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#Karolin Bräg
derlift · 3 years
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Blick ins Atelier von Karolin Bräg in München und anderswo
Virtuell besuchen wir Kunstschaffende, die mit dem Museum verbunden sind, in ihren Ateliers. Es interessiert uns, woran sie gerade arbeiten, was sie beschäftigt und wie sie ihre Arbeit strukturieren.
Karolin Bräg (*1961) ist mit ihrer Arbeit «Du berührst mich» von 2018/2020 an unserer Ausstellung «MEMORY. Über die Erinnerung und das Vergessen in ungewöhnlichen Zeiten» (Kunstmuseum Olten, 23.1.–18.4.2021) beteiligt. Die Schau kombiniert aktuelle Projekte von Kunstschaffenden, die sich mit der Erinnerung, aber auch dem Vergessen auseinandersetzen mit ausgewählten Werken aus der Museumssammlung.
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Karolin Bräg: Du berührst mich, 2018/2019 12 Fotografien und Texte aus grösserer Serie, je 17.4 x 26 cm Ausstellungsansicht Kunstmuseum Olten, 2021 Fotos: Kaspar Ruoff
Katja Herlach (stv. Direktorin) hat Karolin Bräg ein paar Fragen gestellt und sie gebeten, uns Einblick in seine Arbeitsstätte und in die Entstehung ihrer neusten Arbeiten zu geben. Wissen wollte sie auch, welche Rolle die Erinnerung für sein Schaffen hat:
Antworten der Künstlerin
1 Liebe Karolin, wie geht es Dir heute?
Es geht mir gut, denn nächste Woche beginne ich mit den ersten Gesprächen im Kanton Thurgau und ich freue mich auf die Begegnungen.
2 Was hat die Corona-Krise für Dich verändert? Was wird aus dieser Zeit in Erinnerung bleiben?
Corona hat vieles verändert. Die Sorglosigkeit, sich überall hinzubewegen, ging verloren. Die Selbstverständlichkeit, alles ist machbar, ist einer Unsicherheit gewichen: «Was bringt die Zukunft?» Viele Künstler haben von einem Tag auf den anderen ihren Broterwerb und ihr Publikum verloren. In diesem STOP sehe ich aber auch eine Chance zum Nachdenken, zum Umdenken, zum Neudenken. Wir können eine Zukunft entwickeln, in der wir achtsamer mit unseren Ressourcen umgehen. Dieser Virus zeigt uns ­– wir sind alle miteinander verbunden. In dieser neuen Form von Gemeinschaft spüre ich mehr Verantwortung für mein Handeln.
3 Wie sieht Dein Arbeitsort aus?
Mein Arbeitsort ist mal gross und mal klein, mal hier und mal dort. Zu Beginn einer neuen Gesprächsarbeit verlasse ich meinen gewohnten Umraum. Ich gehe an spezifische Orte und frage mich: «Was macht diesen Ort aus?» In der Fremde werde ich dünnhäutiger, durchlässiger, alles ist neu, unbekannt, anders. Ich lasse die Umgebung auf mich wirken. Später kehre ich nach Hause zurück. Hier ist es plötzlich klein, ein Raum, in den ich mich zurückziehe, die Enge suche und darin die Konzentration finde.
4 Woran arbeitest Du gerade?
Gerade bereite ich meine nächste Reise vor. Der Regierungsrat des Kanton Thurgau will ein Zeichen setzen, das an die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 und an die Medikamententests in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen zwischen 1940 und 1980 erinnert. Das Zeichen darf ich auf dem ehemaligen Spitalfriedhof in Münsterlingen realisieren. Doch erst durch die Teilhabe vieler Menschen entsteht das von mir entworfene «Haus der Erinnerungen». Dafür werde ich mehrmals im Thurgau sein und ermutige alle, die Anteil am Zeichen der Erinnerung nehmen, sich einzubringen.
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Spitalfriedhof Münsterlingen: Die Künstlerin beim Augenschein & Modell für das Haus der Erinnerungen
5 Aktuell bist Du mit einem Werk in unserer Ausstellung «Memory. Über die Erinnerung und das Vergessen in ungewöhnlichen Zeiten» beteiligt. Kannst Du diese Arbeit ganz kurz vorstellen?
