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dasendevomgeld · 2 years
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Dominik Spies, Unternehmer jung (l: © René Lembke) und alt (r: © Juliane Fieber)
Was ist Macht?
Um nichts anderes geht es. Macht erreichen, Macht ausbauen, Macht nicht abgeben können. Durch Macht zerstören und durch Macht zerstört werden.
Es geht noch nicht einmal wirklich um Geld.
Ich bin Dominik Spies und spiele den Unternehmer in "Das Ende vom Geld". Der Unternehmer ist eine Person, die weit mehr Geld verdient, als jeder Durchschnittsbürger in der Lage wäre auszugeben.
Ich frage mich: Warum hört meine Rolle nach seiner ersten, verdienten Millionen nicht auf?
Mit einer Millionen Euro könnte er ein zufriedenes Leben führen, ohne jemals finanzielle Sorgen haben zu müssen oder gar zu arbeiten.
Er bleibt nicht, weil er Geld braucht und auch nicht, weil er die Welt verbessern möchte. Also warum dann?
Keiner der gehobenen Gäste, die in der politischen Satire von Urs Widmer eingeschneit aufeinander hocken, möchte jemand anderem helfen, als sich selbst. Alle haben ein grundsätzliches Problem.
Macht
Dabei ist Macht nicht nur das Problem, sondern "das Streben nach Macht" ist ebenfalls der Indikator dafür, dass jeder ein wirkliches Problem hat.
Im Rahmen meiner Rollenrecherche und der Auseinandersetzung mit der Thematik, habe ich einige Gedanken über Macht gesammelt, weiterentwickelt und zusammengetragen.
Ich habe festgestellt, wie universell die Grundzüge sind und dass sie nicht nur in gehobenen Kreisen begegnen, sondern im Alltag, vielleicht sogar in Firmen, Familien und Beziehungen. Im folgenden umreiße ich ein paar vage Definitionen von "Macht" und Menschen, die ihr ausgeliefert sind: "Machtmenschen". Vielleicht etwas negativ und einseitig. Aber so kann sich jeder unmissverständlich darüber klar werden, was auf dem Spiel steht:
"Brauche ich die Macht oder eine Machtposition jemanden, wie mich?"
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© Juliane Fieber
Macht entsteht aus einer Schwäche
Eine autoritäre Person genießt Achtung, Ansehen und Respekt. Ein Machtmensch übt aktiv Druck und Befehle aus.
Jemand IST autoritär. Aber jemand WILL Macht.
Wie komme ich nun darauf, dass Macht aus einer Schwäche entsteht?
Häufig finden sich Schicksalsschläge in Biografien großer Machtmenschen wieder. Durch die Macht gleichen sie ein Stück der Macke wieder aus.
Viel wichtiger ist aber: Machtmenschen stürzen ohne ihre Macht in eine Identitätskrise. Sie können nicht aufhören. Selbst im Ruhestand klammern sie sich an die Macht und ziehen im Zweifelsfall ganze Unternehmen mit in den Abgrund.
Macht muss permanent erhalten werden
Macht ist eine Struktur und folgt Regeln. Wer zu langsam ist oder sich nicht auf die Regeln einlässt, fliegt raus. Macht ist nichts, was man einmal erreicht und ab dann für immer besitzt. Eine Machtposition muss permanent erhalten oder vergrößert werden.
Identifikation und Gewöhnung an Feedback kann süchtig machen: Machtmenschen sind nicht gekommen, um zu verändern. Sie sind gekommen, um zu bleiben und geben alles dafür: Konkurrenten werden ausgeschaltet, vergrault, entmutigt und gegeneinander ausgespielt.
Machtmenschen wollen bleiben!
Macht hat ihren Preis
Kein Machtmensch will normal sein. Machtmenschen brauchen Leute, auf die sie herab schauen können, um sich besser zu fühlen. Deshalb sind Machtmenschen nie von sich aus glücklich. Ohne Macht sind sie auf ihre Makel beschränkt. Kein Machthaber möchte, dass sich über ihn lustig gemacht wird. Ein Machthaber darf sein Gesicht nicht verlieren. Nicht durch Empathie oder Ironie.
