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#Humor Satire Coach Ratgeber Guru
thestefanonline · 4 years
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Podcast / Blog Psychologie, Ratgeber & Lebenshilfe
Von Stefan Svik
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Folge 7: „Das Strunk-Prinzip“
Gegen den Selbstoptimierungswahn und falsche Propheten
Coaching kann helfen. Aber ein falscher Rat, von wenig oder gar nicht qualifizierten Menschen, kann nicht nur unwirksam sein, sondern sehr großen Schaden verursachen. Wer einem klinisch depressiven Patienten einen Satz mitgibt wie „Wird schon wieder, nun reiß dich mal zusammen.“ sollte am besten von Menschen ferngehalten werden. Anderes Beispiel: Probleme, etwa mit Drogen, lösen wollen und dafür einer Sekte beitreten, die einem Würde, Freiheit, Gesundheit und alles Geld raubt.
Und es gibt Menschen, die nicht noch einen weiteren Rat brauchen, sondern lieber ins Handeln kommen sollten und denen es nicht an noch mehr Kursen und Infos mangelt, sondern an etwas Mut und Selbstwertgefühl. Die Figur JD aus der TV-Serie „Scrubs – Die Anfänger“ ist so jemand, der es selbst als ausgebildeter Arzt nicht schafft, sich von seinem Mentor zu lesen. Noch tragischer und damit für eine Komödie pures Geld: Die skurrile Komödie „Die Tiefseetaucher“. In dem Film von Wes Anderson spielt Willem Dafoe den gut 60-jährigen Klaus Daimler, der ständig Rat und Bestätigung beim fast gleichaltrigen Steve Zissou (Bill Murray) sucht. Irgendwann sollte man nicht mehr nach Idolen schielen, sondern erwachsen und selbständig sein.
Oder um Mehmet Göker aus der Doku „Versicherungsvertreter“ zu zitieren, einem Mann, der ständig seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen motivieren wollte: „Wer motiviert eigentlich mich?“.
Noch ein Beispiel gefällig? Tommy Jaud persifliert in seinem Buch „Millionär“ einen Coach, der mit einer „Sei ein Adler und keine Ente“-Rede das Publikum inspirieren will, eine Rolle für die Jürgen Höller oder Bodo Schäfer als Vorbilder gedient haben dürften. Hier fragt der Protagonist genervt, wieso jemand, der eh schon krachend gescheitert ist, nun doch wieder Menschen mit Plattitüden aus der Tasche ziehen will und nicht lieber einer anständigen Arbeit nachgeht.
Wer der Flut an Ratgeberliteratur allgemein und den Lebenshilfe-Büchern im Speziellen skeptisch  gegenübersteht und über „Tschaka, du schaffst es!“ nur müde lächeln kann, der findet in Heinz Strunks (Hör-)Buch „Das Strunk-Prinzip“ sicher Bestätigung und einige feine Spitzen gegenüber dumm schwätzenden Yuppies, die noch immer so leben, als wären die 1980er nicht vorbei. Menschen, die Filme wie „Wall Street“ oder „The Wolf of Wall Street“ offenbar zu oft gesehen und die Tragik, die vergeudete Lebenszeit und Abstürze der Figuren nicht als Warnung verstanden haben.  
Strunk schreibt bevorzugt über Menschen, die es schwer haben im Leben. Literarisch gelang ihm das bisher am besten mit „Der goldene Handschuh“ über das Elend des Prekariats und die Folgen schlimmsten Alkoholmissbrauchs am Beispiel des Serienmörders Fritz Honka. Wer es nicht so düster will, der findet in der Kurzgeschichtensammlung „Das Teemännchen“ eine ausgewogenere Mischung aus Humor und Tragödie. Strunk kennt das Leben ganz unten und er gibt den Übersehenen eine Bühne, führt sie nicht vor, sondern verdeutlicht, wie beklemmend nah das Scheitern ist und wie schnell der Abstieg kommen kann. Das im Hinterkopf, wird schnell deutlich, was „Das Strunk-Prinzip“ ist: Eine satirische Abrechnung mit falschen Heilsversprechungen. Simple Kalendersprüche, Halbwissen und blanker Unfug aus schlechten Coachings trifft bei Strunk auf teilweise richtig lustige Sätze. Der nuschelnde Vortrag des Autors sorgt für zusätzliche Lacher. Da wird sich verlesen, stellenweise in viel zu schnellem Tempo durch den Text gehetzt und über eigene Gags gelacht.
