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Erst wenn unser Eiweißhunger gestillt ist, hören wir auf zu essen
Das Buffet im Chalet umfasste alles, was ein hungriges Herz begehrt - jedenfalls an den ersten beiden Tagen. Zum Frühstücktischte man Müsli und Baguettes auf, es gab Croissants, Schinken, Melone, Pflaumen und zahlreiche weitere Früchte. Beim Lunch reichte das Angebot von Brot mit Camembert bis zu Thunfisch, Salaten und Joghurt. Auch beim Abendessen fehlte es an nichts: Man konnte zwischen Fisch, Hühnchen, Couscous, Kartoffeln und Bohnen wählen, es gab Schwein, Reis sowie Gemüse zur freien Verfügung, und als Nachtisch lockte unter anderem ein Mandelkuchen. Die Versuchskaninchen - es waren zehn, wie gesagt, wir sprechen über eine erste, kleine Studie - durften so viel essen, wie sie wollten. Sie mussten nur vorher die begehrten Portionen und Häppchen von Rache! Batley wiegen lassen und durften nichts untereinander austauschen. Auf diese Weise hielt Batley haargenau fest, wer wovon wie viel aß. Erst am dritten und vierten Tag kam es zum eigentlichen Experiment. Jetzt wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Hälfte wurde der »proteinreichen«, die andere der »proteinarmen« Gruppe zugeordnet. Das heißt, an den nächsten beiden Tagen gab es zwei sehr unterschiedliche Buffettische: Auf Tisch 1, von dem sich nur die proteinreiche Gruppe bedienen durfte, lag der Schwerpunkt auf Hühnchen, Schweinefilet, Schinken, Lachs und anderen Fischen, Joghurt, Käse, Milch und weiteren eiweißhaltigen Nahrungsmitteln. Tisch 2 bestand aus einer eiweißarmen Auswahl von Croissants, Waffeln, Nudeln, Kartoffeln, Couscous, Obst, Gemüse, Orangensaft und Wasser (Wasser gab es stets für alle). Erneut durften alle so viel essen, bis sie satt waren. Zuletzt folgten noch zwei Tage, an denen die Tische wieder zusammengelegt wurden, und allen stand wie gehabt das gesamte Buffet zur Verfügung. Damit war die Datenerhebung abgeschlossen. Als Simpson und Raubenheimer später während eines Forschungsaufenthalts in Berlin die von der Studentin Batley penibel protokollierten Daten auswerteten, hatten sie den ersten experimentellen Beleg dafür, dass sich Menschen bis zu einem gewissen Grad so verhalten wie migrierende Mormonengrillen, wenn auch für gewöhnlich eine Spur zivilisierter. Auch uns treibt der universelle Eiweißeffekt: Auch wir essen so lange, bis unser Proteinhunger gestillt ist. Rein energetisch brauchen wir Menschen - je nach Geschlecht, Körpergröße, Bewegung, Alter etc. - rund 2000 (Frau) bis 2500 (Mann) Kalorien23 pro Tag. Bekanntlich essen viele von uns mehr, was, so ein zentrales Dogma der Ernährungsforschung, zu Übergewicht führt. Dabei gilt: Eine Kalorie ist eine Kalorie, egal von welchem Nahrungsmittel die Kalorie stammt. Essen wir mehr, als wir verbrauchen, nehmen wir zu, Punkt. Konsequenterweise muss umgekehrt, wer abnehmen will, schlicht weniger essen, zum Beispiel von allem die Hälfte (»Friss die Hälfte«, FdH). So das Dogma. Die Studie aus dem Schweizer Chalet jedoch offenbarte, dass wir Menschen uns in Wirklichkeit fundamental anders verhalten - mit weitreichenden Folgen für die Praxis, zum Beispiel wenn man abnehmen möchte. Die Untersuchung wirft ein erhellendes Licht darauf, warum es uns so schwerfällt, von allem die Hälfte zu essen, und warum der viel gelobte FdH-Ansatz langfristig zum Scheitern verurteilt ist. Denn obwohl die reine Energiezufuhr wichtig ist, ist Nahrung weit mehr als ein bloßer Energielieferant, und eine Kalorie ist zumindest in diesem Sinne nicht immer eine Kalorie. So aßen die Testpersonen aus der proteinreichen Gruppe an den Tagen mit differenziertem Speiseplan nicht etwa vergleichbar viel wie an den Tagen mit vollständigem Buffet. Nein, an diesen Tagen nahmen sie 38 Prozent weniger Kalorien zu sich. Und das vollkommen spontan, niemand hatte sie dazu gezwungen. Niemand hatte verlangt oder auch nur suggeriert, dass sie weniger essen sollten. Besonders beachtenswert ist, was die Analyse der verzehrten Nährstoffe ergab: Das Kalorienminus resultierte daraus, dass die Testpersonen unbewusst ihre Proteinzufuhr konstant gehalten hatten. Anders gesagt, wer sich von dem eiweißreichen Buffet bediente, stopfte sich nicht grenzenlos voll, sondern hörte relativ schnell auf zu essen. Die Testpersonen hatten ihren Proteinhunger aufgrund des proteinhaltigen Essens ungewöhnlich rasch gestillt. Das proteinreiche Buffet war offenbar so sättigend, dass die Testpersonen, ohne es selbst zu wissen, prompt auf eine »freiwillige« Diät gegangen waren. Scheinbar umgekehrt verhielten sich die Testpersonen aus der proteinarmen Gruppe: Sie überfutterten sich und aßen 35 Prozent Kalorien mehr. Dieser Befund scheint mir von großer Bedeutung zu sein, weil er erklären hilft, warum wir gerade in der heutigen Zeit so sehr mit Übergewicht zu kämpfen haben. Indem sie sich überaßen, taten die Teilnehmer aus der proteinarmen Gruppe auf einer tieferen Ebene nämlich nichts anderes als ihre Freunde aus der anderen Gruppe: Wie die Daten nahelegten, hatten auch sie schlichtweg versucht, ihren Proteinkonsum auf gleichbleibendem Level zu halten. Um das aber hinzubekommen, hatten sie ordentlich reinhauen müssen. Ihr Buffet war so arm an Eiweiß, dass ihnen wohl oder übel nichts anderes übrig blieb, als weit mehr als sonst zu essen, um ihren Proteinhunger zu stillen. Man könnte es auch so formulieren: Auf dem Weg zu jenem Eiweißminimum, das der Körper zum Funktionieren benötigt, standen ihnen jede Menge Kohlenhydrate und Fette im Wege, die notgedrungen mitverspeist werden mussten. Aus Sicht des klassischen Kaloriendogmas verhielten sich die zwei Testgruppen auf unerklärliche Weise erratisch, geradezu gensätzlich. Erst durch die Brille des Eiweißeffekts löst sich der Widerspruch auf. Und das Verhalten wird in beiden Fällen erklär- und vorhersagbar: Wir Menschen sind, wie so viele Tiere, nicht nur blind auf der Suche nach Energie oder Kalorien. Uns treibt darüber hinaus das Verlangen nach einer bestimmten Proteinmenge, und wir sind äußerst anpassungsfreudig, wenn es darum geht, unser Proteinsoll zu sichern. Stellt man uns proteinreiche Nahrung zur Verfügung, ist unser Bedarf bald gedeckt, wir fühlen uns satt, hören spontan auf zu essen. Ist unsere Nahrung allzu proteinverdünnt, essen wir instinktiv mehr, ja wir essen so lange, bis unser Körper bekommen hat, was er braucht, will heißen: Wir überfressen uns und nehmen zu. 24 Schön und gut, aber was genau hat das mit der weitverbreiteten Zunahme von Übergewicht in der heutigen Zeit zu tun? Und was bedeutet das konkret für eine effiziente Diät? Read the full article
#aprotein#bcaaundproteingleichzeitig#protein#protein3k#protein90test#proteinaprotein2kg#proteinaggregationproteinwhey#proteinamtag#proteinaufrechnung#proteinaufrechnungbestellen#proteinhersteller#proteininei#proteinladder#proteinoderwhey#proteinohnefett#proteinohnesport#proteinoxidation#proteinsalat#proteinshake#proteintranslation#proteinundkohlenhydrateshake#proteinvanille#proteinvegan#welcherproteinshakezumabnehmen#woproteinkaufen
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Erst wenn unser Eiweißhunger gestillt ist, hören wir auf zu essen
Das Buffet im Chalet umfasste alles, was ein hungriges Herz begehrt - jedenfalls an den ersten beiden Tagen. Zum Frühstücktischte man Müsli und Baguettes auf, es gab Croissants, Schinken, Melone, Pflaumen und zahlreiche weitere Früchte. Beim Lunch reichte das Angebot von Brot mit Camembert bis zu Thunfisch, Salaten und Joghurt. Auch beim Abendessen fehlte es an nichts: Man konnte zwischen Fisch, Hühnchen, Couscous, Kartoffeln und Bohnen wählen, es gab Schwein, Reis sowie Gemüse zur freien Verfügung, und als Nachtisch lockte unter anderem ein Mandelkuchen. Die Versuchskaninchen - es waren zehn, wie gesagt, wir sprechen über eine erste, kleine Studie - durften so viel essen, wie sie wollten. Sie mussten nur vorher die begehrten Portionen und Häppchen von Rache! Batley wiegen lassen und durften nichts untereinander austauschen. Auf diese Weise hielt Batley haargenau fest, wer wovon wie viel aß. Erst am dritten und vierten Tag kam es zum eigentlichen Experiment. Jetzt wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Hälfte wurde der »proteinreichen«, die andere der »proteinarmen« Gruppe zugeordnet. Das heißt, an den nächsten beiden Tagen gab es zwei sehr unterschiedliche Buffettische: Auf Tisch 1, von dem sich nur die proteinreiche Gruppe bedienen durfte, lag der Schwerpunkt auf Hühnchen, Schweinefilet, Schinken, Lachs und anderen Fischen, Joghurt, Käse, Milch und weiteren eiweißhaltigen Nahrungsmitteln. Tisch 2 bestand aus einer eiweißarmen Auswahl von Croissants, Waffeln, Nudeln, Kartoffeln, Couscous, Obst, Gemüse, Orangensaft und Wasser (Wasser gab es stets für alle). Erneut durften alle so viel essen, bis sie satt waren. Zuletzt folgten noch zwei Tage, an denen die Tische wieder zusammengelegt wurden, und allen stand wie gehabt das gesamte Buffet zur Verfügung. Damit war die Datenerhebung abgeschlossen. Als Simpson und Raubenheimer später während eines Forschungsaufenthalts in Berlin die von der Studentin Batley penibel protokollierten Daten auswerteten, hatten sie den ersten experimentellen Beleg dafür, dass sich Menschen bis zu einem gewissen Grad so verhalten wie migrierende Mormonengrillen, wenn auch für gewöhnlich eine Spur zivilisierter. Auch uns treibt der universelle Eiweißeffekt: Auch wir essen so lange, bis unser Proteinhunger gestillt ist. Rein energetisch brauchen wir Menschen - je nach Geschlecht, Körpergröße, Bewegung, Alter etc. - rund 2000 (Frau) bis 2500 (Mann) Kalorien23 pro Tag. Bekanntlich essen viele von uns mehr, was, so ein zentrales Dogma der Ernährungsforschung, zu Übergewicht führt. Dabei gilt: Eine Kalorie ist eine Kalorie, egal von welchem Nahrungsmittel die Kalorie stammt. Essen wir mehr, als wir verbrauchen, nehmen wir zu, Punkt. Konsequenterweise muss umgekehrt, wer abnehmen will, schlicht weniger essen, zum Beispiel von allem die Hälfte (»Friss die Hälfte«, FdH). So das Dogma. Die Studie aus dem Schweizer Chalet jedoch offenbarte, dass wir Menschen uns in Wirklichkeit fundamental anders verhalten - mit weitreichenden Folgen für die Praxis, zum Beispiel wenn man abnehmen möchte. Die Untersuchung wirft ein erhellendes Licht darauf, warum es uns so schwerfällt, von allem die Hälfte zu essen, und warum der viel gelobte FdH-Ansatz langfristig zum Scheitern verurteilt ist. Denn obwohl die reine Energiezufuhr wichtig ist, ist Nahrung weit mehr als ein bloßer Energielieferant, und eine Kalorie ist zumindest in diesem Sinne nicht immer eine Kalorie. So aßen die Testpersonen aus der proteinreichen Gruppe an den Tagen mit differenziertem Speiseplan nicht etwa vergleichbar viel wie an den Tagen mit vollständigem Buffet. Nein, an diesen Tagen nahmen sie 38 Prozent weniger Kalorien zu sich. Und das vollkommen spontan, niemand hatte sie dazu gezwungen. Niemand hatte verlangt oder auch nur suggeriert, dass sie weniger essen sollten. Besonders beachtenswert ist, was die Analyse der verzehrten Nährstoffe ergab: Das Kalorienminus resultierte daraus, dass die Testpersonen unbewusst ihre Proteinzufuhr konstant gehalten hatten. Anders gesagt, wer sich von dem eiweißreichen Buffet bediente, stopfte sich nicht grenzenlos voll, sondern hörte relativ schnell auf zu essen. Die Testpersonen hatten ihren Proteinhunger aufgrund des proteinhaltigen Essens ungewöhnlich rasch gestillt. Das proteinreiche Buffet war offenbar so sättigend, dass die Testpersonen, ohne es selbst zu wissen, prompt auf eine »freiwillige« Diät gegangen waren. Scheinbar umgekehrt verhielten sich die Testpersonen aus der proteinarmen Gruppe: Sie überfutterten sich und aßen 35 Prozent Kalorien mehr. Dieser Befund scheint mir von großer Bedeutung zu sein, weil er erklären hilft, warum wir gerade in der heutigen Zeit so sehr mit Übergewicht zu kämpfen haben. Indem sie sich überaßen, taten die Teilnehmer aus der proteinarmen Gruppe auf einer tieferen Ebene nämlich nichts anderes als ihre Freunde aus der anderen Gruppe: Wie die Daten nahelegten, hatten auch sie schlichtweg versucht, ihren Proteinkonsum auf gleichbleibendem Level zu halten. Um das aber hinzubekommen, hatten sie ordentlich reinhauen müssen. Ihr Buffet war so arm an Eiweiß, dass ihnen wohl oder übel nichts anderes übrig blieb, als weit mehr als sonst zu essen, um ihren Proteinhunger zu stillen. Man könnte es auch so formulieren: Auf dem Weg zu jenem Eiweißminimum, das der Körper zum Funktionieren benötigt, standen ihnen jede Menge Kohlenhydrate und Fette im Wege, die notgedrungen mitverspeist werden mussten. Aus Sicht des klassischen Kaloriendogmas verhielten sich die zwei Testgruppen auf unerklärliche Weise erratisch, geradezu gensätzlich. Erst durch die Brille des Eiweißeffekts löst sich der Widerspruch auf. Und das Verhalten wird in beiden Fällen erklär- und vorhersagbar: Wir Menschen sind, wie so viele Tiere, nicht nur blind auf der Suche nach Energie oder Kalorien. Uns treibt darüber hinaus das Verlangen nach einer bestimmten Proteinmenge, und wir sind äußerst anpassungsfreudig, wenn es darum geht, unser Proteinsoll zu sichern. Stellt man uns proteinreiche Nahrung zur Verfügung, ist unser Bedarf bald gedeckt, wir fühlen uns satt, hören spontan auf zu essen. Ist unsere Nahrung allzu proteinverdünnt, essen wir instinktiv mehr, ja wir essen so lange, bis unser Körper bekommen hat, was er braucht, will heißen: Wir überfressen uns und nehmen zu. 24 Schön und gut, aber was genau hat das mit der weitverbreiteten Zunahme von Übergewicht in der heutigen Zeit zu tun? Und was bedeutet das konkret für eine effiziente Diät? Read the full article
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Ernährungsmythen von den Fakten trennen
Es hatte mit einer persönlichen Frage angefangen. Nun jedoch, angesichts dieser und weiterer bahnbrechender Resultate, nahm meine Recherche eine neue Dimension an - meine Suche erweiterte sich: Ich wollte herausfinden, was die Wissenschaft allgemein über eine heilsame Kost in Erfahrung gebracht hat. Welche Erkenntnisse, von denen wir wenig wissen, obwohl sie für unsere Gesundheit und damit unser Leben ausschlaggebend sein könnten, schlummerten noch in dem Dschungel der Ernährungsforschung? Freunde und Bekannte wunderten sich allmählich über die ausufernden Papierstapel in so gut wie allen Ecken meines Hauses (sowie über meine stetig wachsende Kochbuchsammlung und meine nicht immer von Erfolg gekrönten kulinarischen Experimente). Wenn ich ihnen dann von dem einen oder anderen Ergebnis meiner Recherchen berichtete, stieß ich häufig auf eine Mischung aus Faszination einerseits und eine Art Überdruss gegenüber all diesen »gut gemeinten Ernährungsbotschaften« andererseits. Viele haben den Eindruck, dass es sich bei der Ernährungsforschung um eine, freundlich formuliert, reichlich widersprüchliche Angelegenheit handelt. Mal ist Milch gesund, dann macht sie plötzlich krank und beschert uns einen frühzeitigen, grausamen Tod, nur um kurz darauf eine ungeahnte Rehabilitierung zu erfahren, die uns postwendend in den Ausgangszustand zurückbefördert. Habe ich der armen Butter unrecht getan, als ich sie aus meinem Kühlschrank verbannte? Was ist mit Brot, Nudeln, Kartoffeln? Ist der Weizen beziehungsweise das Gluten (ein Eiweiß, das in vielen Getreidesorten vorkommt) an allem schuld? Oder der Zucker? Und dann natürlich, last but not least, die alles entscheidende Frage: Ist Kokosöl die Lösung? Die Wissenschaft mit ihren stets neuen Resultaten ist das eine. Darüber hinaus dürfen wir natürlich die gefühlt eine Million Ernährungsgurus nicht vergessen. Es wäre wirklich unfair, den einzigartigen Beitrag zum Tohuwabohu zu verschweigen, den sie mit ihren manchmal erstaunlich originellen Heilsbotschaften leisten. Jeder der Gurus weiß genau, wo es langgeht, und hält sämtliche »Kollegen« aus den feindlichen Lagern für notorisch minderbemittelt. Die selbstbewussten Low-Carb-Gurus können nur wenig mit den langweiligen, genussunfähigen Low-Fat-Gurus anfangen - eine Abneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Die hippen veganen Apostel erscheinen als inverse Reinkarnation der hippen Paleo-Apostel, die uns am Grill mit missionarischem Eifer von den Vorzügen der Stein zeitkost zu überzeugen versuchen. Und alle haben recht! Alle können diese und jene »US-Studie« zitieren, die ihre Philosophie bestätigt! (Wie dieses Paradox zustande kommt, werden wir noch sehen. Und ja, es gibt Auswege aus diesem heillosen Durcheinander ... ) Kurz, ich hatte mich in ein Wespennest aus Widersprüchen begeben, besser gesagt: Ich steckte mittendrin. Was sollte ich tun? Ich entschied mich zur Flucht nach vorn. Ich beschloss, mich einmal durch das gesamte Chaos hindurchzubeißen mit dem Ziel, mir eine Übersicht darüber zu verschaffen, was von den konträren Botschaften stimmt und was nicht. Was würde einer schonungslosen Prüfung standhalten? Was war Mythos, was Fakt? Diese Frage bildet ein drittes Kernthema des Ernährungskompasses. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich dieses Minenfeld als Außenseiter betrat, als Wissenschaftsautor, dessen einzige Spezialität darin besteht, Studien auszuwerten und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Die Außenseiterposition erwies sich sogar als Vorzug- sie erlaubte es mir, einen unbefangenen Blick auf all die gegensätzlichen Behauptungen und oft ideologisch angehauchten Grabenkämpfe zu werfen. Für mich als Diät-Agnostiker gab es lediglich ein entscheidendes Kriterium: Was wirkt wirklich? Read the full article
#derernährungskompasshörbuch#derernährungskompasspdfdownload#ernährung10monatebaby#ernährung3.trimester#ernährung7monatealtesbaby#ernährung7monatealtesbabykind#ernährungausdauersport#ernährungbaby9monatefrühstück#ernährungbeikrebs#ernährungfitness#ernährunggegenbauchfett#ernährungjunghund#ernährungkrebs#ernährungodersport#ernährungvegan#ernährungvegetarisch#ernährungwährendausdauersport#ernährungzeitschrift#ernährungskompasszusammenfassung
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Ernährungsmythen von den Fakten trennen
Es hatte mit einer persönlichen Frage angefangen. Nun jedoch, angesichts dieser und weiterer bahnbrechender Resultate, nahm meine Recherche eine neue Dimension an - meine Suche erweiterte sich: Ich wollte herausfinden, was die Wissenschaft allgemein über eine heilsame Kost in Erfahrung gebracht hat. Welche Erkenntnisse, von denen wir wenig wissen, obwohl sie für unsere Gesundheit und damit unser Leben ausschlaggebend sein könnten, schlummerten noch in dem Dschungel der Ernährungsforschung? Freunde und Bekannte wunderten sich allmählich über die ausufernden Papierstapel in so gut wie allen Ecken meines Hauses (sowie über meine stetig wachsende Kochbuchsammlung und meine nicht immer von Erfolg gekrönten kulinarischen Experimente). Wenn ich ihnen dann von dem einen oder anderen Ergebnis meiner Recherchen berichtete, stieß ich häufig auf eine Mischung aus Faszination einerseits und eine Art Überdruss gegenüber all diesen »gut gemeinten Ernährungsbotschaften« andererseits. Viele haben den Eindruck, dass es sich bei der Ernährungsforschung um eine, freundlich formuliert, reichlich widersprüchliche Angelegenheit handelt. Mal ist Milch gesund, dann macht sie plötzlich krank und beschert uns einen frühzeitigen, grausamen Tod, nur um kurz darauf eine ungeahnte Rehabilitierung zu erfahren, die uns postwendend in den Ausgangszustand zurückbefördert. Habe ich der armen Butter unrecht getan, als ich sie aus meinem Kühlschrank verbannte? Was ist mit Brot, Nudeln, Kartoffeln? Ist der Weizen beziehungsweise das Gluten (ein Eiweiß, das in vielen Getreidesorten vorkommt) an allem schuld? Oder der Zucker? Und dann natürlich, last but not least, die alles entscheidende Frage: Ist Kokosöl die Lösung? Die Wissenschaft mit ihren stets neuen Resultaten ist das eine. Darüber hinaus dürfen wir natürlich die gefühlt eine Million Ernährungsgurus nicht vergessen. Es wäre wirklich unfair, den einzigartigen Beitrag zum Tohuwabohu zu verschweigen, den sie mit ihren manchmal erstaunlich originellen Heilsbotschaften leisten. Jeder der Gurus weiß genau, wo es langgeht, und hält sämtliche »Kollegen« aus den feindlichen Lagern für notorisch minderbemittelt. Die selbstbewussten Low-Carb-Gurus können nur wenig mit den langweiligen, genussunfähigen Low-Fat-Gurus anfangen - eine Abneigung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Die hippen veganen Apostel erscheinen als inverse Reinkarnation der hippen Paleo-Apostel, die uns am Grill mit missionarischem Eifer von den Vorzügen der Stein zeitkost zu überzeugen versuchen. Und alle haben recht! Alle können diese und jene »US-Studie« zitieren, die ihre Philosophie bestätigt! (Wie dieses Paradox zustande kommt, werden wir noch sehen. Und ja, es gibt Auswege aus diesem heillosen Durcheinander ... ) Kurz, ich hatte mich in ein Wespennest aus Widersprüchen begeben, besser gesagt: Ich steckte mittendrin. Was sollte ich tun? Ich entschied mich zur Flucht nach vorn. Ich beschloss, mich einmal durch das gesamte Chaos hindurchzubeißen mit dem Ziel, mir eine Übersicht darüber zu verschaffen, was von den konträren Botschaften stimmt und was nicht. Was würde einer schonungslosen Prüfung standhalten? Was war Mythos, was Fakt? Diese Frage bildet ein drittes Kernthema des Ernährungskompasses. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich dieses Minenfeld als Außenseiter betrat, als Wissenschaftsautor, dessen einzige Spezialität darin besteht, Studien auszuwerten und zu einem Gesamtbild zusammenzufügen. Die Außenseiterposition erwies sich sogar als Vorzug- sie erlaubte es mir, einen unbefangenen Blick auf all die gegensätzlichen Behauptungen und oft ideologisch angehauchten Grabenkämpfe zu werfen. Für mich als Diät-Agnostiker gab es lediglich ein entscheidendes Kriterium: Was wirkt wirklich? Read the full article
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Wie man Altersleiden verhindert
Viele Befunde, auf die ich im Laufe der Monate und Jahre gestoßen bin, erwiesen sich allerdings nicht nur als hilfreich für alle, die »schlicht« abspecken möchten. Nein, diese Erkenntnisse können Leben retten. Wie man dank seiner Ernährung Krankheit verhindert und auch im Alter gesund und fit bleibt - das ist das zweite Hauptthema des Ernährungskompasses. Mit gewissen Ernährungsweisen lassen sich zum Beispiel lebensbedrohliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen in ihrem Verlauf aufhalten und sogar rückgängig machen. Anhand von Röntgenbildern kann man mit eigenen Augen verfolgen, wie sich selbst massive Gefäßverstopfungen in nichts auflösen. Ich rede von Herzpatienten mit Qualen, die meine eigenen Beschwerden wie harmlose Zipperlein erscheinen lassen: Menschen, die nach dreifachen Bypässen von ihren Kardiologen nach Hause geschickt worden waren mit dem ermutigenden Rat, sich einen Schaukelstuhl zu kaufen, um sich darin auf einen baldigen Tod vorzubereiten. Manche litten unter dermaßen unerträglichen Brustschmerzen (Angina pectoris), dass sie sich nicht hinlegen und nur im Sitzen schlafen konnten - Schmerzen, die wenige Wochen oder Monate nach einer Ernährungsumstellung meist komplett verschwanden . Abb. 0.2 Die beiden Röntgenbilder zeigen einen Abschnitt der linken Herzkranzarterie, die einen Großteil des Herzens mit Blut versorgt. Links (A) sieht man das erkrankte Gefäß (der weiße »Schlauch«, der wie ein Ast aussieht und von oben nach unten verläuft - beachten Sie die Verengung im Bereich der weißen Klammer, als wäre der Schlauch zusammengedrückt, was den Blutfluss bremst). Das rechte Bild (B) zeigt dasselbe Gefäß nach 32 Monaten einer in diesem Fall streng veganen Diät, bei der man sich ausschließlich von Pflanzen ernährt. Die Verengung ist verschwunden, der Blutfluss wiederhergestellt, die Arterie sieht wieder vollkommen gesund aus. Die Gefäßerkrankung konnte nicht nur aufgehalten, sondern sogar rückgängig gemacht werden, und das ohne chirurgischen Eingriff und ohne Medikamente. Befunde wie diese belegen die enorme Kraft der Ernährung. Eine Kraft, die wir selbst steuern können, sie liegt - buchstäblich - in unseren Händen. Die Ergebnisse offenbaren, wie grundlegend, wie tief greifend sich das Leben zum Besseren wenden kann, indem man einfach nur seine Ernährung umstellt. Und wir haben es hier nicht mit Einzelbefunden zu tun. überall auf der Welt sind Wissenschaftler derzeit dabei, mithilfe von speziellen experimentellen Diäten weitverbreitete und/oder tödliche Erkrankungen zu kurieren: • Forscher der Newcastle University in England haben eine Gruppe von Zuckerkranken (»Typ-2-Diabetes« 11) auf eine rabiate Diät gesetzt. Innerhalb von nur einer Woche normalisierte sich der außer Kontrolle geratene Nüchternblutzucker der Patienten vollständig. Nach zwei Monaten waren sie von der »chronischen« Erkrankung namens Diabetes befreit. Seitdem berichten die Forscher am laufenden Band über immer neue Erfolge mit ihrem Ansatz. Im Klartext: Die Zuckerkrankheit erweist sich in vielen Fällen als heilbar. 12 • Der Wissenschaftler Dale Bredesen, Neurologe und AlzheimerForscher an der University of California in Los Angeles (UCLA) und ehemaliger Schüler des US-Medizin-Nobelpreisträgers Stanley Prusiner, behandelt momentan eine wachsende Zahl von Patienten mit Gedächtnisschwächen oder bereits in den früheren Stadien der Alzheimer-Krankheit mit individuell abgestimmten Diäten, ergänzt um Omega-3-Fischölkapseln und ausgewählte Pflanzenstoffe und Vitamine, wie Vitamin D3 und B-Vitamine. Sein bislang noch vorläufiger, aber sensationell anmutender Befund: Bei einem Großteil der Patienten verbesserten sich die Gedächtnisprobleme in drei bis sechs Monaten beträchtlich. Eine erste kleine Pilotstudie ergab: Alle Patienten, die aufgrund des mentalen Abbaus ihre Arbeit hatten aufgeben müssen, erholten sich so gut, dass sie diese wieder aufnehmen konnten. Mein Hintergrund, was Studium, journalistische und Autorentätigkeit betrifft, ist die Hirnforschung, und so war ich besonders beeindruckt, als ich erfuhr, dass sich gewisse Regionen des in Mitleidenschaft gezogenen Gehirns dieser Patienten wieder regenerierten, ja regelrecht nachwuchsen. Es handelt sich dabei um den sogenannten Hippocampus, eine für das Gedächtnis entscheidende Hirnstruktur (»Hippocampus« ist lateinisch und bedeutet Seepferdchen, weil diese Struktur eine ähnliche Form hat). Wie KernspintomografieAufnahmen belegen, konnte man bei einem 66-jährigen Mann nach zehn Monaten eine Zunahme im Volumen des Hippocampus beobachten, die sich sogar in Kubikzentimetern ausdrücken lässt: Aus vorher 7,65 cm3 Hippocampus wurden nach der Spezialdiät 8,3 cm3!14 Ich bin nach wie vor verblüfft, Zeilen wie diese überhaupt schreiben zu können: Herz-Kreislauf-Erkrankungen - in der wohlhaben den Welt und damit auch in Deutschland Todesursache Nr. 1 - nicht nur gestoppt, sondern rückgängig gemacht? Die Zuckerkrankheit, geheilt ohne ein einziges Medikament? Frühe Stadien von Alzheimer, die sich mithilfe eines Diätprogramms als reversibel erweisen könnten? 15 Sicherlich müssten Durchbrüche wie diese, Befunde über Ernährungsformen, die etwas bewerkstelligen, woran eine globale Hightech-Pharma-Industrie mit Multimilliardenbudget bisher weitgehend gescheitert ist, sich langsam herumsprechen, ja in Zeitungen und Internetforen rauf- und runterdiskutiert werden? Aber nein, eher das Gegenteil ist der Fall: Die meisten von uns haben trotz oder fatalerweise vielleicht sogar wegen der immensen Flut von Ernährungsschlagzeilen und des geballten Diät-Bullshits, der unseren Hippocampus zumüllt, nie auch nur das Geringste von diesen Ergebnissen gehört. Das ist traurig, und meine Hoffnung ist, dass ich mit diesem Buch zumindest etwas zu einer positiven Veränderung beitragen kann. Read the full article
