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Ava Lennart
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Herzrasen garantiert
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avalennart-blog · 8 years ago
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Das Autorenduo Ava Lennart als Gäste der New York Late Nite-Show von Dan Lovell – Exclusive Footage für die Leserinnen:
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  Das Eingangsjingle der Show ertönt. Eine überenthusiastische Band wird eingeblendet. Coole Typen. Die Worte „Dan Lovell – New York Late Nite“ flackern über den Bildschirm. Unter dröhnendem Applaus betritt der Showmaster die Bühne durch eine Schiebetür, auf der die Skyline von New York abgebildet ist. Zur Musik tänzelnd, begibt er sich zu seinem Schreibtisch, neben dem zwei Sessel auf Gäste warten.
Dan tut so, als würde er Dinge auf seinem Schreibtisch ordnen, während die Musik langsam abebbt. Die Kamera schwenkt ins Publikum, das hauptsächlich aus erwartungsfrohen Männern besteht. Transparente, mit Herzchen bemalt, werden in die Luft gereckt.
Wieder im Bild macht Dan Lovell ein paar scherzhafte Bemerkungen zum Tagesgeschehen. Bei jeder Pointe setzen die Bläser der Band gezielt ein, und das Publikum applaudiert.
 Endlich spricht Dan Lovell die erlösenden Worte und kündigt die heutigen Gäste an. Unter frenetischem Applaus betreten zwei Frauen die Bühne. Sie winken kurz ins Publikum und schütteln dann nacheinander Dan Lovell die Hand. Dan grinst bis über beide Ohren. Im Close-Up erleben die Zuschauer das berühmte Augenbrauenspiel des Showmasters. Ein Zeichen seiner Flirtlaune. Mit einem demonstrativen Augenrollen zueinander, nehmen die Autorinnen lachend Platz. Dan wartet geduldig, bis Bleistiftrock und Etuikleid glattgestrichen sind und eine bequeme Sitzposition eingenommen ist.
 Dan:          „Meine Damen und Herren, begrüßen Sie meine heutigen Gäste: Das Autorenduo Ava Lennart – Shootingstars der deutschen Selfpublisher-Szene, die mit ihren Liebesromanen tausende von Leserinnen – und offenbar auch Leser – begeistern.“
Während des nun einsetzenden Applauses nicken die Avas freundlich ins Publikum.
Dan:          „Bevor ich euch gleich ein paar Fragen stelle, hören Sie, liebe Zuschauer, eine kurze Leseprobe von unserer entzückenden Cindy.“
 Das Licht wird gedimmt, eine Stimme aus dem Off gibt die berühmte Fahrstuhlszene aus „Stargeflüster – Küsse am Filmset“ wieder, was zu einem lasziven Saxofoneinsatz der Band führt und spitzes Kreischen der Aufnahmeleiterin auslöst.
 Dan:          „Ja, das war auch der Moment, in dem ich spätestens nach den Büchern Ava Lennarts süchtig wurde.“
Avas:         „Danke Dan. Das freut uns sehr.“
Dan:          „Avas, ist es wahr, dass die Veröffentlichung eines weiteren Fernweh-Buchs bevorsteht?“
Avas:         „Das stimmt, Dan. Am 3. März 2017 erscheint ein Buch, das uns sehr am Herzen liegt: ‚Lucy in Love – Suche Wohnung <3 Biete Herz’. Es handelt von einer jungen Frau, die eine Wohnung in Barcelona samt Katze mietet und sich in ihren Vermieter verliebt, von dem sie nur ein Foto kennt.“  
Dan:          „Klingt interessant. Was hat es mit Barcelona auf sich?“
Dan beugt sich vor.
Avas:         „Wir sind uns das erste Mal bei einem Auslandsaufenthalt in Barcelona begegnet und seitdem beste Freundinnen. Ein Buch über die Stadt zu schreiben, in der unsere Freundschaft begann, war uns wichtig.“
Dan:          „Ihr wohnt nicht an einem Ort. Sogar in verschiedenen Ländern. Wie funktioniert es, wenn ihr zusammen schreibt?“
Die Avas nehmen einen Schluck Wasser.
Avas:         „Wir nutzen die modernen Kommunikationsmittel, hauptsächlich Facetime. Dann plotten wir gemeinsam und überlegen, wie die Geschichte weitergehen könnte, ob die Figuren so glaubhaft sind. Dann setzt eine von uns das Besprochene um, schickt der anderen das Dokument, die gleich lektoriert und weiterschreibt, und so weiter. Das heißt, bereits da fliegen die Darlings der anderen raus. Da wird manchmal hitzig diskutiert. Aber am Ende kommt immer etwas Wunderbares dabei heraus.“
Die Avas lächeln sich an.