Im Juli 2017 hörte ich von den Menschen, die Beeindruckendes in ihrer Begleitung und Betreuung von Angehörigen mit Demenz leisten. Frau Dr. Kotulek, Fachreferentin für Demenz vermittelte mir die Kontakte. Die Treffen fanden im Café, bei ihnen Zuhause oder im Heim statt. Alle Gespräche orientierten sich an der Frage: «Was gibt mir die Kraft, für den Angehörigen mit Demenz da zu sein – und was nimmt mir die Kraft?» Mit 25 Menschen habe ich mich unterhalten. Für ein Foto bat ich jeden, die Beziehung zum Angehörigen mit einer Geste ihrer Hände auszudrücken. So entstanden zunächst Einzelportraits, die in meiner fertigen Arbeit ein facettenreiches Gesamtbild formen, in dem aufscheint, dass diese verantwortungsvolle Aufgabe die Würdigung und Unterstützung der Gemeinschaft verdient.
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6 Wenn Du Dich zurückerinnerst, an den Anfang des Entstehungsprozesses dieses Werks, kannst Du uns dann etwas darüber sagen, wie Deine Ideen / Projekte entstehen? Wo Du Inspiration findest? Oder wie Du Dich für ein Thema, ein Konzept oder eine spezifische Umsetzung entscheidest?
Es sind die Menschen und der Ort, die mir eine Frage stellen. Sie inspirieren mich, machen mich neugierig. Was passiert in deren Leben? Ich lasse mich berühren. Das Thema findet mich. Wenn ich dann die nötige Unterstützung erfahre, gebe ich alles. Mein Konzept dient der offenen Auseinandersetzung mit den Menschen, ihren Bildern und Vorstellungen, frei von Wertungen.
7 Wie würdest Du Deinen Werkprozess beschreiben?
Gespräche sind Kern und Ausgangspunkt meiner künstlerischen Arbeit. Erst durch die Teilhabe der Mitmenschen kann ein Werk gelingen. Im Gespräch suche ich die gemeinsame Sprache, das Verbindende wie auch das Trennende. Ein Moment des Vertrauens ist notwendig. Es beginnt mit einer ausgewählten Frage, die ich allen in der persönlichen Begegnung stelle, nehme mir Zeit, zeichne nichts auf, mache mir nur ab und zu Notizen, die mich berühren und gewinne im Verlauf immer tiefere Einblicke. Das Gespräch und die Notizen bleiben vertraulich. Aus jedem Gespräch entnehme ich ein oder mehrere Zitate, ohne sie der jeweiligen Person sichtbar zuzuordnen. Es entstehen kurze Sätze, in denen sich die Essenz des Gesprochenen verdichtet. In einem längeren Prozess fügen sich die Gesprächsfragmente zu einem Gesamtbild und es findet sich die künstlerische Form, um das Gehörte und Gesammelte sichtbar zu machen. Auf der einen Seite das persönliche Gespräch mit wenigen Gesprächspartnern, auf der anderen Seite der lesende Betrachter. Erst wenn sich die fragmentierten Sätze mit den eigenen Erfahrungen und der persönlichen Geschichte verbinden, entfalten sie ihr Potenzial.
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Foto: Frank Kleinbach, Stuttgart
8 Hat Dich das Thema der Erinnerung auch in anderen Werken beschäftigt?
Sie ist ein ständiger Begleiter ­­ – die Erinnerung, und sie betrifft fast alle meine Arbeiten. In frühen Werken arbeitete ich mit schwarzem Wachs. Dunkle Flächen, die ich mit dem Nichts gleichsetzte. Ihnen fehlt jegliche Erinnerung. Doch es gab auch dieses Überschreiben von einem Nichts durch das Ritzen von Zeichen. Es war nicht wichtig, ob sie lesbar waren, sondern, dass da etwas war, was man kennt. Für mich war Erinnerung immer mit Sprache assoziiert. Durch sie werde ich mit Menschen und Dingen vertraut.
9 Was ist Deine erste Erinnerung?
Ich erinnere einen Laufstall und wie mein rundes Beinchen über das Geländer schwingt. Ich ahnte, das wird abenteuerlich ...