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Größen und Grenzen der Krebsfrüherkennung
Nachdem die Möglichkeiten der medizinischen Statistik diskutiert wurden, ist es nun an der Zeit, sich einem Zahlenspiel zu widmen, das immer wieder zu heftigen Diskussionen geführt hat, führt und vermutlich auch weiterhin genügend Konfl iktstoff bieten wird: dem Zahlenspiel um den tatsächlichen Nutzen einer Früherkennung im Allgemeinen und ihrer verschiedenen Methoden im Speziellen. Um einen eventuellen Brustkrebs möglich früh erkennen zu können, empfehlen Fachleute Frauen heute im Wesentlichen eine Kombination von drei Methoden. Nämlich die Selbstuntersuchung der Brust, die Tastuntersuchung durch den Arzt oder die Ärztin und regelmäßige Röntgenkontrollen (Mammographien) der Brust, wenn nötig auch durch einen Brust-Ultraschall ergänzt. Trotz sehr unterschiedlicher Aussagen über den Wert der Selbstuntersuchung wird diese von allen Krebs- und Brustgesellschaften vehement empfohlen, denn ein Teil der Tumoren wird entdeckt, weil Frauen diese selbst erfühlen. Deshalb empfehlen die Brustexperten jeder Frau, die Brust einmal im Monat selbst zu untersuchen. Die Selbstuntersuchung der Brust soll wesentlich zur individuellen Motivation und Bewusstseinsförderung für präventive Maßnahmen beitragen. Darüber hinaus soll die Selbstuntersuchung auch einen psychologischen Effekt mit sich bringen, nämlich die Befassung der Frau mit ihrem eigenen Körper, das im buchstäblichen Sinne Begreifen und damit Akzeptieren ihrer Brüste. Dies trägt sicherlich zum Selbstwertgefühl der Frauen bei, schon aus diesem Grund sollte die Selbstuntersuchung stattfi nden. Aus rein medizinischen Überlegungen heraus begünstigt die regelmäßige und sachgerechte Selbstuntersuchung die Entdeckung von Karzinomen. Auch wenn die Wirksamkeit dieser Maßnahme in diesem medizinischen Zusammenhang nicht überschätzt werden darf, muss sie Bestandteil eines Früherkennungsprogramms sein und bleiben. Es sollte bereits ab dem 20. Lebensjahr damit begonnen werden, ab dem 30. Lebensjahr sollte sie regelmäßig erfolgen. Wie sieht jedoch die Realität aus? Länderweise sehr verschieden führen lediglich zwischen 18 und 70 Prozent der Frauen mehr oder weniger regelmäßig diese Selbstuntersuchung durch. Die Selbstuntersuchung der Brust ist relativ anspruchsvoll und zeitintensiv, wenn sie richtig durchgeführt wird. Zuerst soll die Frau vor dem Spiegel auf Veränderungen von Form, Größe und Hautfarbe der Brust achten, wobei sie dabei zuerst die Arme beziehungsweise Hände in die Hüfte gestützt, dann die Arme erhoben und schließlich über dem Kopf verschränkt haben sollte. Danach sollte sie mit den Fingerspitzen in kreisförmigen Bewegungen die Brust abtasten, um knotige Veränderungen sowohl oberfl ächlich, als auch in tieferen Schichten zu ertasten. Weiters sollte geprüft werden, ob aus den Brustwarzen Sekret ohne und mit Druck austritt. Letztendlich sollte die Untersuchung neben der Brust selbst auch die Inspektion und Abtastung der Haut von Brust und Achselhöhle umfassen. Verhärtungen, Knoten, nicht heilende Wunden, Einziehungen der Haut, Anschwellung der Lymphknoten oder Sekretionen aus der Brustdrüse sind bis zum Nachweis des Gegenteils immer verdächtig und müssen weiter vom Arzt oder der Ärztin abgeklärt werden. Die Frage nach Nutzen und Risken der Selbstabtastung der Brust wurde von einem kanadischen Ärzteteam von der Universität Toronto für die Canadian Task-Force on Preventive Health Care 2001 beantwortet und bezog dabei Fachliteratur aus vier Jahrzehnten mit ein. Der Sukkus dieser Arbeit ist, dass es bisher keiner Studie gelungen ist, nachzuweisen, dass die Brustkrebs-Sterberate durch das Selbstabtasten der Brust verringert wird. Frauen, die sich selbst abtasten, sterben ebenso oft an Brustkrebs, wie Frauen, die es nicht tun. Im Jahr 2002 wurde eine Studie aus China veröffentlicht, für die eine amerikanisch-chinesische Ärztegruppe ab 1989 insgesamt 270.000 Chinesinnen in Textilfi rmen in Shanghai bis Ende 2000 beobachtet und das Auftreten von Brustkrebs dokumentiert hatten. 133.000 dieser Frauen wurden in den Methoden der Selbstuntersuchung ausgebildet und angewiesen, einmal monatlich ihre Brust fachgerecht selbst zu untersuchen, weitere 133.000 aus anderen Firmen wurden weder ausgebildet noch angewiesen, ihre Brust zu untersuchen. Das Ergebnis dieser Vergleichsstudie war enttäuschend und deckte sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen der kanadischen Gruppe aus dem Jahr davor. Die Frauen, die sich regelmäßig selbst untersucht hatten, starben ebenso häufi g an Brustkrebs, wie die Frauen, die keine Selbstuntersuchungen an sich vorgenommen hatten. Insgesamt war in beiden Gruppen eine von 1000 Frauen an Brustkrebs gestorben. Ein Schwachpunkt der Selbstuntersuchung liegt darin, dass Veränderungen erst ab einer gewissen Größe festgestellt werden können. Die meisten, besonders die kleinen Tumoren, werden ganz einfach durch Tasten nicht gefunden. Unter Umständen kann bei der Selbstuntersuchung ein Knoten ab einer Größe von etwa einem Zentimeter ertastet werden. In der Regel sind die selbst ertasteten Knoten jedoch viel größer. Man schätzt, dass Frauen, die sich regelmäßig selbst untersuchen, mehr als 60 Prozent aller Tumoren übersehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in den bisherigen Studien bei Frauen, die sich nicht regelmäßig selbst untersuchen, genauso viele Tumoren gefunden wurden, wie bei Frauen, die sich selbst intensiv untersuchen. Nicht unerwähnt bleiben darf der Umstand, dass die Selbstuntersuchungen auch zu falsch positive Diagnosen führen können, also zum Befund, dass ein Tumor vorhanden ist, obwohl die Brust gesund ist. Das passiert deshalb, weil mit dieser Methode auch eine relativ hohe Anzahl von anderen, harmlosen Veränderungen ertastet werden. Die kanadische Analyse hat gezeigt, dass Frauen, die sich selbst untersuchen, wesentlich häufi ger mit diesen gutartigen Befunden den Arzt oder die Ärztin aufsuchen. In einer britischen Studie an etwa 250.000 Frauen hatten nach 14 Jahren Selbstuntersuchungen neun von 1000 Frauen eine belastende Biopsie, also eine Gewebeentnahme, über sich ergehen lassen müssen, die sich dann als nicht nötig herausgestellt hatte. Bei Frauen, die sich nicht selbst untersucht hatten, waren es im Vergleich nur sechs von 1000 Frauen. Ähnliche Ergebnisse zeigte auch die bereits zitierte chinesische Studie: Nach elf Jahren Selbstuntersuchung hatten 27 von 1000 Frauen eine Gewebeentnahme aus der Brust, um einen unklaren Befund abzuklären, der sich in Dreiviertel der Fälle als gutartig herausstellte. Von den Frauen ohne Selbstuntersuchung hatten deutlich weniger, nämlich nur 18 von 1000 eine Biopsie erhalten. Das zeigt, dass Frauen, die sich selbst untersuchen, ein erhöhtes Risiko haben, invasive Untersuchungen wie Gewebsbiopsien über sich ergehen zu lassen. Die dabei zutage tretenden falsch positiven Befunde stellen bis zu deren eindeutigen Abklärung natürlich eine große psychische Belastung für die Frauen dar, von möglichen unnötigen chirurgischen Eingriffen einmal abgesehen. Stoßen Frauen auf knotige Veränderungen in der Brust, denken sie automatisch an Krebs. Diese Sorge ist jedoch meist unbegründet: Die Mastopathie ist die häufi gste gutartige Veränderung der weiblichen Brust, auch wenn die Veränderungen im Brustgewebe vielen Frauen vor allem in der zweiten Zyklushälfte Schmerzen verursachen. Die Mastopathie ist kein klar defi niertes Krankheitsbild, sondern eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Veränderungen des Brustdrüsengewebes, die von Schwellungen, der so genannten Mastodynie, bis hin zu Knotenbildung und Zysten reichen. Gerade wegen der unklaren Abgrenzung der verschiedenen Formen gibt es nur wenige zuverlässige Schätzungen darüber, wie viele Frauen von diesem Problem betroffen sind. Die Annahmen reichen von 30 bis 50 Prozent aller Frauen. Diese fi nden bei der Selbstuntersuchung immer wieder gutartige Knoten und bekommen unbegründet Angst vor Brustkrebs. Fasst man die verschiedenen Untersuchungen und Studien über den Erfolg der Selbstuntersuchungen der Brust durch die Frauen zusammen, dann ist der medizinische Nutzen höchst zweifelhaft. Und er wird umso zweifelhafter, je jünger die Frauen sind. Die Fakten reichen nicht aus, zu belegen, dass durch die Selbstuntersuchung die Sterblichkeit durch Brustkrebs verringert wird. Darum haben die kanadischen Experten aus ihrer Analyse die Forderung abgeleitet, die Selbstuntersuchung nicht mehr zu empfehlen, weil ein sicherer Nutzen nicht nachweisbar war. Ebenso empfehlen die Briten schon seit längerem die Selbstuntersuchung nicht mehr. Diese Ergebnisse und Empfehlungen haben aber auch heftige gegenteilige Reaktionen ausgelöst, besonders in den USA. Letztendlich kam es zu der vorsichtigen Bewertung der Weltgesundheitsorganisation WHO, dass weder für noch gegen eine Empfehlung des Selbstabtastens zwingende Argumente vorliegen. Auch die deutsche Universität Marburg kommt zu ähnlichen Bewertungen, empfi ehlt aber die Selbstuntersuchung weiterhin regelmäßig im Rahmen eines Brustkrebs-Früherkennungsprogramms durchzuführen: unter dem Aspekt der Motivation und Bewusstseinsförderung. Denn Frauen, die regelmäßig und sorgfältig die Selbstuntersuchung durchführen, sind besonders motiviert, auch die anderen Möglichkeiten der Früherkennung wahrzunehmen, insbesondere die Mammographie. Man könnte also sagen, die Methode der Selbstuntersuchung erfüllt zwar ihre Aufgabe kaum bis gar nicht, aber sie bewirkt, dass Frauen Mammographieuntersuchungen in Anspruch nehmen. Frauen, die keine Selbstuntersuchung ihrer Brust vornehmen, aus welchen Gründen auch immer, müssen jedoch kein schlechtes Gewissen haben. Vielleicht hat ihnen ihr Gefühl oder Instinkt, nicht alles zu machen, was empfohlen wird, Recht gegeben. Im Prinzip sollte es aufgrund dieser Ergebnisse die freie Entscheidung jeder Frau sein, ob sie eine regelmäßige Selbstuntersuchung durchführt oder nicht. Die Warnung, dass sie sich und damit auch dem öffentlichen Gesundheitssystem schadet, wenn sie sich nicht selbst untersucht, ist nach den bisherigen Ergebnissen nicht begründet. Trotzdem wird damit immer wieder Druck auf viele Frauen ausgeübt. Die Frau sollte selbst einschätzen, was ihr das Selbstabtasten bedeutet, und ob es ihr mehr Sicherheitsgefühl gibt oder nicht. Die Tastuntersuchung der Brust durch Ärzte und Ärztinnen ist die zweite Methode der Früherkennung von Brustkrebs. Die Untersuchung ist relativ einfach, erfordert aber sehr viel Zeit, wenn sie sorgfältig durchgeführt wird. In der Realität wird die Untersuchung aber all zu oft eher schnell und oberfl ächlich in den Praxen durchgeführt, nicht selten wird sie überhaupt nicht vorgenommen. Die korrekt durchgeführte Tastuntersuchung hat einen relativ hohen Nutzen, Literatur und Studienbewertungen kommen zu sehr guten Resultaten. Eine der umfangreichsten Bewertung der Literatur erfolgte durch ein US-Ärzteteam um Mary Barton von der Harvard Medical School in Boston im Jahr 1999. Es wurden darin Studien von 30 Jahren ausgewertet, wobei die Analyse zu aller erst einmal zeigte, dass es keine zuverlässigen Daten gibt, die Tastuntersuchungen alleine bewerten. Denn in den meisten Studien wird die Tastuntersuchung gemeinsam mit der Mammographie untersucht. Dabei zeigt sich, dass sich die beiden Methoden zum Teil ergänzen. Jedes der beiden Verfahren kann Tumoren entdecken, die die andere Methode übersieht. Das heißt: Es fi nden sich tastbare Tumoren, die in der Mammographie nicht gesehen werden, und nicht tastbare Tumoren, die durch die Mammographie entdeckt werden. Eine der aussagekräftigsten Studien diesbezüglich stammt ebenfalls aus Kanada, nämlich die National Breast Cancer Study. Laut dieser wurden 35 von 100 Tumoren sowohl durch die Mammographie als auch durch die Tastuntersuchung entdeckt, 40 bis 53 Karzinome nur durch die Mammographie und zwölf bis 24 Krebsfälle nur durch die Tastuntersuchung. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass die Tastuntersuchung die Mammographie sinnvoll ergänzt und diese Methode auch bei ältern Frauen über 70 Jahren wertvoll sein könnte. Eine kanadische Forschergruppe um Anthony Miller, der auch im deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg arbeitet, und eine Arbeitsgruppe um Cornelia Baines von der Universität Toronto kommen zu dem Ergebnis, dass die Tastuntersuchung durch besonders gut und speziell ausgebildete Untersucher der Mammographie fast ebenbürtig ist. So wurden in einer weiteren Studie rund 39.000 freiwillige Frauen durch das Los in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt einmal im Jahr die Einladung zur Tastuntersuchung, die andere Gruppe wurde noch zusätzlich zur Tastuntersuchung mittels Mammographie untersucht. Nach neun Jahren gab es kaum einen Unterschied. Von den 19.711 Frauen, die mittels Tastunter-suchung und Mammographie eine Früherkennung durchführen ließen, waren 88 an Brustkrebs gestorben, von den 19.694 Frauen die nur mittels Tastuntersuchung untersucht wurden, waren es 90. Miller erklärte dieses Ergebnis damit, dass die Mammographie vor allem langsame, gut heilbare Tumoren entdeckte. Es kommt durch die fachärztliche Tastuntersuchung natürlich auch zu falsch negativen Diagnosen, also zum Befund, dass die Brust gesund sei obwohl ein Krebs vorhanden ist. So übersehen Ärzte und Ärztinnen nach Schätzungen von Mary Barton beim Abtasten etwa 40 bis 50 von 100 Tumoren, also etwa knapp die Hälfte. Auch hier liegt die Grenze der Methode bei der Größe der Tumoren. Bei der Kombination von Tastuntersuchung und Mammographie wurden in den Früherkennungsstudien 80 bis 90 von 100 Tumoren entdeckt. Falsch positive Diagnosen wie bei der Selbstuntersuchung, kommen natürlich ebenfalls vor, deren Häufi gkeit schwankt von Studie zu Studie zum Teil sehr stark. Auch hier schätzt Mary Barton, dass von 1000 von Ärzten und Ärztinnen untersuchten Frauen rund 60 – also etwa jede 17. Frau – damit rechnen muss, einen auffälligen Befund diagnostiziert zu bekommen, der sich dann durch weitere Untersuchungen als gutartig herausstellt. In einer Untersuchungsserie hatten nur vier von 100 Frauen mit einem auffälligen Befund tatsächlich Krebs. Obwohl die Tastuntersuchung durch Ärzte und Ärztinnen für relativ effi zient gehalten wird, ist der Wert der Tastuntersuchung als regelmäßige und zuverlässige Früherkennungsmaßnahme von Brustkrebs nur schwer ein- und abzuschätzen. Die Fachleute sind sich nicht einig, denn die Tastuntersuchung fi ndet im Gegensatz zu Mammographie eher große Tumoren, die daher statistisch eine schlechtere Behandlungschance haben. Ob es aber allein an der Größe der Tumoren liegt oder daran, dass die Mammographie vor allem weniger aggressive Tumoren aufspürt, ist unklar. Ebenso kommen internationale Gremien zum Schluss, dass bis heute nicht ausreichend belegt ist, inwieweit eine Frau, die regelmäßig zu ihrem Arzt oder ihrer Ärztin zur Tastuntersuchung geht, eine höhere Chance hat, nicht an Brustkrebs zu sterben. Es gibt daher einige europäische Screening-Programme mit Mammographie, in denen die Tastuntersuchung keine besondere Rolle spielt. Tatsache ist jedoch, dass eine Kombination der beiden Methoden Tastuntersuchung und Mammographie mehr Tumoren fi ndet, als eine der Methoden allein. Die Mammographie verwendet zur Abbildung der Brust Röntgenstrahlen. Diese sind zwar nicht radioaktiven Ursprungs, aber sehr eng verwandt mit den bei radioaktiven Zerfallsprozessen entstehen- den Gammastrahlen und haben genauso wie diese eine ionisierende, somit zellschädigende Wirkung. Sie ist im Vergleich zu anderen Röntgenverfahren aber energieärmer. Um Bewegungsunschärfe bei den Aufnahmen zu vermeiden, muss die Brust während der Untersuchung komprimiert und fi xiert werden, was mitunter Schmerzen verursachen kann. Es gibt nur vage Schätzungen des Strahlenrisikos. Man vermutet, dass durch Mammographie (jeweils vier bis sechs Aufnahmen) bei 100.000 Patientinnen im Alter von 50 Jahren bei einer Krebs entsteht. Zwei Parameter sind für die Beurteilung der Effi zienz einer Mammographie entscheidend: die „Sensitivität“, die Wahrscheinlichkeit, einen Brustkrebs durch die Untersuchung auch tatsächlich festzustellen, und die „Spezifi tät“, der Anteil der Frauen ohne Brustkrebs, bei denen die Untersuchung auch zu einem richtig negativen und nicht falsch-positiven Befund führt. Mit den modernsten Geräten, dem am besten ausgebildeten medizinischen Personal (das noch dazu große Erfahrung in der Diagnostik hat), nach Einholung einer diagnostischen Zweitmeinung und bei Frauen, deren Brustgewebe für das bildgebende Verfahren am besten geeignet ist, erreicht die Mammographie heute eine Sensitivität von bis zu 83 und eine Spezifi tät von rund 97 Prozent. Das heißt also: Nur unter diesen optimalen Bedingungen werden 83 von 100 Tumoren der Brust durch die Mammographie auch tatsächlich gefunden, erhalten lediglich drei von 100 Frauen einen falschen Krebsbefund. Die Wirklichkeit schaut nicht ganz so rosig aus. Über den Sinn einer Früherkennungsmethode entscheidet jedoch nicht die Zahl der aufgefundenen Tumoren, sondern ob letztendlich die Überlebenschancen dadurch steigen. Wissenschaftlich eindeutig nachvollziehbare Beweise dafür fehlen bis heute. Weltweit herrscht nach wie vor keine einheitliche Meinung über Beginn, Häufi gkeit und Nutzen von Mammographien als Früherkennungsmethode. Auch große Studien können keine einheitlichen Ergebnisse und somit verbindliche Richtlinien geben. Kaum kann eine größere Studie nachweisen, dass Mammographien das Risiko, am Mamakarzinom zu sterben, um bis zu 30 Prozent senken, weist kurze Zeit später eine genaue Analyse dieser Studie zum Teil die Sinnlosigkeit solcher präventiver Untersuchungen nach. Wie stark die Mammographie das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, senken kann, hängt vom jeweiligen Brustkrebsrisiko und damit vor allem vom Alter der Frau ab. So ist zum Beispiel das Risiko einer 20-Jährigen, an Brustkrebs zu sterben, so gering, dass der Sinn einer Mammographie-Früherkennung mehr als in Zweifel gezogen werden muss. Aber auch nach oben gibt es eine Altersgrenze, denn über 70 Jahren überwiegen teilnehmenden Ärzte müssen sich ganz besonderen Qualitätsanforderungen unterziehen und beispielsweise mehrere tausend Untersuchungen durchgeführt haben. Die Befunde sollten stets einem zweiten Arzt zur Gegenkontrolle vorgelegt werden. Für Risikopatientinnen, also etwa Frauen mit häufi gen Krebserkrankungen in der Familie, empfehlen sich bereits ab dem 30. Lebensjahr regelmäßige Mammographien. Diese Kriterien, nämlich eine hohe Anzahl der Untersuchungen, routinemäßige Zweitbefundung durch einen anderen Arzt und einheitliche Beurteilung, fi nden erst langsam in die Routine Eingang. Allerdings sind diese Reihenuntersuchungen nicht unumstritten. So ist etwa eine kanadische Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Brustkrebssterblichkeit durch diese Methode nicht gesenkt werden kann. Untersuchungen von Frauen, die auf andere Weise verstorben sind, zeigen, dass etwa 30 Prozent der Frauen bösartige Veränderungen in der Brust gehabt haben, ohne jemals davon in irgendeiner Weise beeinträchtigt gewesen zu sein. Kritiker des Mammographie-Screenings weisen darauf hin, dass man durch die verbesserte Früherkennung damit rechnen müsse, dass Krebsvorstufen behandelt werden, die vielleicht nie zu einem Krebs geführt hätten. Außerdem entgingen schnell wachsende Krebsarten der Brust der Entdeckung durch das alle zwei Jahre stattfi ndende Screening. Aus diesen Gründen lehnt zum Beispiel die Schweiz das Mammographie-Screening noch immer ab. Zahlreiche Deutsche und Österreichische Brustkrebsexperten sprechen sich hingegen weiterhin für die Beibehaltung beziehungsweise Einführung der Mammographie in das Früherkennungsprogramm für Brustkrebs aus. So weist die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) darauf hin, dass die wissenschaftlichen Studien dafür sprechen, dass durch eine bessere Früherkennung mehr Frauen mit Brustkrebs geheilt werden können. Wichtigste Voraussetzung für den Nutzen einer Mammographie ist allerdings, dass sie fachkundig und korrekt entsprechend der vorgegebenen Qualitätsrichtlinien durchgeführt wird. Wie effektiv das Mammographie-Screening ist, wird sich letztlich erst nach Auswertung von sehr großem Datenmaterial zeigen. Daher ist es sehr wichtig, dass alle Daten der untersuchten Patientinnen gesammelt und entsprechend ausgewertet werden. Das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) hat erst im Jahr 2004 die Möglichkeit geprüft, ein fl ächendeckendes Mammographie-Screening in Österreich einzuführen. Aufgrund der erwarteten Senkung der Sterblichkeit könnte vielleicht mit jährlich bis zu 500 Brustkrebstoten weniger gerechnet werden. Die Kosten für ein solches nationales Früherkennungsprogramm beliefen sich auf zusätzlich knapp 22 Millionen Euro. Die Autoren des ÖBIG-Reports „Mammographie Screening Austria“ konstatieren: Würden sich alle Österreicherinnen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr zweijährlich einer Mammografi e unterziehen, würde das jährlich 464.000 Mammografi en erfordern. Ein solches System sei jedoch hierzulande derzeit gar nicht realisierbar: „Im österreichischen Gesundheitswesen fehlen wesentliche Grundvoraussetzungen für ein qualitätsunterstütztes Screeningprogramm“. Es fehlten entsprechende Schulungen von Ärztinnen und Ärzten, es fehle eine technisch-apparative Qualitätssicherung, und vor allem fehle ein Brustkrebsregister. Trotz großer Studien über das Screening kommt es immer wieder zum Streit über Nutzen und Sinn der Mammographie, obwohl sie bis heute sicherlich die wichtigste Untersuchung zur Früherkennung ist, wenngleich relativ störanfällig. Bis zum Jahr 2000 galt die Röntgenfrüherkennung als eine zuverlässig belegte Methode, um das Risiko zu verringern an Brustkrebs zu sterben. Letztendlich erschöpfte sich die Debatte in der Frage, ab wann man mit der Früherkennung durch Mammographie beginnen und in welchen Abständen sie durchgeführt werden soll. Auf diese Frage jedoch gibt es in den einzelnenen Ländern sehr unterschiedliche Antworten. Unzählige Studien können nicht belegen, dass ein früher Beginn und engmaschige Untersuchungen einen Vorteil für Frauen bringen. Auch heute noch schwanken die Empfehlungen für den Beginn regelmäßiger Mammographieuntersuchungen von Anfang 30 bis 50 Jahren, mit ein bis dreijährigen Kontrollintervallen. Eine der großen Probleme der Früherkennung bei Frauen unter 50 Jahren ist jedoch die relativ kleine Anzahl von Frauen, die davon profi tiert. Von 1000 Frauen im Alter von 40 Jahren erkranken etwa 13 bis zu ihrem 50. Lebensjahr an Brustkrebs, drei davon werden zumindest laut statistischen Berechnungen an Brustkrebs sterben. Nur diese drei von den 1000 profi tieren letztendlich von der Mammographie als Früherkennung. Auch das wird noch von einigen in Frage gestellt, denn bei Frauen vor den Wechseljahren ist das Brustdrüsengewebe dichter, ebenso bei Frauen unter einer Hormonersatztherapie. Damit wird es für die Röntgenstrahlen undurchlässiger und es besteht eine größere Gefahr, dass Tumoren nicht erkannt werden. Dennoch glaubt man in den USA an eine Verringerung des Risikos um ein Fünftel, wenn mit der Mammographie-Früherkennung bereits mit 40 Jahren begonnen wird. Die Kontroverse um das Mammographie-Screening wurde bis heute nicht beigelegt, hatte sich aber langsam beruhigt. Im Jahr 2000 erschien in einem britischen Top Journal, nämlich in der Fachzeitschrift „The Lancet“, eine knapp fünf Seiten lange Analyse jener acht Studien, auf deren Ergebnissen die Annahme beruht, dass die Früherkennung durch regel mäßige Röntgenuntersuchung das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um etwa 30 Prozent verringert. Die beiden Autoren Peter Gotzsche und Ole Olsen vom Nordic Cochrane Center in Kopenhagen erschütterten mit ihren Ergebnissen das Vertrauen in das Verfahren gründlich. Die beiden Autoren untersuchten die Ergebnisse dieser acht randomi sierten und kontrollierten Studien an Hand einer Metaanalyse der Daten von einer halben Million Frauen. Ihre Schlussfolgerung fi el ernüchternd aus, denn sie fanden Hinweise auf subtile Verzerrungen in den meisten dieser Studien, die letztendlich dazu führten, dass der Nut zen der Mammographie überschätzt wurde. Ihre vorläufi ge Kritik haben sie Ende 2001 dann durch weitere, umfangreiche Arbeiten ergänzt. Sechs der acht Studien wurden von ihnen wegen versteckter Fehler schließlich als nicht verlässlich beurteilt. In den beiden restlichen Studien, in denen sie keine Verzerrungen nachweisen konnten, hatte die Mammographie keinen wesentlichen Vorteil ergeben. In letzter Konsequenz fehlte den beiden Dänen somit die Grundlage, die Mammographie überhaupt zur Früherkennung zu empfehlen. Man kann es ruhig sagen: Seitdem ist die Fachwelt gespalten. Auf die Analyse der Dänen hat es in Fachzeitschriften und auf zahlreichen Kongressen eine Unzahl von Entgegnungen und Ge genEntgegnungen gegeben, deren Stichhaltigkeit selbst für Experten nur noch schwer nachzuvollziehen ist. Tatsache jedoch ist, dass in keinem Land aufgrund der Kritik der beiden Dänen ein bereits bestehendes Brustkrebs-Früher kennungsprogramm geändert, modifi - ziert oder gar eingestellt wurde. Im Gegenteil. In vielen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, werden Brustkompetenzzentren mit speziellen Mammographie-Früherkennungsprogrammen und mit den bereits erwähnten Qualitätskriterien eingerichtet. Sinnhaft, schreibt Hans Mosser, Oberarzt am Institut für Röntgendiagnostik am Wiener Donauspital, in der „Wiener Klinischen Wochenschrift“, sei dies nur dann, wenn auch ein Arzt-Patientinnen-Kontakt stattfi ndet. Seine Kritik: In vielen Studien wurden nur die Ergebnisse der Auswertung der Mammographiebilder analysiert, bei den entsprechenden Untersuchungen in diesen Screening-Programmen sind die Frauen aber sonst nicht