Ein Machthaber plant langfristig und fokussiert alles auf sich. Er übt Druck und Angst aus. Er soll derjenige sein, von dem Ideen und Entscheidungen ausgehen. Er möchte unersetzlich sein. Daraus schöpft er Kraft.
Wer permanent nach Macht strebt, sieht in allem einen Wettkampf, steht ständig unter Druck und kann keine empathischen Beziehungen führen.
Das Ende von Macht
Wer wirklich süchtig nach Macht ist, wird die Macht niemals freiwillig abgeben. Er wird seine Postion ohne Rücksicht auf Verluste verteidigen. Was kann nicht alles in den Ruin getrieben werden, wenn Machthaber nicht loslassen und rechtzeitig gehen können.
Wie bereits gesagt: Macht ist ein Spiel das Regeln folgt. Und auch Machthaber sind von ihren Untergebenen und deren Fügsamkeit abhängig.
Eine Machtstruktur kann nur gestürzt werden, wenn die Rebellen als Einheit auftreten und nicht vorsorglich durch den Machthaber in ihrer Einheit entzweit werden.
Man könnte also sagen, dass Macht ohne Gewalt nur mit dem Wissen um Macht bekämpft werden kann.
Veränderung
Unsere Welt hat Probleme und braucht Veränderung.
Macht ist ein Mittel zu verändern.
Aber Veränderung sollte auch durch eine Stärke stattfinden. Und Menschen, die Machtpositionen besetzen sollten keine Menschen sein, die alles tun würden, um an der Macht zu bleiben. Denn ab diesem Punkt geht es nicht mehr ums Verändern oder ums Wohlergehen der Menschen, sondern nur noch um den Erhalt der Macht selbst.
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© René Lembke
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dasendevomgeld · 2 years
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Als ich das Textbuch für unsere Abschlussinszenierung „Das Ende vom Geld“ las, war ich vorerst ein wenig verloren, weil ich mit dem Stoff zu dem Zeitpunkt nicht viel anfangen konnte. Ich sollte einen Chinesen spielen, dessen Sätze für mich erstmal wie Sprüche aus Glückskeksen klangen.
Ich fragte mich, wie ich mit diesen wenigen Sätzen überzeugend eine Figur auf die Bühne bringen könnte, die außerdem noch Chinese ist, also vielleicht auch chinesisch spricht? Deshalb entschied ich mich, vor dem Start der Proben mit Stephan, unserem Regisseur, zu telefonieren und stellte mich kurz vor.
Mein Name ist Maximilian Stenzel, ich bin 20 Jahre jung, echter Sachse und Schauspieleleve im vierten Ausbildungsjahr an der Theaterakademie Vorpommern.
Stephan und ich waren uns schnell einig, dass der Chinese etwas Geheimnisvolles haben sollte. Der Reiz dieser Figur besteht darin, dass sich jeder Zuschauer fragen kann: „Was denkt der Chinese darüber? Wie viel versteht er überhaupt von den auf deutsch ausgetragenen Diskussionen? Ist er ein Spitzel?“ Der Chinese, wie es sich auch im weiteren Arbeitsprozess mehr und mehr herauskristallisierte, steht im Stück stellvertretend für das kommende China und die beunruhigende, aber wahrhaftige Macht dahinter. Die Fragen, die sich die meisten Zuschauer über diese Rolle mit Sicherheit stellen, stellen sich erstaunlicherweise die anderen Machtmenschen im Theaterstück kaum. Oft ignorieren sie den Chinesen und plaudern, ohne nachzudenken. Es wird nicht hinterfragt, warum er da ist. Lediglich seine Aussagen werden übersetzt, wenn er etwas von sich gibt. Auch in diesem Verhalten kann meiner Meinung nach viel Kritik an unseren Politikern stecken, die nicht darauf zu achten scheinen, wie China sich immer weiter ausbreitet oder eher Angst haben, diese Schritte wirklich wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Generell über China habe ich in der Probenzeit viel lernen können, über Sitten und Bräuche, aber auch über die Geschichte. Dazu gibt es viele tolle Dokumentationen auf YouTube, kann ich nur empfehlen...