10 Traust Du Deinen Erinnerungen? Warum?
Eine schwierige Frage. Ich denke, nein, ich traue meinen Erinnerungen nicht. Sie werden im Laufe der Jahre umgeschrieben, durch Erzählungen verändert, selektiert, durch Fotos auf ein bestimmtes Ereignis reduziert. Ich schreibe Tagebuch, schreibe das mir Wesentliche auf, um mich genau zu erinnern. Ich vertraue eher meinem Gefühl. Doch ich denke, wir brauchen auch das Erinnern vor der eigenen Erinnerung. Da liegt vieles im Dunklen, doch unsere Erinnerung ist wichtig für unser inneres Gleichgewicht, für das, was nicht vergessen werden darf.
11 Gibt es eine prägende Erinnerung an die Begegnung mit einem Kunstwerk in Deinem Leben?
Kunst im Alleingang erleben, konnte ich zum ersten Mal mit 17 Jahren. In den Uffizien sah ich mir viele Renaissance-Portraits an. Es war wie eine Zwiesprache. Doch besonders ergriffen war ich vom Gesicht der «Nacht» am Grab von Giuliano de Medici, geschaffen von Michelangelo.
12 Wo kann man Deine Kunst aktuell sonst noch sehen, und was sind Deine nächsten Projekte?
Aktuell zeige ich meine Wachsblumensträusse in der Gruppenausstellung MEMENTO im Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Es gibt einen virtuellen 3D-Rundgang durch die Ausstellung, wobei man für das Navigieren etwas Übung braucht. Die nächste Ausstellung wird ab dem 1. Mai in der Galerie Vayhinger in Singen stattfinden, gemeinsam mit Daniel Bräg.
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Karolin Bräg: Wachsblumensträusse Ausstellungsansicht, Sepulkralmuseum Kassel 2021
13 Möchtest Du noch etwas mit unserem Publikum teilen?
Ich freue mich auf jede neue Begegnung – und das ganz real.
Aufgezeichnet am 4.3.2021
Karolin Bräg
wurde 1961 in Köln geboren. Heute lebt und arbeitet sie in München. Nach dem Abschluss ihres Studiums der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München hielt sie sich Mitte der 90er-Jahre zu Studienzwecken ein Jahr in Tokio, Japan, auf. 2005–2008 war sie Mitglied der Kommission für Kunst am Bau und Kunst im öffentlichen Raum, Quivid München und 2007–2010 künstlerische Assistentin am Lehrstuhl für Bildnerisches Gestalten an der Fakultät für Architektur der TU München. Seit Ende der 1980er-Jahre realisiert sie eigene künstlerische Projekte, oft auch auf Einladung, und beteiligt sich an Ausstellungen, mehrheitlich im deutschen Sprachraum. Ab und an entstehen Arbeiten gemeinsam mit Daniel Bräg. Im Zentrum der künstlerischen Arbeit von Karolin Bräg steht das Gespräch. Im Gespräch schafft sie eine Atmosphäre des Vertrauens, die es ihrem Gegenüber möglich macht, auch Intimes und vermeintlich Unaussprechliches in Worte zu fassen. Je nach Thema und Anlass findet sie unterschiedliche Materialisierungen für die aus den Gesprächen entstehenden Werke. Im Falle einer früheren Zusammenarbeit mit unserer Direktorin Dorothee Messmer hat sie für die Arbeit «Mir gefällt’s recht gut da…» (Kunstmuseum des Kantons Thurgau, Kartause Ittingen, 2003) etwa die Form des Buches gewählt.
Mehr über die Künstlerin erfahren:
Website der Künstlerin
Publiziert am 24.3.2021
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leavesofgrassart · 6 years
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• Claudia Starkloff IM HORTUS CONCLUSUS • (enclosed garden) Work in progress Mixed media installation inside an old glass house inspired by baroque monastery art. Filligree wire, pearls and gemstones • #hortusconclusus #claudiastarkloff #dggalerie #klosterarbeit #klosterarbeiten #gewächshaus #contemporaryart #greenhouse #artinstallation #gold #perlen #performanceart #art #kunst #edelsteine #installationart #artoninstagram #slowwork #goldwork #beadswork #barock #münchen #munich #wunderkammer #cabinetofcuriosities • Februar 2019 - DG Galerie München • Karolin und Daniel Bräg, Katja Droste-Zingone, Erinnerungsstück
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