von Ärztinnen und Ärzten angesehen worden. Zwar ist die Mammographie zur Zeit die einzige als wirksam anerkannte Methode für die Erkennung von Brustkrebsvorstufen und frühen Tumorstadien. Aber nur die Kombination von Mammographie mit einer von Medizinern ebenfalls durchgeführten klinischen Untersuchung und deren Ergänzung durch eine Ultraschalluntersuchung „besitzt die höchste Sensitivität und Spezifi tät, höher als jede dieser Methoden für sich allein, weshalb sie als so genannte Triple-Diagnostik einer singulären Mammographie vorzuziehen ist“. Und auf noch einen entscheidenden Faktor macht der Radiologe aufmerksam: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass in der Diagnose erfahrene Radiologen wesentlich mehr Brustkrebsfälle entdecken, als weniger erfahrene. Er nennt auch eine Zahl: Um eine entsprechende Qualität in der Diagnose gewährleisten zu können, müsste jeder der damit befassten Radiologen jährlich wenigsten 2000 Befundungen machen. International gefordert werden sogar 5000 Befundungen. Dies würde jedoch bedeuten, dass die Mammographien nur auf wenige große Zentren konzentriert werden müssten. Viele kleinere Einrichtungen müssten sich von dieser Untersuchungsmethode verabschieden. Angesichts der teuren Gerätschaften kann man sich vorstellen was das für ein wirtschaftlicher Schaden für die Betreiber wäre, weshalb sich dieser geforderte Qualitätsstandard in absehbarer Zeit nicht verwirklichen lassen wird. Damit aber noch nicht genug: „Die Untersuchungsfrequenz alleine führt nur dann zu einer hohen diagnostischen Qualität, wenn sie gekoppelt ist mit einem intensiven Feedback aus Pathologie und Chirurgie im Sinne einer Qualitätssicherung. Nicht nur deswegen haben regelmäßige, mindestens wöchentliche interdisziplinäre Meetings ganz entscheidende Bedeutung“, konstatiert Mosser. Die Anforderungen an Mediziner, um eine sinnvolle, qualitativ hochwertige Früherkennung von Brustkrebs gewährleisten zu können, sind als enorm hoch. Österreichische Ärzte und Ärztinnen, die Frauen regelmäßige Mammographieuntersuchungen dringend empfehlen, müssen sich also die Frage stellen, ob sie diese Qualitätsansprüche zum Wohle der Frauen auch erfüllen können. Natürlich! In der Früherkennung liegt die Hoffnung, eine Krankheit rechtzeitig zu erkennen, damit erfolgreich behandeln zu können, diese dadurch vielleicht völlig zu besiegen und letztendlich eine normale Lebenserwartung zu erreichen. Es geht in erster Linie also um eine sinnvolle Lebensverlängerung nach der Diagnose Brustkrebs. Diesbezüglich gibt es bisher jedoch keine zuverlässigen Beweise. Im Gegenteil, es liegt der Verdacht nahe, dass in den meisten Fällen durch Früherkennung nicht das Leben der Frauen verlängert wird, sondern nur ihr Leben mit der Diagnose Brustkrebs. Mit allen psychischen und therapeutischen Belastungen – aber freilich auch mit einem Nutzen, nämlich für jene, die an den Behandlungen kräftig verdienen. Das Ergebnis der bereits erwähnten acht Studien war jedenfalls, dass Frauen, die an Mammographieuntersuchungen teilgenommen hatten, möglicherweise etwas seltener an Brustkrebs gestorben waren als ihre Altersgenossinnen, die nicht regelmäßig die Mammographie in Anspruch genommen hatten. Stellt man alle Todesfälle der beiden Gruppen gegenü ber, also beispielsweise auch die Todesfälle, die durch andere Krebsarten und Herzkreislauferkrankungen verursacht wurden, dann gab es keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Ob die Frauen also zur BrustkrebsFrüherkennung gegangen waren oder nicht, hatte keinen Einfl uss auf ihre Chan ce, die nächsten 15 Jahre zu überleben. Dieses Ergebnis wirkt auf den ersten Blick paradox, denn wenn Dank der durchgeführten Mammographien weniger Frauen an Brustkrebs gestorben sind, sollte es doch auch insgesamt weniger Tote gegeben. Es gibt zumindest zwei Erklärungen, warum die Studien nicht dieses erwartete Ergebnis erbracht ha ben. Die eine hat mit den statistischen Regeln zu tun, die in solchen Studien angewendet werden. In den Mammographie-Studien war Brustkrebs nur eine von vielen Todesursachen. Von 1000 Teilnehmerinnen, die meisten der Frauen waren zwischen 50 und 70 Jahre alt, sind im Laufe von zehn Jahren vier an Brustkrebs gestorben, weitere 96 aber an anderen Todesursachen. Wenn nun die Früherken nung dazu führt, dass das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um ein Viertel verringert wird, dann bedeutet das, dass statt vier nur drei pro 1000 Frauen an Brustkrebs sterben. Bezogen auf die Gesamtzahl aller Todesfälle, egal welcher Ursache, würde das zu einem Rückgang von 100 auf 99 Tote führen. Im Verhältnis dieser Zahlen wird der durch die Mammographie bedingte Unterschied also so klein, dass er leicht in zufälligen Schwankungen der anderen Todesursachen untergehen kann. Diesem statistischen Problem könnte man nur mit sehr großen Studien begegnen. Um beispielsweise nachzuprüfen, ob die Mammographie wirklich das Leben von Frauen im Alter zwischen 50 und 70 verlängert, bräuchte man Stu dien mit bis zu 1,5 Millionen Teilnehmerinnen, was kaum zu realisieren ist. Ähnliches gilt auch für alle anderen Krebs-Früherkennungsverfahren, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen Staaten angeboten werden. Für keines dieser Verfahren gibt es den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Teilnahme daran das Leben verlängert. Es könnte also ein anderer Grund dafür verantwortlich sein, dass Teilnehmerinnen an Früherkennungsprogrammen im Durchschnitt nicht länger leben. Es ist nämlich auch möglich, dass der Vorteil für jene, die durch Teilnahme an der Früherkennung ei nen Tumor überleben, dadurch wieder zunichte gemacht wird, dass andere durch direkte oder indirekte Nebenwirkungen der Früherkennung früher sterben. Es gibt Mediziner, die die Ansicht vertreten, dass die Früherkennung durchaus das Potenzial dazu hat. Denn selbst die besten Methoden bringen nur für eine bis maximal zehn von 1000 Teilnehmerinnen die Hoffnung und die Chance, einen Tumor zu überleben. Das bedeutet: bei 990 bis 999 Teilnehmerinnen an solchen Programmen besteht das Risiko, diesen Nutzen wieder zunichte zu machen. Diese Gefahr besteht vor allem für die Frauen, die eine falsch-positive Diagnose erhalten. Früherkennung hat für sie zur Folge, dass oft erheblicher medizinischer Aufwand nötig ist, um unter den vielen nach einem Test als verdächtig eingestuften Befunden die Fehlalarme herauszufi ltern. Laut Hochrechnung muss man etwa annehmen, dass in Deutschland jede zweite Frau, die regelmäßig zur Mammographieuntersuchung geht, einen positiven Befund bekommt, obwohl sie gar keinen Brustkrebs hat. Entsprechende Zahlen für Österreich liegen nicht vor, man darf aber annehmen, dass sie mit jenen aus Deutschland vergleichbar sind. Nehmen wir ein ganz anderes Beispiel, nämlich das Prostatakarzinom beim Mann. Bei Verdacht auf ein Karzinom durch den Tumormarker PSA – ein spezielles, auf den Krebs hindeutendes Eiweißmolekül, das in der Blutbahn nachgewiesen werden kann – sind zur weiteren Abklärung invasive Eingriffe wie etwa eine Gewebeentnahme nötig, die vor allem altersabhängig immer auch ein Risiko bergen – im seltenen Extremfall bis hin zu todbringenden Komplikationen. Bei Gewerbeentnahme unter einer Narkose kann es beispielsweise, wenn auch nur in wenigen Fällen, zu Narkosekomplikationen kommen. Auch unter Lokalanästhesie kann es immer noch zu Infektionen oder Thrombosen kommen. Zudem steigert die Früherkennung das Risiko von zusätzlichen Komplikatio nen auch dadurch, dass sie Tumoren entdeckt, die ohne die gezielte Suche wahrscheinlich nie aufgefallen wären und auch das Leben des Betroffenen niemals beeinträchtigt hätten. Das bedeutet: Früherkennung, besonders bei alten Menschen, erhöht die Zahl der Krebs patienten. Diese Patienten werden dann meist durch aufwendige und teure, manchmal auch nicht ungefährliche Operationen und Chemotherapien behandelt, deren Erfolg in Frage gestellt werden darf. Viele wären aber auf Grund ihres Alters nicht an ihrem Karzinom gestorben, sondern altersbedingt an anderen Krankheiten. In der heutigen wissenschaftsgläubigen Gesellschaft ist der Mensch, egal ob Mann oder Frau, bereits so weit von der Selbstbestimmung entfernt, dass das Erkennen einer Krankheit fast refl exartig auch eine aufwendige Behandlung nach sich zieht, ohne zu hinterfragen, ob diese auch wirklich sinnvoll und gerechtfertigt ist. Wenn von 1000 Teilnehmerinnen nur eine bis drei von der Früherkennung profitieren, ist es also leicht vorstellbar, dass auch seltene tödliche Komplikationen bei den anderen 997 den Nutzen zumindest teilweise wieder zunichte machen können. Diese Opfer werden, was die Statistiken ein wenig verwässert, oft gar nicht als Krebstote gezählt, da die unmittelbare Todesursache eine andere war. Früherkennung würde dann insgesamt nicht Leben retten, sondern nur zu einem Austausch von Todesursachen führen. Weil diese Möglichkeit durchaus plausibel ist, ist es sehr beunruhigend, dass bisher keines der weltweit eingeführten Krebs-Früherkennungprogramme den zuverlässigen gegenteiligen Beweis erbracht hat, dass nämlich ein solches Programm das Leben der Teilnehmerinnen tatsächlich verlängert. Auch diese Unsicherheit sollte man bei der Entscheidung für oder gegen Screenings bedenken. Denn die Wissenschaft wird, wie es derzeit aussieht, auf absehbare Zeit dieses Informations- und Wissensdefi zit nicht schließen können. Die Kosten werden aber durch die zunehmende Alterspyramide immer weiter steigen: Mehr Früherkennung erfordert mehr differenzierte Abklärung, um falsch positive Ergebnisse zu erkennen, mehr Diagnosen erfordern dadurch mehr Behandlungen, ohne wirklich einen Benefi t im Sinne einer höheren Lebenserwartung für die Patientin zu bringen. Die Frage wird letztendlich sein, wie lange sich dies eine Gesellschaft noch leisten kann und will. In der aktiven modernen Medizin ist immer wieder damit zu rechnen, dass die Nebenwirkungen oder Komplikationen einer Therapie schlimmer sein können, als die Krankheit selbst. Für die Früherkennung bedeutet diese Möglichkeit daher ein besonderes Dilemma, denn die meisten Patientinnen, die zur Früherkennung gehen, sind zunächst völlig gesund. Das oberste Ziel der Früherkennung muss deshalb sein, deren Gesundheit nicht durch überfl üssige Eingriffe zu gefährden. Ärzte und Ärztinnen in der westlichen Welt sind im Wesentlichen aber nur ausgebildet, kranken Menschen mit den entsprechenden Symptomen zu helfen. Das bedeutet aber auch, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung, dass manchmal bewusst Komplikationen in Kauf genommen werden. Doch dieselbe Maßnahme, die bei einem Kranken angemessen ist, kann für einen Gesunden eine unzumutbare Gefahr sein. Darauf sind Mediziner normalerweise aber nicht eingerichtet. Manche Ärzte und Ärztinnen sind ausgezeichnete Therapeuten, ihr Können in der Behandlung von Patienten mit Symptomen ist ausgezeichnet, in der Früherkennung sind sie allerdings nicht so gut. Aber auch das Umgekehrte ist möglich. In einer Zeit der Superspezialisierung wird das Können in den einzelnen Fachgebieten immer größer, der Gesamtüberblick, die einzelnen Zusammenhänge gehen damit aber immer mehr verloren. Damit Früherkennung überhaupt einen Nutzen haben kann, muss deshalb das Risiko von auftretenden Schäden so weit wie möglich reduziert werden. Gute Früherkennungsprogramme zeichnen sich daher durch eine hohe Qualitätssicherung aus. Diese betrifft sowohl Ärzte und Ärztinnen und medizinisch-technisches Personal als auch die Geräte in Krankenhäusern und Praxen. Der Forderungskatalog dafür ist umfangreich. Er beginnt bei der regelmäßigen Überprüfung auf Funktion und Sicherheit des Instrumentariums und endet bei der Aus- und Weiterbildung des Personals. Das Personal braucht eine besondere Schulung, damit möglichst wenige falsche Ergebnisse produziert werden. Erfahrung und Übung spielt in der Früherkennung eine wesentliche Rolle, was wieder zu einem hoch entwickelten Spezialistentum führt. Doch frühe Entdeckung kann nur dann zu besseren Behandlungschancen führen, wenn ein entdeckter Tumor so konsequent und gleichzeitig auch so schonend wie möglich behandelt wird. Wenn bei der Therapie Fehler passieren, wird entweder die Chance auf eine mögliche Heilung vermindert oder es gibt sogar Opfer durch Komplikationen und Nebenwirkungen, was ebenfalls den Vorteil durch die Früherkennung zunichte machen würde. Besondere Anforderungen müssen auch an die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen gestellt werden. Alle beteiligten Experten müssen ihre Ergebnisse laufend untereinander austauschen und die Befunde müssen besonders dann nachvollziehbar sein, wenn die Zahl der falsch-positiven Diagnosen zu groß wird. Wie die Qualitätssicherung der Früherkennung im Detail aussehen sollte, ist von Tumor zu Tumor unterschiedlich, und oft gibt es da auch unter Experten Meinungsverschieden heiten. Dazu ist es heute erforderlich, dass die Daten der Krebspatienten an ein zentrales Register gemeldet werden, um Verlauf der Krankheit, Auftreten von Rezidiven und natürlich auch mögliche Heilung vergleichen zu können. Das ist, mit Ausnahme der Schweiz, sowohl für Österreich als auch für Deutschland noch ein grundsätzliches Problem. Denn es gibt derzeit in diesen beiden Ländern noch keine bindende, exakte und zentrale Erfassung der Zahl der verschiedenen Krebserkran kungen. Das Berliner Robert-Koch-Institut, eine Tochterbehörde des Bun desgesundheitsministeriums, gibt jedes Jahr Schätzungen heraus, die bisher auf den Zahlen des Krebsregisters des Saarlandes basieren. Erst in den nächsten Jahren sollen auch alle anderen Bundesländer hinzukommen. Dass diese Krebsregister erst jetzt entstehen, stellt die Qualität der 1971 eingeführten gesetzlichen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen in Frage. Verläs sliche Auswertungen über die Bilanz des Programms gibt es noch nicht. Mit fast 30-jähriger Verspätung sind derzeit Spezialisten dabei, für einige Krebsarten Richtlinien für Diagnose, Therapie und Nachsorge festzulegen, damit die Fehlerrate möglichst klein gehalten werden kann. Tatsächlich könnte in diesen geplanten Qualitätsverbesserungen, die um Früherken nungsprogramme herum eingeführt werden, sogar der eigentliche Nutzen der Früherkennung liegen. Denn wenn Früherkennung dazu führt, dass in einem Land Ärzte und Ärztinnen sowie das medizinisch-technische Personal besser ausgebildet werden, profi tieren letztendlich alle Krebskranken, selbst die, die nicht an der Früherkennung teilnehmen. Die Frage ist nur, wie das in einer Zeit, in der das Gesundheitssystem in den deutschsprachigen Ländern vor dem fi nanziellen Kollaps steht, zu schaffen sein wird. Immerhin ist ein Krebsregister nicht einmal in den fi nanziell guten Jahren zusammengebracht worden. Standen und stehen vielleicht verschiedenste Gruppeninteressen dagegen? Betrachtet man die ganze Angelegenheit noch von einer medizinisch-ökonomischen Seite, dann argumentieren die Befürworter von Screening-Programmen häufi g damit, dass ein einziger verhinderter Todesfall alle Bemühungen und auch Ausgaben rechtfertige. Dieses Argument ist aus mehreren Gründen falsch. Nüchtern betrachtet verhindert Früherkennung ja nicht den Tod, sondern schiebt ihn nur auf. Die Frage müsste also lauten: Wie hoch darf der Preis für die Ver längerung des Lebens sein? Oder noch konkreter: Was können und wollen wir uns als Gesellschaft leisten? Das gilt sowohl für den Preis der Gesundheit, den jeder Einzelne für die Teilnahme an der Früherkennung bezahlen muss, als auch für die fi nanziellen Belastungen des gesamten Gesundheitswesens eines Staates. Denn alle Länder haben das Problem, dass für ihr Gesundheitswesen nur begrenzte Finanzmittel zur Verfügung stehen, die optimal eingesetzt werden sollen. Die Frage ist deshalb, wie diese knappen Mittel verwendet werden sollen, um möglichst viele vorzeitige Todesfälle zu vermeiden. Das bedeutet natürlich auch, dass sie Krebsfrüherkennung dem Vergleich mit Vorbeuge- und Vorsorgemaßnahmen gegen andere Krankheiten stellen muss. Denn selbst wenn sich mit Früherkennung tatsächlich vorzeitige Krebstode vermeiden lassen, kann es sein, dass sich mit demselben Geld auf einen anderen Gebiet mehr Lebensjahre retten lassen würden. Man denke hier an die Bemühungen, die Entstehung von Krebserkrankungen zu verhindern. Der Zusammenhang zwischen Rauchen, Übergewicht, Bewegungsarmut und übermäßigem Alkoholgenuss und der Entstehung von vielen Krebsarten, darunter auch Brustkrebs, sind hinlänglich bekannt. Wege, hier einerseits erzieherisch einzuwirken, aber auch mittels Vitaminen und anderen Nahrungsmittelergänzungen positiv einzugreifen, sind ebenfalls in Studien sehr kontrovers beurteilt. Deshalb gilt auch für Früherkennungsprogramme, dass Aufwand und Nutzen in vernünftigem Verhältnis zueinander stehen müssen und sollen, sonst ha ben sie keine Berechtigung. Ein anderer, ebenfalls medizinisch-ökonomischer Aspekt wird in der Diskussion hingegen sehr selten zur Sprache gebracht: Die Anschaffung eines Mammographiegerätes kostet einen niedergelassenen Radiologen je nach Ausstattung und mitgeliefertem Servicepaket des Herstellers zwischen 300.000 und 400.000 Euro oder mehr. Und das ist nur ein Bruchteil der Kosten, die die Mediziner aufzubringen haben, um eine Praxis samt anderen Gerätschaften, Einrichtung, Leistungen und Personal betreiben zu können. Um Himmels Willen: Keinem Radiologen soll und darf unterstellt werden, er würde aus rein fi nanziellen Gründen so viel Frauen wie möglich einer Mammographie unterziehen. Da aber niedergelassene Ärzte und Ärztinnen selbständige Unternehmer sind und nach erbrachten Dienstleistungen bezahlt werden, wäre es blind, den ökonomischen Aspekt, egal welcher Leistung, überhaupt nicht betrachten zu wollen. Schließlich können auch niedergelassene Mediziner bei unbedachtem Wirtschaften und unzureichender Auslastung ihrer teuer angeschafften Geräte in Konkurs gehen. Und gerade weil der Gesundheitsbereich ein Wirtschaftssystem ist, in dem ungeheuer große Geldmittel fl ießen, muss man auch davon ausgehen, dass das Angebot die Nachfrage beeinfl usst. Und umgekehrt. Fest steht jedoch, dass Früherkennung in keinem Fall dazu führt, dass Geld gespart wird, denn Reihenuntersuchungen und deren Qualitätskontrollen kosten einmal sehr viel Geld. Meistens müssen mehr als 1000 Teilnehmerinnen untersucht werden, damit eine einzige einen Nutzen hat – die Zahlen reichen hier sogar bis zu 5000 Teilnehmerinnen. Auch die Abklärung falsch-po sitiver Befunde verschlingt nicht unerhebliche Mittel. Bis zu einem Drittel der Ausgaben muss dafür aufgebracht werden, Gesunde von einem falschen Verdacht zu befreien. Es gibt Berechnungen, wonach je nach Methode und Krebsart jedes Le bensjahr, das man durch Früherkennung hinzuzugewinnen hofft, zwischen 10.000 und ei- nigen 100.000 Euro kostet. Man muss solche Kostenbe rechnungen allerdings mit Vorsicht und gewisser Distanz betrachten, weil sie oft auf Zahlenmaterial aus dem Ausland beruhen und sie damit nicht so ohne weiteres auf Deutschland oder Österreich übertragen werden können. Tatsache ist jedoch, dass für das Gesundheitswesen in der Lösung dieses Problems noch eine große Herausforderung wartet, deren Ausgang aus heutiger Sicht in keiner Weise vorausgesagt werden kann. Als gesichert gilt heute jedenfalls Folgendes: Die Mammographie ist unbestritten ein wichtiges Instrument in der Brustkrebsfrüherkennung. Die alleinige Anwendung dieser Methode ist enorm fehleranfällig, eine effi ziente und sinnvolle Untersuchung kann daher nur durch die Kombination von Mammographie, klinischer ärztlicher Untersuchung und weiterer Abklärung durch Ultraschall erfolgen. Ob durch ein fl ächendeckendes Mammographie-Screening tatsächlich das Leben von Frauen verlängert werden kann oder ob nur jene Zeit, die Frauen mit der Diagnose Brustkrebs leben müssen, verlängert wird, kann nicht eindeutig gesagt werden. Dennoch wird von verschiedensten Interessengruppen sowohl auf die Gesundheitspolitik als auch auf Frauen ein enormer Druck ausgeübt, Mammographie-Screenings einzuführen beziehungsweise daran teilzunehmen. Argumentiert wird das mit den Ergebnissen einiger großer Studien, die besagen, dass sich durch die Teilnahme am Screening bei Frauen zwischen 40 und 69 Jahren die Sterblichkeit an Brustkrebs um bis zu 30 Prozent senken lasse. Viele Frauen meinen aufgrund dieser Zahlen, dass von 100 Frauen, die hingehen, 30 das Leben gerettet wird. Was falsch ist. Dass es sich nämlich bei diesen Zahlen lediglich um die Angabe des statistisch dramatischsten und gleichzeitig manipulativsten Wert, um den relativen Nutzen handelt, wird meist sehr bewusst verschwiegen (siehe Kapitel statistische Zahlenspiele). Tatsächlich besagten diese Zahlen: Von 1000 Frauen zwischen 40 und 69, die zehn Jahre jährlich zur Mammographie gehen, sterben drei an Brustkrebs. Von 1000 Frauen, die nicht zur Mammographie gehen, sterben vier an Brustkrebs. Der relative Unterschied zwischen vier und drei ergibt die 30 Prozent. Anders ausgedrückt: Von 1000 Frauen, die regelmäßig zur Reihenuntersuchung gehen, kann maximal eine profi tieren. Was aber noch lange nicht bedeutet, dass dadurch auch ein Leben gerettet wird, weil in der Screeninggruppe mehr Frauen aus anderen Gründen sterben, die man nicht kennt. Und was auch noch sehr gerne verschwiegen wird: Dass wahrscheinlich jede zweite Frau, die regelmäßig zur Reihenuntersuchung geht, falsch positive Befunde erhält, mit allen damit verbundenen Ängs- ten und psychischen Traumata, auch mit physischen Folgen, etwa einer Biopsie, bevor sich der Brustkrebsverdacht als falsch herausstellt. Außerdem werden Krebsvorstufen erkannt, operiert und behandelt, die niemals aggressiv bösartig geworden wären. Diese Fakten sollen die Sinnhaftigkeit und den Nutzen von Mammographieuntersuchungen nicht generell in Zweifel ziehen. Im Gegenteil. Seit die Zahl der Frauen steigt, die sich ihre Brust mittels Mammographie untersuchen lassen, werden immer mehr Tumoren in einem frühen Stadium entdeckt, in dem sie noch relativ klein sind. Was dazu führte, dass die Zahl der brusterhaltenden Operationen ständig angestiegen ist. Faktum ist aber, dass die Mammographie vielen Frauen heute gleichsam als Heilsverprechen verkauft wird, dass die negativen Seiten dieser Methode gerne verschwiegen werden. Dadurch werden Frauen ihrer Freiheit beraubt, es wird ihnen ein Teil ihrer Eigenverantwortung genommen, sie werden in ihren persönlichen Entscheidungsmöglichkeiten in Bezug auf ihren Körper und ihre Gesundheit beschnitten. Was sowohl aus medizinischen als auch aus ethischen Gründen entschieden abzulehnen ist. Read the full article
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Größen und Grenzen der Krebsfrüherkennung
Nachdem die Möglichkeiten der medizinischen Statistik diskutiert wurden, ist es nun an der Zeit, sich einem Zahlenspiel zu widmen, das immer wieder zu heftigen Diskussionen geführt hat, führt und vermutlich auch weiterhin genügend Konfl iktstoff bieten wird: dem Zahlenspiel um den tatsächlichen Nutzen einer Früherkennung im Allgemeinen und ihrer verschiedenen Methoden im Speziellen. Um einen eventuellen Brustkrebs möglich früh erkennen zu können, empfehlen Fachleute Frauen heute im Wesentlichen eine Kombination von drei Methoden. Nämlich die Selbstuntersuchung der Brust, die Tastuntersuchung durch den Arzt oder die Ärztin und regelmäßige Röntgenkontrollen (Mammographien) der Brust, wenn nötig auch durch einen Brust-Ultraschall ergänzt. Trotz sehr unterschiedlicher Aussagen über den Wert der Selbstuntersuchung wird diese von allen Krebs- und Brustgesellschaften vehement empfohlen, denn ein Teil der Tumoren wird entdeckt, weil Frauen diese selbst erfühlen. Deshalb empfehlen die Brustexperten jeder Frau, die Brust einmal im Monat selbst zu untersuchen. Die Selbstuntersuchung der Brust soll wesentlich zur individuellen Motivation und Bewusstseinsförderung für präventive Maßnahmen beitragen. Darüber hinaus soll die Selbstuntersuchung auch einen psychologischen Effekt mit sich bringen, nämlich die Befassung der Frau mit ihrem eigenen Körper, das im buchstäblichen Sinne Begreifen und damit Akzeptieren ihrer Brüste. Dies trägt sicherlich zum Selbstwertgefühl der Frauen bei, schon aus diesem Grund sollte die Selbstuntersuchung stattfi nden. Aus rein medizinischen Überlegungen heraus begünstigt die regelmäßige und sachgerechte Selbstuntersuchung die Entdeckung von Karzinomen. Auch wenn die Wirksamkeit dieser Maßnahme in diesem medizinischen Zusammenhang nicht überschätzt werden darf, muss sie Bestandteil eines Früherkennungsprogramms sein und bleiben. Es sollte bereits ab dem 20. Lebensjahr damit begonnen werden, ab dem 30. Lebensjahr sollte sie regelmäßig erfolgen. Wie sieht jedoch die Realität aus? Länderweise sehr verschieden führen lediglich zwischen 18 und 70 Prozent der Frauen mehr oder weniger regelmäßig diese Selbstuntersuchung durch. Die Selbstuntersuchung der Brust ist relativ anspruchsvoll und zeitintensiv, wenn sie richtig durchgeführt wird. Zuerst soll die Frau vor dem Spiegel auf Veränderungen von Form, Größe und Hautfarbe der Brust achten, wobei sie dabei zuerst die Arme beziehungsweise Hände in die Hüfte gestützt, dann die Arme erhoben und schließlich über dem Kopf verschränkt haben sollte. Danach sollte sie mit den Fingerspitzen in kreisförmigen Bewegungen die Brust abtasten, um knotige Veränderungen sowohl oberfl ächlich, als auch in tieferen Schichten zu ertasten. Weiters sollte geprüft werden, ob aus den Brustwarzen Sekret ohne und mit Druck austritt. Letztendlich sollte die Untersuchung neben der Brust selbst auch die Inspektion und Abtastung der Haut von Brust und Achselhöhle umfassen. Verhärtungen, Knoten, nicht heilende Wunden, Einziehungen der Haut, Anschwellung der Lymphknoten oder Sekretionen aus der Brustdrüse sind bis zum Nachweis des Gegenteils immer verdächtig und müssen weiter vom Arzt oder der Ärztin abgeklärt werden. Die Frage nach Nutzen und Risken der Selbstabtastung der Brust wurde von einem kanadischen Ärzteteam von der Universität Toronto für die Canadian Task-Force on Preventive Health Care 2001 beantwortet und bezog dabei Fachliteratur aus vier Jahrzehnten mit ein. Der Sukkus dieser Arbeit ist, dass es bisher keiner Studie gelungen ist, nachzuweisen, dass die Brustkrebs-Sterberate durch das Selbstabtasten der Brust verringert wird. Frauen, die sich selbst abtasten, sterben ebenso oft an Brustkrebs, wie Frauen, die es nicht tun. Im Jahr 2002 wurde eine Studie aus China veröffentlicht, für die eine amerikanisch-chinesische Ärztegruppe ab 1989 insgesamt 270.000 Chinesinnen in Textilfi rmen in Shanghai bis Ende 2000 beobachtet und das Auftreten von Brustkrebs dokumentiert hatten. 