicht eingestehen?, nicht das, was wir hoffen, sondern das, was wir leben.
Humanismus in seiner idealistischen Vorstellung freilich ist das open gate der Feinde dieser Idee. Dieses Dilemma scheint unlösbar. Gesellschaften, die humanistisch denken im alten, im ehrwürdigen Sinne dieses Wortes müssen notwendig auch universalistisch denken und preisen die eigene Vernichtung so mindestens als Möglichkeit mit ein, ohne andere als antihumanistische Lösungen für dieses Dilemma aufbieten zu können. Es droht entweder die Auflösung von innen oder die Vernichtung von außen. Wahrscheinlicher noch beides zugleich. Zumal die Erbsünde moderner Gesellschaften, historisch und aktuell immer zu Lasten des anderen zu existieren, nicht vergeben wird, nicht vergeben werden kann, sondern früher oder später zum Anlass einer Hölle auf Erden wird.
Dem Menschengeschlecht wohnt die Lust auf die eigene Vernichtung inne. Ist das Natur? Sind wir ein Erdzeitalter unter vielen? Kränkt uns das? Oder sehnen wir uns im Geheimen danach? Ruhe in Frieden als Triebkraft des… Lebens?
Humanismus ist offenbar nicht das Wesen der Menschen. Wie kann man nicht vom Glauben abkommen? Wie kann man nicht aus allen Himmeln stürzen? Wie kann man nicht in den Glauben flüchten. In alle Himmel kommen wollen? Humanismus ist eine Strategie der Zähmung, um ungezügelter Gier und ungezügeltem Trieb wenigstens temporär Einhalt gebieten zu können. Und wie bei allem, was einen inneren Widerspruch aushalten muss, ist auch hier die Wette auf die Zerreißprobe nur Spielsucht und keine Aussicht auf Gewinn. Nirgends.
2. Verachtung des Humanismus als Verachtung von Schwäche, der man kreatürliche, antizivilisatorische Stärke gegenüberstellt. Je weniger man zu verlieren hat, desto stärker wird man in dieser Logik. Und umgekehrt. Das Märchen vom kalten Herzen. Am Ende des Kartenspiels haben beide leere Taschen: Spieler wie Gegenspieler. Das scheint die rückwärtige Münzseite der Grundlage von einer Vorstellung vom gesellschaftlichen Wandel durch wirtschaftliche Annäherung zu sein. Der Vorratskeller unseres Palastes ist endlich. Und auch unser aller Geschichte miteinander und gegeneinander ist endlich. Je mehr wir in der Logik unserer Handlungsoptionen einander antun zu müssen glauben oder tatsächlich antun müssen, um nicht selbst zu verschwinden, existentiell oder auch als Idee, desto mehr verschwinden mit uns Gnade und Vergebung aus dieser Welt. Wie sollen Wunden heilen, die man stets öffnet, neu schlägt und somit zum heiligen Gral nurmehr der eigenen Wunder edelt? Gar nicht. Darum geht es offenbar nicht. Eure Wunden sind unsere Wunder: Das ist niemals eine gemeinsame Grundlage. Das ist immer die Spaltung in Tod und Leben, wobei dem einen wie dem anderen das jeweilige Gegenteil schon innewohnt.
3. Verzweiflung ist das Schweigen der Appellierenden. Das Autodafé der Poesiealben. Die stumme Einsicht, das ist, was nicht sein darf.
