Tumgik
#Köbeln
nowhere-jayworld · 2 years
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Now.Here: Köbeln DE - Kobjelin PL
Liebe M,
am 26.03.2022 habe ich wieder Berlin verlassen. Das Wochenende fing an. Der Stellplatz füllte sich merklich. Gut, dass ich wieder unterwegs bin. Für die vergangenen Tage habe ich mich weiterhin mit NANDA und überhaupt mit den ganzen Ver- und Entsorgungsstationen vertraut gemacht. Endlich konnte ich das gesamte Wassersystem desinfizieren und entkalken. Auch die Veranstaltung, “Save Soil”, welche der Hauptgrund für diesen Umweg nach Berlin war, hatte ich bereits hinter mir. 
Überhaupt keinen festen Plan hatte ich. Eine beste Bedingung also für eine Wagnis ins Neue. Ich wollte mir ja irgendwann gern die Rakotzbrücke (dazu später noch mehr) ansehen. So rief ich “Karin” an. Meine allererste, wunderbare Gastgeberin vom Landvergnügen. Sie sagte sanft aber deutlich am Ende des Telefons, als ich ihr hastig jede Menge Anfängerfragen stellte: “Brauchst du meine Telefonnummer oder meinen vollständigen Namen? Vielleicht auch das Autokennzeichen...?”
“Nei, WIR sind zu Hause. Du kannst einfach kommen.”
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So herrlich einfach war es. Das gemeinte WIR war die Familie Jurk. Karins Oase, so nennt sie ihre Praxis für Klangtherapie & -massage, die sie auf dem uralten Bauernhof mit einem weiträumigen Grundstück von ihrem Mann, Dietmar, direkt am Grenzfluss zu Polen “Neiße” betreibt. Ohne jegliche Werbung, nur mit Mundpropaganda und einzelner Terminvereinbarung. Als ich nach einer Fahrt durch das schöne Biodiversitätsgebiet in Sachsen ankam, besch��ftigten sich alle Jurks auf ihrem Hof damit, Tannenzäpfen aufzusammeln. Karins erste, erwachsene Tochter Christine, die vor Kurzem wieder zum Elternhaus zurückkehrte, und die jüngste Isabell grüßten mich auch von der Ferne.
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Besonders herzlich war der Empfang von Elsa, die 15 jährige, wunderhübsche Henne. Nicht mehr so frühsommerlich wie in Berlin, aber war es warm genug, um draußen zu meditieren. Ich saß einfach auf dem Boden neben NANDA. Ich hörte zwischendurch während der Meditation ein leises, gelegentliches Rascheln. Zunächst hielte ich das für Laub, das von der Brise auf dem Boden hin und her herumgetragen wurde. Zu meiner Überraschung sah ich Elsa direkt neben mir seelenruhig sitzen. Erst nach unserem Blickkontakt bewegte sie sich. Sieh mal das Video! Haha!
Während meines ganzen Aufenthaltes wurde ich überall von Elsa begleitet. Sie hielt sich gerne in der Nähe von NANDA auf. Vom Ausflug zurückgekommen wurde ich von Elsa zuerst gegrüßt. Ich durfte sie schon sehr früh streicheln. Das Handfüttern war selbstverständlich. Apfel schmeckt ihr scheinbar besonders gut. Später fing sie dann sogar an, auf mich angesetzt oder gar rennend zuzukommen, wenn ich überhaupt in ihrem Blickfeld zu sehen war. Ich liebe es, in die Augen eines reichlich alten Tiers hineinzuschauen. Es hat einen besonderen Blick von Ruhe und Leichtigkeit. So war es auch mit Elsa. 
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Nach dieser merkwürdigen Kennenlernrunde ging ich Neiße entlang spazieren. Leider gibt es derzeit als unendlich weiterlaufend erscheinende Zäune, die mit blauen Stoffschleifen versehen sind. Sie sollen das Eindringen der Schweinepest aus Polen verhindern. Unzählige Greifvögel kreisen sich am Himmel. Für sie sind die Zäune bedeutungslos. Je mehr Schritte, desto mehr sehe ich von meiner Umgebung. Als mein Blick auf die zarten, winzigen Blätter von den Bäumen fiel, überkam mich plötzlich das Gefühl der Dankbarkeit. Denn ich spürte ihre Wohlgesonnenheit mir gegenüber. Ich blieb eine Weile regungslos stehen, wie ein Kind weinend, den Frühlingsast eines Baums mit meinen beiden Händen haltend.
