Tumgik
#TeresaEnde
tobikeck · 2 years
Text
Dis/Simulatio artis
Schöngeist Zeitgeist Poltergeist von Tobi Keck
Text von Teresa Ende
Alrighty then. Das berühmte Mantra des Film-Detektivs Ace Ventura – zur Überbrückung unangenehmer Gesprächspausen ebenso effektiv wie zu deren Beendigung – prangt als monumentaler Schriftzug aus Kohlrabi- und Blumenkohlkraut an der rechten Wand der Ausstellung Schöngeist Zeitgeist Poltergeist. Was bei dem US-Starkomiker Jim Carrey Catchphrase, Phraseologismus und paradoxer Weltkommentar ist, bekommt in der dreiteiligen Werkschau des Berliner Künstlers Tobi Keck (*1987) einen weiteren Spin. Denn obwohl die in der Handschrift des Künstlers modellierte Sentenz mit geschwärzten Stahlnägeln an der finalen Ausstellungswand befestigt ist, fungiert sie doch weniger als Schlusspunkt denn als Türöffner, der zugleich nach vorn und zurück, nach außen und innen verweist.
Augenmaske, schwarze Krähe, Teufel und Zombie. Den Auftakt der Schau bildet die Untitled überschriebene Sammlung von Dutzenden Gruselmasken, die an der linken Wand des Ausstellungsraumes angebracht sind. Tobi Keck hat die Masken – sämtlich industrielle Massenware – im Laufe des vergangenen Jahres in Discountern und Supermärkten zusammengetragen. Dabei stellt ihre Akkumulation, Multiplikation und Reihung in der Ausstellung die Wirkung des Ausgangsmaterials auf den Kopf: Aura und Grusel sind nur im Singular zu haben. Ein wandfüllendes Register von Gruselmasken dagegen erzeugt keine Angst, sondern eine grotesk-absurde Monstrosität, bei der das Als-Ob-Spiel des Verkleidens in seiner Gleichzeitigkeit von Vergnügen, Verstecken, Zeigen und Realitätsbewältigung mit der banalen Warenästhetik der trashigen Objekte kollidiert.
Formal wie inhaltlich verbunden werden Schriftzug und Maskensammlung durch die am Boden platzierten Dumbsters. Diese bestehen aus gelochten Papierbeuteln, die mit minimalistischen Siebdrucken versehen und wiederum mit Blumenkohl- und Kohlrabiblättern gefüllt sind. Zusammen mit den paarweise gestanzten Löchern ergeben die Siebdrucke auf jedem Beutel ein anderes, auf dem Kopf stehendes Emoticon. Dabei werden die allein mittels Computertastatur erzeugten Bild-Symbole, die für Gefühlsäußerungen wie Freude, Trauer oder Überraschung stehen, in die Dreidimensionalität übertragen, subjektifiziert und quasi verlebendigt.
Auch diese Arbeit basiert auf der programmatischen Verfremdung und  Umdeutung des Vorgefundenen, auf einer Gleichzeitigkeit von Verbergen und Zeigen: Die Piktogramme stehen Kopf und erscheinen doch „richtig herum“, weil das aus den Öffnungen der Beutel ragende Gemüsekraut an wild hervorquellendes Haar erinnert (und wie dieses im Laufe der Zeit seine Farbe und Struktur ändern wird). Die Beutel-Objekte selbst sind sowohl rudimentäre Masken mit Augenlöchern als auch fantastische Rüben-Köpfe – und gleichwohl nichts als bloßer Trash: Datenabfall auf einer Altpapier-Mülltüte, die mit Biomüll gefüllt ist. Mit Schöngeist Zeitgeist Poltergeist reflektiert Tobi Keck unsere Gegenwart ebenso klug, hintersinnig und humorvoll wie die eigene popkulturelle Prägung. Entertainment trifft auf Realitätsverzerrung trifft auf dissimuliertes Nichtwissen trifft auf die Ironie von Tiefstapelei und Verkürzung. Was logisch nicht einleuchtet, kann doch Wahrheit ausdrücken, und umgekehrt. Alrighty then.
© Teresa Ende, Oktober 2022
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