133.000 dieser Frauen wurden in den Methoden der Selbstuntersuchung ausgebildet und angewiesen, einmal monatlich ihre Brust fachgerecht selbst zu untersuchen, weitere 133.000 aus anderen Firmen wurden weder ausgebildet noch angewiesen, ihre Brust zu untersuchen. Das Ergebnis dieser Vergleichsstudie war enttäuschend und deckte sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen der kanadischen Gruppe aus dem Jahr davor. Die Frauen, die sich regelmäßig selbst untersucht hatten, starben ebenso häufi g an Brustkrebs, wie die Frauen, die keine Selbstuntersuchungen an sich vorgenommen hatten. Insgesamt war in beiden Gruppen eine von 1000 Frauen an Brustkrebs gestorben. Ein Schwachpunkt der Selbstuntersuchung liegt darin, dass Veränderungen erst ab einer gewissen Größe festgestellt werden können. Die meisten, besonders die kleinen Tumoren, werden ganz einfach durch Tasten nicht gefunden. Unter Umständen kann bei der Selbstuntersuchung ein Knoten ab einer Größe von etwa einem Zentimeter ertastet werden. In der Regel sind die selbst ertasteten Knoten jedoch viel größer. Man schätzt, dass Frauen, die sich regelmäßig selbst untersuchen, mehr als 60 Prozent aller Tumoren übersehen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in den bisherigen Studien bei Frauen, die sich nicht regelmäßig selbst untersuchen, genauso viele Tumoren gefunden wurden, wie bei Frauen, die sich selbst intensiv untersuchen. Nicht unerwähnt bleiben darf der Umstand, dass die Selbstuntersuchungen auch zu falsch positive Diagnosen führen können, also zum Befund, dass ein Tumor vorhanden ist, obwohl die Brust gesund ist. Das passiert deshalb, weil mit dieser Methode auch eine relativ hohe Anzahl von anderen, harmlosen Veränderungen ertastet werden. Die kanadische Analyse hat gezeigt, dass Frauen, die sich selbst untersuchen, wesentlich häufi ger mit diesen gutartigen Befunden den Arzt oder die Ärztin aufsuchen. In einer britischen Studie an etwa 250.000 Frauen hatten nach 14 Jahren Selbstuntersuchungen neun von 1000 Frauen eine belastende Biopsie, also eine Gewebeentnahme, über sich ergehen lassen müssen, die sich dann als nicht nötig herausgestellt hatte. Bei Frauen, die sich nicht selbst untersucht hatten, waren es im Vergleich nur sechs von 1000 Frauen. Ähnliche Ergebnisse zeigte auch die bereits zitierte chinesische Studie: Nach elf Jahren Selbstuntersuchung hatten 27 von 1000 Frauen eine Gewebeentnahme aus der Brust, um einen unklaren Befund abzuklären, der sich in Dreiviertel der Fälle als gutartig herausstellte. Von den Frauen ohne Selbstuntersuchung hatten deutlich weniger, nämlich nur 18 von 1000 eine Biopsie erhalten. Das zeigt, dass Frauen, die sich selbst untersuchen, ein erhöhtes Risiko haben, invasive Untersuchungen wie Gewebsbiopsien über sich ergehen zu lassen. Die dabei zutage tretenden falsch positiven Befunde stellen bis zu deren eindeutigen Abklärung natürlich eine große psychische Belastung für die Frauen dar, von möglichen unnötigen chirurgischen Eingriffen einmal abgesehen. Stoßen Frauen auf knotige Veränderungen in der Brust, denken sie automatisch an Krebs. Diese Sorge ist jedoch meist unbegründet: Die Mastopathie ist die häufi gste gutartige Veränderung der weiblichen Brust, auch wenn die Veränderungen im Brustgewebe vielen Frauen vor allem in der zweiten Zyklushälfte Schmerzen verursachen. Die Mastopathie ist kein klar defi niertes Krankheitsbild, sondern eine Sammelbezeichnung für unterschiedliche Veränderungen des Brustdrüsengewebes, die von Schwellungen, der so genannten Mastodynie, bis hin zu Knotenbildung und Zysten reichen. Gerade wegen der unklaren Abgrenzung der verschiedenen Formen gibt es nur wenige zuverlässige Schätzungen darüber, wie viele Frauen von diesem Problem betroffen sind. Die Annahmen reichen von 30 bis 50 Prozent aller Frauen. Diese fi nden bei der Selbstuntersuchung immer wieder gutartige Knoten und bekommen unbegründet Angst vor Brustkrebs. Fasst man die verschiedenen Untersuchungen und Studien über den Erfolg der Selbstuntersuchungen der Brust durch die Frauen zusammen, dann ist der medizinische Nutzen höchst zweifelhaft. Und er wird umso zweifelhafter, je jünger die Frauen sind. Die Fakten reichen nicht aus, zu belegen, dass durch die Selbstuntersuchung die Sterblichkeit durch Brustkrebs verringert wird. Darum haben die kanadischen Experten aus ihrer Analyse die Forderung abgeleitet, die Selbstuntersuchung nicht mehr zu empfehlen, weil ein sicherer Nutzen nicht nachweisbar war. Ebenso empfehlen die Briten schon seit längerem die Selbstuntersuchung nicht mehr. Diese Ergebnisse und Empfehlungen haben aber auch heftige gegenteilige Reaktionen ausgelöst, besonders in den USA. Letztendlich kam es zu der vorsichtigen Bewertung der Weltgesundheitsorganisation WHO, dass weder für noch gegen eine Empfehlung des Selbstabtastens zwingende Argumente vorliegen. Auch die deutsche Universität Marburg kommt zu ähnlichen Bewertungen, empfi ehlt aber die Selbstuntersuchung weiterhin regelmäßig im Rahmen eines Brustkrebs-Früherkennungsprogramms durchzuführen: unter dem Aspekt der Motivation und Bewusstseinsförderung. Denn Frauen, die regelmäßig und sorgfältig die Selbstuntersuchung durchführen, sind besonders motiviert, auch die anderen Möglichkeiten der Früherkennung wahrzunehmen, insbesondere die Mammographie. Man könnte also sagen, die Methode der Selbstuntersuchung erfüllt zwar ihre Aufgabe kaum bis gar nicht, aber sie bewirkt, dass Frauen Mammographieuntersuchungen in Anspruch nehmen. Frauen, die keine Selbstuntersuchung ihrer Brust vornehmen, aus welchen Gründen auch immer, müssen jedoch kein schlechtes Gewissen haben. Vielleicht hat ihnen ihr Gefühl oder Instinkt, nicht alles zu machen, was empfohlen wird, Recht gegeben. Im Prinzip sollte es aufgrund dieser Ergebnisse die freie Entscheidung jeder Frau sein, ob sie eine regelmäßige Selbstuntersuchung durchführt oder nicht. Die Warnung, dass sie sich und damit auch dem öffentlichen Gesundheitssystem schadet, wenn sie sich nicht selbst untersucht, ist nach den bisherigen Ergebnissen nicht begründet. Trotzdem wird damit immer wieder Druck auf viele Frauen ausgeübt. Die Frau sollte selbst einschätzen, was ihr das Selbstabtasten bedeutet, und ob es ihr mehr Sicherheitsgefühl gibt oder nicht. Die Tastuntersuchung der Brust durch Ärzte und Ärztinnen ist die zweite Methode der Früherkennung von Brustkrebs. Die Untersuchung ist relativ einfach, erfordert aber sehr viel Zeit, wenn sie sorgfältig durchgeführt wird. In der Realität wird die Untersuchung aber all zu oft eher schnell und oberfl ächlich in den Praxen durchgeführt, nicht selten wird sie überhaupt nicht vorgenommen. Die korrekt durchgeführte Tastuntersuchung hat einen relativ hohen Nutzen, Literatur und Studienbewertungen kommen zu sehr guten Resultaten. Eine der umfangreichsten Bewertung der Literatur erfolgte durch ein US-Ärzteteam um Mary Barton von der Harvard Medical School in Boston im Jahr 1999. Es wurden darin Studien von 30 Jahren ausgewertet, wobei die Analyse zu aller erst einmal zeigte, dass es keine zuverlässigen Daten gibt, die Tastuntersuchungen alleine bewerten. Denn in den meisten Studien wird die Tastuntersuchung gemeinsam mit der Mammographie untersucht. Dabei zeigt sich, dass sich die beiden Methoden zum Teil ergänzen. Jedes der beiden Verfahren kann Tumoren entdecken, die die andere Methode übersieht. Das heißt: Es fi nden sich tastbare Tumoren, die in der Mammographie nicht gesehen werden, und nicht tastbare Tumoren, die durch die Mammographie entdeckt werden. Eine der aussagekräftigsten Studien diesbezüglich stammt ebenfalls aus Kanada, nämlich die National Breast Cancer Study. Laut dieser wurden 35 von 100 Tumoren sowohl durch die Mammographie als auch durch die Tastuntersuchung entdeckt, 40 bis 53 Karzinome nur durch die Mammographie und zwölf bis 24 Krebsfälle nur durch die Tastuntersuchung. Die Schlussfolgerung daraus ist, dass die Tastuntersuchung die Mammographie sinnvoll ergänzt und diese Methode auch bei ältern Frauen über 70 Jahren wertvoll sein könnte. Eine kanadische Forschergruppe um Anthony Miller, der auch im deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg arbeitet, und eine Arbeitsgruppe um Cornelia Baines von der Universität Toronto kommen zu dem Ergebnis, dass die Tastuntersuchung durch besonders gut und speziell ausgebildete Untersucher der Mammographie fast ebenbürtig ist. So wurden in einer weiteren Studie rund 39.000 freiwillige Frauen durch das Los in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt einmal im Jahr die Einladung zur Tastuntersuchung, die andere Gruppe wurde noch zusätzlich zur Tastuntersuchung mittels Mammographie untersucht. Nach neun Jahren gab es kaum einen Unterschied. Von den 19.711 Frauen, die mittels Tastunter-suchung und Mammographie eine Früherkennung durchführen ließen, waren 88 an Brustkrebs gestorben, von den 19.694 Frauen die nur mittels Tastuntersuchung untersucht wurden, waren es 90. Miller erklärte dieses Ergebnis damit, dass die Mammographie vor allem langsame, gut heilbare Tumoren entdeckte. Es kommt durch die fachärztliche Tastuntersuchung natürlich auch zu falsch negativen Diagnosen, also zum Befund, dass die Brust gesund sei obwohl ein Krebs vorhanden ist. So übersehen Ärzte und Ärztinnen nach Schätzungen von Mary Barton beim Abtasten etwa 40 bis 50 von 100 Tumoren, also etwa knapp die Hälfte. Auch hier liegt die Grenze der Methode bei der Größe der Tumoren. Bei der Kombination von Tastuntersuchung und Mammographie wurden in den Früherkennungsstudien 80 bis 90 von 100 Tumoren entdeckt. Falsch positive Diagnosen wie bei der Selbstuntersuchung, kommen natürlich ebenfalls vor, deren Häufi gkeit schwankt von Studie zu Studie zum Teil sehr stark. Auch hier schätzt Mary Barton, dass von 1000 von Ärzten und Ärztinnen untersuchten Frauen rund 60 – also etwa jede 17. Frau – damit rechnen muss, einen auffälligen Befund diagnostiziert zu bekommen, der sich dann durch weitere Untersuchungen als gutartig herausstellt. In einer Untersuchungsserie hatten nur vier von 100 Frauen mit einem auffälligen Befund tatsächlich Krebs. Obwohl die Tastuntersuchung durch Ärzte und Ärztinnen für relativ effi zient gehalten wird, ist der Wert der Tastuntersuchung als regelmäßige und zuverlässige Früherkennungsmaßnahme von Brustkrebs nur schwer ein- und abzuschätzen. Die Fachleute sind sich nicht einig, denn die Tastuntersuchung fi ndet im Gegensatz zu Mammographie eher große Tumoren, die daher statistisch eine schlechtere Behandlungschance haben. Ob es aber allein an der Größe der Tumoren liegt oder daran, dass die Mammographie vor allem weniger aggressive Tumoren aufspürt, ist unklar. Ebenso kommen internationale Gremien zum Schluss, dass bis heute nicht ausreichend belegt ist, inwieweit eine Frau, die regelmäßig zu ihrem Arzt oder ihrer Ärztin zur Tastuntersuchung geht, eine höhere Chance hat, nicht an Brustkrebs zu sterben. Es gibt daher einige europäische Screening-Programme mit Mammographie, in denen die Tastuntersuchung keine besondere Rolle spielt. Tatsache ist jedoch, dass eine Kombination der beiden Methoden Tastuntersuchung und Mammographie mehr Tumoren fi ndet, als eine der Methoden allein. Die Mammographie verwendet zur Abbildung der Brust Röntgenstrahlen. Diese sind zwar nicht radioaktiven Ursprungs, aber sehr eng verwandt mit den bei radioaktiven Zerfallsprozessen entstehen- den Gammastrahlen und haben genauso wie diese eine ionisierende, somit zellschädigende Wirkung. Sie ist im Vergleich zu anderen Röntgenverfahren aber energieärmer. Um Bewegungsunschärfe bei den Aufnahmen zu vermeiden, muss die Brust während der Untersuchung komprimiert und fi xiert werden, was mitunter Schmerzen verursachen kann. Es gibt nur vage Schätzungen des Strahlenrisikos. Man vermutet, dass durch Mammographie (jeweils vier bis sechs Aufnahmen) bei 100.000 Patientinnen im Alter von 50 Jahren bei einer Krebs entsteht. Zwei Parameter sind für die Beurteilung der Effi zienz einer Mammographie entscheidend: die „Sensitivität“, die Wahrscheinlichkeit, einen Brustkrebs durch die Untersuchung auch tatsächlich festzustellen, und die „Spezifi tät“, der Anteil der Frauen ohne Brustkrebs, bei denen die Untersuchung auch zu einem richtig negativen und nicht falsch-positiven Befund führt. Mit den modernsten Geräten, dem am besten ausgebildeten medizinischen Personal (das noch dazu große Erfahrung in der Diagnostik hat), nach Einholung einer diagnostischen Zweitmeinung und bei Frauen, deren Brustgewebe für das bildgebende Verfahren am besten geeignet ist, erreicht die Mammographie heute eine Sensitivität von bis zu 83 und eine Spezifi tät von rund 97 Prozent. Das heißt also: Nur unter diesen optimalen Bedingungen werden 83 von 100 Tumoren der Brust durch die Mammographie auch tatsächlich gefunden, erhalten lediglich drei von 100 Frauen einen falschen Krebsbefund. Die Wirklichkeit schaut nicht ganz so rosig aus. Über den Sinn einer Früherkennungsmethode entscheidet jedoch nicht die Zahl der aufgefundenen Tumoren, sondern ob letztendlich die Überlebenschancen dadurch steigen. Wissenschaftlich eindeutig nachvollziehbare Beweise dafür fehlen bis heute. Weltweit herrscht nach wie vor keine einheitliche Meinung über Beginn, Häufi gkeit und Nutzen von Mammographien als Früherkennungsmethode. Auch große Studien können keine einheitlichen Ergebnisse und somit verbindliche Richtlinien geben. Kaum kann eine größere Studie nachweisen, dass Mammographien das Risiko, am Mamakarzinom zu sterben, um bis zu 30 Prozent senken, weist kurze Zeit später eine genaue Analyse dieser Studie zum Teil die Sinnlosigkeit solcher präventiver Untersuchungen nach. Wie stark die Mammographie das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, senken kann, hängt vom jeweiligen Brustkrebsrisiko und damit vor allem vom Alter der Frau ab. So ist zum Beispiel das Risiko einer 20-Jährigen, an Brustkrebs zu sterben, so gering, dass der Sinn einer Mammographie-Früherkennung mehr als in Zweifel gezogen werden muss. Aber auch nach oben gibt es eine Altersgrenze, denn über 70 Jahren überwiegen teilnehmenden Ärzte müssen sich ganz besonderen Qualitätsanforderungen unterziehen und beispielsweise mehrere tausend Untersuchungen durchgeführt haben. Die Befunde sollten stets einem zweiten Arzt zur Gegenkontrolle vorgelegt werden. Für Risikopatientinnen, also etwa Frauen mit häufi gen Krebserkrankungen in der Familie, empfehlen sich bereits ab dem 30. Lebensjahr regelmäßige Mammographien. Diese Kriterien, nämlich eine hohe Anzahl der Untersuchungen, routinemäßige Zweitbefundung durch einen anderen Arzt und einheitliche Beurteilung, fi nden erst langsam in die Routine Eingang. Allerdings sind diese Reihenuntersuchungen nicht unumstritten. So ist etwa eine kanadische Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass die Brustkrebssterblichkeit durch diese Methode nicht gesenkt werden kann. Untersuchungen von Frauen, die auf andere Weise verstorben sind, zeigen, dass etwa 30 Prozent der Frauen bösartige Veränderungen in der Brust gehabt haben, ohne jemals davon in irgendeiner Weise beeinträchtigt gewesen zu sein. Kritiker des Mammographie-Screenings weisen darauf hin, dass man durch die verbesserte Früherkennung damit rechnen müsse, dass Krebsvorstufen behandelt werden, die vielleicht nie zu einem Krebs geführt hätten. Außerdem entgingen schnell wachsende Krebsarten der Brust der Entdeckung durch das alle zwei Jahre stattfi ndende Screening. Aus diesen Gründen lehnt zum Beispiel die Schweiz das Mammographie-Screening noch immer ab. Zahlreiche Deutsche und Österreichische Brustkrebsexperten sprechen sich hingegen weiterhin für die Beibehaltung beziehungsweise Einführung der Mammographie in das Früherkennungsprogramm für Brustkrebs aus. So weist die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) darauf hin, dass die wissenschaftlichen Studien dafür sprechen, dass durch eine bessere Früherkennung mehr Frauen mit Brustkrebs geheilt werden können. Wichtigste Voraussetzung für den Nutzen einer Mammographie ist allerdings, dass sie fachkundig und korrekt entsprechend der vorgegebenen Qualitätsrichtlinien durchgeführt wird. Wie effektiv das Mammographie-Screening ist, wird sich letztlich erst nach Auswertung von sehr großem Datenmaterial zeigen. Daher ist es sehr wichtig, dass alle Daten der untersuchten Patientinnen gesammelt und entsprechend ausgewertet werden. Das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) hat erst im Jahr 2004 die Möglichkeit geprüft, ein fl ächendeckendes Mammographie-Screening in Österreich einzuführen. Aufgrund der erwarteten Senkung der Sterblichkeit könnte vielleicht mit jährlich bis zu 500 Brustkrebstoten weniger gerechnet werden. Die Kosten für ein solches nationales Früherkennungsprogramm beliefen sich auf zusätzlich knapp 22 Millionen Euro. Die Autoren des ÖBIG-Reports „Mammographie Screening Austria“ konstatieren: Würden sich alle Österreicherinnen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr zweijährlich einer Mammografi e unterziehen, würde das jährlich 464.000 Mammografi en erfordern. Ein solches System sei jedoch hierzulande derzeit gar nicht realisierbar: „Im österreichischen Gesundheitswesen fehlen wesentliche Grundvoraussetzungen für ein qualitätsunterstütztes Screeningprogramm“. Es fehlten entsprechende Schulungen von Ärztinnen und Ärzten, es fehle eine technisch-apparative Qualitätssicherung, und vor allem fehle ein Brustkrebsregister. Trotz großer Studien über das Screening kommt es immer wieder zum Streit über Nutzen und Sinn der Mammographie, obwohl sie bis heute sicherlich die wichtigste Untersuchung zur Früherkennung ist, wenngleich relativ störanfällig. Bis zum Jahr 2000 galt die Röntgenfrüherkennung als eine zuverlässig belegte Methode, um das Risiko zu verringern an Brustkrebs zu sterben. Letztendlich erschöpfte sich die Debatte in der Frage, ab wann man mit der Früherkennung durch Mammographie beginnen und in welchen Abständen sie durchgeführt werden soll. Auf diese Frage jedoch gibt es in den einzelnenen Ländern sehr unterschiedliche Antworten. Unzählige Studien können nicht belegen, dass ein früher Beginn und engmaschige Untersuchungen einen Vorteil für Frauen bringen. Auch heute noch schwanken die Empfehlungen für den Beginn regelmäßiger Mammographieuntersuchungen von Anfang 30 bis 50 Jahren, mit ein bis dreijährigen Kontrollintervallen. Eine der großen Probleme der Früherkennung bei Frauen unter 50 Jahren ist jedoch die relativ kleine Anzahl von Frauen, die davon profi tiert. Von 1000 Frauen im Alter von 40 Jahren erkranken etwa 13 bis zu ihrem 50. Lebensjahr an Brustkrebs, drei davon werden zumindest laut statistischen Berechnungen an Brustkrebs sterben. Nur diese drei von den 1000 profi tieren letztendlich von der Mammographie als Früherkennung. Auch das wird noch von einigen in Frage gestellt, denn bei Frauen vor den Wechseljahren ist das Brustdrüsengewebe dichter, ebenso bei Frauen unter einer Hormonersatztherapie. Damit wird es für die Röntgenstrahlen undurchlässiger und es besteht eine größere Gefahr, dass Tumoren nicht erkannt werden. Dennoch glaubt man in den USA an eine Verringerung des Risikos um ein Fünftel, wenn mit der Mammographie-Früherkennung bereits mit 40 Jahren begonnen wird. Die Kontroverse um das Mammographie-Screening wurde bis heute nicht beigelegt, hatte sich aber langsam beruhigt. Im Jahr 2000 erschien in einem britischen Top Journal, nämlich in der Fachzeitschrift „The Lancet“, eine knapp fünf Seiten lange Analyse jener acht Studien, auf deren Ergebnissen die Annahme beruht, dass die Früherkennung durch regel mäßige Röntgenuntersuchung das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um etwa 30 Prozent verringert. Die beiden Autoren Peter Gotzsche und Ole Olsen vom Nordic Cochrane Center in Kopenhagen erschütterten mit ihren Ergebnissen das Vertrauen in das Verfahren gründlich. Die beiden Autoren untersuchten die Ergebnisse dieser acht randomi sierten und kontrollierten Studien an Hand einer Metaanalyse der Daten von einer halben Million Frauen. Ihre Schlussfolgerung fi el ernüchternd aus, denn sie fanden Hinweise auf subtile Verzerrungen in den meisten dieser Studien, die letztendlich dazu führten, dass der Nut zen der Mammographie überschätzt wurde. Ihre vorläufi ge Kritik haben sie Ende 2001 dann durch weitere, umfangreiche Arbeiten ergänzt. Sechs der acht Studien wurden von ihnen wegen versteckter Fehler schließlich als nicht verlässlich beurteilt. In den beiden restlichen Studien, in denen sie keine Verzerrungen nachweisen konnten, hatte die Mammographie keinen wesentlichen Vorteil ergeben. In letzter Konsequenz fehlte den beiden Dänen somit die Grundlage, die Mammographie überhaupt zur Früherkennung zu empfehlen. Man kann es ruhig sagen: Seitdem ist die Fachwelt gespalten. Auf die Analyse der Dänen hat es in Fachzeitschriften und auf zahlreichen Kongressen eine Unzahl von Entgegnungen und Ge genEntgegnungen gegeben, deren Stichhaltigkeit selbst für Experten nur noch schwer nachzuvollziehen ist. Tatsache jedoch ist, dass in keinem Land aufgrund der Kritik der beiden Dänen ein bereits bestehendes Brustkrebs-Früher kennungsprogramm geändert, modifi - ziert oder gar eingestellt wurde. Im Gegenteil. In vielen Ländern, wie zum Beispiel in Deutschland, werden Brustkompetenzzentren mit speziellen Mammographie-Früherkennungsprogrammen und mit den bereits erwähnten Qualitätskriterien eingerichtet. Sinnhaft, schreibt Hans Mosser, Oberarzt am Institut für Röntgendiagnostik am Wiener Donauspital, in der „Wiener Klinischen Wochenschrift“, sei dies nur dann, wenn auch ein Arzt-Patientinnen-Kontakt stattfi ndet. Seine Kritik: In vielen Studien wurden nur die Ergebnisse der Auswertung der Mammographiebilder analysiert, bei den entsprechenden Untersuchungen in diesen Screening-Programmen sind die Frauen aber sonst nicht von Ärztinnen und Ärzten angesehen worden. Zwar ist die Mammographie zur Zeit die einzige als wirksam anerkannte Methode für die Erkennung von Brustkrebsvorstufen und frühen Tumorstadien. Aber nur die Kombination von Mammographie mit einer von Medizinern ebenfalls durchgeführten klinischen Untersuchung und deren Ergänzung durch eine Ultraschalluntersuchung „besitzt die höchste Sensitivität und Spezifi tät, höher als jede dieser Methoden für sich allein, weshalb sie als so genannte Triple-Diagnostik einer singulären Mammographie vorzuziehen ist“. Und auf noch einen entscheidenden Faktor macht der Radiologe aufmerksam: Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass in der Diagnose erfahrene Radiologen wesentlich mehr Brustkrebsfälle entdecken, als weniger erfahrene. Er nennt auch eine Zahl: Um eine entsprechende Qualität in der Diagnose gewährleisten zu können, müsste jeder der damit befassten Radiologen jährlich wenigsten 2000 Befundungen machen. International gefordert werden sogar 5000 Befundungen. Dies würde jedoch bedeuten, dass die Mammographien nur auf wenige große Zentren konzentriert werden müssten. Viele kleinere Einrichtungen müssten sich von dieser Untersuchungsmethode verabschieden. Angesichts der teuren Gerätschaften kann man sich vorstellen was das für ein wirtschaftlicher Schaden für die Betreiber wäre, weshalb sich dieser geforderte Qualitätsstandard in absehbarer Zeit nicht verwirklichen lassen wird. Damit aber noch nicht genug: „Die Untersuchungsfrequenz alleine führt nur dann zu einer hohen diagnostischen Qualität, wenn sie gekoppelt ist mit einem intensiven Feedback aus Pathologie und Chirurgie im Sinne einer Qualitätssicherung. Nicht nur deswegen haben regelmäßige, mindestens wöchentliche interdisziplinäre Meetings ganz entscheidende Bedeutung“, konstatiert Mosser. Die Anforderungen an Mediziner, um eine sinnvolle, qualitativ hochwertige Früherkennung von Brustkrebs gewährleisten zu können, sind als enorm hoch. Österreichische Ärzte und Ärztinnen, die Frauen regelmäßige Mammographieuntersuchungen dringend empfehlen, müssen sich also die Frage stellen, ob sie diese Qualitätsansprüche zum Wohle der Frauen auch erfüllen können. Natürlich! In der Früherkennung liegt die Hoffnung, eine Krankheit rechtzeitig zu erkennen, damit erfolgreich behandeln zu können, diese dadurch vielleicht völlig zu besiegen und letztendlich eine normale Lebenserwartung zu erreichen. Es geht in erster Linie also um eine sinnvolle Lebensverlängerung nach der Diagnose Brustkrebs. Diesbezüglich gibt es bisher jedoch keine zuverlässigen Beweise. Im Gegenteil, es liegt der Verdacht nahe, dass in den meisten Fällen durch Früherkennung nicht das Leben der Frauen verlängert wird, sondern nur ihr Leben mit der Diagnose Brustkrebs. Mit allen psychischen und therapeutischen Belastungen – aber freilich auch mit einem Nutzen, nämlich für jene, die an den Behandlungen kräftig verdienen. Das Ergebnis der bereits erwähnten acht Studien war jedenfalls, dass Frauen, die an Mammographieuntersuchungen teilgenommen hatten, möglicherweise etwas seltener an Brustkrebs gestorben waren als ihre Altersgenossinnen, die nicht regelmäßig die Mammographie in Anspruch genommen hatten. Stellt man alle Todesfälle der beiden Gruppen gegenü ber, also beispielsweise auch die Todesfälle, die durch andere Krebsarten und Herzkreislauferkrankungen verursacht wurden, dann gab es keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Ob die Frauen also zur BrustkrebsFrüherkennung gegangen waren oder nicht, hatte keinen Einfl uss auf ihre Chan ce, die nächsten 15 Jahre zu überleben. Dieses Ergebnis wirkt auf den ersten Blick paradox, denn wenn Dank der durchgeführten Mammographien weniger Frauen an Brustkrebs gestorben sind, sollte es doch auch insgesamt weniger Tote gegeben. Es gibt zumindest zwei Erklärungen, warum die Studien nicht dieses erwartete Ergebnis erbracht ha ben. Die eine hat mit den statistischen Regeln zu tun, die in solchen Studien angewendet werden. In den Mammographie-Studien war Brustkrebs nur eine von vielen Todesursachen. Von 1000 Teilnehmerinnen, die meisten der Frauen waren zwischen 50 und 70 Jahre alt, sind im Laufe von zehn Jahren vier an Brustkrebs gestorben, weitere 96 aber an anderen Todesursachen. Wenn nun die Früherken nung dazu führt, dass das Risiko, an Brustkrebs zu sterben, um ein Viertel verringert wird, dann bedeutet das, dass statt vier nur drei pro 1000 Frauen an Brustkrebs sterben. Bezogen auf die Gesamtzahl aller Todesfälle, egal welcher Ursache, würde das zu einem Rückgang von 100 auf 99 Tote führen. Im Verhältnis dieser Zahlen wird der durch die Mammographie bedingte Unterschied also so klein, dass er leicht in zufälligen Schwankungen der anderen Todesursachen untergehen kann. Diesem statistischen Problem könnte man nur mit sehr großen Studien begegnen. Um beispielsweise nachzuprüfen, ob die Mammographie wirklich das Leben von Frauen im Alter zwischen 50 und 70 verlängert, bräuchte man Stu dien mit bis zu 1,5 Millionen Teilnehmerinnen, was kaum zu realisieren ist. Ähnliches gilt auch für alle anderen Krebs-Früherkennungsverfahren, die in Deutschland, Österreich, der Schweiz und