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#Helga Pfetsch
lillifred · 7 years
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Ich habe seit langem mal wieder einen Roman gelesen und zwar 'The Handmaid's Tale' von Margaret Atwood in der deutschen Übersetzung von Helga Pfetsch. Ich kann gar nicht beschreiben wie gut es getan hat, jetzt dieses Buch zu lesen. Inhaltlich ist es eine Dystopie in der Frauen unterdrückt werden. Die gesellschaftlichen Rollen sind exakt vorgeschrieben und lassen fast keine Freiräume zu. Jede Form von Leidenschaft gilt als unzulässig. Die Protagonistin, deren früheren Namen wir nicht erfahren, wird als handmaid in den Haushalt eines mächtigen Mannes geschickt um dort an Stelle seiner Frau ein Kind zu bekommen. Viel mehr als der Inhalt selbst hat mich aber die Sprache dieses Buchs fasziniert. Da die Ich-Erzählerin einen sehr stark reglementierten Tagesablauf hat, 'passiert' an sich nicht viel. Dafür beschreibt sie aber die Dinge, die sie wahrnehmen kann sehr genau und auch leidenschaftlich. Immer wieder wird sie durch eine Kleinigkeit an Dinge von früher (das Amerika der 80er) erinnert, Dinge die ihr früher unwichtig vorkamen und die sie nun vermisst. Sie erzählt auch von den Menschen, die ihr wichtig sind und zu denen sie nun keinen Kontakt mehr hat. Die Geschichten aus früheren Zeiten machen den Verlust, der immer mitschwingt nur noch schmerzlicher. Dabei sehnt die Protagonistin sich auch nach Berührung und der nun verpönten (freiwillig-sinnlichen) Körperlichkeit. Sie wird auf ihren Körper reduziert und doch darf sie die Bedürfnisse ihres Körpers nicht ausleben. Die Ereignisse, die sich dann in der zweiten Hälfte des Buches doch abspielen gehen nie von der Protagonistin aus sondern werden von außen an sie heran getragen. Aber vielleicht ist der Akt des Erzählens an sich ein Akt des Widerstands. Denn sie kann entscheiden, wie sie etwas erzählt, welche Assoziationen sie hervorruft, der Schönheit Raum geben, etwas hinzu erfinden. Ich habe mir sehr viele Stellen markiert, weil sie mich beeindruckt haben. Z. B.: "Er lässt die Bibel zuklappen. Sie macht ein erschöpftes Geräusch, wie eine gepolsterte Tür, die sich in einiger Entfernung von selbst schließt - ein Lufthauch. Bei dem Geräusch ahne ich, wie weich die dünnen, zwiebelschalenfeinen Blätter sind, wie sie sich zwischen den Fingern anfühlen. Weich und trocken wie papier poudre, rosa und puderig, aus der Zeit davor, man bekam es in Abreissblöckchen, um den Glanz von der Nase zu entfernen, in den Geschäften, die Kerzen und Seife in der Form von Gegenständen anboten: Muscheln, Pilze. Wie Zigarettenpapier. Wie Blütenblätter." "Gebuttert liege ich auf meinem Einzelbett, flach wie ein Stück Toast." "Ich sehe seine Kleider vor meinem inneren Auge, leuchtend wie eine Lithografie oder eine bunte Anzeige in einer alten Zeitschrift, nicht jedoch sein Gesicht, jedenfalls nicht so deutlich. Sein Gesicht beginnt zu verblassen, vielleicht weil es nicht immer gleich war: Sein Gesicht hatte verschiedene Ausdrucksformen, seine Kleider nicht."
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bibliothecaria · 4 years
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Der Report der Magd
Im früheren Gebiet der Vereinigten Staaten von Amerika hat sich im 21. Jahrhundert die Republik Gilead gebildet. Durch radioaktive, chemische und bakterielle Verseuchung sind die meisten Menschen steril. Frauen sind vollständig enteignet und in die Klassen Ehefrau, Martha und Magd eingeteilt. Sie dienen nur noch als Gebärmaschinen und Sklavinnen.
Desfred ist eine der Mägde in dieser Welt. Sie lebt bei einem Kommandanten und seiner Ehefrau und soll für sie ein Kind austragen. Aber sie will sich nicht vollständig in ihr Schicksal fügen, und dann bietet sich ihr plötzlich die Chance, aus dem System auszubrechen.
Im Jahr 1985 schrieb Margaret Atwood ihren Roman "Der Report der Magd" und stellt sich in gar nicht so ferner Zukunft eine dystopische Welt vor. Die Idee ist wirklich außergewöhnlich, auch die Konzeptionierung ist speziell. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, um mich in die Geschichte hineinzudenken und die Umgebung zu verstehen.
Die sprachliche Ausführung war für mich überaus schwierig. Die Erzählerin springt immer wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her. Anführungszeichen bei wörtlicher Rede gibt es nur in der Gegenwart. Wenn von vergangen Ereignissen berichtet wird, muss man irgendwie selbst mit dem Text klar kommen. Also das war für mich alles sehr verwirrend und hat mir auch den Spaß am Lesen genommen.
Desfreds Geschichte schreitet nicht wirklich fort. Immer wieder schwelgt sie in Erinnerungen, berichtet von ihrer Mutter, Luke und Moira, nur um dann niedergeschlagen in die Gegenwart zurückzukehren. Diese ist natürlich mehr als trüb. Die Figuren in Desfreds Haushalt sind blass und unnahbar. Einzig der Kommandant und später Nick bringen ein bisschen Abwechslung in die Story.
Die Hauptfigur suhlt sich die meiste Zeit in Selbstmitleid und sucht abwechselnd Wege, um ihrem Leben ein Ende zu setzen oder aus dem System auszubrechen. Beides gelingt ihr nicht, sodass sie am Ende doch ein Opfer ihres Schicksals wird.
Das Ende lässt die Autorin vollständig offen. Wir erfahren nicht, was mit Desfred passiert und ob sie nun schwanger geworden ist oder nicht. Als Epilog wurde eine Versammlung gewählt, die die Aufzeichnungen von Desfred auswertet und analysiert. Das fand ich eigentlich eine spannende Sache, aber da gab es wieder so viele Zusatzinformationen, dass das eigentlich Wichtige, nämlich was aus Desfred geworden ist, komplett untergeht.
Der lateinische Spruch, den Desfred eingeritzt in ihrem Schrank findet, war für mich ein interessantes Detail ("Hirundo maleficis evoltat."). Die Übersetzung versteckt sich auch im Buch selbst. Allerdings wurde dieser Spruch bei der Übersetzung von Helga Pfetsch vom Englischen ins Deutsche ausgetauscht. Im Original lautet der Spruch "Nolite te bastardes carborundorum." und wird übersetzt mit "Don't let the bastards grind you down." Ich finde es schade, dass der komplette Satz ausgetauscht wurde, da er im Original viel griffiger ist und besser passt.
"Der Report der Magd" mag von vielen als literarisches Meisterwerk erkannt worden sein, ich konnte damit absolut nichts anfangen. Mir hat die Schreibweise nicht gefallen,  ich konnte mich mit den Figuren nicht identifizieren, und das ewig Hin und Her in den Zeiten hat mich einfach nur verwirrt. Nicht mal das offene Ende reizt mich, den zweiten Teil zu lesen.
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