Die 1927 geborene Französin Forrester hat einen Essay abgeliefert, der ebenso wie "Der Terror der Ökonomie" kämpferisch ist, aber ein wenig an analytischen Qualitäten gewonnen hat. Forrester ist entsetzt über Ungleichheit, Armut und Arbeitslosigkeit, die die weltweite Verbreitung des Kasinokapitalismus mit sich gebracht hat. Sie will ermutigen zum Widerstand. Dabei malt sie in Form einer "self-destroying prophecy" die Gefahr an die Wand, dass sich die angelsächsische "workfare" also Zwangsarbeit für Arbeitslose zu einer Form der neuen Sklaverei ausweitet. Sie sieht in der Ausgrenzung Arbeitsloser eine Vorstufe zu totalitärer Herrschaft. Schon heute habe sich eine ideologische Diktatur breitgemacht, die des "Ultraliberalismus" (Neoliberalismus), die die Demokratie abschaffen könnte, die sich aber stark genug wähnt, die Fortexistenz der Demokratie zu tolerieren. Die neuen globalen Herren, die in Konzernzentralen und noch mehr in globalen Institutionen wie Weltwährungsfonds oder Weltbank sitzen, wollen nicht selbst die Macht übernehmen, sondern üben finanziellen Druck auf die demokratisch gewählten Regierungen aus. Diesen können sich nur, so Forrester, mit Hilfe und Druck seitens der öffentlichen Meinung wieder etwas Unabhängigkeit im Handeln verschaffen. Die Regierenden haben sich selbst in diese schwierige Lage gebracht, vor allen dadurch, dass sie die Illusion der Möglichkeit der Vollbeschäftigung aufrechterhalten. Die Unternehmen haben die Chancen, durch technischen Fortschritt menschliche Arbeit durch Maschinen zu ersetzen, konsequent genutzt, und sich dadurch mehr Macht verschafft. Durch Versprechungen, Arbeit zu schaffen oder Drohungen, Arbeitsplätze abzubauen, erpressen sie die Regierungen. Erstes Gebot für uns alle sei es, der Verblödung durch Propaganda zu widerstehen. Widerstand sei möglich und auch aussichtsreich.
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... Ganz gleich, ob das, was heute unter dem Etikett »Marktwirtschaft« läuft, nicht mehr
seiner Definition entspricht.Ganz gleich, wie totalitär diese Unterwerfung unter eine Einheitsideologie ist, die – ver-
borgen hinter der »Gbbalisierung« – nicht einer einzigen Gegenmacht Platz läßt.Es ist eine seltsame, noch nie dagewesene Situation. Sicher, wir leben in einer Demo-
kratie, einer geschundenen, aber doch vorhandenen Demokratie: Wenn sie verschwin-
det, wird uns das lehren, ihre derzeitige Form zu schätzen, so zweifelhaft sie auch ist.
Eine seltsame Diktatur hat sich breitgemacht, ohne die Atmosphäre, die Strukturen, ja,
die demokratischen Freiheiten zu zerstören (damit findet sie sich ab), eine Diktatur, die
sich durch diese Freiheiten gar nicht beeinträchtigt sieht, derart fest verankert ist ihre
Macht, derart fest stehen alle zur Ausübung ihrer Souveränität nötigen Faktoren unter
ihrem Einfluß, derart kann sie auf immer größere Teile der Menschheit verzichten, der-
art bricht sie mit der Gesellschaft. Derart sind ihre Prioritäten Gesetz.Eine Diktatur ohne Diktator hat sich allmählich ausgebreitet, ohne eine bestimmte Na-
tion anzugreifen. Eine Ideologie des Profits, die sich mit keinem anderen Ziel durchge-
setzt hat als dem der unbeschränkten Finanzherrschaft, die nicht danach strebt, die
Macht zu ergreifen, sondern danach, absolute Verfügungsgewalt über diejenigen zu be-
sitzen, welche die Macht innehaben, indem sie deren Autonomie abschafft. Wenn letzte-
re zwar noch immer die Entscheidungen fällen, wenn sie dafür noch immer zuständig
sind, so geschieht dies doch in Abhängigkeit und unter der Kontrolle eines Finanzterro-
rismus, der sie ohne Freiheit oder Möglichkeit der Wahl läßt.Die politische Klasse wird erdrückt, dabei hat sie wesentliche Bedeutung, allerdings
nur, wenn sie von der öffentlichen Meinung geleitet wird, die sich heute – völlig über-
rumpelt – kaum vernehmen läßt, darum aber nicht weniger denkt. Es gibt ein interna-
tionales öffentliches Bewußtsein, es ist »globalisiert«, mehrheitlich antiliberal, es
weiß aber noch nicht, wie verbreitet es ist, um so weniger, als einer der Kunstgriffe
des Systems darin besteht, jeden Gegner des Einheitsdenkens davon zu überzeu-
gen, daß er allein steht, ganz zweifellos wahnsinnig ist und mit Sicherheit grotesk.
