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Am Meer
Der Sturm erwacht in der Nacht. Von seiner Kälte wachen wir auf. Das Wasser ist schon bis an die Kante des Fensters gestiegen, weiter draußen, von Blitzen plötzlich erhellt, tobt das Meer, die höchsten Wellenkämme schimmern im Licht. Es ist unvorstellbar kalt geworden, wir dürfen keinen Augenblick länger hier bleiben, das Wasser rinnt in Strömen an der großen Glasscheibe, die die Sicht auf das tosende Schwarz freigibt, herunter, rinnt langsam auf den Felsboden des Raums. Eine große Lache breitet sich aus, deren Wasser sich bald mit dem hereindringender Wellen vermischen wird.
Wir waren von einem weit entfernten Ufer aufgebrochen und an diesem Strand kurz angelangt, um zu rasten. Eine weite bodenlose Schwärze hatte uns so lange umgeben. Wir waren nah beieinander geschwommen, um uns nicht zu verlieren. Ich hatte die Angst schnell vergessen, oder war sie nie dagewesen in dem großen Nichts?
Unsere Muskeln waren noch warm. Wir ließen alles zurück, was noch unnötig bei uns war. Ich hatte einen Beutel mit silbernem Schmuck um mich gehangen. Hier am zwielichtigen Strand, an der letzten Landung sollte ich es zurücklassen. Es würde mich zu sehr beschweren. Aber ich wollte es nicht loslassen. Vor uns breitete sich unbeschienene, vollkommene Dunkelheit aus, da war kein Himmel, kein Licht, nur die Reise ins vollkommen Ungewisse, denn am jenseitigen Ufer, falls es existierte, war noch keiner gewesen. Wir würden Schwimmer sein in der Dunkelheit, vielleicht ohne sie jemals hinter uns zu lassen.
Unter mir undurchdringliches Dunkel, in den Augenblicken des Atemholens die unwirtliche Ebene unzählbarer Wellentäler, die in unendlicher Wiederholung vor dem Zwielicht des Horzionts schaukelten, der bloß für wenige Momente von einer so entfernten, düster untergehenden Sonne beschienen wurde. Dann nichts mehr als das Atmen über der kaum spürbaren Linie des Wassers. Dunkelheit.
07.06.2005
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By the sea
The storm wakes up in the night. We wake up from its cold. The water has already risen to the edge of the window, further out, suddenly illuminated by lightning, the sea rages, the highest crests of the waves shimmer in the light. It has become unimaginably cold, we can't stay here a moment longer, the water runs in streams down the large glass pane that reveals the view of the roaring black, slowly trickling onto the rocky floor of the room. A large pool spreads out, its waters soon mingling with those of incoming waves.
We had set out from a distant shore and had arrived at this beach briefly to rest. A vast bottomless blackness had surrounded us for so long. We had swum close together so as not to lose each other. I had quickly forgotten the fear, or had it never been there in the great nothingness? Our muscles were still warm. We left behind everything that was still unnecessary with us. I had a bag of silver jewelry hanging around me. Here on the dodgy beach, on the last landing I should leave it behind. It would weigh me down too much. But I didn't want to let it go. In front of us there was complete darkness, no sky, no light, only the journey into the unknown, because nobody had ever been to the shore beyond, if it existed. We would be swimmers in the darkness, perhaps without ever leaving it behind.
Below me impenetrable darkness, in the moments of catching breath the inhospitable plain of innumerable wave valleys rocking in infinite repetition before the twilight of the horizon, shone on merely for a few moments by so distant a gloomy setting sun. Then nothing but breathing above the barely perceptible line of water. Darkness.
07.06.2005
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Ebenen
Wir besuchen die weit entfernten Verwandten in der Ebene. Eine Reise durch die Nacht führt uns zu ihnen. Engel singen tonlos hinter dem Horizont. Metallengel. Vom Schrecken des Eises und der Finsterniß. Wir sitzen im weißen Dämmern des Ahnenhauses und sprechen leise. Nur die Mütter sind anwesend, beraten mit uns, ihren Kindern. Wir fürchten uns (die Kinder), aber wissen nicht, was Angst bedeutet (die Mütter wissen es). Die weisse hermetische Stammzelle unseres Hauses schützt uns wie eine seltene Haut, eine empfindliche. Die gekalkten Decken hängen tief, so werden unsere Stimmen gesenkt bleiben, die blinden Vorhänge sind zugezogen, wie unsere schimmernden Stirnen. Draußen, in den Straßen, stehen keine Bäume mehr. Die Alleen sind abgehauen. Ihre Geister rauschen/ in der Nacht /noch mit welken Flügeln. Ein stummer Nachtvogel hat sich am Fenster niedergelassen. Sein Blick glitzert durch das sanfte Gewebe des Vorhangs, kalt. So verschafft die Nacht sich Eintritt in unser Haus. Sickert wie eine große Laache schwerer (tintenschwarzer) Traurigkeit über die milden Schwellen, lindgrün gemalten. Steigt schwarz an, und füllt den Raum langsam auf mit dunkelblauer Starre. Wie Ertrunkene schweben wir darin, mit stummen tiefen Mündern und unverständlichen, verzögerten Gebärden (in Fruchtwasser gelöste Embryonen). Haut die bleicher, durchsichtig wird, in ihr Adern, die nach oben pulsen, sich einer Vereinigung entgegensehnen mit dem dunklen Wasser, dem Muttermedium. Violette Netze an Schläfen und Gelenken, übergestreift von Krankheit oder Sehnsucht, ein Schmuck, in dem die Zeit rinnt, Schmerz perlt: ihr Pulsieren spült die blaue Furcht tiefer ins Blut. Niemand bewegt sich, keiner wagt das Fenster zu öffnen, nach draußen zu schauen. Ohnmächtige Erwartung.