anderen Staaten angeboten werden. Für keines dieser Verfahren gibt es den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Teilnahme daran das Leben verlängert. Es könnte also ein anderer Grund dafür verantwortlich sein, dass Teilnehmerinnen an Früherkennungsprogrammen im Durchschnitt nicht länger leben. Es ist nämlich auch möglich, dass der Vorteil für jene, die durch Teilnahme an der Früherkennung ei nen Tumor überleben, dadurch wieder zunichte gemacht wird, dass andere durch direkte oder indirekte Nebenwirkungen der Früherkennung früher sterben. Es gibt Mediziner, die die Ansicht vertreten, dass die Früherkennung durchaus das Potenzial dazu hat. Denn selbst die besten Methoden bringen nur für eine bis maximal zehn von 1000 Teilnehmerinnen die Hoffnung und die Chance, einen Tumor zu überleben. Das bedeutet: bei 990 bis 999 Teilnehmerinnen an solchen Programmen besteht das Risiko, diesen Nutzen wieder zunichte zu machen. Diese Gefahr besteht vor allem für die Frauen, die eine falsch-positive Diagnose erhalten. Früherkennung hat für sie zur Folge, dass oft erheblicher medizinischer Aufwand nötig ist, um unter den vielen nach einem Test als verdächtig eingestuften Befunden die Fehlalarme herauszufi ltern. Laut Hochrechnung muss man etwa annehmen, dass in Deutschland jede zweite Frau, die regelmäßig zur Mammographieuntersuchung geht, einen positiven Befund bekommt, obwohl sie gar keinen Brustkrebs hat. Entsprechende Zahlen für Österreich liegen nicht vor, man darf aber annehmen, dass sie mit jenen aus Deutschland vergleichbar sind. Nehmen wir ein ganz anderes Beispiel, nämlich das Prostatakarzinom beim Mann. Bei Verdacht auf ein Karzinom durch den Tumormarker PSA – ein spezielles, auf den Krebs hindeutendes Eiweißmolekül, das in der Blutbahn nachgewiesen werden kann – sind zur weiteren Abklärung invasive Eingriffe wie etwa eine Gewebeentnahme nötig, die vor allem altersabhängig immer auch ein Risiko bergen – im seltenen Extremfall bis hin zu todbringenden Komplikationen. Bei Gewerbeentnahme unter einer Narkose kann es beispielsweise, wenn auch nur in wenigen Fällen, zu Narkosekomplikationen kommen. Auch unter Lokalanästhesie kann es immer noch zu Infektionen oder Thrombosen kommen. Zudem steigert die Früherkennung das Risiko von zusätzlichen Komplikatio nen auch dadurch, dass sie Tumoren entdeckt, die ohne die gezielte Suche wahrscheinlich nie aufgefallen wären und auch das Leben des Betroffenen niemals beeinträchtigt hätten. Das bedeutet: Früherkennung, besonders bei alten Menschen, erhöht die Zahl der Krebs patienten. Diese Patienten werden dann meist durch aufwendige und teure, manchmal auch nicht ungefährliche Operationen und Chemotherapien behandelt, deren Erfolg in Frage gestellt werden darf. Viele wären aber auf Grund ihres Alters nicht an ihrem Karzinom gestorben, sondern altersbedingt an anderen Krankheiten. In der heutigen wissenschaftsgläubigen Gesellschaft ist der Mensch, egal ob Mann oder Frau, bereits so weit von der Selbstbestimmung entfernt, dass das Erkennen einer Krankheit fast refl exartig auch eine aufwendige Behandlung nach sich zieht, ohne zu hinterfragen, ob diese auch wirklich sinnvoll und gerechtfertigt ist. Wenn von 1000 Teilnehmerinnen nur eine bis drei von der Früherkennung profitieren, ist es also leicht vorstellbar, dass auch seltene tödliche Komplikationen bei den anderen 997 den Nutzen zumindest teilweise wieder zunichte machen können. Diese Opfer werden, was die Statistiken ein wenig verwässert, oft gar nicht als Krebstote gezählt, da die unmittelbare Todesursache eine andere war. Früherkennung würde dann insgesamt nicht Leben retten, sondern nur zu einem Austausch von Todesursachen führen. Weil diese Möglichkeit durchaus plausibel ist, ist es sehr beunruhigend, dass bisher keines der weltweit eingeführten Krebs-Früherkennungprogramme den zuverlässigen gegenteiligen Beweis erbracht hat, dass nämlich ein solches Programm das Leben der Teilnehmerinnen tatsächlich verlängert. Auch diese Unsicherheit sollte man bei der Entscheidung für oder gegen Screenings bedenken. Denn die Wissenschaft wird, wie es derzeit aussieht, auf absehbare Zeit dieses Informations- und Wissensdefi zit nicht schließen können. Die Kosten werden aber durch die zunehmende Alterspyramide immer weiter steigen: Mehr Früherkennung erfordert mehr differenzierte Abklärung, um falsch positive Ergebnisse zu erkennen, mehr Diagnosen erfordern dadurch mehr Behandlungen, ohne wirklich einen Benefi t im Sinne einer höheren Lebenserwartung für die Patientin zu bringen. Die Frage wird letztendlich sein, wie lange sich dies eine Gesellschaft noch leisten kann und will. In der aktiven modernen Medizin ist immer wieder damit zu rechnen, dass die Nebenwirkungen oder Komplikationen einer Therapie schlimmer sein können, als die Krankheit selbst. Für die Früherkennung bedeutet diese Möglichkeit daher ein besonderes Dilemma, denn die meisten Patientinnen, die zur Früherkennung gehen, sind zunächst völlig gesund. Das oberste Ziel der Früherkennung muss deshalb sein, deren Gesundheit nicht durch überfl üssige Eingriffe zu gefährden. Ärzte und Ärztinnen in der westlichen Welt sind im Wesentlichen aber nur ausgebildet, kranken Menschen mit den entsprechenden Symptomen zu helfen. Das bedeutet aber auch, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung, dass manchmal bewusst Komplikationen in Kauf genommen werden. Doch dieselbe Maßnahme, die bei einem Kranken angemessen ist, kann für einen Gesunden eine unzumutbare Gefahr sein. Darauf sind Mediziner normalerweise aber nicht eingerichtet. Manche Ärzte und Ärztinnen sind ausgezeichnete Therapeuten, ihr Können in der Behandlung von Patienten mit Symptomen ist ausgezeichnet, in der Früherkennung sind sie allerdings nicht so gut. Aber auch das Umgekehrte ist möglich. In einer Zeit der Superspezialisierung wird das Können in den einzelnen Fachgebieten immer größer, der Gesamtüberblick, die einzelnen Zusammenhänge gehen damit aber immer mehr verloren. Damit Früherkennung überhaupt einen Nutzen haben kann, muss deshalb das Risiko von auftretenden Schäden so weit wie möglich reduziert werden. Gute Früherkennungsprogramme zeichnen sich daher durch eine hohe Qualitätssicherung aus. Diese betrifft sowohl Ärzte und Ärztinnen und medizinisch-technisches Personal als auch die Geräte in Krankenhäusern und Praxen. Der Forderungskatalog dafür ist umfangreich. Er beginnt bei der regelmäßigen Überprüfung auf Funktion und Sicherheit des Instrumentariums und endet bei der Aus- und Weiterbildung des Personals. Das Personal braucht eine besondere Schulung, damit möglichst wenige falsche Ergebnisse produziert werden. Erfahrung und Übung spielt in der Früherkennung eine wesentliche Rolle, was wieder zu einem hoch entwickelten Spezialistentum führt. Doch frühe Entdeckung kann nur dann zu besseren Behandlungschancen führen, wenn ein entdeckter Tumor so konsequent und gleichzeitig auch so schonend wie möglich behandelt wird. Wenn bei der Therapie Fehler passieren, wird entweder die Chance auf eine mögliche Heilung vermindert oder es gibt sogar Opfer durch Komplikationen und Nebenwirkungen, was ebenfalls den Vorteil durch die Früherkennung zunichte machen würde. Besondere Anforderungen müssen auch an die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen gestellt werden. Alle beteiligten Experten müssen ihre Ergebnisse laufend untereinander austauschen und die Befunde müssen besonders dann nachvollziehbar sein, wenn die Zahl der falsch-positiven Diagnosen zu groß wird. Wie die Qualitätssicherung der Früherkennung im Detail aussehen sollte, ist von Tumor zu Tumor unterschiedlich, und oft gibt es da auch unter Experten Meinungsverschieden heiten. Dazu ist es heute erforderlich, dass die Daten der Krebspatienten an ein zentrales Register gemeldet werden, um Verlauf der Krankheit, Auftreten von Rezidiven und natürlich auch mögliche Heilung vergleichen zu können. Das ist, mit Ausnahme der Schweiz, sowohl für Österreich als auch für Deutschland noch ein grundsätzliches Problem. Denn es gibt derzeit in diesen beiden Ländern noch keine bindende, exakte und zentrale Erfassung der Zahl der verschiedenen Krebserkran kungen. Das Berliner Robert-Koch-Institut, eine Tochterbehörde des Bun desgesundheitsministeriums, gibt jedes Jahr Schätzungen heraus, die bisher auf den Zahlen des Krebsregisters des Saarlandes basieren. Erst in den nächsten Jahren sollen auch alle anderen Bundesländer hinzukommen. Dass diese Krebsregister erst jetzt entstehen, stellt die Qualität der 1971 eingeführten gesetzlichen Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen in Frage. Verläs sliche Auswertungen über die Bilanz des Programms gibt es noch nicht. Mit fast 30-jähriger Verspätung sind derzeit Spezialisten dabei, für einige Krebsarten Richtlinien für Diagnose, Therapie und Nachsorge festzulegen, damit die Fehlerrate möglichst klein gehalten werden kann. Tatsächlich könnte in diesen geplanten Qualitätsverbesserungen, die um Früherken nungsprogramme herum eingeführt werden, sogar der eigentliche Nutzen der Früherkennung liegen. Denn wenn Früherkennung dazu führt, dass in einem Land Ärzte und Ärztinnen sowie das medizinisch-technische Personal besser ausgebildet werden, profi tieren letztendlich alle Krebskranken, selbst die, die nicht an der Früherkennung teilnehmen. Die Frage ist nur, wie das in einer Zeit, in der das Gesundheitssystem in den deutschsprachigen Ländern vor dem fi nanziellen Kollaps steht, zu schaffen sein wird. Immerhin ist ein Krebsregister nicht einmal in den fi nanziell guten Jahren zusammengebracht worden. Standen und stehen vielleicht verschiedenste Gruppeninteressen dagegen? Betrachtet man die ganze Angelegenheit noch von einer medizinisch-ökonomischen Seite, dann argumentieren die Befürworter von Screening-Programmen häufi g damit, dass ein einziger verhinderter Todesfall alle Bemühungen und auch Ausgaben rechtfertige. Dieses Argument ist aus mehreren Gründen falsch. Nüchtern betrachtet verhindert Früherkennung ja nicht den Tod, sondern schiebt ihn nur auf. Die Frage müsste also lauten: Wie hoch darf der Preis für die Ver längerung des Lebens sein? Oder noch konkreter: Was können und wollen wir uns als Gesellschaft leisten? Das gilt sowohl für den Preis der Gesundheit, den jeder Einzelne für die Teilnahme an der Früherkennung bezahlen muss, als auch für die fi nanziellen Belastungen des gesamten Gesundheitswesens eines Staates. Denn alle Länder haben das Problem, dass für ihr Gesundheitswesen nur begrenzte Finanzmittel zur Verfügung stehen, die optimal eingesetzt werden sollen. Die Frage ist deshalb, wie diese knappen Mittel verwendet werden sollen, um möglichst viele vorzeitige Todesfälle zu vermeiden. Das bedeutet natürlich auch, dass sie Krebsfrüherkennung dem Vergleich mit Vorbeuge- und Vorsorgemaßnahmen gegen andere Krankheiten stellen muss. Denn selbst wenn sich mit Früherkennung tatsächlich vorzeitige Krebstode vermeiden lassen, kann es sein, dass sich mit demselben Geld auf einen anderen Gebiet mehr Lebensjahre retten lassen würden. Man denke hier an die Bemühungen, die Entstehung von Krebserkrankungen zu verhindern. Der Zusammenhang zwischen Rauchen, Übergewicht, Bewegungsarmut und übermäßigem Alkoholgenuss und der Entstehung von vielen Krebsarten, darunter auch Brustkrebs, sind hinlänglich bekannt. Wege, hier einerseits erzieherisch einzuwirken, aber auch mittels Vitaminen und anderen Nahrungsmittelergänzungen positiv einzugreifen, sind ebenfalls in Studien sehr kontrovers beurteilt. Deshalb gilt auch für Früherkennungsprogramme, dass Aufwand und Nutzen in vernünftigem Verhältnis zueinander stehen müssen und sollen, sonst ha ben sie keine Berechtigung. Ein anderer, ebenfalls medizinisch-ökonomischer Aspekt wird in der Diskussion hingegen sehr selten zur Sprache gebracht: Die Anschaffung eines Mammographiegerätes kostet einen niedergelassenen Radiologen je nach Ausstattung und mitgeliefertem Servicepaket des Herstellers zwischen 300.000 und 400.000 Euro oder mehr. Und das ist nur ein Bruchteil der Kosten, die die Mediziner aufzubringen haben, um eine Praxis samt anderen Gerätschaften, Einrichtung, Leistungen und Personal betreiben zu können. Um Himmels Willen: Keinem Radiologen soll und darf unterstellt werden, er würde aus rein fi nanziellen Gründen so viel Frauen wie möglich einer Mammographie unterziehen. Da aber niedergelassene Ärzte und Ärztinnen selbständige Unternehmer sind und nach erbrachten Dienstleistungen bezahlt werden, wäre es blind, den ökonomischen Aspekt, egal welcher Leistung, überhaupt nicht betrachten zu wollen. Schließlich können auch niedergelassene Mediziner bei unbedachtem Wirtschaften und unzureichender Auslastung ihrer teuer angeschafften Geräte in Konkurs gehen. Und gerade weil der Gesundheitsbereich ein Wirtschaftssystem ist, in dem ungeheuer große Geldmittel fl ießen, muss man auch davon ausgehen, dass das Angebot die Nachfrage beeinfl usst. Und umgekehrt. Fest steht jedoch, dass Früherkennung in keinem Fall dazu führt, dass Geld gespart wird, denn Reihenuntersuchungen und deren Qualitätskontrollen kosten einmal sehr viel Geld. Meistens müssen mehr als 1000 Teilnehmerinnen untersucht werden, damit eine einzige einen Nutzen hat – die Zahlen reichen hier sogar bis zu 5000 Teilnehmerinnen. Auch die Abklärung falsch-po sitiver Befunde verschlingt nicht unerhebliche Mittel. Bis zu einem Drittel der Ausgaben muss dafür aufgebracht werden, Gesunde von einem falschen Verdacht zu befreien. Es gibt Berechnungen, wonach je nach Methode und Krebsart jedes Le bensjahr, das man durch Früherkennung hinzuzugewinnen hofft, zwischen 10.000 und ei- nigen 100.000 Euro kostet. Man muss solche Kostenbe rechnungen allerdings mit Vorsicht und gewisser Distanz betrachten, weil sie oft auf Zahlenmaterial aus dem Ausland beruhen und sie damit nicht so ohne weiteres auf Deutschland oder Österreich übertragen werden können. Tatsache ist jedoch, dass für das Gesundheitswesen in der Lösung dieses Problems noch eine große Herausforderung wartet, deren Ausgang aus heutiger Sicht in keiner Weise vorausgesagt werden kann. Als gesichert gilt heute jedenfalls Folgendes: Die Mammographie ist unbestritten ein wichtiges Instrument in der Brustkrebsfrüherkennung. Die alleinige Anwendung dieser Methode ist enorm fehleranfällig, eine effi ziente und sinnvolle Untersuchung kann daher nur durch die Kombination von Mammographie, klinischer ärztlicher Untersuchung und weiterer Abklärung durch Ultraschall erfolgen. Ob durch ein fl ächendeckendes Mammographie-Screening tatsächlich das Leben von Frauen verlängert werden kann oder ob nur jene Zeit, die Frauen mit der Diagnose Brustkrebs leben müssen, verlängert wird, kann nicht eindeutig gesagt werden. Dennoch wird von verschiedensten Interessengruppen sowohl auf die Gesundheitspolitik als auch auf Frauen ein enormer Druck ausgeübt, Mammographie-Screenings einzuführen beziehungsweise daran teilzunehmen. Argumentiert wird das mit den Ergebnissen einiger großer Studien, die besagen, dass sich durch die Teilnahme am Screening bei Frauen zwischen 40 und 69 Jahren die Sterblichkeit an Brustkrebs um bis zu 30 Prozent senken lasse. Viele Frauen meinen aufgrund dieser Zahlen, dass von 100 Frauen, die hingehen, 30 das Leben gerettet wird. Was falsch ist. Dass es sich nämlich bei diesen Zahlen lediglich um die Angabe des statistisch dramatischsten und gleichzeitig manipulativsten Wert, um den relativen Nutzen handelt, wird meist sehr bewusst verschwiegen (siehe Kapitel statistische Zahlenspiele). Tatsächlich besagten diese Zahlen: Von 1000 Frauen zwischen 40 und 69, die zehn Jahre jährlich zur Mammographie gehen, sterben drei an Brustkrebs. Von 1000 Frauen, die nicht zur Mammographie gehen, sterben vier an Brustkrebs. Der relative Unterschied zwischen vier und drei ergibt die 30 Prozent. Anders ausgedrückt: Von 1000 Frauen, die regelmäßig zur Reihenuntersuchung gehen, kann maximal eine profi tieren. Was aber noch lange nicht bedeutet, dass dadurch auch ein Leben gerettet wird, weil in der Screeninggruppe mehr Frauen aus anderen Gründen sterben, die man nicht kennt. Und was auch noch sehr gerne verschwiegen wird: Dass wahrscheinlich jede zweite Frau, die regelmäßig zur Reihenuntersuchung geht, falsch positive Befunde erhält, mit allen damit verbundenen Ängs- ten und psychischen Traumata, auch mit physischen Folgen, etwa einer Biopsie, bevor sich der Brustkrebsverdacht als falsch herausstellt. Außerdem werden Krebsvorstufen erkannt, operiert und behandelt, die niemals aggressiv bösartig geworden wären. Diese Fakten sollen die Sinnhaftigkeit und den Nutzen von Mammographieuntersuchungen nicht generell in Zweifel ziehen. Im Gegenteil. Seit die Zahl der Frauen steigt, die sich ihre Brust mittels Mammographie untersuchen lassen, werden immer mehr Tumoren in einem frühen Stadium entdeckt, in dem sie noch relativ klein sind. Was dazu führte, dass die Zahl der brusterhaltenden Operationen ständig angestiegen ist. Faktum ist aber, dass die Mammographie vielen Frauen heute gleichsam als Heilsverprechen verkauft wird, dass die negativen Seiten dieser Methode gerne verschwiegen werden. Dadurch werden Frauen ihrer Freiheit beraubt, es wird ihnen ein Teil ihrer Eigenverantwortung genommen, sie werden in ihren persönlichen Entscheidungsmöglichkeiten in Bezug auf ihren Körper und ihre Gesundheit beschnitten. Was sowohl aus medizinischen als auch aus ethischen Gründen entschieden abzulehnen ist. Read the full article
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Die Entstehung von Brustkrebs
Nachdem wir nun einen tiefen Blick in die Anatomie der weiblichen Brust geworfen und verdeutlicht haben, wie komplex dieses Organ bereits im gesunden Zustand ist, werden wir uns in diesem Kapitel mit den biologisch-chemischen Veränderungen auseinandersetzen, die zu einem Mammakarzinom führen können. Gleichzeitig werden wir hier auf verschiedene Risikogruppen eingehen. Die genauen Ursachen für die Entstehung eines Mammakarzinoms sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Die überwiegende Mehrheit der Brustkrebs-Patientinnen erkrankt spontan, also ohne, dass ein sicherer Auslöser ausgemacht werden kann. Allerdings kennt die Wissenschaft mittlerweile verschiedene Risikofaktoren, welche die Krankheit begünstigen, wie im vorigen Kapitel aufgelistet. So geht man davon aus, dass bei etwa fünf Prozent der erkrankten Frauen eine genetische Ursache mitverantwortlich ist. Dafür spricht vor allem die familiäre Häufung. Das Krebsrisiko von Menschen, bei denen eine Verwandte ersten Grades erkrankt ist, steigt auf das Zwei- bis Dreifache an. Bestimmte Veränderungen (Mutationen) im Erbgut begünstigen nach neuen Erkenntnissen die Tumorentstehung. Allerdings wurde dieser Zusammenhang bisher nur für einige wenige Tumortypen bewiesen. Zu den bekannten und bereits erwähnten Risikofaktoren gehört auch die so genannte proliferative Mastopathie, eine zunächst gutartige Vermehrung der Drüsenläppchen und des Bindegewebes. Weitere Faktoren sind Kinderlosigkeit beziehungsweise eine späte erste Schwangerschaft, nach dem 30. Lebensjahr, sowie das frühe Einsetzen der Regelblutung, Menarche genannt, und eine späte Menopause. Brustkrebs kann ferner durch fettreiche Ernährung, ionisierende Strahlung, Tabak- und Alkoholgenuss sowie durch die langfristige Einnahme weiblicher Sexualhormone (Östrogene und Gestagene) begünstigt werden. Dagegen erhöht die Einnahme der Anti-Baby-Pille nach dem derzeitigen Stand des Wissens das Krebsrisiko nicht. Im Gegensatz zur atypisch proliferierenden Mastopathie und den Krebsvorstufen (so genannte in situ-Karzinome) wuchern beim Krebs in den Milchgängen und Drüsenläppchen Tumorzellen, die sich von gesunden Zellen durch eine unterschiedliche Größe, wechselnde plumpe bis bizarre Form und Färbung unterscheiden, sich verschieden rasch teilen und vermehren und die Grenzlinie zum umgebenden Drüsengewebe (Basalmembran) durchbrechen und die Umgebung durchsetzen (infi ltrierendes beziehungsweise invasives Karzinom). Für den Pathologen heißt Krebsdiagnostik, das Abnormale oder Atypische aus der Gesamtheit des Paranormalen zu erkennen. Das Wesen des bösartigen Prozesses offenbart sich im Aussehen der Zellen, in der anarchischen Aufl ösung der zellulären Ordnung, im zerstörerischen Wachstum und im Durchbruch begrenzender Membranen. Aber auch in der Reaktion des Organismus, nämlich durch zelluläre Abschirmung und Mobilisierung von Zellen, die dem Immunsystem angehören. Keiner dieser Hinweise ist für sich allein ein Beweis und nicht einmal die Gesamtheit aller dieser Indizien beweist unumstößlich die Bösartigkeit, das heißt lebenszerstörende Natur einer geweblichen Neubildung. Auch gutartige Wucherungen sind infi ltrationsfähig, auch nicht krebsartige Zellen können Basalmembranen durchdringen. Und dem Aussehen nach relativ gutartig erscheinende Tumorzellen erweisen sich insofern auch als bösartig, als sie Fernmetastasen setzen. Die Tumorzellverbände breiten sich sowohl in den Milchgängen und Drüsenläppchen als auch – nach Zerstörung der Basalmembran – im umgebenden Gewebe aus. Sie zerstören dieses und erreichen durch ihr unkontrolliertes, vom Körper nicht gesteuertes Wachstum Blutgefäße und Lymphbahnen, in die sie ebenfalls einbrechen. Auf diese Weise gelangen Krebszellen unter Umständen in den gesamten Körper und bilden dort möglicherweise Metastasen (Tochtergeschwülste) in den Lymphknoten oder in entfernteren Organen wie Leber und Knochen, wenn die Körperabwehr mit ihnen nicht fertig wird. Rund 80 Prozent aller bösartigen Tumoren haben sich unabhängig von ihrer späteren Form und ihrem Wachstum aus den Zellen der Milchgänge entwickelt, der Rest stammt aus den Zellen der Drüsenläppchen. Unabhängig davon gibt es zellarme und zellreiche Tumoren, die sich in bestimmten auch für die Früherkennung wichtigen Merkmalen unterscheiden.
Zellarme Knoten wachsen langsam, entwickeln in ihrer Umgebung viel Bindegewebe und wirken deshalb auf der Schnittfl äche und im Röntgenbild strahlenförmig. Sie üben einen unterschiedlich starken Zug auf ihre Nachbarstrukturen aus, so dass sich die Brustwarze oder die Haut über dem Tumor abfl acht oder einzieht, in der Struktur derber wird. Diese Veränderung wird in der medizinischen Umgangssprache ebenso wie bei Zellulitis an Gesäß und Oberschenkel als Orangenhaut bezeichnet, weil sie in ihrer Konsistenz und Struktur ähnlich einer Orangenschale ist. Zellreiche Knoten dagegen entwickeln wenig Bindegewebe, sie wachsen durch Zellteilung rasch, sind eher knollig geformt und weniger strahlig, zerstören Blutgefäße und führen somit zu einem manchmal unklaren und ohne Gewalteinwirkung entstandenen Bluterguss in der Brust. Einen Sog auf die Umgebung üben sie kaum aus, sondern buckeln die Haut eher etwas vor und fi xieren sie allenfalls. Dergestalt ähneln sie Zysten und Fibroadenomen, mit denen sie auch verwechselt werden können, wenn man sie nicht zytologisch oder operativ abklärt, sondern sich nur auf die Mammographie und Sonographiebilder (Ultraschall) verlässt. Neben diesen beiden Formen gibt es noch Tumoren, die sich vorwiegend in den Milchgängen ausbreiten (Milchgangskrebs). Typisch für diesen Tumortyp ist, dass er frühzeitig die Brustwarze einzieht, manchmal schon Monate bevor er tastbar wird. Obwohl dieser Krebstyp hauptsächlich in den Milchgängen wächst, sind Flüssigkeitsaustritt oder Blutungen aus den Milchgängen eher selten. Etwa 40 Prozent dieser Tumoren zeigen Verkalkungen und sind somit im Röntgenbild frühzeitig zu erkennen, noch bevor sich die Brustwarze einzieht oder sonstige Auffälligkeiten von der Frau bemerkt werden. Damit es auch für Spezialisten noch etwas schwieriger wird, fi nden sich zwischen dem zellarmen sternförmigen, dem zellreichen knolligen und dem Milchgangskrebs mit und ohne Kalk noch zahlreiche Zwischenformen. Darüber hinaus gibt es Tumoren, die bevorzugt die Drüsenläppchen befallen (Läppchenkrebs oder lobuläres Karzinom), solche, die zähfl üssigen Schleim produzieren (Gallertkarzinom) und solche, die die Strukturen des Brustgewebes nachahmen (Adenokarzinom). Besondere Bedeutung hat der Paget-Krebs der Brustwarze, der dadurch entsteht, dass ein Milchgangskrebs bis in die Brustwarze wächst oder überhaupt in der Warze entsteht. Diese feingeweblichen Tumorformen spielen im Heilungsverlauf eine nur untergeordnete Rolle. Entscheidender sind Tumorstadium und Abwehrkraft des Organismus. In der absoluten Mehrheit stimmt jedoch die Diagnose durch den Pathologen, lediglich ein kleiner Rest bleibt zweifelhaft und zeigt damit die Grenzen der diagnostischen Möglichkeiten. Brustkrebs entsteht, wie jede andere Krebsart auch, wenn das Gleichgewicht zwischen Zellwachstum und Zelltod außer Kontrolle gerät. Jeder Mensch trägt Krebszellen in sich, doch sie sterben immer wieder ab. Man nennt das in der Medizin den programmierten Zell-tod (Apoptose). Gesteuert wird dieses Gleichgewicht von den Genen. Wenn sich die Gene, die für Brustkrebs verantwortlich sind (die BRCAGene), verändern, gerät das Zellwachstum außer Kontrolle und ein Tumor beginnt zu wachsen. Denn sobald durch Zellteilung mehr Zellen wachsen als durch den Zelltod sterben, entwickelt sich der Tumor. Der Gendefekt kann erblich bedingt sein oder durch äußere Einfl üssewie ungesunden Lebensstil oder psychischen Stress auftreten. Brustkrebs macht im frühen Stadium keine Beschwerden oder Schmerzen. Es gibt allerdings einige Anzeichen, die auf einen Tumor in der Brust hindeuten können. Wichtig ist deshalb, die Brüste regelmäßig beim Frauenarzt oder der Frauenärztin untersuchen zu lassen. Mögliche Anzeichen auf Brustkrebs sind neu aufgetretene Knoten oder Verhärtungen in der Brust, Einziehung der Haut oder Einziehung einer Brustwarze, neu aufgetretene Größendifferenz der Brüste, unterschiedliches Aussehen der Brüste beim Anheben der Arme, Absonderungen aus einer Brustwarze (wässrig, blutig, eitrig), andere Veränderungen der Brust oder Brustwarze, zum Beispiel eine plötzliche starke Rötung, sowie Knoten in der Achselhöhle. Bei diesen Anzeichen kann es sich, muss es sich aber nicht um Krebs handeln. Sie sollten jedoch dazu dienen, die genaue Ursache abklären zu lassen. Also primär nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern möglichst schnell einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen. Bei Zweifel oder Unsicherheit ist es legitim, auch eine Zweitmeinung einzuholen. Schließlich geht es um den Körper und seine Gesundheit und nicht um den Stolz und die Eitelkeit der untersuchenden Mediziner. Jeder noch so geringe Verdacht auf ein Mammakarzinom sollteunbedingt durch eine eingehende ärztliche Untersuchung abgeklärt werden. Nach der Erhebung der Krankengeschichte und genauer Abtastung beider Brüste, der Achselhöhlen und Schlüsselbeingruben soll im Anschluss eine Röntgenuntersuchung (Mammographie) und Ultraschalluntersuchung der Brust durchgeführt werden.