Welche Optionen bleiben? Sturheit oder Neuausrichtung! Entweder benutzen wir die immergleichen untauglichen Werkzeuge und ruinieren die Welt oder wir sehen, ob wir neue Werkzeuge finden, erfinden. Oder wir ergeben uns der Geschichte in einer ahistorischen Gegenwart (in der Einsicht eines passiven Welt-Geworfensein), deren Heilungsraum sich wie von selbst weiter und weiter verengt, je gewaltiger unsere Möglichkeiten der Vernichtung werden und je gewaltiger auch die Möglichkeiten werden, diese Vernichtungen aufzuzeichnen, wieder und wieder zu zeigen, zu repetieren und damit das Vergessen als Heilung aus der Welt zu schaffen. Die Schändung potenziert sich durch die Möglichkeit ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Uns die Blutrache, uns die Befriedigung unendlicher Gier. Uns der Schutz, uns die unendliche Vernichtung. Das ist das Himmelszelt, das wir uns aufspannen, unter dem wir leben. Es steht mir zu, sagt der einzige Gott in uns. Und wenn ich es nicht haben kann, soll es keiner haben.
Beat. Repeat. And again. Ein ohrenbetäubendes Orchester des Grauens. Und die Musiker sitzen mitten unter uns.
Bin ich der Mörder meines Bruders? Ja. Schon immer. So begann es. Nicht mit der Schlange. Die haben wir uns als Auslagerung unseres Gewissens erfunden. Nicht mit dem Paradies. Das Paradies ist das grausame Ende. Nicht der göttliche Beginn. Nur so kann es gedacht werden.
Und Du, Gott des Gemetzels, erinnerst mich daran.
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dannart37 · 1 year
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Kalauer & Kapitalismus CCCXCI
Alltag.
Entweder automatisiert man ihn. Dann erlebt man ihn nicht. Aber man kann ihn bewältigen. Überwältigen. Selbst überwältigt er dann freilich nicht mehr.
Oder man verfremdet ihn. Erlebt ihn aus ungewöhnlichen Perspektiven. Entzieht ihn der Automatisierung. Geht zu Fuß. Erschöpft sich. Lässt das Auto stehen. Wäscht keine Wäsche, sondern ertränkt das Shirt, an dem man sich vorher die Hände schmutzig gemacht hat. Löst das Blut in Waschlauge auf, bis die Kleidung das Gedächtnis verliert. Bereit für einen Anfang, der kein Neuanfang ist.
Dann bewältigt man ihn wahrscheinlich nicht. Den Alltag. Vielleicht erlebt man ihn aber.
Dasselbe gilt in der Kunst.
Es ist eine bewusste, keine automatisierte Entscheidung. Eine Entscheidung, die immer ansteht.
Die Frage ist: Will man reisen oder will man weit weg? Strecke oder Entfernung?
Der Kalauer findet die Antwort offensichtlich. Verrät sich aber nicht. Lieber geht er noch ein Stück. Vielleicht was erleben.
Statt immer nur zu denken.
So alltäglich ist das.
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dannart37 · 1 year
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Kalauer & Kapitalismus CCCXC
Kunst, die gesellschaftsrelevant sein will, die als etwas anderes denn als Kunst, als etwas Politisches gar, wahrgenommen, aufgenommen werden will, braucht staatliche Repression. Braucht eine Umgebung, die zensiert, verbietet, freie Meinungsäußerung deutlich erschwert, unmöglich macht. Braucht Diktatur.
Denn nur dann ergeben sich Möglichkeiten. Dann kann ins Gesellschaftliche übersetzt werden, was im Original künstlerisch gesprochen wird. Dann wird Kunst zum Ersatzkaffee, zur Zichorie der Gesellschaft.
Die Vorstellung, Standpunkt beziehen zu müssen, gesellschaftlich relevant sein zu müssen (um sich selbst als relevant erleben zu können) geht also immer einher mit der Vorstellung, in einer repressiven Umgebung zu leben oder leben zu wollen.
Und andersrum: So lange Kunst die derart gewünschte Relevanz nicht bekommt, ist Freiheit. Kunst ist von ihrem Wesen her nicht relevant. Sondern frei. Wer etwas anderes behauptet, verfolgt absolut nachvollziehbare ökonomische Rechtfertigungsstrategien. Führt aber damit Kunst in die Beliebigkeit. Ins Mittelmaß. Ins Irrelevante. Dahin, wo es nicht weh tut, sondern dorthin, wo der Schmerz nur behauptet wird. In jene metaphorisch ebenen und versiegelten Gegenden, wo man nicht „ist“, sondern wo man vergleicht und „ist wie“.