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Als ich von diesem Spaziergang zurückkam, entdeckte ich vor dem Seiteneingang von NANDA mehrere Stücke von selbstgebackenen Pflaumen- und Birnenkuchen. Es war auch eine andere Wohlgesonnenheit, die mir beschenkt wurde. Die Kuchen waren so saftig und lecker. Kurz darauf bekam ich Besuch von Dietmar und seine kleinste Tochter Isabell mit Behinderung. Sie hat sich aber als erste von Jurks meinen Namen auf der Stelle gemerkt und jeden korrigiert, wenn jemand meinen Namen falsch ausgesprochen hat. Ich bekam einen Termin für eine Runde Klangmassage und für die Nutzung einer Infrarot-Kabine.
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Kalt ist es geworden. Kaum konnte ich einschlafen. Allein wegen der Kälte. Ich habe aber noch kein sicheres Gefühl mit dem Gasverbrauch. Ich habe noch eine Studierphase damit. Ich berechne die Zeit mit Gasbenutzung mit dem Gewicht von der Gasflasche, indem ich sie immer wieder wiege. Kaum eingeschlafen, war plötzlich ein merkwürdiges Getöse vom Kampfflugzeug zu hören. Ein langgezogenes, brummendes Geräusch. Es verschwand Richtung Polen. Es erinnert mich wiederum so eindeutig, dass es nicht ganz weit weg von hier einen Krieg gibt.
Immerhin bin ich gut angekommen. Hier und Jetzt in Köbeln DE.
Mir geht es gut.
Herzliche Grüße auch an D.
Deine J.
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nowhere-jayworld · 2 years
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Now.Here: Bad Muskau / Kromlau DE
Liebe M,
am nächsten Tag in Köbeln (am 27.03.2022) wachte ich ziemlich steif auf. Der nächtliche Temperaturabsturz auf dem Land war nicht ohne. Trotzdem habe ich gut geschlafen. Ich schlafe erstaunlicherweise gut in NANDA. Ich träume kaum. So gegen 11 Uhr abends gehe ich ins Bett. Dafür wache ich gegen 5 morgens auf. Heute bleibe ich aber lieber etwas länger im Schlafsack, der durch die Nacht größtenteils von meiner eigenen Körpertemperatur aufgewärmt wurde. Nur meine kalte Nasenspitze guckt heraus. Dunkel ist es auch immer noch. Trotzdem sind alle Vögel bereits wach. Ich kann nur sehr wenige Gesänge identifizieren. Es gibt wohl unzählige weitere Vogelarten, die ich in Bremen nicht gewöhnlicherweise zu hören bekam.
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Um 9 Uhr hatten wir (Dietmar und ich) einen Termin für die Infrarot-Kabine. Angeblich soll ihr Temperatursensor auf meine Körpertemperatur reagieren und daran bemessen die Temperatur der Kabine regulieren. Ich habe kaum irgendetwas von diesem Wunder bemerkt. Denn ich fiel wieder so tief in den Schlaf, während ich in jener Kabine von einem Yeti-Zustand langsam auftaute. Ich bin wach geworden, weil die Temperatur in der Kabine auf meiner Haut merklich kühler geworden ist. Einen Sensor habe ich also in mir drin.
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Danach gab es die Klangmassage. Klangschalen in verschiedenen Größen und Formen werden auf Deine unterschiedlichen Körperteile gelegt und in einer bestimmten Reihenfolge behutsam geschlagen. Die Klangwellen gehen tief in Deinen ganzen Körper hinein. Sie dringen in Dich hinein und hallen in Dir nach. Irgendwann verlor ich komplett meinen Sinn für die Schwerkraft. Die Wellen sind so mächtig, dass sie Dich gleichsam tragen und halten. Ich brauchte eine Weile, bis ich wieder die Schwerkraft spüren konnte. Es war eine sehr seltsame Erfahrung. Intensiv auf jeden Fall. 