Das Hörbuch beginnt wie ein Erfolgsratgeber, aber schnell handeln die Kolumnen von unterschiedlichsten Themen wie Hobbys, Religion, Senioren oder Autos. Das wirkt recht beliebig. Wenn man will, ist das eine Parodie auf Stammtisch-Philosophen, die zu jedem Thema eine Meinung haben und diese, ungefragt sowie viel zu laut, mitteilen. Der Deutsche mag es, im Zweifel, lieber etwas überversichert zu sein und für jede Lebenslage Regeln und Ratschläge zu erhalten. Marc-Uwe Kling parodiert das treffend in seiner Känguru-Trilogie: Da gibt es als neueste Innovation auf dem Buchmarkt, den Ratgeber-Ratgeber, mit dem sich weitere Lebenshilfe-(Mach)Werke verfassen lassen. Ein ebenso lustige wie gruselige Idee.
Es ist schade, dass Strunk so sehr ins Alberne und in völligen Nonsens abgleitet. Zwischen lauter Sätzen, die lediglich witzig sein sollen, finden sich auch ein schöner Seitenhieb auf Sekten, die ihren leichtgläubigen Opfern Geld für Nippes abknöpfen. Und wenn der Autor über den „Mythos Muse“ doziert und sagt, dass Laien auf Inspiration warten, während sich Profis einfach hinzusetzen und arbeiten oder wenn er Übergewichtigen rät: „Bock auf trocken Brot? Nein? Dann einfach mal eine Mahlzeit aussetzen“, dann ist das inhaltlich durchaus nützlich und gar nicht dumm oder verkehrt, aber eben auch nicht besonders hilfreich. Schade, ähnlich wie in den ernsthaften Momenten eines Helge Schneiders oder Thomas Gottschalks lauern oft wirklich bemerkenswerte und hochspannende Weisheiten, Trost und Tipps fürs echte Leben. Wer immer nur die Witze reißt, die schon seit 30 Jahren nicht mehr lustig sind, wie Otto Waalkes, der macht sich selbst überflüssig.
Im „Strunk-Prinzip“ wird es oft absurd. Der Norddeutsche Musiker und Humorist überrascht und verblüfft mit kreativen Wortschöpfungen. Leider sind die richtig lustigen Gags etwas spärlich gesät. Beispiel: Hobbys für Dicke. Dicke sollten nichts mit Fernsehen und Computern machen. Besser sind: Überbacken, kochen und frittieren.
Die definitive Demontage von falschen Gurus ist Strunk nicht gelungen, und das war wohl auch nicht beabsichtigt. Aber das Buch trainiert zumindest sinnvolle Fertigkeiten, die immer nützlich ist: Dem Leben mit Humor begegnen, eine eigene Meinung bilden und nicht jedem Singsang folgen.
Bis heute gibt es neues Material für „Das Strunk-Prinzip, nämlich in Strunks Beiträgen für die NDR-Sendung „extra 3“. Diese sind oft lustiger als das eigentliche Hörbuch.
Heinz Strunk als Experte für alles: https://daserste.ndr.de/extra3/rubriken/Heinz-Strunk-Experte-fuer-alles,heinzstrunk172.html
Auch auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=WndGi4teHtU
Wertung: 70 %
Das Strunk-Prinzip Autor: Heinz Strunk ISBN: 3864842816 EAN: 9783864842818
Gekürzte Ausgabe, Lesung. Laufzeit ca. 167 Minuten.
Vorgelesen von Heinz Strunk Roof Music GmbH
22. Januar 2015 – CD. 14,99 Euro.
Auch erhältlich als Stream, z.B. bei Deezer.
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