Kapitalismus ist natürlich eine Diktatur des Konsums, der Gier, des Überflusses, des Todes durch Überfressen. Da aber Kunst, gerade in hochsubventionierten Umgebungen, Teil des Kapitalismus’ ist, wird sie als eben solches Teilsystem des Kapitalismus’ niemals relevant werden als Kritik oder kann sich solcherart gar als Gegenüber positionieren. Dazu braucht es die absichtsvolle Abwendung. Die Opposition, die Unsichtbarkeit und Nichtrelevanz nicht nur in Kauf nimmt, sondern geradezu sucht.
Alles andere ist Staatskunst. Und morgen vergessen.
Wobei, das Vergessen bzw. die Angst vor dem Vergessen markiert ein Diesseits der Kunst, das auf ein Jenseits nach dem Tode verweist und damit der Kunst die nächste Sorge aufbürdet, an der sie allzu schwer zu tragen hat.
Und freilich ist das schon wieder eine andere, eine nächste kunstferne Umleitung, die statt des steinigen Pfades im unübersichtlichen Gebirge die fünfspurige Autobahn Richtung Utopie, Richtung kein Ort nirgends, empfiehlt.
Last Exit Kunst.
Oder Vollgas ins Nichts.
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dannart37 · 1 year
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Kalauer & Kapitalismus CCCLXXXIX
Kunst und Autorschaft.
Es langt nicht, einen Rahmen zu basteln und drauf zu schreiben: In mir ist alles Kunst. Und es langt auch nicht, dieses Statement an die Stirne einer Person zu nageln und zu sagen, das ist alles Autorschaft. Notwendig ist das. Aber noch nicht hinreichend.
Kunst ist ein eigenes Referenzsystem, das Material aus vielerlei Bereichen neu sortiert, auch aus der Umgebung der Autorschaftsperson, ohne aber dieselbe direkt, identisch, zu referenzieren oder dieselbe gar zu sein. Was soll das überhaupt sein, das Sein? Eine permanente Identität mit den Texten? Die Meisten kämen bei dieser Prämisse, am frühen Morgen, auf dem Weg aufs Klo, in ihre erste Identitätskrise und stolperten schon über die kleine Schwelle ihrer Analogien, um diesen Text hier ungehörig auszuweiten: Auch Massenmörder können tierlieb sein. Genauso wie Naturschützer unbedingt als kaltherzige Soziopathen vorstellbar sind. Auch die Historie einer Person muss nicht mit ihrer Gegenwart identisch sein und ist kein Anagram ihrer Zukunft. Darf sie auch gar nicht, so lange wir uns Geschichten über Fortschritt und Weiterentwicklung erzählen. Die Aufklärung und alles, was danach kam, hatte auch das Narrativ im Angebot, dass man eben nicht die Kreatur der jeweiligen Umgebungen und Bedingungen ist, sondern sich befreien kann. Dass man dann irgendwann die Bedingungen gänzlich ignorierte, ist eine andere Geschichte. Aber egal, inzwischen sollte das dunkelste Morgenwasser abgeschlagen sein und dieser Text geht wieder gerade Wege:
Autorschaft ist die Annahme einer Institution, die nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten (oder gegen sie, was sie aber weiterhin voraussetzt) Material anordnet, um Automation zu unterlaufen und Aufmerksamkeit zu schaffen. Das muss für jede Kunstform individuell realisiert werden. Musik macht das anders als Literatur. Diese anders als bildende Kunst und so fort. Für Lyrik bedeutet es zwingend, einerseits einer Form zu gehorchen, kanonisiert oder neu gefunden (die man auch wieder unterlaufen kann, was sie aber auch dann weiterhin voraussetzt, weil Beliebigkeit eben nicht anschlussfähig und eine Sackgasse ist), andererseits eine Form zu wählen, die Rezeption erschwert und dadurch Bedeutung erzeugt, die wiederum auf der einen Seite weit, auf der anderen nicht unendlich ist. Bedeutung