Nach Karin klingen die Schalen unterschiedlich je nach der Befindlichkeit der Person. Bei einem Tee hatten Karin und ich ein sehr tiefgehendes und herzliches Gespräch: Wie ihre Familie die schwierige Zeit in der Pandemie überstanden hat, in der nicht nur das Äußerliche, sondern irgendwo tief das Innere des Lebens erschüttert wurde. Alle haben diese gleiche Krise durchgemacht. Einige sind würdevoll daran gewachsen. So wie Jurks. Einige sind froh, wieder “normal” sein zu können. Und einige haben aber gewollt das alte Normale verlassen.
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Ein sehr schönes, freundliches Frühlingswetter haben wir. Ich beschloss, einen Ausflug über den Pückler-Park in Bad Muskau bis zur Rakotzbrücke in Kromlau zu machen. Ich nahm dafür das Fahrrad vom Träger von NANDA herunter. Gut eine Stunde hin und zurück muss ich fahren. Ich danke Euch, Dir und D. jedes Mal für das Fahrrad, wenn ich damit unterwegs bin. Nun ist es für meine Reise auch zum ersten zum Einsatz gekommen.
Der Park ist wirklich schön angelegt. Beeindruckender als der Park an sich war aber das Leben seines Schöpfers. Natürlich hatte er viele helfende Hände zu seiner Seite gehabt, um seine Vision zu realisieren: eine Stadt mit einem riesigen Gartenkomplex zu planen und schließlich aufzubauen. Und das hat er tatsächlich in seiner Lebzeit in die Tat umgesetzt. Ein sehr intensives Leben. Er hat ein Leben gelebt, das in der Regel aus mehreren Generationen bestehen würde. Ein wahrlich schönes Leben. Interessant war auch, dass er nach seinem Testament unter einer Pyramide beigesetzt wurde. Als ein Symbol für die Alleinheit der Weltreligionen auf der Erde.
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Die Rakotzbrücke wurde nach jahrelanger Sanierung erst letztes Jahr wieder den Besuchern zugänglich gemacht. Ich selbst habe vor vielen Jahren durch Zufall ein Foto von dieser Brücke gesehen. Die Dysfunktionalität somit die Ästhetik dieser Brücke hat mich sofort fasziniert. Sie nennt sich zwar eine Brücke, aber diese Benennung ist vielmehr symbolisch. Der reale Halbkreis bildet zusammen mit einem anderen als Reflexion auf dem Wasser einen vollständigen Kreis. Dies kommt aber nur dann zustande, wenn man seinen Blick und seine Wahrnehmungen dafür präzise ausrichtet. Die “Brücke” ist also kein statischer Gegenstand, auch kein Zufallsobjekt, sondern ein Ergebnis einer Sinne-Suche in einer raum-zeitlichen Anordnung. 
Die Einheimischen (z.B. die Jurks) halten die Sanierung für misslungen. Denn der alte Charme der Brücke soll dabei abhanden gekommen sein. Ja, es wird wohl einige Zeit tatsächlich dauern, bis diese “Brücke” ihre alte Anmut wieder gewinnen wird. Momentan schaut sie sogar ein bisschen wie ein Teil eines modernen Freizeitparks aus. Karin meinte auch, dass sie wie ein Drehort eines Films wirkt. Wen wundert das: Tatsächlich ist die neuste Folge von MATRIX-Film (2021) dort gedreht worden!
Zur morgigen Verabschiedung gab es eine Runde Tee mit Zitronenmelissen aus dem Garten, als ich wieder vom Ausflug zurückkam. Zu meiner Überraschung schenkten sie mir ein Glas Honig aus der Region. Dabei nannten sie mich ihre Sondergäste. Isabell, die ziemlich früh müde geworden ist, küsste ihre Schwester und Eltern ausgiebig, bevor sie ins Bett gegangen ist. Dann sagte sie zu mir: “Meine Schwester und Eltern sind friedvolle und großzügige Menschen.” So wahr. Recht hat sie. Sie fügte hinzu: “Viele Grüße an Deine Eltern!” Dabei denke ich aber an Euch.
Mir geht es gut.  Hier und jetzt in Bad Muskau.
Kaum angekommen wünsche ich mir aber nun ein Wiedersehen mit Jurks. War ich jemals ein Mensch, den man gern zusammen Zeit verbringen und sogar später noch wiedersehen wollte?
 Herzlichste Grüße
Deine J.
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