Stephan hatte für die Übersetzung der Texte Clementine Skorpil gewinnen können, wodurch ich eine feste Grundlage hatte, auf der ich aufbauen konnte. So hatte ich nun Tonaufnahmen in einer mir völlig fremden Sprache. Ich versuchte, sie aufzuschreiben und bemerkte recht schnell, dass das nicht funktionieren konnte, da die deutsche Sprache kaum die Möglichkeit besitzt, die chinesische Aussprache auf Papier einzufangen, so wie ich es gebraucht hätte. Daher entschied ich mich, vor allem über das Hören mir den Text einzuprägen. Ich schrieb ihn mir auch auf, allerdings in einer Mischung aus Deutsch und Symbolen, damit ich damit halbwegs arbeiten konnte. Die Betonung und Führung der Satzmelodie ist im Chinesischen elementar – weil die Sätze sonst auf einmal etwas komplett anderes bedeuten können. Trotzdem musste ich mich an manchen Stellen bewusst gegen die vorgegebene Satzmelodie entscheiden, da mir auch wichtig war, den Inhalt des Textes als deutscher Zuschauer so gut wie möglich transportiert zu bekommen. Ich wünsche mir deshalb ganz geheim von Herzen, dass im Publikum nie ein Mensch sitzt, der fließend chinesisch spricht.
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Was ich mir auch wünsche: Dass dieses Theaterstück die Leute abschreckt und zeigt, was die Gier nach Geld, aber vor allem nach Macht, auslösen kann. Ich finde dieses Theaterstück so schrecklich, weil es kaum einen Hoffnungsschimmer zu geben scheint. Man sieht die traurige Realität der Menschen, die süchtig nach Macht und in ihrem Herzen doch so kaputt sind. Ich habe das Gefühl, dass diese Machtmenschen nicht wissen, was Liebe ist und wie sie wirklich glücklich werden könnten. Was die Zuschauer da erleben, ist verstörend, denn das Stück ist sehr eklig, scharf und böse. Damit ist es meiner Meinung nach auch ein Spiegel eines Teiles der Gesellschaft. „Das Ende vom Geld“ macht den Zuschauern Angst, so mein Eindruck. Ich glaube, entweder liebt man das Theaterstück oder man hasst es. Gleichgültig oder emotionslos bleibt da kaum jemand. 
Der Chinese hat im Theaterstück eine Möglichkeit, die die anderen Rollen nicht bekommen: Während die anderen Politiker von Beginn an sehr plakativ gezeichnet sind und es sich erst nach und nach auflöst, hat er von Anfang an eine Klarheit und ist trotzdem unklar. Der erste Teil des Stückes ist für mich kaum körperlich, da ich viel sitze, stehe und zuhöre. Aber genau deshalb fordert dieser Part mich am meisten, weil man nicht abschalten darf und den anderen Spielern immer wieder aufs Neue zuhören muss, damit die Rolle funktioniert. Man muss eine Spannung haben – im Körper, aber auch im Kopf.
Natürlich wünsche ich Ihnen, dass auch Sie dieses Theaterstück mit einer Spannung erlebt haben oder erleben werden, die sie nicht so schnell loslässt. Wir sehen uns im Theater!
Bilder: Juliane Fieber, René Lembke
Der nächste Blog-Eintrag folgt im Januar.
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dasendevomgeld · 2 years
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Als die Nachricht hereinbrach, unsere Studienjahresinszenierung könne bereits Ende des dritten Studienjahres Premiere feiern und dann auch noch mit einem unbekannten, ersten Recherchen zufolge durchaus namhaften Regisseur außerhalb des vertrauten Kollegiums der Vorpommerschen Landesbühne, machte sich ein Gefühl aus Erleichterung und Unglaube breit. Sehr ähnliche Hoffnungen, was Szenenstudien oder Workshops betrifft, wurden zuvor bereits immer wieder Pandemie verschuldet zerstört. Doch diesmal schien es zu klappen. Na endlich!