meint dabei nicht die Übersetzung in einen Inhalt, sondern das Entstehen von etwas Drittem zwischen Text und Rezeption. Kunst, Texte müssen realisiert werden. Sie stehen nicht für sich. Man muss sie schlicht lesen. Betrachten. Hören. Manchmal anfassen. Es gibt weder eine losgelöste Intention der Autorschaft noch eine solche der Rezeption. Bedeutung meint auch nicht einen Übersetzungstext (wozu denn dann noch das Gedicht?), sondern die Verknüpfung in weiteren Satzuniversen, das Fortschreiben, Fortsagen usw. des Gelesenen (im Sinne Lyotards… man sieht, der Kalauer schläft noch, der Stil bleibt klar, der Inhalt verliert sich, das scheint der Preis zu sein, in Bildungshuberei und elitärer Pseudomeisterdenkerschaft, die Lyotard wiederum zuwider gewesen wäre, gerade da alleine der Verweis auf seinen Nachnamen schon elitär ist). Dazu zählen selbstverständlich auch Klang und Rhythmus. Es wird etwas ausgelöst. Man kann das dann untersuchen, wenn man Bescheid wissen will. Man kann die Realisation des Textes zwischen Gehirn, Auge einerseits und dem Schriftbild andererseits aber auch einfach nur bemerken. Gefühle haben. Diese zulassen oder verdrängen. Eine Wirkung konstatieren, die realisiert wird. Nicht wurde. Alles daran ist aktiv. Nichts passiert einfach so. Kein Passiv. Nirgends.
Wie absurd die Identifikation von Autorschaft und Kunst, Text ist, wird bei der Deutschen Vorliebe für ihren Krimi deutlich: Wenn aller Mord Rückschlüsse zuließe auf jene, die da schreiben, wäre es alleine um Schweden schlecht bestellt und die dortige Gardinenproduktion sollte raschest hochgefahren werden. Auch deutsche Autoren, die im Reisebus ihre Lesereisen wie Rockgruppenauftritte absolvieren und in ihren Kriminalromanen (Im Deutschen immer Roman! Vollkommen egal, was drin steht. Das schützt vor Identifikation von Autorschaft und Kunst und alle wissen immerhin - das scheint Konsens zu sein -, wo Roman draufsteht, darf man nicht Realität behaupten. Jedenfalls nicht vor Gericht. Von zwei Ausnahmen, MEPHISTO und ESRA, einmal abgesehen, funktioniert das auch), deutsche Autoren also, welche Frauenleichen in Säure auflösen, gäben zur Besorgnis Anlass, wenn wir nicht immer schon unterstellten, was geschrieben steht, hat mit dem netten Autor der Lesung ja gar nichts zu tun.
Statt also anzumerken, man hätte um die Verfasstheit eines Autors schon Bescheid wissen können, weil er sich in seinen Texten offenbart hat und die Trennung von Autorschaft und Kunst wäre eine „künstliche“, eine reine Schutzbehauptung, kann man freilich die Dinge auch vom Kopf auf die Füße stellen und bemerken, nicht alles, was als Kunst geframt wird, verdient auch diesen Begriff. So vieles ist gar keine Kunst. Man kann zwar nicht gleichermaßen als Produzentin, als Produzent auftreten, sondern nur als Person, welche diese Texte zur Kenntnis nimmt, denn auch Nicht-Kunst und Markteilnahme setzen hohe Fertigkeiten voraus, siehe neueste Phänomene der Popliteratur, falls man sie, weil man noch wach ist, zur Kenntnis genommen hat, aber man muss Maßstäbe haben und Maßstäbe herausbilden, um am Diskurs teilnehmen zu können. Und je länger etwas in der Menschheitsgeschichte ausdifferenziert wird, desto komplexer und fachidiotischer wird das freilich auch. Aber auch von der ersten Verständigung einiger Urmenschen bis zum heutigen Hochdeutschen war es ein langer Weg und keine Person, die eine Sprache nicht beherrscht, würde sich anheischig machen wollen, eine komplexe Unterhaltung in eben jener Sprache führen zu wollen.