Und außerdem »unrealistisch«, da er die ungehörige Idee, daß immerhin der ganze Pla-
net von einer historisch gewachsenen, lebendigen Menschheit bevölkert ist, die man
vorrangig berücksichtigen müßte, für »realistisch« hält. Außerdem auch noch »rück-
ständig«, da er sich einer Modernität verweigert, die darin besteht, sich ins 19. Jahrhun-
dert zurückzuentwickeln! Allerdings beginnt diese öffentliche Meinung erkennbar zu
werden, und zwar in internationalem Maßstab; sie beginnt ihre Rolle zu spielen. Sie al-
lein kann es der politischen Klasse ermöglichen, die ihre wieder zu übernehmen und –
für alle, die dies im tiefsten Innern wollen – sich vom Club der Ultraliberalen zu befrei-
en.Um diesen Club die Herrschaft übernehmen zu lassen, bedurfte es keinerlei Komplotts,
sondern – sehr viel gravierender und wirkungsvoller – einer Politik, die das Spiel der
Finanzmacht mitspielt, davon profitiert und dank dieser die wenigen neuralgischen
Punkte kontrollieren kann, die das Ganze steuern. Die Maschinerie setzt sich in Gang,
und damit wird das Räderwerk der Logik eines ideologischen Systems in einem abge-
schlossenen Kreislauf in Gang gesetzt. Die Axiome dieser Logik machen es möglich,
die Räubereien und vom System durchgeführten Deregulierungen für beispielhafte Vor-
gänge zu halten, die sofort etabliert werden und schließlich verpflichtend sind. Ohne je-
den Komplott ist die gesamte Politik plötzlich an dieses Netz von immer unentwirrbare-
ren Geschehnissen gekettet, die alle im Dienst des privaten Profits und seiner erzwun-
genen Folgen stehen. Der Raum, den man Ideen einräumt, die es ermöglichen würden,
dieses System in Frage zu stellen und einzuwenden – oder sich auch nur daran zu erin-
nern –, daß es andere Systeme gibt, daß andere Systeme möglich sind, wird unterdessen
immer kleiner, bevor er schließlich ganz verschwindet.21Die ultraliberale Umklammerung, in der wir uns befinden, war am Anfang wenig aufse-
henerregend, fast unsichtbar; kaum wurde sie vage wahrgenommen, erschien sie auch
schon fest verwurzelt und wurde mit der Globalisierung gleichgesetzt, die eins mit der
Natur und zum Wesen jeglicher Gesellschaft gehörig schien. Diese Umklammerung
wurde übrigens lange Zeit mit der vertrauten Routine eines sichtbaren, ja, offen zur
Schau gestellten Kapitalismus verwechselt (wodurch die Beunruhigung der mittleren
Schichten vermieden werden konnte), der relativ logisch war und die despotischen, zer-
störerischen Rasereien, die Paranoia des Ultraliberalismus kaschierte, aber auch dessen
unzählige, nur höchst selten hervorgehobenen und schnell wieder vergessenen Unzu-
länglichkeiten, die bei keiner Prognose berücksichtigt wurden, geschweige denn be-
straft. Die breiten Massen sind es, die für diese häufig absurden Fehler bezahlen, auf die
sie keinerlei Einfluß haben, weder vorher noch im nachhinein. Doch die Verantwortli-
chen gehen weiter ihren Weg. Einen zerstörerischen Mißgriff an der einen Stelle kom-