Meine Name ist Kevin Slavicek, ich spiele den Banker in Das Ende vom Geld und bin Schauspielstudent seit nunmehr vier Jahren an der Theaterakademie Vorpommern. Warum schon vier Jahre? Nun, aus gesundheitlichen Gründen (Kreuzbandriss im Knie) verpasste ich wesentliche Unterrichtsinhalte und beschloss das zweite Studienjahr zu wiederholen. Mein Güte war ich mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, wie wichtig und richtig diese Entscheidung war, denn in Corona Hochzeiten ein Jahr früher in eine Theaterwelt einzutreten, die in einem gefühlten Loop aus sich immer wiederholenden Lockdowns noch unsichere, unmöglich planbare Zukunftsaussichten bereit hält, macht Sorgen, um nicht zu sagen Angst. Wie viele andere hätte ich mir die letzten 19 Monate anders vorgestellt. Eine Ambivalenz zwischen einer hohen Geduldsprobe und Aussicht, es werde schon bald alles wieder besser werden, einer Panik, dem Abschluss bald entgegenzustehen, dem Versuch dennoch die Zeit so aktiv wie möglich nutzen zu wollen und dem Kampf so viel Input wie irgend machbar aus der Akademie zu erfordern (oftmals mit Erfolg, wie sich zeigte), der Unsicherheit, wie relevant meine Arbeit als Schauspieler, der ich mit größter Leidenschaft nachgehe, nun wirklich sei und dem Unverständnis und Zorn, warum andere Sparten (man siehe Fußball) eindeutig als nützlicher erachten werden als die Kultur, prägte die Zeit.
Doch zum Glück spazierte plötzlich im Juni 2021 ein lustig wienerisch sprechender, auf den ersten Blick eher unscheinbar aussehender, gar nicht dem Klischee des alten Regisseurs entsprechender Mann namens Stephan Bruckmeier in die Mensa der Theaterakademie. Mit dabei hatte er ein wahnsinnig provokantes, den Zeitgeist treffendes Stück und das grundlegende Anliegen, uns durch diese Produktion einen lustvollen und Zitat: „geilen Start in den Beruf“ mitzugeben, genau das, was ich dieser Kräfte und Nerven zerrenden Periode brauchte.
Urs Widmers Das Ende vom Geld ist nicht bekömmlich. Es ist keine locker leichte Komödie, die nach diesen harten Zeiten der Isolation für Ablenkung oder gar kathartische Effekte sorgt. Es ist gemein, brachial, eklig und verdammt aktuell, besonders im Kontext der zum Zeitpunkt der Premiere noch ausstehenden Bundestagswahl.
Die Arbeit mit Stephan empfand ich, nicht zuletzt aufgrund der üppigen Probenzeit von acht Wochen, als eine sehr angenehme, entspannte und fruchtbare. Die erste Woche noch spannende Diskussionen über Macht, neoliberale Politik und den möglichen Alltag dieser zugegebenermaßen etwas überzeichneten Figuren führend ging es ab der zweiten Woche an die praktische Arbeit. Der Körper im Prozess des Alterns wurde ausgetestet, oft im positiven Sinne anstrengende Improvisationen zum Verhalten in Isolation durchgeführt und das Gefühl des Hungern in Ansätzen ganz praktisch durch Fasten (und Durchlaufproben noch am selben Tag, meine Güte habe ich dich da gehasst Stephan) spürbar gemacht. Dabei hatten wir das Glück einen immer offenen, energetischen, zielgerichteten, uns als Spieler mit unseren Ideen ernst nehmenden und mit unseren vielleicht manchmal unkonventionellen Verhaltensweisen bei Proben gut klar kommenden Regisseur arbeiten zu dürfen. Ich kann sagen, dieser lustige Wiener mit schütterem Haar und einem vorzüglichen Weingeschmack hat einiges aus uns herausgeholt.