Jedenfalls derzeit noch nicht.
Also, oft ist ein Text einfach nicht mehr als das: Ein Text. Und natürlich wertet die Rahmung auf und ordnet ein und ruft andere Rezeptionen auf den Plan. Man kann auch die Bedienungsanleitung einer Waschmaschine im Textumbruch zu neuen Realisationen verführen. Man kann aber andererseits den deutschen Schlagertext nicht beliebig auf neue Realisationen ausweiten. Da reimt sich Liebe auf Triebe, weil es sich eben reimt und that's it.
Und manchmal ist ein Text auch einfach ein absolut schlechter Text. Unter anderem, weil er nichts weiter hervorruft als das Bedürfnis, sich selbst mittels Rohypnol zu beruhigen und wegzuschießen. Und damit man ob des Bärendienstes, den solche Texte einer eh schon angeheizten Debatte über Identität, nicht nur in der Kunst, aber eben auch da, in vielerlei Hinsicht antun, nicht wütend wird oder verzweifelt.
Und weil Anlass wie Anliegen durchaus ernst sind, sei noch hinzugefügt: Es geht hier nur um diesen kleinen Aspekt einer Debatte, auf die aus guten Gründen gerade nicht referiert wird, welche aber natürlich mittels ihrer Satzuniversen (Lyotard!) wie ein Pilzgeflecht weit in den Wald, den wir manchmal vor lauter Bäumen nicht sehen, Verbindungen hat.
Und nun ist der Kalauer wach und merkt an: Natürlich dient diese Argumentation zur Verteidigung der Trennung von Autorschaft und Kunst auch dem Schutz der Autorschaft. Gott ist leider schon tot. Das Allermeiste, bis auf ein paar Naturgesetze, ist seit mindestens zweihundert Jahren, da Nietzsche auf den Pferdekutscher eindrosch, menschengemacht. Und das ist also auch Protektion vor der Nacktheit, quasi eine Bekleidungsvorschrift der Autorschaft, sagt der Kalauer und stibitzt sich ein liegengelassenes Tagebuch und liest quer, auf der Suche nach Stellen (!).
Die wenigsten mögen als permanente Selbstentblößung gelesen werden. Da versteckt man sich halt hinter Theorien und sagt: Stop! Und das ist auch gut so, weil Texte, die Kunst sind, die Autorschaft immer übersteigen müssen. Klüger sein müssen als die Person, die sie verfasst hat, wie man früher einmal sagte. Und wenn man beim Lesen trotzdem immerzu denkt, hä, das ist doch immer die Person, die auch schreibt, dann ist es vielleicht etwas anderes? Aber kein Gedicht? Kein Roman?
Zwei weitere Kriterien, wenn man überlegt, welches Label man nun auf die Verpackung klebt.
Und das ist das Stichwort. Der Kapitalismus freilich, der immer wache, nie ruhende, allgegenwärtige, schweigt und lächelt: Wenn die Rezeption von der Entschlüsselung lebt, dann wollen wir frisches Wasser, den wir als Wein anpreisen, auf die Saat gießen, dass sie aufgehe und wuchere. Denn unter Wucher macht's der Kapitalismus ja nicht.
Hauptsache, es verkauft sich gut. Und wird nicht verboten.
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dannart37 · 2 years
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Kalauer & Kapitalismus CCCLXXXVIII
Vielleicht ist eher das die Erkenntnis, wenn man sich eine Weile auf der dunklen Seite des Mondes des Partikularismus aufhält: Es gibt freilich keine Letztbegründung des Universalismus. Nichts gilt für alle Menschen, begründet durch ein alles und alle umfassendes Gesetz, das auf sich selbst nicht anwendbar ist. Relativismus ist in einer aufgeklärten Gesellschaft immer schon der Makel, den kein ausgedachter Absolutismus zu tilgen vermag.