Die Mammographie ist trotz vieler Gegenstimmen immer noch die wichtigste Untersuchungsmethode bei einer verdächtigen Veränderung der Brust. Mit ihr lassen sich derzeit am besten gutartige von bösartigen Veränderungen abgrenzen, Größe und Anzahl der Tumoren bestimmen und Mikroverkalkungen erkennen. Der Mikrokalk, der sich in den Gängen des befallen Brustgewebes ansammelt, ist unter Umständen ein indirekter Hinweis für einen möglichen noch sehr kleinen Tumor. Eine Ultraschalluntersuchung in Kombination mit der Mammographie erhöht die diagnostische Sicherheit erheblich. Um endgültig sagen zu können, ob die Veränderung gut- oder bösartig ist, wird heute mit einer feinen Nadel eine Gewebeprobe (Biopsie) zur mikroskopischen Untersuchung, in der Regel unter Ultraschallkontrolle entnommen. Eine neuere Methode der Biopsie ist die Gewebeentnahme mit einem so genannten Mammotom. Dabei wird unter Röntgenkontrolle verdächtiges Gewebe entnommen. Der Pathologe untersucht das Gewebe dann im Labor und unter dem Mikroskop auf Krebszellen. Mammographie und Ultraschall werden außerdem unmittelbar vor dem chirurgischen Eingriff benötigt, um den Operationsbereich genau zu markieren. In jüngster Zeit gewinnt auch die Magnetresonanztomographie (MRT) bei der Diagnostik zunehmend an Bedeutung. Für spezielle Risikogruppen, etwa Frauen mit einer vererbten Genmutation, liefert die Magnetresonanz weitaus besserer Diagnoseergebnisse in der Früherkennung als das Bruströntgen. Eine Computertomographie (CT), die nuklearmedizinische Untersuchung der Knochen (Knochenszintigraphie) und eine Ultraschalluntersuchung der Leber geben Hinweise auf möglicherweise vorhandene Tochtergeschwülste. Vor einer Operation können noch die so genannten Tumormarker (im Fachmund werden diese bei Brustkrebs CEA und CA 15.3 genannt) im Blut bestimmt werden. Tumormarker sind körpereigene Stoffe, die im Zusammenhang mit bösartigen Erkrankungen vermehrt im Blut auftreten. Ein erneuter Anstieg dieser Tumormarker nach der Operation kann ein Wiederauftreten des Tumors ankündigen. Als Routine- oder Screeningmethode eignen sich die Tumormarker jedoch nicht, denn auch andere Entzündungen können diese körpereigenen Stoffe unter Umständen erhöhen. Das Ergebnis der histologischen Gewebeuntersuchung durch den Pathologen dient aber nicht nur der Klärung des Verdachts auf ein Mammakarzinom, er gibt auch Aufschluss über den Tumortyp und den Grad seiner Aggressivität (Grading). Die Untersuchung des operativ entfernten Tumors und der Lymphknoten gestattet einen Überblick über den Umfang der Tumoraussaat, also von Metastasen. Unabhängig davon wird an der Tumorprobe untersucht, ob sie Rezeptoren für die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron enthält. Östrogen fördert das Wachstum der Krebszellen bei bestimmten Tumortypen. Umgekehrt kann durch dessen Entzug das Tumorwachstum gebremst werden. Die Ergebnisse all dieser Untersuchungen erlauben die Einordnung in das so genannte TNM- (Tumor, Lymphknoten, Metastase)-Schema, aus dem sich wiederum eine Einteilung in Stadien ergibt. Diese Stadieneinteilung, zusammen mit der Histologie, bestimmt zum einen die Prognose, zum anderen entscheidet sie über die Behandlungsstrategien. Naturgemäß bestehen die größten Heilungschancen im Stadium 1, das heißt, wenn der Krebs nicht größer als zwei Zentimeter und auf das Brustgewebe beschränkt ist. Das Stadium 2 hat mehrere Facetten. Entweder das Karzinom ist nicht größer als zwei Zentimeter, hat sich aber auf die Achsel-Lymphknoten ausgebreitet. Oder das Karzinom hat eine Größe zwischen zwei und fünf (auch mehr) Zentimetern und hat die Achsel-Lymphknoten noch nicht befallen. Das Stadium 3 wird in drei Unterklassen eingeteilt. Wenn das Karzinom kleiner als fünf Zentimeter ist und sich auf die Achsel-Lymphknoten ausgebreitet hat, spricht man von einem Stadium 3A. Ist das Karzinom größer als fünf Zentimeter und hat schon die AchselLymphknoten befallen, spricht man von einem Stadium 3B. Und wenn sich der Tumor bereits auf das brustnahe Gewebe ausgebreitet hat, und zwar auf Haut, Rippen und Muskeln der Brust, spricht man von einem Stadium 3C. In diesem Stadium kann der Tumor jede Größe haben, die Krebszellen haben sich auf Brustbein und Gewebe unter dem Arm ausgebreitet und haben die Lymphknoten unter und über dem Schlüsselbein befallen. Im Stadium 4 schließlich hatsich der Tumor bereits auf andere Körperteile ausgebreitet.
Denkt man sich ein Kreuz mit der Brustwarze als Zentrum, so kann man eine räumliche Häufi gkeitsverteilung in vier Quadranten vornehmen. Besonders häufi g ist der obere äußere Quadrant befallen, da er auch den größten Teil der Brustdrüse enthält. Der größte Anteil der Tumoren, nämlich bis zu 60 Prozent, fi ndet sich im oberen äußeren Quadranten der Brust, gefolgt vom oberen inneren (rund 20 Prozent), vom unteren äußeren (zehn) und unteren inneren (fünf Prozent) Quadranten. Zentral fi nden sich nur rund zwei Prozent aller Karzinome. Bis zu 30 Prozent der Mammakarzinome sind multizentrisch, das heißt, sie treten in mehreren Quadranten gleichzeitig auf. Die linke Brust ist laut Statistiken etwas häufi ger betroffen als die rechte, warum, weiß man nicht. Bei einer Metastasierung sind zunächst meist die Lymphknoten betroffen, besonders jene in den Achselhöhlen. Die Häufi gkeit eines Lymphknotenbefalls hängt von Größe, Lokalisation und dem Differenzierungsgrad des Tumors ab, von dem die Krebszellen ausstrahlen. Bei Tumoren bis zu zwei Zentimetern Größe sind in rund 25 Prozent aller Fälle die Achsel-Lymphknoten befallen. Bei Tumoren mit einer Größe über fünf Zentimetern sind bereits in 60 bis 70 Prozent aller Fälle die Achsel-Lymphknoten betroffen. Generell gilt: Sind die Lymphknoten in der Achselhöle einmal angegriffen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie die Tumorzellen über das Lymphbahnsystem von den Knoten in den Achseln zu anderen Knoten und so schließlich über den ganzen Körper ausbreiten. Daher werden bei Brustkrebsoperationen in vielen Fällen auch noch nicht befallene Lymphknoten in der Achsel mit entfernt. Je früher der Brustkrebs erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Beträgt die Tumorgröße bei der Diagnose einen Zentimeter oder weniger, liegen die Heilungschancen bei mehr als 90 Prozent. Wenn sich das Karzinom lediglich in naher Umgebung ausgebreitet hat, überleben noch fast 80 Prozent der betroffenen Frauen. Hat der Krebs aber bereits Metastasen gebildet, reduziert sich die Überlebenschance auf maximal 23 Prozent. Unabhängig vom Stadium, in dem das Karzinom diagnostiziert wurde, beträgt die durchschnittliche Überlebensrate von Frauen mit Brustkrebs fünf Jahre nach der Diagnose in Österreich nur knapp 80 Prozent. Häufi ger als in anderen Ländern werden Karzinome in Österreich nämlich oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt. Der Grund ist das noch immer mangelnde Bewusstsein vieler Frauen. Erst seit jüngerer Zeit gehen vermehrt Frauen zu den angebotenen Früherkennungsuntersuchungen. Read the full article
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Die Entstehung von Brustkrebs
Nachdem wir nun einen tiefen Blick in die Anatomie der weiblichen Brust geworfen und verdeutlicht haben, wie komplex dieses Organ bereits im gesunden Zustand ist, werden wir uns in diesem Kapitel mit den biologisch-chemischen Veränderungen auseinandersetzen, die zu einem Mammakarzinom führen können. Gleichzeitig werden wir hier auf verschiedene Risikogruppen eingehen. Die genauen Ursachen für die Entstehung eines Mammakarzinoms sind noch nicht vollständig aufgeklärt. Die überwiegende Mehrheit der Brustkrebs-Patientinnen erkrankt spontan, also ohne, dass ein sicherer Auslöser ausgemacht werden kann. Allerdings kennt die Wissenschaft mittlerweile verschiedene Risikofaktoren, welche die Krankheit begünstigen, wie im vorigen Kapitel aufgelistet. So geht man davon aus, dass bei etwa fünf Prozent der erkrankten Frauen eine genetische Ursache mitverantwortlich ist. Dafür spricht vor allem die familiäre Häufung. Das Krebsrisiko von Menschen, bei denen eine Verwandte ersten Grades erkrankt ist, steigt auf das Zwei- bis Dreifache an. Bestimmte Veränderungen (Mutationen) im Erbgut begünstigen nach neuen Erkenntnissen die Tumorentstehung. Allerdings wurde dieser Zusammenhang bisher nur für einige wenige Tumortypen bewiesen. Zu den bekannten und bereits erwähnten Risikofaktoren gehört auch die so genannte proliferative Mastopathie, eine zunächst gutartige Vermehrung der Drüsenläppchen und des Bindegewebes. Weitere Faktoren sind Kinderlosigkeit beziehungsweise eine späte erste Schwangerschaft, nach dem 30. Lebensjahr, sowie das frühe Einsetzen der Regelblutung, Menarche genannt, und eine späte Menopause. Brustkrebs kann ferner durch fettreiche Ernährung, ionisierende Strahlung, Tabak- und Alkoholgenuss sowie durch die langfristige Einnahme weiblicher Sexualhormone (Östrogene und Gestagene) begünstigt werden. Dagegen erhöht die Einnahme der Anti-Baby-Pille nach dem derzeitigen Stand des Wissens das Krebsrisiko nicht. Im Gegensatz zur atypisch proliferierenden Mastopathie und den Krebsvorstufen (so genannte in situ-Karzinome) wuchern beim Krebs in den Milchgängen und Drüsenläppchen Tumorzellen, die sich von gesunden Zellen durch eine unterschiedliche Größe, wechselnde plumpe bis bizarre Form und Färbung unterscheiden, sich verschieden rasch teilen und vermehren und die Grenzlinie zum umgebenden Drüsengewebe (Basalmembran) durchbrechen und die Umgebung durchsetzen (infi ltrierendes beziehungsweise invasives Karzinom). Für den Pathologen heißt Krebsdiagnostik, das Abnormale oder Atypische aus der Gesamtheit des Paranormalen zu erkennen. Das Wesen des bösartigen Prozesses offenbart sich im Aussehen der Zellen, in der anarchischen Aufl ösung der zellulären Ordnung, im zerstörerischen Wachstum und im Durchbruch begrenzender Membranen. Aber auch in der Reaktion des Organismus, nämlich durch zelluläre Abschirmung und Mobilisierung von Zellen, die dem Immunsystem angehören. Keiner dieser Hinweise ist für sich allein ein Beweis und nicht einmal die Gesamtheit aller dieser Indizien beweist unumstößlich die Bösartigkeit, das heißt lebenszerstörende Natur einer geweblichen Neubildung. Auch gutartige Wucherungen sind infi ltrationsfähig, auch nicht krebsartige Zellen können Basalmembranen durchdringen. Und dem Aussehen nach relativ gutartig erscheinende Tumorzellen erweisen sich insofern auch als bösartig, als sie Fernmetastasen setzen. Die Tumorzellverbände breiten sich sowohl in den Milchgängen und Drüsenläppchen als auch – nach Zerstörung der Basalmembran – im umgebenden Gewebe aus. Sie zerstören dieses und erreichen durch ihr unkontrolliertes, vom Körper nicht gesteuertes Wachstum Blutgefäße und Lymphbahnen, in die sie ebenfalls einbrechen. Auf diese Weise gelangen Krebszellen unter Umständen in den gesamten Körper und bilden dort möglicherweise Metastasen (Tochtergeschwülste) in den Lymphknoten oder in entfernteren Organen wie Leber und Knochen, wenn die Körperabwehr mit ihnen nicht fertig wird. Rund 80 Prozent aller bösartigen Tumoren haben sich unabhängig von ihrer späteren Form und ihrem Wachstum aus den Zellen der Milchgänge entwickelt, der Rest stammt aus den Zellen der Drüsenläppchen. Unabhängig davon gibt es zellarme und zellreiche Tumoren, die sich in bestimmten auch für die Früherkennung wichtigen Merkmalen unterscheiden.
Zellarme Knoten wachsen langsam, entwickeln in ihrer Umgebung viel Bindegewebe und wirken deshalb auf der Schnittfl äche und im Röntgenbild strahlenförmig. Sie üben einen unterschiedlich starken Zug auf ihre Nachbarstrukturen aus, so dass sich die Brustwarze oder die Haut über dem Tumor abfl acht oder einzieht, in der Struktur derber wird. Diese Veränderung wird in der medizinischen Umgangssprache ebenso wie bei Zellulitis an Gesäß und Oberschenkel als Orangenhaut bezeichnet, weil sie in ihrer Konsistenz und Struktur ähnlich einer Orangenschale ist. Zellreiche Knoten dagegen entwickeln wenig Bindegewebe, sie wachsen durch Zellteilung rasch, sind eher knollig geformt und weniger strahlig, zerstören Blutgefäße und führen somit zu einem manchmal unklaren und ohne Gewalteinwirkung entstandenen Bluterguss in der Brust. Einen Sog auf die Umgebung üben sie kaum aus, sondern buckeln die Haut eher etwas vor und fi xieren sie allenfalls. Dergestalt ähneln sie Zysten und Fibroadenomen, mit denen sie auch verwechselt werden können, wenn man sie nicht zytologisch oder operativ abklärt, sondern sich nur auf die Mammographie und Sonographiebilder (Ultraschall) verlässt. Neben diesen beiden Formen gibt es noch Tumoren, die sich vorwiegend in den Milchgängen ausbreiten (Milchgangskrebs). Typisch für diesen Tumortyp ist, dass er frühzeitig die Brustwarze einzieht, manchmal schon Monate bevor er tastbar wird. Obwohl dieser Krebstyp hauptsächlich in den Milchgängen wächst, sind Flüssigkeitsaustritt oder Blutungen aus den Milchgängen eher selten. Etwa 40 Prozent dieser Tumoren zeigen Verkalkungen und sind somit im Röntgenbild frühzeitig zu erkennen, noch bevor sich die Brustwarze einzieht oder sonstige Auffälligkeiten von der Frau bemerkt werden. Damit es auch für Spezialisten noch etwas schwieriger wird, fi nden sich zwischen dem zellarmen sternförmigen, dem zellreichen knolligen und dem Milchgangskrebs mit und ohne Kalk noch zahlreiche Zwischenformen. Darüber hinaus gibt es Tumoren, die bevorzugt die Drüsenläppchen befallen (Läppchenkrebs oder lobuläres Karzinom), solche, die zähfl üssigen Schleim produzieren (Gallertkarzinom) und solche, die die Strukturen des Brustgewebes nachahmen (Adenokarzinom). Besondere Bedeutung hat der Paget-Krebs der Brustwarze, der dadurch entsteht, dass ein Milchgangskrebs bis in die Brustwarze wächst oder überhaupt in der Warze entsteht. Diese feingeweblichen Tumorformen spielen im Heilungsverlauf eine nur untergeordnete Rolle. Entscheidender sind Tumorstadium und Abwehrkraft des Organismus. In der absoluten Mehrheit stimmt jedoch die Diagnose durch den Pathologen, lediglich ein kleiner Rest bleibt zweifelhaft und zeigt damit die Grenzen der diagnostischen Möglichkeiten. Brustkrebs entsteht, wie jede andere Krebsart auch, wenn das Gleichgewicht zwischen Zellwachstum und Zelltod außer Kontrolle gerät. Jeder Mensch trägt Krebszellen in sich, doch sie sterben immer wieder ab. Man nennt das in der Medizin den programmierten Zell-tod (Apoptose). Gesteuert wird dieses Gleichgewicht von den Genen. Wenn sich die Gene, die für Brustkrebs verantwortlich sind (die BRCAGene), verändern, gerät das Zellwachstum außer Kontrolle und ein Tumor beginnt zu wachsen. Denn sobald durch Zellteilung mehr Zellen wachsen als durch den Zelltod sterben, entwickelt sich der Tumor. Der Gendefekt kann erblich bedingt sein oder durch äußere Einfl üssewie ungesunden Lebensstil oder psychischen Stress auftreten. Brustkrebs macht im frühen Stadium keine Beschwerden oder Schmerzen. Es gibt allerdings einige Anzeichen, die auf einen Tumor in der Brust hindeuten können. Wichtig ist deshalb, die Brüste regelmäßig beim Frauenarzt oder der Frauenärztin untersuchen zu lassen. Mögliche Anzeichen auf Brustkrebs sind neu aufgetretene Knoten oder Verhärtungen in der Brust, Einziehung der Haut oder Einziehung einer Brustwarze, neu aufgetretene Größendifferenz der Brüste, unterschiedliches Aussehen der Brüste beim Anheben der Arme, Absonderungen aus einer Brustwarze (wässrig, blutig, eitrig), andere Veränderungen der Brust oder Brustwarze, zum Beispiel eine plötzliche starke Rötung, sowie Knoten in der Achselhöhle. Bei diesen Anzeichen kann es sich, muss es sich aber nicht um Krebs handeln. Sie sollten jedoch dazu dienen, die genaue Ursache abklären zu lassen. Also primär nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern möglichst schnell einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen. Bei Zweifel oder Unsicherheit ist es legitim, auch eine Zweitmeinung einzuholen. Schließlich geht es um den Körper und seine Gesundheit und nicht um den Stolz und die Eitelkeit der untersuchenden Mediziner. Jeder noch so geringe Verdacht auf ein Mammakarzinom sollteunbedingt durch eine eingehende ärztliche Untersuchung abgeklärt werden. Nach der Erhebung der Krankengeschichte und genauer Abtastung beider Brüste, der Achselhöhlen und Schlüsselbeingruben soll im Anschluss eine Röntgenuntersuchung (Mammographie) und Ultraschalluntersuchung der Brust durchgeführt werden.
Die Mammographie ist trotz vieler Gegenstimmen immer noch die wichtigste Untersuchungsmethode bei einer verdächtigen Veränderung der Brust. Mit ihr lassen sich derzeit am besten gutartige von bösartigen Veränderungen abgrenzen, Größe und Anzahl der Tumoren bestimmen und Mikroverkalkungen erkennen. Der Mikrokalk, der sich in den Gängen des befallen Brustgewebes ansammelt, ist unter Umständen ein indirekter Hinweis für einen möglichen noch sehr kleinen Tumor. Eine Ultraschalluntersuchung in Kombination mit der Mammographie erhöht die diagnostische Sicherheit erheblich. Um endgültig sagen zu können, ob die Veränderung gut- oder bösartig ist, wird heute mit einer feinen Nadel eine Gewebeprobe (Biopsie) zur mikroskopischen Untersuchung, in der Regel unter Ultraschallkontrolle entnommen. Eine neuere Methode der Biopsie ist die Gewebeentnahme mit einem so genannten Mammotom. Dabei wird unter Röntgenkontrolle verdächtiges Gewebe entnommen. Der Pathologe untersucht das Gewebe dann im Labor und unter dem Mikroskop auf Krebszellen. Mammographie und Ultraschall werden außerdem unmittelbar vor dem chirurgischen Eingriff benötigt, um den Operationsbereich genau zu markieren. In jüngster Zeit gewinnt auch die Magnetresonanztomographie (MRT) bei der Diagnostik zunehmend an Bedeutung. Für spezielle Risikogruppen, etwa Frauen mit einer vererbten Genmutation, liefert die Magnetresonanz weitaus besserer Diagnoseergebnisse in der Früherkennung als das Bruströntgen. Eine Computertomographie (CT), die nuklearmedizinische Untersuchung der Knochen (Knochenszintigraphie) und eine Ultraschalluntersuchung der Leber geben Hinweise auf möglicherweise vorhandene Tochtergeschwülste. Vor einer Operation können noch die so genannten Tumormarker (im Fachmund werden diese bei Brustkrebs CEA und CA 15.3 genannt) im Blut bestimmt werden. Tumormarker sind körpereigene Stoffe, die im Zusammenhang mit bösartigen Erkrankungen vermehrt im Blut auftreten. Ein erneuter Anstieg dieser Tumormarker nach der Operation kann ein Wiederauftreten des Tumors ankündigen. Als Routine- oder Screeningmethode eignen sich die Tumormarker jedoch nicht, denn auch andere Entzündungen können diese körpereigenen Stoffe unter Umständen erhöhen. Das Ergebnis der histologischen Gewebeuntersuchung durch den Pathologen dient aber nicht nur der Klärung des Verdachts auf ein Mammakarzinom, er gibt auch Aufschluss über den Tumortyp und den Grad seiner Aggressivität (Grading). Die Untersuchung des operativ entfernten Tumors und der Lymphknoten gestattet einen Überblick über den Umfang der Tumoraussaat, also von Metastasen. Unabhängig davon wird an der Tumorprobe untersucht, ob sie Rezeptoren für die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron enthält. Östrogen fördert das Wachstum der Krebszellen bei bestimmten Tumortypen. Umgekehrt kann durch dessen Entzug das Tumorwachstum gebremst werden. Die Ergebnisse all dieser Untersuchungen erlauben die Einordnung in das so genannte TNM- (Tumor, Lymphknoten, Metastase)-Schema, aus dem sich wiederum eine Einteilung in Stadien ergibt. Diese Stadieneinteilung, zusammen mit der Histologie, bestimmt zum einen die Prognose, zum anderen entscheidet sie über die Behandlungsstrategien. Naturgemäß bestehen die größten Heilungschancen im Stadium 1, das heißt, wenn der Krebs nicht größer als zwei Zentimeter und auf das Brustgewebe beschränkt ist. Das Stadium 2 hat mehrere Facetten. Entweder das Karzinom ist nicht größer als zwei Zentimeter, hat sich aber auf die Achsel-Lymphknoten ausgebreitet. Oder das Karzinom hat eine Größe zwischen zwei und fünf (auch mehr) Zentimetern und hat die Achsel-Lymphknoten noch nicht befallen. Das Stadium 3 wird in drei Unterklassen eingeteilt. Wenn das Karzinom kleiner als fünf Zentimeter ist und sich auf die Achsel-Lymphknoten ausgebreitet hat, spricht man von einem Stadium 3A. Ist das Karzinom größer als fünf Zentimeter und hat schon die AchselLymphknoten befallen, spricht man von einem Stadium 3B. Und wenn sich der Tumor bereits auf das brustnahe Gewebe ausgebreitet hat, und zwar auf Haut, Rippen und Muskeln der Brust, spricht man von einem Stadium 3C. In diesem Stadium kann der Tumor jede Größe haben, die Krebszellen haben sich auf Brustbein und Gewebe unter dem Arm ausgebreitet und haben die Lymphknoten unter und über dem Schlüsselbein befallen. Im Stadium 4 schließlich hatsich der Tumor bereits auf andere Körperteile ausgebreitet.
Denkt man sich ein Kreuz mit der Brustwarze als Zentrum, so kann man eine räumliche Häufi gkeitsverteilung in vier Quadranten vornehmen. Besonders häufi g ist der obere äußere Quadrant befallen, da er auch den größten Teil der Brustdrüse enthält. Der größte Anteil der Tumoren, nämlich bis zu 60 Prozent, fi ndet sich im oberen äußeren Quadranten der Brust, gefolgt vom oberen inneren (rund 20 Prozent), vom unteren äußeren (zehn) und unteren inneren (fünf Prozent) Quadranten. Zentral fi nden sich nur rund zwei Prozent aller Karzinome. Bis zu 30 Prozent der Mammakarzinome sind multizentrisch, das heißt, sie treten in mehreren Quadranten gleichzeitig auf. Die linke Brust ist laut Statistiken etwas häufi ger betroffen als die rechte, warum, weiß man nicht. Bei einer Metastasierung sind zunächst meist die Lymphknoten betroffen, besonders jene in den Achselhöhlen. Die Häufi gkeit eines Lymphknotenbefalls hängt von Größe, Lokalisation und dem Differenzierungsgrad des Tumors ab, von dem die Krebszellen ausstrahlen. Bei Tumoren bis zu zwei Zentimetern Größe sind in rund 25 Prozent aller Fälle die Achsel-Lymphknoten befallen. Bei Tumoren mit einer Größe über fünf Zentimetern sind bereits in 60 bis 70 Prozent aller Fälle die Achsel-Lymphknoten betroffen. Generell gilt: Sind die Lymphknoten in der Achselhöle einmal angegriffen, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass sie die Tumorzellen über das Lymphbahnsystem von den Knoten in den Achseln zu anderen Knoten und so schließlich über den ganzen Körper ausbreiten. Daher werden bei Brustkrebsoperationen in vielen Fällen auch noch nicht befallene Lymphknoten in der Achsel mit entfernt. Je früher der Brustkrebs erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen. Beträgt die Tumorgröße bei der Diagnose einen Zentimeter oder weniger, liegen die Heilungschancen bei mehr als 90 Prozent. Wenn sich das Karzinom lediglich in naher Umgebung ausgebreitet hat, überleben noch fast 80 Prozent der betroffenen Frauen. Hat der Krebs aber bereits Metastasen gebildet, reduziert sich die Überlebenschance auf maximal 23 Prozent. Unabhängig vom Stadium, in dem das Karzinom diagnostiziert wurde, beträgt die durchschnittliche Überlebensrate von Frauen mit Brustkrebs fünf Jahre nach der Diagnose in Österreich nur knapp 80 Prozent. Häufi ger als in anderen Ländern werden Karzinome in Österreich nämlich oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt. Der Grund ist das noch immer mangelnde Bewusstsein vieler Frauen. Erst seit jüngerer Zeit gehen vermehrt Frauen zu den angebotenen Früherkennungsuntersuchungen. Read the full article
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Hormone und Brustkrebs

Neben dem heftig umstrittenen Mammographie-Screening sorgt im Zusammenhang mit Brustkrebs und dessen Risken eine weitere Frage permanent für Diskussion und schürt Ängste bei Frauen: die Frage nach dem Sinn oder Unsinn einer Hormonersatztherapie im Klimakterium. Gerade in den vergangenen Jahren wurde durch die Ergebnisse einiger großer Studien der Benefi t dieser Behandlung immer wieder in Frage gestellt und die ganze Thematik sehr stark emotionalisiert. Daher lohnt sich ein kritischer Blick auf dieses Problem nicht nur im Zusammenhang zwischen Brustkrebs und Hormonen, sondern auch darüber hinaus. Die steigende Lebenserwartung selbst ist ein permanent größer werdender Risikofaktor für viele Leiden. Die Entstehung etlicher Krankheiten im fortgeschrittenen Alter ist aber auch bis zu einem gewissen Grad genetisch vorprogrammiert. Dazu gehören kardiovaskuläre Erkrankungen, Herzinfarkt, Schlaganfall (Apoplexie), Osteoporose und Demenz. Ihr Krankheitsbeginn und damit ihre Konsequenzen für Morbidität (Krankheitsstand) und Mortalität (Sterblichkeitsziffer) lässt sich durch Lebensgewohnheiten wie etwa Essverhalten, körperliche Aktivität und ähnliches mehr zum Teil günstig, aber ebenso auch negativ beeinfl ussen. Es wird immer wichtiger, diese Zusammenhänge zu erkennen. Denn in der heutigen Gesellschaft ist nicht allein das Altwerden selbst gefragt, sondern vielmehr ein Altern in guter Qualität, also in körperlicher und geistiger Frische und, wenn es sich dann machen lässt, auch noch bei jugendlichem Aussehen. Es geht also zusehends um eine Kompression der Morbidität im Alter – das heißt, es geht darum, den Zeitraum des Krankseins vor dem Tod möglichst kurz zu halten. Eine hohe Lebensqualität ist auch in den späten Jahren gefragt. Es sollte daher Ziel sein, das Alter in guter Qualität und Gesundheit sowohl körperlich als auch geistig zu erleben. Dies sollte nicht nur ein medizinisch-humanistisch geprägter Wunsch sein, sondern auch eine Grundvoraussetzung, die rasch steigende Kostenexplosion in der Medizin, zum Teil bedingt durch die immer aufwendigere medizinische Versorgung einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung, in den Griff zu bekommen. Hier sei darauf hingewiesen, dass heute bereits für eine 65-jährige Frau jährlich rund fünfmal mehr rezeptpfl ichtige Medikamente verschriebenen werden, als für eine 25-jährige. Dies trifft annähernd auch für Männer dieser Altergruppen zu. Vorsorgemedizin und nicht Reparaturmedizin wird in Zukunft immer mehr gefragt sein. Eine individuelle, richtig durchgeführte Hormonersatztherapie über einige Jahre hindurch, die eine Verkürzung der immer länger dauernden hormoninaktiven Zeit in der zweiten Lebenshälfte darstellt, kann für die Frau daher durchaus ein zielführender Weg in diese Richtung sein. Dazu gehört natürlich ebenso die Risikoabwägung und Risikominimierung den Brustkrebs betreffend. Auf Grund der geänderten Lebensbedingungen in der industrialisierten westlichen Welt werden die Menschen zunehmend älter, was zu einer sich deutlich ändernden Gesellschaftsstruktur führt. Immer mehr Menschen befi nden sich in der zweiten Lebenshälfte, bei sinkender Kinderzahl. Dies bedingt in vielen Lebensbereichen, darunter auch in der Gesundheitsvorsorge und in der Medizin, eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Lebensabschnitt. Das trifft besonders auf Frauen zu, die in der westlichen Welt ein um etwa sechs bis acht Jahre höheres Lebensalter als Männer erreichen. Betrug das Lebensalter am Ende des 18. Jahrhunderts noch knapp über fünfzig Jahre, so ist es bis heute auf knapp 82 Jahre angestiegen, wobei die Frau rund ein Drittel dieser Zeit ohne Hormonproduktion in der Menopause beziehungsweise in der Postmenopause verbringt, was verschiedene Beschwerden und Erkrankungen verursachen beziehungsweise fördern kann. Die ständig verbesserten sozialen Umstände, die rasante Entwicklung der Medizin und die zunehmend bessere Ernährung sind im Wesentlichen für das zunehmend hohe Alter verantwortlich. Man kann durchaus behaupten: Die steigende Lebenserwartung ist kein natürlicher biologischer Vorgang, sondern wird von äußeren Faktoren bestimmt. Wenn man in die Dritte Welt, in die so genannten Entwicklungsländer blickt, dann hat sich die Lebenserwartung dort in den vergangenen Jahrzehnten nur geringfügig verändert oder ist sogar gleich geblieben. Sie liegt auch heute noch zwischen 51und 56 Jahren, abhängig von den einzelnen Ländern, also ungefähr dort, wo die Lebenserwatung in Europa noch vor 150 Jahren lag. In Asien liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in den besser entwickelten Ländern noch immer rund zehn Jahre unter der der westlichen Welt. Ausnahme ist das wirtschaftlich hoch entwickelte Japan, das weltweit die höchste Lebenserwartung hat, sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern.