Die Rolle des Bankers ist eine, die mir liegt, ein Heimspiel sozusagen. Eine besondere Faszination für Antagonisten, für die Arschlöcher, die Chauvinisten, die Drecksschweine, die letztlich mit Charme und Leichtigkeit auf Kosten anderer überzeugen, steckte stets in mir. So viel es mir grundsätzlich erst mal nicht schwer, mich dieser Rolle anzunähern, ob gleich die tiefere Auseinandersetzung mit diesem Milieu der entfremdeten High Society regelrechte Wutausbrüche in mir auslöste. Wie kann das real sein? Wie kann das so weitergehen? Wie kann man für den bloßen Kick des Gewinns (denn um die Erfüllung materieller Bedürfnisse geht es bei dieser Größe des Investment Bankings längst nicht mehr) alle moralischen Bedenken über Bord werfen, praktisch jegliche hinderliche Menschlichkeit aufgeben? Warum tut keiner etwas dagegen? Das Eintauchen in die Welt der Finanzökonomie war zugleich faszinierend wie abstoßend, beeindruckend wie widerwärtig. Den immer wieder notwendigen Ego Boost durch Erfolge, das permanente Umfeld aus hungrigen Haien, die nur auf Fehler anderer warten, um zuzuschnappen, diese glorifizierte missverstandene Mystik eines Gordon Gekko- oder Jordan Belfort-Wall Street Lifestyles zu verstehen bzw. da gedanklich wie teils seelisch abzutauchen, stellten eine besondere Herausforderung in der Arbeit dar. Nach intensiven Proben musste ich erst mal eine lange Dusche nehmen, um den Dreck dieses Charakters, dem ich da gerade mein Gesicht, mein Körper und meine Stimme leihte, abzuwaschen.
In einem Monolog spricht meine Figur, mit Vornamen Henner, davon, wie knapp man doch dem Banken Crash 2008 von der Schippe gesprungen ist, man nicht wie Lehmann Brothers endete. Zwei Szenen später prahlt er mit dem Gewinn durch den Verkauf von Subprimes, also wertlosen Anlagepapieren, die für den Leihen allerdings nicht als wertlos erkennbar sind, an Rentner, wissend, dass genau diese Aktionen zu einem wesentlichen Anteil zu besagtem Börsen Zusammensturz geführt haben. Warum wurde dieser Mensch nicht zur Rechenschaft gezogen? Den Grund liefert Henner in einem Monolog kurz vor einem Zusammenbruch selbst: „Die Systemrelevanz ist das Ass im Ärmel. Du bist systemrelevant und du wirst noch am Weltuntergang verdienen.“ Nur wenige Broker bzw. Hedgefond Manager trugen langfristige Schäden durch die Ereignisse 2008. Der Einfluss der Finanzmärkte auf die globale Ökonomie im aktuellen kapitalistischen System, auf die Wirtschaft und damit auch die Politik ist so gewaltig, dass Banken gerettet werden müssen, um das System erhalten zu können. Somit greift der Staat ein, gibt Finanzspritzen und die Konsequenzen trägt das Individuum, dessen Kapital einfach verpufft.
Innerhalb des Stückes endet es wie in der Realität, man siehe die aktuelle Pandemie, trotz größter, Opfer fordernder Krisen, ändert sich nichts. Die Verhältnisse bleiben gleich, eine kleine immer reicher werdende Bevölkerungsschicht trifft sich selbst bevorzugende Entscheidungen über den Rest der Menschen. Nach einem Gipfel, der Veränderungen hervorrufen könnte, klopft man sich selbstgerecht auf die Schulter, tut so, als hätte man die Zukunft verbessert und verabschiedet sich mit den Worten „Bis zum nächsten Mal.“ Diese Aussicht ist düster und wenig Hoffnung machend. Dabei betrachte ich Urs Widmers Werk keinesfalls als fatalistisch, im Gegenteil. Um die bestehenden Verhältnisse anzugehen, muss man das System grundlegend angehen. Auf provokant bissige Art will Widmers wachrütteln, zeigen, dass die Impulse für Veränderungen aus der Bevölkerung kommen müssen, denn die Obrigkeit suhlt sich nur im eigenen gemütlichen Saft. Eine Einigkeit „So kann es nicht weitergehen“ muss herrschen. Ich sehe das Stück hierbei als bewusst wütend machend, als Aufruf die Akzeptanz über den gigantischen Einfluss von Unternehmen und Banken auf die Politik hinter sich zu lassen, ein Bewusstsein für das eigene Konsumverhalten, für seine Stellung als Individuum im System zu kreieren und aktiv etwas bewegen zu wollen.