Es sei denn, man verfiele auf den Zynismus, im Kapitalismus, der offenbar alles, auch Gott und das so genannte Menschenrecht umfasst, selbst die Begründung zu finden.
Zu jeder Welt, die man sich nüchtern auszudenken vermag - und wie ist es erst ohne diese Nüchternheit - lassen sich leicht Alternativen finden und denken, wo man stets auf das Individuelle zurückgeworfen ist. Nichts ist einfach so. Es gibt keinen Punkt, von dem aus man die Welt aus den Angeln heben kann, weil Hebel und Punkt immer schon Teil dieser Welt sind. Alles kommt aus dem Begehren, dem Wünschen, dem Trieb. Der ein An-Trieb ist und doch tief in uns verwurzelt ist, uns vielleicht ausmacht. Nicht zu trennen ist.
Was wir für allgemein halten oder als allgemein deklamieren ist immer nur eine besondere Form von Blindheit. Die keine Einsicht in sich selbst hat. Haben kann.
Das ist ernüchternd, weil der Rausch des Universalismus, selbst nüchtern gedacht, das Bewusstsein immer über den Rationalismus hinaus erweitert. Der Universalismus selbst ist immer schon ein Rausch.
Und letztlich ist genau das Freiheit: Ein tiefer schwarzer Abgrund der Kontingenz.
Darum also hat Jesus postuliert, dass, wenn zwei oder drei in seinem Namen zusammen sind, er unter ihnen weilen würde: Als Gralshüter des Universalismus. Erst als wir ihn vertrieben haben, weil wir erkannten, dass er nicht über dem Gesetz stehen kann und er darum entweder ein gewöhnlicher Partikularist unter der Knute des nun nicht mehr begründbaren Universalismus ist oder eine Phantasmagorie, die nicht zur Begründung von Universalismus taugt, brach die Finsternis über uns herein.
Es ist so simpel: Man kann nicht mehr hinter die Erkenntnis zurück.
Löscht man einmal das Licht der Religion durch die Dunkelheit der Aufklärung, bleibt es finster.
Gerechtigkeit als universales Prinzip? Worin begründet? In meinem Empfinden? Darin, dass ich andern nicht tu, was ich selbst nicht will?
Aber bin ich Herrin im eigenen Hause?
Was weiß ich heute, was nicht gestern schon zerstob?
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dannart37 · 2 years
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Kalauer & Kapitalismus CCCLXXXVII
Der Sündenfall von Eva und Adam, der Verzehr der verbotenen Frucht, das Einverleiben eines Apfels, hat, nachdem Gott schon den Tag von der Nacht und das Wasser vom Land schied, die dualistische Unterscheidung, das bipolare Grundübel allen „Wenn zwei oder drei in meinem Namen…“ in die Welt gebracht: Gut und böse. Das Paradies liegt nicht dahinter. Es liegt dazwischen. 
Es liegt  i m  Dazwischen. 
Das ist kein Relativismus. Das ist lediglich die Verunmöglichung des Zuschlagens. Das Buch bleibt offen. Keiner wird verwundet. Keine stirbt vor der Zeit. Ich kann nicht erschlagen, was auch Ich ist.
Abel könnte noch leben.
Und Kain wäre sein Hüter.
Und dem Kalauer wiederum würde kein Ich unterlaufen. Weil Ich und Du keine sinnvolle Unterscheidung wäre. Sondern ein Wir aus verschiedenen Perspektiven.
Und die Schlange?
Sie wäre die Dritte im Bunde. Es gäbe keinen Grund mehr für Monogamie zwischen Ich und Du.