pensieren diese Zauberlehrlinge mit den Mitteln der Finanzströme hektisch und nervös
an einer anderen. Die Erde wird sich weiter drehen – zumindest werden die Börsenkurse
weiter steigen, was für sie auf dasselbe herauskommt.Ganz gleich, ob ganze Nationen ausgeblutet und im Elend zurückgelassen werden,
wenn die Kämpen weiterziehen, um sich anderswo zu üben! Das sind durchaus
menschliche Unzulänglichkeiten, wird man sagen. Ja, aber sie wirken katastrophaler als
alle anderen, da ihre formlosen Pläne jedes Mal ganze Erdregionen miteinbeziehen, die
sie aufs Geratewohl manipulieren und die von den Entwicklungen der Spekulation bru-
tal beeinträchtigt werden.Es sind menschliche Leben, die in diesen verantwortungslosen Wahnsinn hineingezogen
werden, die unter dessen Brutalität, vor allem aber unter einem kaltblütig eingeführten
Mangel an Kohärenz zu leiden haben, welcher sorgfältig gepflegt und geschickt mas-
kiert wird und die Masse der Menschen in einer Sackgasse gefangenhält.»Mangel an Kohärenz«? Wie soll man es aber anders bezeichnen, wenn Massen in ei-
nem Auflösungszustand und ganze Generationen in äußerster Not gehalten werden, nur
weil man sich in die Idee verrannt hat, jetzt »Arbeit« genannten Beschäftigungsverhält-
nissen jene entscheidende Rolle zuzuschreiben, die sie nicht mehr spielen können?Es ist keineswegs harmlos, wenn das, was mit »Beschäftigung« zu tun hat, auf den vor-
nehmen Begriff »Arbeit« getauft wird, eine Konfusion, die unwillkürlich eine empörte
Reaktion hervorruft: »Unmöglich! Die Arbeit kann nicht verschwinden!« Und das
stimmt. Arbeit als Funktion des Menschen kann nicht verschwinden, die Beschäftigung
hingegen kann es. Der Begriff, die Möglichkeiten und die Zukunft der Arbeit bleiben
dadurch unberührt, im Gegenteil, sie wird befreit.Eine Richtigstellung ist allerdings angebracht: Offenbart dieser Mangel an Kohärenz
nicht im Gegenteil eine extreme Kohärenz, eine mehr oder minder bewußte Strategie,
die darauf abzielt, die Gesamtheit der Menschen in der Gewalt zu halten?Entlassen, deregulieren, restrukturieren, die Produktion verlagern, fusionieren, privati-
sieren, spekulieren: all das sind Maßnahmen, die für die Beschäftigung außerordentlich
schädlich sind, die aber sehr selbstbewußt als förderlich ausgegeben werden, da sie dem
Profit dienen, der Rentabilität und folglich dem Wachstum. Das bedeutet nach dem
klassischen Dogma: den Bedingungen für die Rückkehr der Beschäftigung. Wir haben
gesehen, wie es darum steht.Nicht das Verschwinden der Beschäftigung ist das eigentliche Verhängnis, sondern die
Tatsache, daß dieses Verschwinden auf zynische Weise benutzt wird: zunächst, indem
es bestritten wird und indem man vorgibt, die gegenwärtige Arbeitslosigkeit sei eine
Ausnahmeerscheinung, sie sei zeitlich begrenzt und ungewöhnlich, und indem so der
Mythos der Beschäftigung, deren Verschwinden nur ein vorübergehendes Phänomen...
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