Die Arbeit an dieser Rolle, die aufwendige, normalerweise ein halbes BWL Studium erfordernde Recherche und die tollen Gespräche mit Stephan und dem Ensemble haben mir auf jeden Fall viele Denkanstöße gegeben und eventuell lösen die Vorstellung Vergleichbares beim Publikum aus.
Der nächste Blog Eintrag folgt am 1.12.2021.
Bilder: Juliane Fieber, René Lembke
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dasendevomgeld · 3 years
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Stephan Bruckmeier (Regisseur)
Am 4. Juli 2021 fuhr ich von Eichgraben bei Wien nach Zinnowitz an die Ostsee. Obwohl ich 25 Jahre in Deutschland gelebt und gearbeitet hatte und mit meiner kenianischen Theatergruppe in vielen Bundesländern unterwegs war, gehörte Mecklenburg-Vorpommern zu den beiden Bundesländern, in denen ich noch nie beruflich tätig war. Der künstlerische Leiter der Schauspielakademie Vorpommern, Oliver Trautwein, hatte mich eingeladen, mit den Studierenden die Abschlussproduktion zu erarbeiten, sie würden damit ihr Studium abschließen und die Produktion dann eine Saison lang an den verschiedenen Spielorten der Landesbühne aufführen. Oliver und ich hatten von 1985 bis 1989 in Wien mehrmals zusammen gearbeitet. Zuerst am international Theatre und bei Michael Schottenberg im Zelt, er als Schauspielstudent und ich als Regieassistent und danach dann er als Schauspieler und ich als Regisseur. Wir hatten damals eine sehr gute Zeit, Theater war wichtig, angesehen und zukunftsfähig. Wien pulsierte, viele namhafte Theaterleute aus allen Bereichen arbeiteten damals sowohl an großen Häusern als auch an Mittelbühnen und in der Freien Szene. Die Kraft, die Theater damals hatte, verbindet uns noch heute. Am 5. Juli begrüßte ich nun in der wunderschön angelegten Akademie neun junge Menschen, die ihren Beruf in einer anderen, wesentlich schwierigeren Zeit ausüben wollen. Schon das Studium war durch die Corona-Ereignisse deutlich beeinträchtigt und was man in diesen Monaten der Theaterschließungen und Corona-Diskussionen hören und lesen konnte, ließ wenig Hoffnung zu, dass sich die Situation deutlich verbessern würde. Und so begann ich meine Konzeptionsbesprechung mit dem Satz: „Es ist für mich eine große Verantwortung, Euch mit dieser Arbeit in die berufliche Zukunft zu führen und das erklärte Ziel, dass Ihr so erfolgreich und motiviert aus dieser Produktion gehen könnt, dass die gemeinsame Zeit eine positive und produktive Basis ist, die Euch möglichst lange tragen kann, denn einfach wird es nicht für Euch.“ Ich hatte mir aus den vorgeschlagenen Stücken „Das Ende vom Geld“ von Urs Widmer ausgesucht, ein Stück, das ausgehend von der Wirtschaftskrise 2008/09 die Entwicklung unserer politischen Struktur der letzten 20 Jahre beschreibt und eigentlich genau die Probleme thematisiert, mit denen vor allem die jungen Menschen zu kämpfen haben: eine vollkommen von der Gesellschaft und dem durchschnittlichen Menschen des immerhin reichsten Kontinents der Welt abgehobene und entkoppelte Regierungs- und Managementebene. Originell war, dass unsere gemeinsame Probenarbeit genau in die Zeit des Wahlkampfs für die neue deutsche Bundesregierung fiel und wir immer wieder von der Realität eingeholt, beziehungsweise bestätigt wurden: unser Sekundärmaterial waren dementsprechend vor allem Zeitungsartikel und gegenwärtig handelnde Personen. Mein Konzept war, dass die Figuren während des Stücks, in dem sie in Davos eingeschneit sind, kontinuierlich altern sollten, um zwei Dinge zu erreichen: zum einen die Form der Parabel, das sich nämlich nichts ändern und die Erfahrungen sofort wieder verloren sind, wenn die Menschen in ihre Realität zurückkehren und zum anderen, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen möglichst viele Spielvarianten erarbeiten und umsetzen können. Die Entwicklung ging von jungen Karrieristen zu alten, vollkommen