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dannart37 · 2 years
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Kalauer & Kapitalismus CCCLXXXVI
Als zerfleddertes und verwestes Erbe des Poststrukturalismus, der das Andere als anderes und das wiederum als Text betrachtete und damit als zu interpretierende Konstruktion, ist, in einer aliterarischen analphabetischen Gesellschaft, die im Virtuellen stattfindet, nur noch die Idee des Individuellen, das sich einer immer schon identitätsgefährdenden und überhaupt gefährlichen Allgemeinheit ausgeliefert sieht, übrig geblieben und es ist die liberalitätsfeindliche Vorstellung hinzugekommen, das Andere lesen zu können a l s und nicht w i e Text. Was einmal Befreiung war, ist also mithin zu einer Eingrenzung geworden. Ich kann nichts sein, so viel ich auch immer denken mag, als jenes, als das ich von außen „gelesen“ werde. Ich bin Lektüre. Ich werde gelesen. Ich schreibe nicht mehr. Insofern die schreibende Position immer schon eine privilegierte war, herrschen (oder dienen) jetzt immerhin und immerhin theoretisch gleiche Voraussetzungen. Ich kann natürlich Texterweiterungen vorschlagen, aber das mutet eher als unerwachsenes Spiel an denn als Leben. Schon gar derzeit, da jeder Satz länger als ein agrammatischer Twitterpost den Ruf nach Kürzung provoziert. Warum so lang?
Ja. Warum so lang? Der erste Satz ist definitiv zu lang als dass er noch Zeitgenossenschaft behaupten könnte. Man muss ihn zweimal lesen.
Eine Gesellschaft, die gar nicht mehr liest, im eigentlichen (engeren) Sinne des Wortes, Satzes oder gar Textes, liest jetzt dafür Phänomene, Personen usw. Alles, was nicht schon Buchstaben und damit Vergangenheit, Vorgängigkeit voraussetzt. Und warum auch nicht? Wenn es nicht allzu komplex ist, sind entsprechende Zeitkontingente durch den Wegfall von Literatur frei geworden.
Ende der verbiesterten Kulturkritik. Es ist Unbehagen. Unbehausung. Nicht Kritik. Ehrlicherweise. Nur so kann man es lesen.
Man spricht allenthalben von Narrativen und davon, das Andere als etwas Bestimmtes zu lesen und nimmt damit den Interpretationsvorgang, die Hermeneutik, schon in den Lesevorgang auf, insofern man annimmt, denselben Text so oder so und noch einmal anders, als Zuschreibung lesen zu können. Nicht als Interpretation. Es gibt nichts Unbestimmtes mehr. Der Raum der Interpretation ist verschlossen, abgerissen. Dringt man doch irgendwie ein, bricht was auf, verschafft sich Eingang trotz dem Verbot, die Baustelle zu betreten, riecht es muffig und nach Urin. Andere, Gelesene, die sich einmal für erlesen hielten, waren vorher da und haben was hinterlassen, was nun die Luft verdirbt.
Es gibt, und das war ja einmal die Voraussetzung des Poststrukturalismus, nichts Vorgängiges, das a priori erkannt oder wenigstens als Unerkennbares vorausgesetzt werden kann, sondern alles stellt sich so und so dar erst im Moment seiner Realisierung. Beides, Darstellung und Realisierung sind valide. Können auch anders sein. Dieser einmal als Befreiung gedachte Gedanke hat sich freilich in sein Gegenteil verkehrt, wenn man das Gelesensein, das immer eine Zuschreibung von außen darstellt, als a priori annimmt, wie es allenthalben geschieht.
Schon wieder Unbehagen, geschrieben als Kritik, die sich als Furcht lesen lässt.
Und was ist der Mensch? So und so und leicht gelesen wie zerlesen inzwischen, wie er da permanent von Hand zu Hand gereicht wird und immer im Mittelpunkt eines Interesses steht. Und ein Witz gegenüber einem Text. Ein Kalauer. Eine immer zufällige chemische Verbindung.
Ausgelesen.
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