Tumgik
myvoicemyvoice · 2 years
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Frühling.
Ich sitze an meinem Küchenfenster und sehe, wie es langsam hell wird. Es ist kalt und die Vögel singen. An den Bäumen zeigen sich die ersten Knospen. Es ist ganz ruhig, Sonntag morgen. Die Welt ist so friedlich.
Der Kaffee ist fertig, die Kaffeemaschine faucht ein wenig. Ich mag es, wenn am Sonntag morgen die Kaffeemaschine faucht. Ich gieße mir den Kaffee in meinen Becher und gehe ins Arbeitszimmer. Morgens schreibe ich immer ein bisschen, auch das gehört am Sonntag dazu.
Bevor ich mich an den Schreibtisch setze, blicke ich hinaus auf die Straße. Auf der anderen Straßenseite tobt der Krieg. Ich sehe einen Häuserblock mit ein paar Schusswunden, schwarz umrandet wie Wundbrand im Beton. Direkt über einem der schwarzen Löcher gibt es einen Balkon mit Blumen in Blumenkästen. Das sieht schön aus, die Blumen an der Balkonbrüstung. Wenn man es schafft, das schwarze Loch darunter nicht zu sehen.
Vor dem Häuserblock stehen ein paar ausgebrannte Autowracks. Ich denke daran, wie sehr die Menschen ihre Autos lieben, sie sind sicher sehr enttäuscht, dass nur noch Wracks übrig geblieben sind.
Aus dem Haus kommen Menschen mit Rollkoffern, die Flüchtlinge, die man jetzt Geflüchtete nennt. Im Hauseingang bleiben sie stehen und gucken unsicher in Richtung Himmel, ob vielleicht gerade eine Rakete angeflogen kommt, die sie töten will.
Aber jetzt kommen keine Raketen. Vielleicht machen die Menschen, die mit Raketen schießen, gerade eine Pause. Vielleicht sitzen sie gerade da, wo die Raketen abgeschossen werden, an einem Tisch, trinken Kaffee wie ich und rauchen eine Zigarette. Vielleicht genießen sie die Ruhe am Sonntag morgen, bevor sie die nächste Rakete abschießen.
Ich stelle mir vor, dass diese Raketen abgeschossen werden wie Silvesterraketen, dass es eine riesengroße Champagner Flasche gibt, in die sie die Rakete stecken, dann halten sie ein Feuerzeug an eine sehr kurze Zündschnur und es zischt, bis sich die Rakete aus der Flasche nach oben bewegt, um noch ein Loch in ein Haus zu machen und ein paar Menschen zu Geflüchteten werden zu lassen.
Das ist der Krieg, er ist ganz interessant. Ich habe noch nie Krieg so nahe gesehen. Es gab mal einen in der Nähe des Supermarkts, aber den konnte ich nicht sehen, er war zu weit weg. Irgendwo ist immer Krieg, das ist schon so, seit ich lebe. Aber wenn er zu weit weg ist, vergisst man ihn einfach. Man muss ja auch irgendwie weiterleben, und Vergessen ist immer eine gute Wahl.
Wir alle hier, meine Nachbarn und ich, sind dann zu einem anderen Supermarkt gegangen, wo kein Krieg war, und da haben wir Öl, Nudeln und Toilettenpapier gekauft, falls wir das mal brauchen. Man weiß ja nie.
Die meisten Geflüchteten kommen nicht auf unsere Seite der Straße. Eigentlich sind es noch Flüchtende, sie sind ja nicht nicht fertig mit dem Flüchten, sie sind ja mittendrin. Wenn mal einer von ihnen rüber auf unsere Seite kommt, gibt ihm meine Nachbarin ein kleines Paket mit einer Zahnbürste, einem Waschlappen und einem Schokoriegel, damit sie sehen, wir kümmern uns. Für die Kinder hat sie bunte Kuscheltiere. es sind ja die kleinen Gesten der Menschlichkeit, die zählen.
Gegen den Krieg dürfen wir nichts machen, das hat die Regierung verboten. Sonst trifft uns eine Hyperschall Rakete, und dann gibt es auch in unserem Haus Löcher unter den Balkons, und das will keiner. So gucken wir einfach zu und machen uns Sorgen.
Krieg drüben auf der Straßenseite ist ein bisschen wie Fernsehen, die Bilder kennen wir schon aus verschiedenen Antikriegsfilmen. Aber irgendwie ist Krieg auch anders. Ich musste eine Weile überlegen, bis ich den Unterschied gefunden hatte. Im Fernsehen hat der Krieg immer ein Ende, jeder Film erzählt eine Geschichte. Meistens gibt es einen Helden, und gegen Ende der Geschichte hat der Held etwas erreicht, manchmal auch nicht. Aber auf jeden Fall ist die Geschichte zuende, und die Nachrichten kommen, danach das Wort zum Sonntag oder auch nicht.
Der Krieg gegenüber dagegen läuft völlig uninszeniert, der hat irgendwann angefangen und geht immer weiter.
Wir gehen dann weiter zur Arbeit, oder wir setzen uns zum Picknick auf den Rasen im Park hinter dem Haus, wo die Vögel singen und die Krokusse blühen, und wo man den Krieg nicht sieht.
Viele Menschen haben ihren Hund dabei, oder sie spielen Frisbee Golf auf dem Rasen. Da muss man als Spaziergänger aufpassen, dass man nicht getroffen wird. Aber wenn man ein bisschen Acht gibt, kann man im Park eine schöne Zeit haben.
Wenn wir auf dem Rasen sitzen, unterhalten wir uns eigentlich nicht über den Krieg. Wenn einer anfängt, darüber zu sprechen, was er gesehen hat, dann nicken wir, machen ein ernstes Gesicht und wechseln das Thema. Es belastet uns ja auch. Ein Glück, dass es die Krokusse und die Vögel gibt, so kann man immer auch etwas Schönes entdecken in der Welt.
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myvoicemyvoice · 2 years
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Unanswered feelings. The steampunk story.
Steam and Punk went for a walk. Steam was in love with Punk, but Punk loved only Punk and didn't care for Steam. But he was polite enough not to tell her. It was the typical steampunk romance. It lasted 42 words.
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myvoicemyvoice · 3 years
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myvoicemyvoice · 3 years
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