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Literaturgeschichte
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litgesch · 2 days ago
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Goethes Reise nach Potsdam 1778
Goethes Reise nach Potsdam im Mai 1778 war ein eher kurzer und pragmatischer Aufenthalt, der im Rahmen einer größeren Reise mit Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach stattfand. Es handelte sich dabei weniger um eine Vergnügungsreise, sondern um eine diplomatische Mission des Herzogs im Vorfeld des drohenden Bayerischen Erbfolgekrieges zwischen Preußen und Österreich.
Details und Hintergründe dieser Reise
1. Der Anlass und die Begleitung:
Goethe reiste als Begleiter von Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach. Carl August wollte in Berlin und Potsdam diplomatische Sondierungen durchführen und sich über die politische Lage informieren. Diese Mission war wohl auch der Grund für Goethes eher spärliche und stichpunktartige Tagebucheinträge, da er diplomatische Hintergründe nicht offen dokumentieren wollte oder durfte.
2. Die Aufenthalte in Potsdam:
Hinfahrt (15. Mai 1778): Bereits auf dem Weg nach Berlin legten Goethe und Herzog Carl August am 15. Mai 1778 in Potsdam eine Rast ein. Sie übernachteten im Gasthaus "Prinz von Preußen", das in unmittelbarer Nähe des Stadtschlosses lag.
Rückreise (20. bis 23. Mai 1778): Nach ihrem sechstägigen Aufenthalt in Berlin kehrten sie vom 20. bis 23. Mai 1778 nach Potsdam zurück. Aus Goethes Tagebuch geht hervor, dass er auch Schloss und Park Sanssouci sowie die Bildergalerie besuchte. Er unternahm zudem einen morgendlichen Ausritt zum Jagdschloss Stern am 22. Mai, was er in seinem Tagebuch mit "22 Sternhaus früh." festhielt. Dies zeigt, dass selbst ein damals eher abgelegener Ort schon eine gewisse touristische Anziehungskraft besaß.
3. Goethes Eindrücke und Beobachtungen:
Goethes schriftliche Aufzeichnungen dieser Reise sind, wie bereits erwähnt, sehr knapp. Er notierte Stichworte, Abkürzungen und Geheimzeichen, kaum vollständige Sätze. In einem Brief an Charlotte von Stein schrieb er über den Aufenthalt in Potsdam auf der Rückreise etwas poetischer: "Potsdam d. 21. Durch einen schönen Schlaf hab ich meine Seele gereinigt. Gestern Abend sind wir wieder hier angekommen. Wir wollen uns noch umsehen und dann wohl morgen weiter, Mein Verlangen steht sehr vorwärts nach hause.1 [...]"
4. Das Nicht-Treffen mit Friedrich II.:
Obwohl Friedrich der Große zu dieser Zeit in Potsdam war, kam es zu keiner persönlichen Begegnung mit Goethe. Die Gründe dafür sind vielfältig:
Friedrichs Desinteresse an deutscher Literatur: Friedrich II. bevorzugte die französische Sprache und Literatur. Er schätzte die aufstrebende deutsche Literatur, insbesondere die des jungen "Sturm und Drang", kaum und soll den "Götz von Berlichingen" sogar kritisiert haben, ohne jedoch Goethe direkt zu nennen.
Diplomatischer Kontext: Der Aufenthalt des Herzogs war vor allem politischer Natur, und eine Begegnung mit dem preußischen König hätte möglicherweise eine andere Dimension gehabt.
Friedrichs Alter und Lebensstil: Friedrich war zu diesem Zeitpunkt bereits 66 Jahre alt und hatte sich weitgehend in sein Refugium Sanssouci zurückgezogen. Seine Prioritäten lagen in der Staatsführung und militärischen Angelegenheiten, nicht im Empfang von Dichtern, die er nicht schätzte.
Überwachung: Es wird auch spekuliert, dass Goethe auf dieser Reise absichtlich wenig schriftlich festhielt, da er wusste, dass Friedrich die Post überwachen ließ.
5. Zeitgenössische Wahrnehmung:
Goethes viel zitierte Urteile über Berlin und Potsdam aus dieser Zeit sind oft aus seinen knappen Notizen interpretiert worden. Es gab auch Bestrebungen, Goethes Eindrücke ins rechte Licht zu rücken und hergebrachte Irrtümer zu zerstreuen, beispielsweise in Publikationen wie "Goethe in Berlin und Potsdam" von Otto Pniower (1925, Neuauflage 2021).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Goethes Reise nach Potsdam 1778 ein interessantes, wenn auch nicht ausführlich dokumentiertes Kapitel in seinem Leben darstellt. Sie war geprägt von diplomatischen Hintergründen und Goethes persönlichen Beobachtungen der Residenzstadt, ohne dass es zu der oft erhofften Begegnung mit dem legendären Preußenkönig kam.
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