Das Menopausenalter, das im Gegensatz zur Lebenserwartung (noch) nicht von äußeren Faktoren beeinfl usst werden kann, hat sich in den vergangenen 2000 Jahren biologisch nur geringfügig, nämlich lediglich um rund fünf Jahre verschoben. Es liegt im Durchschnitt derzeit zwischen 51 und 52 Jahren. Der Zeitraum der Postmenopause ist also im Vergleich zu früher erheblich länger geworden, dies kann aber nicht als natürlicher physiologischer Prozess angesehen werden. Das heißt, durch die heutige Lebenserwartung der Frau von rund 82 Jahren in der westlichen Welt lebt sie in der Postmenopause noch rund 30 Jahre ohne Sexualhormonproduktion, besonders ohne Östrogene. Biologisch gesehen ein durch den technischen Fortschritt herbeigeführtes Novum, denn die Natur kennt nur bei ganz wenigen Tierspezies überhaupt eine Menopause, aber niemals in dieser Länge. Allein von diesem Gesichtpunkt aus ist neben dem medizinischen Aspekt die Frage nach einer Substitution, nach einem Ersatz der verloren gegangenen Hormone in der künstlich verlängerten Menopause zu diskutieren. Die Menopause kann, muss aber nicht zu klimakterischen Beschwerden und metabolischen Störungen wie zum Beispiel einer Osteoporose führen. Der Östrogenmangel löst jedoch bei etwa 70 bis Prozent aller Europäerinnen mehr oder weniger ausgeprägte klimakterische Beschwerden aus, die eine medikamentöse Behandlung notwendig machen können, um eine entsprechende Lebensqualität und Leistungsfähigkeit der Frau in diesem Lebensabschnitt zu erhalten. Steroidhormone, Östrogene, Progesteron und Androgene sind nicht nur aber eben auch in diesem Lebensabschnitt mitentscheidend für Wohlbefi nden, Lebensqualität und gesunden Stoffwechsel. Natürlich gab es immer schon sehr alte Menschen, aber wesentlich weniger als heute. Und diese haben wahrscheinlich auch damals ebenso sämtliche Probleme des langen hormonfreien Lebensabschnitts gekannt. Nur zum Vergleich: Im 17. Jahrhundert haben nur etwa 17 Prozent der Frauen die Wechseljahre erreicht und danach wenige Jahre in der Postmenopause gelebt. Heute erreichen in den industrialisierten Ländern rund 95 Prozent der Frauen das Wechselalter und haben dann noch eine Lebenserwartung von bis zu 30 Jahren. Übrigens zeigt das Klimakterium im zeitlichen Auftreten nur geringe ethnische und rassische Unterschiede. So liegt das Menopausenalter in den USA von Weißen und Schwarzen nur unwesentlich auseinander. Allerdings werden sozioökonomische Unterschiede diskutiert: Frauen mit niedrigem Sozialstatus und niedrigem Einkommen kommen früher in die Menopause als Frauen mit höherem Sozi- 86 alstatus. Ebenso scheinen Unterschiede sowohl im Menarchealter (die Zeit der ersten Menstruation) als auch im Menopausenalter zwischen Entwicklungsländern und westlichen Industrienationen zu bestehen. Auf Grund besserer Ernährung kommt es in den Industrienationen neben einem größeren Körperwachstum auch zu einem früheren Auftreten der Menarche und etwas späteren Eintritt der Menopause. Andererseits spielen aber auch die geänderten Lebensgewohnheiten der westlichen Hemisphäre zunehmend eine negative Rolle in der Beeinfl ussung des Menopausenalters. So konnte in Studien nachgewiesen werden, dass erhöhter Nikotinkonsum das Menopausenalter um bis zu zwei Jahre früher eintreten lässt. Das Nikotin bewirkt eine stärkere Gefäßveränderungen in den Eierstöcken (Ovarien), was zu einem verminderten Sauerstofftransport dorthin führt. Durch die so hervorgerufene Minderdurchblutung kommt es zu einer eingeschränkten Östrogenproduktion in den Eierstöcken. Zusätzlich wird durch andere Inhaltsstoffe der Zigaretten die Entwicklung dieses Hormons (die so genannte Aromatisierung von Androgenen als Östrogenvorläufer) gehemmt. Durch all diese Faktoren kommt es jedenfalls zu einer verringerten Produktion des Sexualhormons, was auch als Ursache des erhöhten Osteoporoserisikos von Raucherinnen angesehen werden kann. Die Möglichkeit, im Wechsel von außen Hormone zuzuführen und damit Beschwerden, die durch den Hormonmangel hervorgerufen werden, zu beseitigen, hat Lebensqualität, Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit von Frauen in der Menopause und Postmenopause entscheidend verbessert und darüber hinaus auch das Bild der postmenopausalen Frau in der Gesellschaft stark verändert. Es gibt sowohl in den skandinavischen Ländern als auch zum Teil in Deutschland Untersuchungen, die zeigen, dass die Leistungsfähigkeit von Frauen unter Hormonersatztherapie deutlich höher ist, als von Frauen ohne Therapie. Ebenso sind die Krankenstände von Frauen ohne Therapie deutlich höher. Für viele Frauen ist der Verzicht auf eine Hormonersatztherapie mit einem nicht unerheblichen Verlust an Lebensqualität und Wohlbefi nden verbunden. Obwohl es heutzutage eine sehr breite Palette von Hormonpräparaten in den verschiedensten Verabreichungsformen gibt, die es dem erfahrenen Spezialisten ermöglichen, eine individuelle Hormonersatztherapie adäquat und sinnvoll mit größtmöglichem Erfolg und minimalstem Risiko durchzuführen, sind viele Frauen verunsichert. Was umso tragischer ist, als auch die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Spezialgebiet der Endokrinologie und mit den Bedürfnissen und Wünschen der Frau dazu führt,
dass selbst von ärztlicher Seite den Frauen nur wenig Hilfestellung gegeben wird. Das führt dazu, dass viele Frauen von einer Hormonsubstitution absehen oder eine bereits durchgeführte Behandlung kurzfristig wieder abbrechen. Hinzu kommen irrationale Ängste, Unwissenheit über die Hormone und deren Wirkungsmechanismen, Angst vor unbekannten Risken, öffentlich geschürter Krebsangst und Furcht vor möglichen Nebenwirkungen wie etwa ein Wiederauftreten von Blutungen oder Gewichtsprobleme. Gerade hier müsste der Arzt oder die Ärztin aufklärend eingreifen und somit den Frauen das Verständnis und die Sicherheit für die Therapie geben, beziehungsweise Ängste abbauen helfen, und nach einer qualifi zierten Risikoabschätzung im gegebenen Fall natürlich auch von einer solchen Therapie abraten. Die positiven Effekte einer richtig durchgeführten individuellen und zeitlich begrenzten Hormonersatztherapie überwiegen im Generellen die möglichen Gefahren durch eine geringe Erhöhung des Brustkrebsrisikos. Voraussetzung sind hierfür freilich die richtige Dosierung, das richtige Präparat und regelmäßige Kontrollen. Eines muss an dieser Stelle aber ganz klar gesagt werden: Die Verabreichung von Hormonen stellt natürlich einen weitreichenden Eingriff in den Organismus der Frau dar und sollte daher auch auf die Indikation von Wechselbeschwerden, die die Lebensqualität tatsächlich beeinträchtigen, beschränkt bleiben. Ein unrefl ektiertes Feilbieten von Hormonen etwa als Jungbrunnen und Anti-Aging-Mittelchen, welche am besten schon ab einem frühen Lebensjahr und möglichst lange eingenommen werden sollten, muss abgelehnt werden. Es sollte auf der anderen Seite jedoch auch nicht zu einer absoluten Notwendigkeit werden, Hormone gegen Wechselbeschwerden einzunehmen. Wenn die klassischen Symptome wie Schweißausbrüche und Hitzewallungen nicht im Vordergrund stehen und zu schweren Beeinträchtigungen führen, gibt es auch andere Möglichkeiten, etwa homöopathische Behandlungen, Phytoöstrogene, Melbrosia oder Gelee Royale. Auch eine Akupunktur kann helfen. Es muss aber auch für diese Therapien ganz klar gesagt werden, dass sie mehr schaden als nützen können, wenn sie nicht sachgerecht angewendet werden. Welche Risken sind durch eine Hormonersatztherapie nun tatsächlich zu erwarten und wie hoch sind sie? Seit Sommer 2002 werden die Ergebnisse der Women’s Health Initiative Study (WHIStudie) in der breiten Öffentlichkeit zum Teil sehr emotional, zum Teil auch unsachlich und in der Interpretation nicht immer ganz korrekt diskutiert. Nur ein Jahr später, wieder in den Sommermo- 88 naten des Jahres 2003, wurde die Diskussion neuerlich durch die Ergebnisse der One Million Women Study (OMWS) angeheizt und erfuhr einen fast unglaublichen Höhepunkt. Obwohl seitdem ein Teil der Ergebnisse nach erneuten sachlichen Beurteilungen und Feinauswertungen korrigiert und damit gleichzeitig einzelne Risikofaktoren deutlich reduziert wurden, haben die Diskussionen und Interpretationen dieser beiden Studien sowohl Ärztinnen und Ärzte also auch betroffene Frauen völlig verunsichert und die Hormonersatztherapie in Verruf gebracht. Zum besseren Verständnis dieses Hormonstreits eine kurze Replik der beiden Studien. Die WHI sollte im Wesentlichen die Auswirkungen verschiedener Einfl üsse der Lebensführung – zum Beispiel Ernährung und einige präventive Behandlungen – auf den Gesundheitszustand und das Erkrankungsrisiko von postmenopausalen Frauen ohne klimakterische Beschwerden untersuchen. In den USA wurden dafür in den Jahren von 1993 bis 1998 insgesamt 16.809 postmenopausale Frauen in eine groß angelegte prospektive, randomisierte doppelblinde Studie aufgenommen. Die Studienteilnehmerinnen wurden in drei Gruppen aufgeteilt. In der ersten waren Frauen, denen die Gebärmutter noch nicht chirurgisch entfernt worden war. Diese wurden mit einer Kombination von Östrogen und Gestagen behandelt und mit der zweiten Gruppe verglichen, in der die Frauen statt der Hormone ein Placebo erhielten. Eine dritte Vergleichsgruppe schließlich umfasste Frauen, die bereits eine Gebärmutterentfernung (Hysterektomie) hinter sich hatten, und die eine reine Östrogen-Monotherapie erhielten. Nach einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von mehr als fünf Jahren entschied im Mai 2002 dann die US-amerikanische Studienkontrollbehörde, das Data and Safety Monitoring Board, die Untersuchungen der Studie an der ersten Frauengruppe, die eine Östrogen-Gestagen-Kombination erhielten, vorzeitig abzubrechen, da in dieser Gruppe die Risken bei einer längeren Verabreichung höher als der Nutzen liegen würden. Als Grund für den Studienabbruch wurde die in einer Zwischenauswertung gefundene erhöhte Rate von Mammakarzinomen sowie ein erhöhtes Thrombose- und Herzinfarktrisiko angegeben. Die Kontrollbehörde sprach sich jedoch für die Weiterführung der Untersuchungen der dritten Frauengruppe, die nur Östrogen bekamen, über die geplante Studiendauer von acht Jahren aus. Der Grund: Die Nutzen-Risiko-Bilanz fi el bei diesen Frauen günstig aus. Eine erste Veröffentlichung dieser Auswertung erfolgte am 17. Juli 2002 im „Journal of the American Medical Association“ (JAMA). Das in vielen Diskussionen

vorge-brachte Argument, die Ergebnisse der WHI-Studie sprächen generell gegen eine Hormonsubstitution, ist aufgrund dieser Ergebnisse nicht nachvollziehbar. Die Untersuchungen der Frauen, denen die Gebärmutter entfernt worden war und die eine reine Östrogen-Monotherapie erhielten, wurden schließlich nach einer Studiendauer von 6,8 Jahren abgebrochen. Das Überraschende: Nach dieser Zeit waren die Risken für die Entstehung von Brustkrebs und Herz-Kreislauferkrankungen nicht gestiegen, sondern im Gegenteil zwar nicht signifi kant, aber doch zurückgegangen. Allerdings: Einen leichten, ebenfalls nicht signifi kanten Anstieg gab es bei den Risken für Schlaganfälle und venösen Thrombosen. Die Begründung für den vorzeitigen Abbruch lautete, dass keine weiteren Erkenntnisse durch die Fortführung der Studie bis zum Ende zu erwarten seien. Vielleicht wollte man aber auch nicht zulassen, dass die Abnahme des Brustkrebsrisikos eventuell statistisch signifi kant und damit nur noch schwer anzweifelbar werden könnte. Denn damit wären noch mehr Fragen für die Zukunft offen geblieben. Anders ist die Beeinfl ussung der Studienergebnisse durch die Verkürzung der Studiendauer nicht nachvollziehbar. Die One Million Women Studie (OMWS) ist eine rückblickende Erfassung von medizinischen Daten zur Inzidenz, also zur Häufi gkeit des Mammakarzinoms. Die Daten stammen aus Befragungen der Teilnehmerinnen am britischen Brustkrebs-Screeningprogramm mittels Mammographie. Knapp mehr als eine Million Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren füllten damals Fragebögen aus, die mit den Erkrankungs- und Sterbezahlen abgeglichen wurden. Demnach waren innerhalb von 2,6 Jahren 9364 dieser Million Frauen an Brustkrebs erkrankt, 637 starben daran. Die Erkrankungsrate betrug im Gesamten also 0,9 Prozent, die Sterberate 0,06 Prozent. Etwa die Hälfte aller Frauen befanden sich unter einer Hormontherapie. Dazu muss festgehalten werden, dass in Großbritannien keine regelmäßige Kontrolluntersuchungen vorgesehen sind und Mammographien nur alle drei Jahre durchgeführt werden. Dennoch: Von allen Frauen, die an Brustkrebs erkrankt waren, schluckten mehr als 3500 überhaupt keine Hormone, gut 5800 erhielten eine solche Therapie. Der Unterschied in den Erkrankungszahlen zwischen diesen beiden Gruppen liegt bei 66 Prozent: Das angegebene relative Risiko, das zu einem Aufschrei geführt hat. Auf die Gesamtzahl der untersuchten Frauen bezogen ergeben sich freilich ganz andere Werte: Von einer Million Frauen im Alter zwischen 50 und 65 Jahren nahm die Hälfte keine Hormone zu sich. Von diesen 500.000 Frauen erkrankten in fünf Jahren gut sieben Prozent an Brustkrebs. Von den 500.000 Frauen, die Hormone schluckten, entwickelten mehr als elf Prozent ein Mammakarzinom. Auch wenn – im Gegensatz zum wesentlich dramatischer klingenden relativen Risiko von 66 Prozent – das absolute Risiko von etwas mehr als sieben Prozent die Tatsachen etwas besser abbildet, so ist auch das nur ein Teil der Wahrheit, denn diese Zahlen spiegeln den statistischen Mittelwert und geben noch keine Auskunft über das Risiko der verschiedenen Formen der Hormonersatztherapie und über das altersbedingte Risiko. Die Studie hat aber auch ein unterschiedliches Risiko für verschiedene Arten der Hormonersatztherapie festgestellt. So ist die Gefahr einer Monotherapie mit Östrogen alleine weit weniger hoch, als eine Kombinationsbehandlung mit Östrogen und Gestagen. Im Vergleich zu Frauen, die keine Hormone nehmen, ist das relative Risiko an Brustkrebs zu erkranken bei alleiniger Östrogenbehandlung um etwa 30 Prozent erhöht, bei einer gemeinsamer Östrogen und Gestagentherapie um rund 100 Prozent. Weiteres wurde in dieser britischen „One Million Women Study“ das jeweilige Risiko auf die verschiedenen Altersgruppen und auch auf die Dauer der Hormoneinnahme aufgeteilt. Bei einer Analyse aller dieser Werte, ihrer Umlegung auf die Gesamtzahl der Studienteilnehmerinnen und der Angabe von absoluten Werten kommt man nun auf folgende, nicht mehr ganz so alarmierende, tatsächliche Zahlen: Von 1000 Frauen im Alter von 50 Jahren, die keine Hormone nehmen, erkranken laut dieser Studie 18 an einem Mammakarzinom. Von 1000 Frauen im selben Alter, die bis dahin zehn Jahre Östrogene allein schluckten, erkranken ebenfalls 18 an Brustkrebs, und von der gleichen Anzahl gleichaltriger Frauen, die zehn Jahre lang eine Kombination aus Östrogen und Gestagen einnahmen, entwickeln ebenfalls nur 18 einen Tumor in der Brust. Für diese Altersgruppe konnte die Studie also überhaupt keine Risikoerhöhung feststellen. Im Vergleich mit der Zahl von Mammakarzinomen, die auch ohne die Medikamente entstehen, ist die Zahl der zusätzlichen Krebsfälle durch eine Hormontherapie welcher Art auch immer gleich null. Anders sieht es jedoch bei älteren Frauen aus. Von 1000 Frauen im Alter von 60 Jahren, die keine Hormone nehmen, erkranken laut dieser heftig und kontrovers diskutierten Studie 38 an Brustkrebs, also 20 mehr als in der Gruppe der um zehn Jahre jüngeren Frauen. Was im einzelnen Fall natürlich extrem tragisch, aber dennoch absolut logisch ist, schließlich ist Krebs primär eine Alterserkrankung. Von 1000 Frauen im Alter von 60 Jahren,
die zehn Jahre lang bereits Östrogene schlucken, entwickeln 43 ein Mammakarzinom und von 1000 Frauen mit 60, die zehn Jahre lang Östrogen und Gestagen schlucken, erkranken 57 daran. Was müsste man also aufgrund dieser Studie, die nicht nur in Österreich zahlreiche Patientinnen verunsichert hat, einer Frau mit 60 Jahren sagen, die bereits seit zehn Jahren Östrogene gegen ihre Wechselbeschwerden geschluckt hat? Man müsste ihr sagen, dass von 1000 Frauen in ihrer Altergruppe laut Statistik bei 38 Frauen wahrscheinlich ein Mammakarzinom diagnostiziert wird. Und dass sich dieses Risiko durch die zehnjährige Hormonersatztherapie vermutlich um fünf Fälle erhöhen wird – also um 0,5 Prozent. Und hätte sie über diesen Zeitpunkt hinweg eine Kombinationstherapie mit Östrogen und Gestagen erhalten, wäre das absolute Risiko um knapp zwei Prozent gestiegen. Derart ausgewertet und betrachtet erscheint das Risiko einer Hormonersatztherapie doch ein klein wenig anders als mit der drastischen Angabe, dass eine solche Behandlung das Brustkrebsrisiko um 66 Prozent erhöht, die damals in den meisten Medien für Schlagzeilen und unter Patientinnen für entsprechende Panik gesorgt hat. Es gibt aber noch einige andere Kritikpunkte anzuführen. Im Gegensatz zu allen bisherigen Studien und Publikationen war in der OMWS das Risiko, an einem Mammakarzinom zu sterben, um derartige Dimensionen erhöht, dass sämtliche Forscher, die bisher Studien zu diesem Thema angestellt hatten, unfähige Stümper hätten sein müssen. Denn derartig gigantische Risikoerhöhungen hätten schon früher erkannt werden müssen. Im Gegensatz zu allen anderen vorangegangenen Studien ließen die Ergebnisse der OMWS vermuten, dass die Inzidenz von Brustkrebs bereits bei einer Hormoneinnahme über 2,4 Jahre hindurch ansteigen könnte. Die Teilnehmerinnen an der Studie hatten im Durchschnitt jedoch schon eine rund sechsjährige Hormoneinnahme hinter sich, als die Studie begann. Ebenso in Gegensatz zu allen bisherigen Untersuchungen war in der OMWS das Risiko auch bei anderen, synthetischen Hormonen wie beispielsweise Tibolon erhöht. Diese Ergebnisse, die in keinen anderen Studien nachvollziehbar waren und sind, ließen darauf schließen, dass sowohl schwere methodische Fehler als auch, bedingt durch das Studiendesign, Fehler in der Auswahl des Patientinnenkollektivs gemacht worden sind – zum Beispiel eine nicht ausgewogene Verteilung aller bekannten, aber insbesondere aller unbekannten Risikofaktoren, damit die Studienteilnehmerinnen überhaupt repräsentativ sind und die Ergebnisse auf alle betroffenen Frauen umgelegt werden können. Selbst die Studienautoren konnten die zahlreichen Kritikpunkte bis heute nicht ausräumen. Dennoch ist eines passiert: Die Ergebnisse machten Schlagzeilen, viele Frauen brachen auf Grund der darauf folgenden öffentlichen Diskussion, die auch zu einem Streit unter Medizinern führte, aus Verunsicherung und Angst ihre laufende Hormonersatztherapie sofort ab. Doch auf Grund der danach wieder auftretenden starken klimakterischen Beschwerden entschloss sich rund die Hälfte dieser Frauen in den Folgemonaten, doch wieder zu einer solchen Therapie. Weil ihre Lebensqualität ohne Behandlung so stark herabgesetzt war, dass sie in ihrem täglichen Leben deutlich beeinträchtigt waren. Der Hormonstreit, ausgelöst durch die einseitige Darstellung der Ergebnisse der OMWS, muss auch unter einem ökonomischen Gesichtspunkt betrachtet werden: Allein in Österreich fallen derzeit nach Auskunft der Statistik Austria 753.371 Frauen in das betroffene Alter zwischen 50 und 64 Jahren. Mehr als 20 Prozent von ihnen erhalten eine Hormonersatztherapie. 2,6 Millionen derartiger Verordnungen kosten die Krankenkassen jährlich 23,8 Millionen Euro. Ziemlich viel Geld für das öffentliche Gesundheitssystem, dem es fi nanziell ohnedies nicht besonders gut geht. Kein Wunder, dass gerade Gesundheitspolitiker und von der öffentlichen Hand unterstützte Organisationen gegen die Hormonersatztherapie Sturm liefen. Auf der anderen Seite darf natürlich auch nicht verschwiegen werden, dass sehr viele Ärztinnen und Ärzte und vor allem die Pharmaindustrie sich mit dieser Therapie eine goldene Nase verdienen. Da sehr viele Frauen als Privatpatientinnen die Hormone nicht über eine Kassenabrechnung beziehen, muss davon ausgegangen werden, dass noch etliche Millionen Euro mehr als die oben erwähnten knapp 24 Millionen für diese Medikamente jährlich ausgegeben werden. Jedenfalls stellt sich die Frage nach dem Stellenwert einer Hormonersatztherapie für die Zukunft. Nach den heutigen modernen Erkenntnissen führt eine Hormonersatztherapie in der Menopause zu einer geringen Risikoerhöhung für ein Mammakarzinom, sowohl bei Substitution von Östrogenen alleine, als auch bei einer Kombination von Östrogenen mit Gestagenen – hier wird das Risiko sogar stärker erhöht. In jedem Fall müssen Frauen von ihren Ärztinnen und Ärzten objektiv und umfassend über Nutzen und Risken aufgeklärt werden, in letzter Konsequenz sollte es dann in der freien Entscheidung der Frauen liegen, den zu erwartenden Nutzen und das zu befürchtende Risiko gegeneinander abzuwägen. Insbesondere beim Vorliegen weiterer Risikofaktoren für eine Brustkrebser- Hormone und Brustkrebs krankung sollte heute mit einer Empfehlung für eine Hormonsubstitution sehr zurückhaltend umgegangen werden. Gerade hier liegt ein Schwerpunkt der Zukunft: Es müssen postmenopausale Frauen, deren zusätzliche Risikofaktoren sich mit jenen einer Hormonersatztherapie potenzierten, rechtzeitig erkannt werden. Diese Möglichkeiten haben Ärztinnen und Ärzte wenigsten zu einem Teil bereits heute, sie müssen nur angewendet werden. Die Behandlung der Wechselbeschwerden mit einer Hormonersatztherapie daher zu verteufeln hält beispielsweise auch Peter Nawroth, der Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Endokrinologie an der renommierten medizinischen Universität Heidelberg, für ebenso falsch, wie einen Lobgesang auf die Hormone anzustimmen. Der Wissenschaft müsse es endlich gelingen, exakt herauszufi nden, welcher Frau diese Therapieform nutzt und welcher sie schadet, konstatiert er in der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Zwei Dinge scheinen heute jedoch klar geworden zu sein: In der Vergangenheit wurden zu vielen Frauen Hormone verabreicht, vielfach auf Wunsch und Drängen der Frauen selbst, denen die Therapie von Medizinern als Jungbrunnen verkauft wurde. Und die Tatsache, dass eine Kombinationstherapie von Östrogenen und Gestagen ein noch größeres Risiko in sich birgt, als Östrogen allein, muss Auswirkungen auf die Praxis haben. Denn postmenopausalen Frauen, denen die Gebärmutter (Uterus) nicht entfernt wurde – und das sind viele –, hat man bisher selten Östrogen allein gegeben, das galt mitunter fast als Kunstfehler: Weil man annahm, dass Östrogen allein das Gebärmutterkrebsrisiko fördert, kombinierte man fast immer. Diese Praxis muss jetzt neu überdacht werden. Dennoch: Für viele Frauen sind Hormone das Einzige, um Wechselbeschwerden wie Wallungen, Nachtschweiß, Scheidentrockenheit, Juckreiz, Libidoverlust, Schlafstörungen und andere die Lebensqualität gravierend beeinträchtigende Befi ndlichkeitsstörungen zu lindern. Wie aber kommt es überhaupt zum Versiegen der Hormonproduktion? Das Keimgewebe der Eierstöcke verbraucht sich während der Zeit der Geschlechtsreife. Beide Ovarien enthalten bei der Geburt etwa eine Million Eizellen, bis zur Menopause sind etwa 99 Prozent verbraucht. Enthalten die Ovarien keine reaktionsfähigen Eifollikel mehr, büßen sie auch die Fähigkeit zur Hormonbildung ein, es versiegt die Östrogenbildung. Die Fruchtbarkeit versiegt. Das hat auch einen logischen Grund: Wie oben ausgeführt, ist die heutige Lebenserwartung primär durch äußere Faktoren derart in die Länge gezogen worden, nicht jedoch durch biologische. Die Evolution hinkt dabei dem technischen Fortschritt nach, genetisch bedingt und physiologisch umgesetzt, hört der weibliche Organismus mit dem Eintritt ins Klimakterium auf, derart viel Energie für die biologische Möglichkeit einer nochmaligen Schwangerschaft aufzubringen, da der nicht mehr damit rechnet, seine Nachkommen bis zu deren Selbständigkeit betreuen zu können. Warum also hier noch investieren? Zu dumm nur, dass der medizinische und technische Fortschritt sowie eine ausgewogenere Ernährung die Lebensspanne derart stark nach hinten ausgedehnt hat. Das führt natürlich zu Beschwerden. Was hier vielleicht nach einem darwinistisch-reduktionistischen Frauenbild aussieht, wird in der Wissenschaft zusehends ernst genommen. Die Fruchtbarkeit einer evolutionären Sicht medizinischer Probleme wurde und wird auch zur Zeit noch stark unterschätzt. Ein Beispiel dafür ist das anscheinend erst vor nicht zu langer Zeit einsetzende Ansteigen der Häufi gkeit von Brustkrebs in westlichen Industriegesellschaften. Eine ganze Reihe von möglichen Ursachen dafür werden diskutiert, wie in diesem Buch bereits ausgeführt wurde. Der US-Anthropologe Boyd Eaton und seine Kollegen von der Emory Universität in Atlanta, Georgia, vermuten jedenfalls, dass dieser Anstieg mit dem Hormonstatus von Frauen zusammenhängt und suchen die Ursache in den Änderungen der Lebensweise von Frauen in modernen Gesellschaften, obwohl sie die Evolution nur an ein Leben in urzeitlichen Jäger-Sammler-Gesellschaften angepasst hat. In solchen primitiven Gesellschaften wurden Mädchen mit etwa 15 Jahren geschlechtsreif und bald darauf schwanger. Was darauf folgte waren zwei oder drei Jahre Stillen, auf die wieder eine weitere Schwangerschaft folgte. Nur in der Zeit zwischen dem Abstillen und der nächsten Schwangerschaft lebten die Frauen mit normalen Menstruationszyklen und damit auch mit enormen Schwankungen in ihrem Hormonspiegel. Im Gegensatz dazu werden Mädchen in modernen Gesellschaften mit zwölf oder dreizehn Jahren geschlechtsreif. Vielleicht zum Teil deshalb, weil in der heutigen Konsumgesellschaft selbst sehr junge Mädchen bereits so viel Fett angesammelt haben, dass sie einen Fetus ernähren könnten. Doch sie werden dann erst Jahrzehnte später oder vielleicht nie schwanger. Eine Frau, die in einer JägerSammler-Gesellschaft lebte, erlebte insgesamt vielleicht 150 Menstruationszyklen, während es bei einer Frau in einer modernen Gesellschaft 450 oder mehr Zyklen sind. Natürlich wird es nur wenige Leute geben, die vorschlagen würden, dass junge Frauen schon als Teenager schwanger werden sollten, weil das später ihr Krebsrisiko vermindert. Aber es könnte doch sein, vermutet diesbezüglich der US-Evolutionsforscher Georges C. Williams von der Universität von Kalifornien in Los Angeles, dass eine frühe Hormonzufuhr von außen, welche eine Schwangerschaft simuliert, dieselbe Wirkung hat. Nur müssten dazu eben solche synthetischen Hormone entwickelt werden, die kein Erkrankungsrisiko mit sich bringen. Entsprechende Forschungen werden derzeit bereit unternommen. Read the full article