zerstörten Kreaturen, von konkreten Menschen, die nichts anderes kennen und wollen als Erfolg zu Karikaturen ihrer selbst. Die Tragödie des Stücks stellt sich nach allen Phasen der menschlichen Verzweiflung und Not am besten dadurch dar, dass am Schluss, nachdem alles vorbei ist, der Satz: „Bis zum nächsten Mal“ mehrfach und selbstverständlich formuliert wird: Erkenntnis aus dem Erlebten: null. Theaterarbeit, Schauspielformen und direkte Wirklichkeit verschmolzen also in den 8 gemeinsamen Wochen miteinander und die jungen Kolleginnen und Kollegen konnten sich mit dieser Produktion auch über ihre eigene Lebensrealität äußern, also fast eine Art Manifest. Wenn man sich heute ansieht, mit welcher Trumpschen Hartnäckigkeit sich Armin Laschet nach einem satten Wahlverlust an die Macht klammert zeigt, dass wir mit der Produktion traurigerweise vollkommen up to date sind. Nachdem wir die erste Woche vor allem über Figuren, die politische Situation, Management und Vorbilder gesprochen haben, begannen wir in der zweiten Woche, am Körper und an den körperlichen Veränderungen zu arbeiten. Mit der kongenialen Kostümbildnerin Gesine Ullmann wurden die Körper und Gesichter schrittweise verändert und deformiert und ich war überrascht, als wir uns nach der bejubelten Premiere in den Armen lagen, wie jung und nett die Leute eigentlich aussahen, so sehr hatte ich mich an die Fratzen gewöhnt. Über die Erlebnisse bei der Probenarbeit möchte ich erstmal mein großartiges Ensemble zu Wort kommen lassen, 3 Erlebnisse aber seien vorweggenommen: selten hatte ich eine so herausfordernde Produktion ohne nennenswerte internen Probleme erarbeiten dürfen, in der sich die Kolleginnen und Kollegen eine imposante Schlägerei selbst choreographierten und sich auf alle Deformationen ihres Körpers einließen. Weitere zwei Improvisationen über mehrere Stunden und ein Probentag mit Durchlaufprobe ohne Essen für 12 Stunden um herauszufinden, wie sich der Kreislauf verändert und wo das Hungergefühl bei jedem einzelnen entsteht. Und die Tatsache, dass ich am Tag nach der Premiere von Oliver aus beruflichen Gründen sehr früh zum Bahnhof gebracht werden musste und dort vom Ensemble und meinem wunderbaren Assistenten überrascht wurde. In der gemeinsamen Arbeitszeit haben wir natürlich auch viel über die beruflichen Möglichkeiten gesprochen und über die Aufgaben der Selbstvermarktung. Da alle in diesem Ensemble verschiedene Fähigkeiten besaßen, Instrumente spielen, Tanzen, Computer- und Filmtechniken, Website-Gestaltung etc. entstand die Idee, diese Saison, in der unsere Produktion nun läuft, eine gemeinsame Dokumentation zu entwickeln. Auch diese Arbeit in gemeinsamer Verantwortung. Das Intro für diese Doku haben Sie hiermit gelesen. Sie werden in weiterer Folge die Kolleginnen und Kollegen einzeln kennen lernen, die Wege, die wir gegangen sind aus unterschiedlicher Betrachtung erleben und sich an Fotos und anderen Images erfreuen können… Ich wünsche uns allen weiterhin viel Freude und Erfolg mit dem Stück „Das Ende vom Geld“ und Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, viel Vergnügen mit der nun entstehenden Doku. Stephan ____ Der nächste Blogartikel erscheint am 1. November.
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dasendevomgeld · 3 years
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Hier finden Sie monatlich neue Beiträge über die Arbeit hinter den Kulissen unserer Abschlussinszenierung. Bis Bald!

Foto: René Lembke
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dasendevomgeld · 3 years
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Das Ensemble von „Das Ende vom Geld“, Abschlussinszenierung des Jahrgangs 2018 der Theaterakademie Vorpommern, Regie: Stephan Bruckmeier.
https://vorpommersche-landesbuehne.de/termine/das-ende-vom-geld
Foto: Martina Krüger
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