Im nächsten Ort geht ein Schwarm Raketen nieder. Sie fallen so klimpernd und dicht wie Revolverpatronen, die aus einem Magazin geleert werden. Als öffne sich eine große dunkle Hand am Himmel. Umso verwunderlicher ist, daß diese kleinen Metallstifte wirklich explodieren. In gleissendem Licht, das uns endlich weckt aus Furcht und Dämmerung. Es vergeht, ist so schnell vorbei wie die Erinnerung an eine Reflektion, das Glitzern einer Spiegelscherbe oder von Glas irgendwo in der Ferne. Nur eine leere Landschaft ist dann übrig geblieben. Zu sehen vom erschrockenen, ungläubigen Auge, das noch geblendet ist von dem Blitz der Spiegelung. Und die Blendung schon, bereits Ausblendung und Vergessen. Aber es ist Nacht und die Sterne selber haben sich an uns erinnert. Denselben kalten Glanz strahlen sie aus. Sie müssen das Licht der Raketen eingesogen haben, als sei es, plötzlich und unendlich flüchtig, in ihre Löcher geströmt, die sie in Wirklichkeit dort oben sind: Durchbrüche, Nadelspitzen, feine, in einer gewölbten, schwarzen Folie. Auch wenn ihr Licht kalt und grausam ist, lieben wir sie. Weil sie uns erinnern lassen. Hinter dem Haus hat sich das Meer angenähert. Jahr für Jahr ist es zutraulicher geworden. Jetzt schmiegt es sich auf seinem Strandkissen an den Dorfrand. Wir verlassen das Haus im Morgengrauen. Wir werden den Sternen hinterher schwimmen. Es ist das Meer der Vorzeit, ausgehärtet durch Vergessen. Wogen und spiegelnde Oberfläche sind lang erstarrt, die Möwenschwärme haben sich aufgemacht irgendwann in heller Aufregung. Sind in durchsichtigen, kreischenden Spiralen aufgestiegen, wurden an lebendige Meere geweht. Sie fliegen geometrische Figuren wie im Traum…
27.07.2005
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Plains
We visit the distant relatives in the plains. A journey through the night leads us to them. Angels sing tonelessly behind the horizon. Metal angels. From the terror of ice and darkness. We sit in the white twilight of the ancestral home and speak softly. Only the mothers are present, consulting with us, their children. We are afraid (the children), but do not know what fear means (the mothers know). The white hermetic stem cell of our house protects us like a rare skin, a delicate one. The whitewashed ceilings hang low, so our voices will remain lowered ,the blind curtains are drawn, like our shimmering foreheads. Outside, in the streets, there are no more trees. The avenues are cut down. Their ghosts rustle/ in the night /still with withered wings. A mute night bird has settled at the window. Its gaze glistens through the soft weave of the curtain, cold. Thus the night makes its entrance into our house. Seeps like a great pool of heavy (inky black) sadness across the mild thresholds, painted lime green. Rises black, and slowly fills the room with dark blue rigidity. Like drowned we float in it, with mute deep mouths and unintelligible delayed gestures (embryos dissolved in amniotic fluid) Skin that becomes paler, transparent, in it veins that pulse upward, longing for a union with the dark water, the mother medium. Violet nets at temples and joints, stripped of illness or longing, an ornament in which time runs, pain beads: their pulsing flushes the blue fear deeper into the blood. No one moves, no one dares to open the window, to look outside. Faint expectation. In the next town, a swarm of rockets descends. They fall as jingling and dense as revolver cartridges emptied from a magazine. As if a great dark hand opens in the sky. It is all the more astonishing that these little metal pins really explode. In glistening light that finally awakens us from fear and twilight. It passes, is gone as quickly as the memory of a reflection, the glitter of a shard of mirror or glass somewhere in the distance. Only an empty landscape is left then. To be seen by the startled, unbelieving eye, still blinded by the flash of the reflection. And the glare already, already fading out and forgetting. But it is night and the stars themselves have remembered us. The same cold glow they radiate. They must have sucked in the light of the rockets as if it had streamed, suddenly and infinitely fleeting, into their holes, which they really are up there. Penetrations, needle points, fine, in a curved, black film. Even if their light is cold and cruel, we love them. Because they make us remember. Behind the house the sea has approached. Year by year it has become more trusting. Now it nestles on its beach cushion at the edge of the village. We leave the house at dawn. We will swim after the stars.
It is the sea of the past, hardened by oblivion. Waves and reflecting surface are long congealed, the flocks of seagulls have risen sometime in bright excitement. Have risen in transparent, screeching spirals, have been blown to living seas. They fly geometric figures as if in a dream...
27.07.2005
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