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Förderung der psychischen Gesundheit und Verhütung psychischer Störungen
Positive psychische Gesundheit ist ein Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen und produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen (1). Psychische Gesundheit ist ein globales öffentliches Gut, ein wesentlicher Teil der Gesundheit und des Wohlbefindens der Bürger in Europa und ein grundlegendes Menschenrecht; sie ist eine Voraussetzung für ein lebensfähiges, sozial verantwortungsbewusstes und produktives Europa, sie verstärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Sozialkapital und verbessert die Sicherheit des Lebensumfelds (2). Psychische und verhaltensbedingte Störungen treten in allen Altersgruppen, in allen Regionen, Ländern und Gesellschaften auf und belasten zu jeder Zeit 10% der Erwachsenenbevölkerung (1). Mehr als jeder Vierte wird im Laufe seines Lebens eine psychische Störung entwickeln. Im Jahr 2002 machten in der Europäischen Region neuropsychiatrische Leiden über 20% der gesundheitlichen Defizite und der Frühsterblichkeit aus; unipolare Depressionen allein waren für über 6% der in behinderungsbereinigten Lebensjahren (DALYs) ausgedrückten Krankheitslast verantwortlich (3). Psychische Gesundheitsdefizite sind auch bei Menschen mit physischen Erkrankungen häufig anzutreffen, z. B. leiden 22% der Patienten mit Myokardinfarkt, 27% der Diabetiker und 33% der Krebskranken an schweren Depressionen (4). Psychische Erkrankungen stellen aber nicht nur eine gesundheitliche Belastung dar, sondern verursachen auch weitreichende, langfristige und enorm hohe soziale und wirtschaftliche Kosten. Die wirtschaftlichen Kosten psychischer Gesundheitsdefizite belaufen sich schätzungsweise auf 3% bis 4% des Bruttoinlandsprodukts (4). Neben den Kosten, die im Gesundheits- und Sozialwesen anfallen, dem Verlust an Arbeitsmöglichkeiten und dem Produktivitätsausfall, den Auswirkungen auf Familien und Betreuer und auf den Umfang von Kriminalität und die öffentliche Sicherheit sowie neben den negativen Folgen für die Frühsterblichkeit wurden viele andere, nicht messbare Kosten noch gar nicht berücksichtigt, wie z. B. die Opportunitätskosten, die dem Einzelnen und den Angehörigen entstehen (1). Die Kosten der Untätigkeit Psychische Gesundheitsdefizite gefährden die Gesundheit der Bevölkerung, die Lebensqualität und die Stabilität in Europa. Die direkten und indirekten Konsequenzen psychischer Störungen führen zu ungeheuren gesundheitlichen und sozialen Belastungen, u. a. zu Diskriminierung und Marginalisierung, zu einem Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhalts und zu negativen wirtschaftlichen Auswirkungen (5). Die Behandlung psychischer Störungen kann durchaus wirksam sein, aber erst, nachdem die Krankheit offenbar geworden ist und die Betroffenen sowie deren Angehörige bereits gelitten haben. Psychische Gesundheit lässt sich nicht allein durch Behandlung erreichen. In zwei neuen Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden wissenschaftlich erhärtete Beweise dafür vorgelegt, dass die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung von psychischen Störungen wirksam zu gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen führen können (6,7). Eine Politik in diesem Bereich sollte neben Behandlung und Rehabilitation auch die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Störungen vorsehen. Das würde die Gesundheit, die Entfaltungsmöglichkeiten des einzelnen Menschen und das Sozialkapital der europäischen Gesellschaften verbessern. Leider wurden bisher in Europa nur sehr wenige evidenzbasierte Konzepte für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Prävention psychischer Störungen in die Praxis umgesetzt. Die Herausforderungen Eine wesentliche und als erste zu bewältigende Aufgabe ist die Aufstellung einer umfassenden Strategie für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Störungen, wenn die Länder imstande sein sollen, psychische Gesundheitsprobleme zu bekämpfen und die psychische Gesundheit der Bürger in der Europäischen Region der WHO zu fördern. Eine zweite große Herausforderung ist mit dem Umsetzungsprozess verknüpft, der auch die Berücksichtigung und Förderung der organisatorischen Infrastruktur einschließen und die für eine langfristige und nachhaltige Erhaltung evidenzbasierter Programme erforderlichen Konzepte sicherstellen muss. Außerdem geht die psychische Gesundheit alle an, es handelt sich dabei nicht nur um ein eng auf diesen Bereich beschränktes Problem oder um ein Anliegen der öffentlichen Gesundheit, sondern auch um ein für die Politik insgesamt relevantes Thema. Die Förderung der psychischen Gesundheit ist eine gemeinsame Aufgabe, gesundheitliche und wirtschaftliche Zugewinne lassen sich durch die Unterstützung und das Handeln vieler verschiedener gesellschaftlicher Sektoren erzielen. Die dritte Aufgabe besteht deshalb darin, Querverbindungen u. a. zu den Ressorts Umwelt, Soziales, Arbeit, Bildung, Strafrecht und Wohnen zu knüpfen und sich deren Unterstützung zu sichern. Nicht zuletzt lässt sich psychische Gesundheit nur fördern und psychische Störungen lassen sich nur verhüten, wenn es gelingt, eine Atmosphäre der Achtung und des Schutzes grundlegender bürgerlicher, politischer, wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Rechte zu schaffen. Ohne die durch diese Rechte gewährleistete Sicherheit und Freiheit lässt sich ein hohes Gesundheitsniveau nur schwer aufrechterhalten. Das Recht auf psychische Gesundheit ist in einer Reihe von internationalen Vereinbarungen verankert und sollte von den Ländern respektiert werden. Lösungen schaffen Die Evidenzgrundlage Mittlerweile ist wissenschaftlich belegt, dass richtig umgesetzte Maßnahmen und Ansätze, die auf eine Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Störungen abzielen, wirksam sind und zu einer ganzen Bandbreite positiver gesundheitlicher, sozialer und wirtschaftlicher Resultate führen (6,7). Dazu zählen beispielsweise Maßnahmen, die auf Säuglinge und Kinder bis zu sechs Jahren und auf Schulkinder zugeschnitten sind, sich gegen Kindesmissbrauch bzw. -misshandlung und gegen die Vernachlässigung von Kindern, gegen Verhaltensstörungen, Gewalt und Aggression und gegen den lebenslangen Gebrauch von Suchtmitteln richten, die elterliche Unterstützung fördern und Stress, Angst und Depression bekämpfen. Beispielsweise können fehlende Unterstützung vonseiten der Eltern, Kindesmissbrauch und -misshandlung und psychische Krankheit der Eltern während der Säuglingszeit und frühen Kindheit dazu führen, dass jemand später im Leben unter Depressionen und Angstzuständen leidet und diese auch auf die nächsten Generationen übertragen werden, während Geborgenheit und Unterstützung durch die Familie solche Risiken verringern können. Eine wirksame Unterstützung und Aufklärung der (künftigen) Eltern, die bereits während der Schwangerschaft einsetzen muss, haben bewirkt, dass Kinder Schwierigkeiten besser überwinden und bessere schulische Leistungen erzielen konnten, dass sie sich psychisch besser fühlten und im späteren Leben ein geringeres Risiko liefen, unter Angstzuständen und Depressionen zu leiden. Grundsatzmaßnahmen im Gesundheitssektor, aber auch in anderen Ressorts, und die allgemeine Politik in Bereichen wie Verkehr, Bildung, Stadtplanung, Gesundheitsversorgung, Ernährung und Arbeit können ebenfalls wesentliche Verbesserungen für die psychische Gesundheit der Bevölkerung bewirken (2). Zum Beispiel haben sowohl die Menge wie die Qualität der Arbeit starken Einfluss auf mit der psychischen Gesundheit zusammenhängende Faktoren wie Einkommen, soziale Netze und Selbstachtung. Ein ungesicherter Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit und qualitativ unbefriedigende Arbeit gefährden dagegen die psychische Gesundheit und verstärken Angst und Depression. Fortbildungsangebote und Schulung im Hinblick auf das Schreiben von Bewerbungsanträgen können dazu beitragen, dass Risikogruppen auf dem Arbeitsmarkt leichter wieder Fuß fassen und bessere sowie besser bezahlte Arbeit finden, bei der Stellensuche erfolgreicher sind und weniger Depressionen und psychische Belastungen erleben. Staatliche Wirtschaftsmaßnahmen, die die Höhen und Tiefen des Konjunkturzyklus auffangen können, und eine Arbeitsplatzpolitik, die z. B. Jobsharing, eine Herabsetzung der Arbeitszeit und die Sicherung des Arbeitsplatzes in wirtschaftlich schwierigen Zeiten vorsieht, verringern das Risiko des Arbeitsplatzverlustes, von Arbeitslosigkeit und deren Folgen für die psychische Gesundheit. Planung von Präventions- und Förderungsmaßnahmen im Bereich psychische Gesundheit Die Länder der Europäischen Region der WHO sollten konkrete Pläne oder umfassende Strategien für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung von psychischen Störungen aufstellen, die auf jeder Ebene von dem jeweils höchsten politischen Organ gebilligt werden müssten. Die Maßnahmen müssen das gesamte Leben der Menschen umfassen, sie müssen Kindern und Familien einen gesunden Lebensanfang sichern; die kindliche Fähigkeit zur Bewältigung schwieriger Lebenssituationen muss durch schulische Maßnahmen gestärkt werden, und andere Maßnahmen müssen auf die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Störungen bei Erwachsenen und unter alten Menschen abzielen. Die finanziellen Mittel könnten beispielsweise aus einem speziellen Fonds für psychische Gesundheit kommen, der durch Einnahmen aus Tabak- und Alkoholsteuern finanziert werden könnte. Um den zu erwartenden Herausforderungen gerecht werden zu können, müsste die Entwicklung einer wirksamen Politik zur Förderung der psychischen Gesundheit außerdem abgestützt werden durch: ● Kompetenzbildung und die Einbeziehung anderer Sektoren sowie von Laien, ● eine effiziente Umsetzung, ● die Evaluierung und laufende Verfolgung der Umsetzung und der Resultate, ● Gesundheitsfachkräften in ihrer Ausbildung das relevante Wissen, die Überzeugungen und praktischen Fertigkeiten vermittelt werden, die sie für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung von psychischen Störungen brauchen, ● die Sicherung der Nachhaltigkeit von Maßnahmen auf örtlicher und nationaler Ebene. Kompetenzverbesserung und Einbeziehung anderer Sektoren sowie von Laien Für die Verhütung psychischer Störungen und die Förderung der psychischen Gesundheit braucht man Fachkräfte mit breiter Grundlage sowie aufgeklärte und aktive Bürger. Die Länder der Region sollten Kompetenzverbesserungen anstreben, indem sie sicherstellen, dass: ● die in der Praxis tätigen Fachkräfte Zugang zu Fortbildungskursen haben, ● Gesundheitswissenschaftler durch ihre Ausbildung auf ihre in allen Sektoren wahrzunehmende Rolle als Befähiger, Mediatoren und Fürsprecher der psychischen Gesundheit vorbereitet werden und lernen, die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Partner zu finden und in die Arbeit einzubeziehen, ● die Ausbildung von Fachkräften anderer Disziplinen diese darauf vorbereitet zu erkennen, welche Bedeutung ihre Politik und ihr Handeln für die psychische Gesundheit der Bevölkerung haben. Man sollte interdisziplinäre Schulungsprogramme aufstellen, in denen Wissenschaftler die praktischen Forschungskompetenzen erwerben können, die sie für die Durchführung von Evaluierungen und für die Verbesserung von Qualität und Wirksamkeit der praktischen Arbeit brauchen. Nicht zuletzt müssen Laien angehalten werden, sich aktiv an der Förderung der psychischen Gesundheit zu beteiligen, und zwar nicht nur als passive Behandlungsobjekte, sondern als kompetente und stark engagierte Förderer der psychischen Gesundheit in ihren Familien, in ichrem unmittelbaren Lebensumfeld, in Schulen und an Arbeitsplätzen. Unterstützung der Umsetzung Wenn ein Programm oder ein Konzept im breiteren Rahmen umgesetzt wird, müssen die für diese Arbeit Zuständigen in Zusammenarbeit mit den für die Evaluierung Verantwortlichen die Qualität der Umsetzung sichern, die für einen Erfolg erforderlichen stützenden Elemente liefern und die Initiativen den jeweiligen kulturellen Gegebenheiten anpassen. Welche Maßnahmen für die Umsetzung einer Politik zur Förderung der psychischen Gesundheit ergriffen werden, hängt jeweils vom Verantwortungsniveau und dem bestehenden politischen Umfeld ab. Verwaltungs-, Finanz- und Steuerungsinstrumente sollten stärker genutzt werden, und das Gleiche gilt für Maßnahmen, die Umsetzung, Forschung und Fortbildung beeinflussen und unterstützen. Eine bessere Nutzung der Qualitätssicherung bei der Umsetzung und laufenden Verbesserung von Maßnahmen ist dabei unabdingbar. Sehr viel stärkere Berücksichtigung sollten auch die Mechanismen erfahren, die für die Beeinflussung, Einbeziehung und Förderung der vielgestaltigen bürgernahen Einfluss- und Entwicklungsgeflechte genutzt werden. Genau hier, auf gesellschaftlich dezentralisierter Ebene, wird man einen Großteil des Engagements und der Aktivitäten für die Förderung der psychischen Gesundheit finden. Auswertung bestehender Programme und Verträglichkeitsprüfung der Politik Die Länder der Europäischen Region sollten einen gemeinsamen Satz von Indikatoren aufstellen, verwenden und ihre Berichterstattung daran ausrichten, und zwar mit Indikatoren zur psychischen Gesundheit und zu psychischen Störungen, zu Determinanten von psychischer Gesundheit und zu Infrastruktur, Politik und Programmen, die für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung von psychischen Störungen vorhanden sind. Unbedingt bewertet werden müssen die Kosten, der Nutzen und die Wirkung von Programmen, was die Wissensgrundlage für eine wirksame Präventionsarbeit erweitert. Dabei sollte man besonders auf die Haltbarkeit, die Langzeitwirkung, die kulturelle Sensibilität und die Kostenwirksamkeit der Ergebnisse vorhandener Programme und Politikkonzepte achten und überlegen, wie sie verbessert werden könnten (7). Alle Sektoren sollten für die Auswirkungen, die ihre Politik und ihre Programme auf die psychische Gesundheit haben, verantwortlich gemacht werden und erkennen, welche Vorteile die Förderung und der Schutz der psychischen Gesundheit auch für sie selbst mit sich bringen. Deshalb müssen jede Sozial- oder Wirtschaftspolitik und die einschlägigen Programme daraufhin untersucht werden, inwieweit sie der psychischen Gesundheit zuträglich sind, und eine solche Verträglichkeitsprüfung gilt auch für Entwicklungsprojekte, die sich auf die psychische Gesundheit auswirken könnten. Wesentlich ist auch, dass bei der Umsetzung und dem Audit einer Politik zur Förderung der psychischen Gesundheit die Qualitätssicherung stärker berücksichtigt wird. Sicherung der Nachhaltigkeit Welchen Einfluss evidenzbasierte Programme auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung haben, hängt von ihrer Laufzeit ab. Die Wirksamkeit der Programme wird häufig dadurch begrenzt, dass ihrer nachhaltigen Umsetzung Widerstände entgegengesetzt werden. Im WHO-Bericht über die Verhütung von psychischen Störungen (7) wird betont, dass Maßnahmen Einige Beispiele Schottland: ein umfassender Ansatz für die Förderung der psychischen Gesundheit Das Staatliche Programm zur Verbesserung der Psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens in Schottland verfolgt mehrere Ziele (8): ● Es soll in der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Thematik psychische Gesundheit und psychische Krankheit schärfen und die psychische Gesundheit und das emotionale Wohlbefinden fördern. ● Es soll die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen und die Diskriminierung, der sich Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen immer noch gegenübersehen, beseitigen helfen. ● Es soll Selbstmorde verhindern und nach einem Selbstmord den Hinterbliebenen helfen, ihre Situation zu bewältigen. ● Es soll Menschen helfen, sich von einer psychischen Krankheit zu erholen, und sie bei diesem Prozess unterstützen. Die Arbeit des Programms erstreckt sich auf alle Lebensphasen und unterschiedliche Lebensumstände bzw. -bereiche, d. h. die ersten Lebensjahre, Kinder- und Jugendzeit, das spätere Leben, Beschäftigung und Arbeitsleben, psychische Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung und öffentliche Dienste. Das Programm repräsentiert einen nationalen Strategieansatz für die Verbesserung der psychischen Gesundheit der Bevölkerung und ist Teil einer integrierten Politik auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit, die zu gesundheitlichen Verbesserungen und zu wirtschaftlichem Reichtum und Wohlstand beiträgt und das Wohlbefinden aller Menschen fördert. Im Programm wurde eine Forschungs- und Evaluierungsstrategie eingeführt, wobei alle Hauptelemente der Arbeit einer unabhängigen Evaluierung unterzogen werden. Im Rahmen des Programms soll die Faktengrundlage für die Verbesserung der psychischen Gesundheit zusammengestellt und verbreitet werden, wobei es gleichzeitig die Weiterentwicklung der Praxis unterstützen soll. Die Programmaktivitäten werden durch eine Umsetzungsstrategie abgestützt, und die verschiedenen daran beteiligten Stellen versuchen in enger Zusammenarbeit die vorhandene Infrastruktur bestmöglich zu nutzen. Finnland: Förderung der psychischen Gesundheit von Kindern In Finnland versucht man seit 1997 im Rahmen des Europäischen Projekts zur Förderung der psychischen Gesundheit (9), in den ersten Lebensjahren Methoden zu entwickeln, mit denen man die frühzeitige Eltern-Kind-Beziehung fördern und psychosoziale Probleme in Familien mit Säuglingen und Kleinkindern wirksam verhüten kann. Zwischen 1997 und 2002 wurden in der Hälfte der Stadtgemeinden des Landes im Rahmen des nationalen Projekts über 2000 Pflegefachkräfte der Primärversorgung geschult. Zum Fortbildungsprogramm gehörte auch ein Handbuch für die Ermittlung von Risikofaktoren und zielgerichteten Maßnahmen in der Primärversorgung, das z. B. für in Kindertagesstätten und im Sozialdienst tätige Fachkräfte gedacht ist. Außerdem unterstützt das Projekt Effektive Familie (10) seit 2001 Kinder von psychisch kranken Eltern, wobei es letztlich darum geht zu verhüten, dass es bei den Kindern zu psychischen Störungen kommt. Dieses Projekt hilft Familien, ihr Leben ungeachtet der psychischen Störung eines Elternteils fortzusetzen, und unterstützt sowohl die Eltern als auch die gesunde Entwicklung und die Bewältigungskompetenz ihrer Kinder. Das Programm wurde von Fachkräften in Sozialarbeit und Gesundheitsversorgung, von verschiedenen Kooperationspartnern und Organisationen übernommen und fördert Präventionsansätze, so wie es auch die Zusammenarbeit zwischen den Diensten für Erwachsene und für Kinder unterstützt. Das Programm geht von einem psychopädagogischen Ansatz aus, der die Zusammenarbeit mit der ganzen Familie vorsieht, wobei methodisch mit der präventiven Familienintervention von Beardslee und mit der Intervention „Let’s talk about children” (Sprechen wir über Kinder) gearbeitet wird. Die Niederlande: spezialisierte Arbeitskräfte für die Verhütung psychischer Störungen In den Niederlanden gibt es im Gesundheitswesen, in Kliniken und nichtstaatlichen Organisationen ein ausgebautes System für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Störungen. Viele dieser Dienste arbeiten mit einschlägig spezialisierten Teams, die von den Kommunen oder durch das staatliche Versicherungssystem finanziert werden. Das Trimbos-Institut (11) ist das landesweite Fachinstitut für den Themenkomplex psychische Gesundheit und Suchtversorgung und fungiert in diesem Bereich als Koordinationszentrum. Es begleitet Entscheidungsträger und informiert sie hinsichtlich der Organisation, Zugänglichkeit und Qualität von Versorgungs- und Präventionseinrichtungen. Im Laufe mehrerer Jahrzehnte haben die Präventionsteams der 50 psychosozialen Gemeindezentren ein Bündel von Präventionsprogrammen erarbeitet, die in den einzelnen Verwaltungsgebieten bestehenden Bedürfnissen entgegenkommen. Die allgemeine Förderung der psychischen Gesundheit ist als gesetzliche Aufgabe der kommunalen Dienste, z. B. in Schulen, festgeschrieben. Landesweit durchgeführte Programme sind der Kurs „Mit Depression fertig werden”, der den Bedürfnissen unterschiedlicher Gruppen (z. B. von Jugendlichen, Erwachsenen, Senioren) angepasst wurde, und vorbeugende Angebote für Kinder von psychisch kranken Eltern. Zwei Universitäten bieten Kurse zum Thema Prävention von psychischen Störungen und Förderung von psychischer Gesundheit an. Die meisten der 1000 Präventionsexperten haben Weiterbildungskurse absolviert und sind Mitglieder des Niederländischen Verbands für Prävention und Gesundheitserziehung. Die Entwicklung, Evaluierung und Umsetzung evidenzbasierter Programme im Bereich psychische Gesundheit wird durch das landesweite Forschungsprogramm des Rates für Gesundheitsforschung und gesundheitliche Entwicklung systematisch gefördert. Europa: das Aktionsnetz Umsetzung von Gesundheitsförderung im Bereich psychische Gesundheit (IMHPA) Unter Beteiligung von 28 Ländern und mit der Europäischen Kommission als Mitsponsor bietet der Verbund für die Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit eine europäische Plattform, die die Unterstützung der Festsetzung von Grundsatzprioritäten mit der Verbreitung von evidenzbasiertem Wissen über Präventionsarbeit und Gesundheitsförderung im Bereich psychische Gesundheit vereint. Das IMHPA hat einen europäischen Aktionsplan für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Störungen aufgestellt, d. h. einen Grundsatzrahmen zur Ermittlung absolut vorrangiger Grundsatzinitiativen für die Verbesserung der psychischen Gesundheit, die nach ihrer nachweislichen Effizienz und den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten ausgewählt werden (2). Im Aktionsplan wird der entsprechende Handlungsbedarf erläutert und die Faktengrundlage erfolgreicher Ansätze und Umsetzungsstrategien für jede Grundsatzoption dargelegt, was einen Rahmen für die Entwicklung wirksamer Aktionspläne auf nationaler oder regionaler Ebene liefert. Das IMHPA stellt auch ein Webregister von in ganz Europa zu findenden evidenzbasierten Interventionen für die Förderung der psychischen Gesundheit und die Prävention psychischer Störungen zusammen, in dem Programme, Resultate und Grundzüge der Umsetzung erläutert werden. Zur Unterstützung der Verbreitung und Umsetzung dieser Interventionen und als Anregung für nationale Partnerschaften und Maßnahmen knüpfen die nationalen Ansprechpartner des Verbunds Länderbündnisse, in die Gesundheitsfachkräfte unterschiedlicher Ebenen einbezogen werden. Solche Bündnisse dienen dem Austausch von Informationen über die Förderung der psychischen Gesundheit und die Verhütung psychischer Störungen, der Stärkung der Zusammenarbeit sowie als Motor der Entwicklung auf nationaler und regionaler Ebene. Einbeziehung interessierter Akteure Partner für die Arbeit zur Förderung der psychischen Gesundheit gewinnen Soll es gelingen, multisektorale Konzepte und Maßnahmen für die psychische Gesundheit zu erarbeiten und zusammenzubringen, muss eine Vielfalt von Partnern in diese Arbeit einbezogen werden. Es sollte auf allen Ebenen Strukturen und Prozesse geben, die es leichter machen, die Zusammenarbeit aller Akteure und Sektoren zu harmonisieren. Viele dieser potenziellen Partner sind sich nicht bewusst, welche Vorteile es ihnen einbringen kann, wenn sie in die Förderung der psychischen Gesundheit investieren. Deshalb müssen die Probleme überwunden werden, die sich durch sektorale Alleingänge und organisatorische Sonderziele, Budgets und Aktivitäten ergeben; ein solches Problem sind die fehlenden Mechanismen, die es ermöglichen würden, Partner in eine systematische Zusammenarbeit einzubinden. Der Gesundheitssektor kann hier eine Führungsrolle übernehmen, indem er eine aktive Förderung der psychischen Gesundheit betreibt, als Fürsprecher der psychischen Gesundheit auftritt und andere Sektoren ermutigt, sich mit gemeinsamen Zielen und Ressourcen an multisektoralen Aktivitäten zu beteiligen. Solche Partnerschaften sind auf unterschiedlichen Ebenen (international, in den einzelnen Ländern, regional und örtlich) erforderlich und müssen eine Vielfalt von Akteuren einbeziehen: staatliche und nichtstaatliche Stellen, Fachkräfte innerhalb und außerhalb des Gesundheitssektors, Industrie und Privatsektor, die Medien und die Zivilgesellschaft. Die Einbindung aller Sektoren ist unabdingbar, wenn sichergestellt sein soll, dass die Programme Prioritäten widerspiegeln, breite Unterstützung finden und auf Dauer tragfähig sind. Alle diese Initiativen konzentrieren sich auf die Entwicklung von partizipatorischen Planungsmodellen wie gesetzlich verankerten Ausschüssen und Räten mit Langzeitmandat, formalen Partnerschaftsgruppierungen, Sonderarbeitsgruppen sowie informelleren und zur Lösung bestimmter Aufgaben gebildeten Partnerschaften. Insbesondere sind nichtstaatliche Organisationen unentbehrliche Partner für die Sicherung der rechenschaftspflichtigen Verantwortung im Bereich psychische Gesundheit; sie sind ein lebenswichtiges Element einer jeden modernen Zivilgesellschaft, weil sie das Bewusstsein für Probleme und Anliegen der Menschen schärfen, für Veränderungen eintreten und einen Grundsatzdialog provozieren. Besonders wichtig sind die Organisationen, die sich mit Bürgerrechtsfragen, mit kulturellen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rechten befassen, u. a. für die Rechte von Kindern, religiösen oder ethnischen Minderheiten und von Menschen mit physischen oder psychischen Behinderungen eintreten. Ihre Rolle bei der Förderung der psychischen Gesundheit und der Verhütung psychischer Störungen sollte gestärkt werden. Read the full article
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