 Dan:          „Jetzt, kurz vor der Veröffentlichung, setzt langsam der Hype ein. Wie geht es euch dabei?“
Avas:         „Nun ja, zum Glück können wir uns in Deutschland und der Schweiz recht unbefangen bewegen. Wir gehen unseren Brotjobs nach und werden privat nur ab und zu auf Elternabenden in den Schulen unserer Kids um Autogramme gebeten.“
Dan:          „Es gibt explizite erotische Szenen in dem Buch. Wie seid ihr damit umgegangen?“
Avas (räuspern sich):      „Nun, die Protagonisten machen das in der Regel von selbst. Nach den ersten Kapiteln haben wir als Autorinnen dann schon einen Vertrauenslevel. Wir schreiben nur noch auf und werden geführt, sodass es sich natürlich anfühlt. Wir denken, die Szenen kommen glaubhaft rüber.“
Dan schaut irritiert. Er öffnet den Mund, als wolle er etwas fragen, besinnt sich dann jedoch anders.
Dan:          „Nun, gut.“
Er wendet sich frontal zur Kamera.
Dan:          „Also, liebe Zuschauer: am 03. März 2017 erscheint das zweite Fernwehbuch „Lucy in Love“ des Autorenduos Ava Lennart. Nicht verpassen! Ich habe von jedem Buch Ava Lennarts ein Exemplar im Regal. Ich habe sie verschlungen. Und ich bin ein Mann!“ Vereinzelte Lacher ertönen. Dan wendet sich wieder seinen Gästen zu.
                „Eine letzte Frage noch: Wird es eine Fortsetzung der Endlich-Reihe geben?“
 Die Avas schütteln den Kopf.
 Die eine Ava:    „Nein, mit Stargeflüster ist die ENDLICH-Reihe beendet. Es war eine schöne Zeit. Doch wir sind voller Ideen für weitere Fernwehbücher. Das nächste wird in Island spielen.“
Die andere Ava: „Auf Island.“
Die eine Ava:    „Nein, in Island.“
Die andere Ava stemmt die Hände in die Hüften und funkelt die Co-Autorin an.
Dan:          „Meine Damen und Herren: wenn es am Schönsten ist, sollte man gehen. Ich danke meinen heutigen Gästen, dass sie da waren. Applaus für die charmanten Autorinnen aus Deutschland, mit ihrem neuen Buch „Lucy in Love – Suche Wohung <3 Biete Herz“, das ab 3. März bei Amazon erhältlich ist.“
Unter begeistertem Klatschen und vielen Zwischenrufen verlassen die Avas „auf“ und „in“ vor sich hinzischend das Set.
  Ich denke, an dieser Stelle können wir ausblenden. Die anschließenden politischen Witze von Dan Lovell interessieren keine Sau.
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avalennart-blog · 9 years ago
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avalennart-blog · 9 years ago
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XXL-Leseprobe “Stargeflüster - Küsse am Filmset”
Hinweis für diejenigen, die die ersten beiden Bände der Reihe noch nicht gelesen haben: Spoilergefahr! Aber, dass diese mit Happy-End ausgehen, war ja auch irgendwie klar. 
DER ANRUF
 Salomé de Bertrand löste nur unwillig ihren Blick von der Portfolioanalyse. Ihre Assistentin Keira stand in der Tür und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„Er hat gesagt, es sei privat und wichtig“, rechtfertigte sie die Störung. Salomé konnte sich gerade noch verkneifen, mit der Zunge zu schnalzen. Keira war die Tochter eines Ehepaares, das schon seit Jahren Hausmeisteraufgaben für die de Bertrands in einem der Wohnhäuser an der Park Avenue innehatte, und gab wirklich ihr Bestes, den Job als Salomés persönliche Assistentin zu erfüllen. Aber sie war einfach zu nett. Sie hatte Salomé schon mehrfach Anrufer durchgestellt, die von der guten Margret, ihrer vormaligen Assistentin, bereits nach Nennung ihres Namens abgewürgt worden wären. Nach einem kurzen Nicken zu Ted, von dem die Analyse stammte, verließ dieser diskret den Raum, und Salomé griff zum Hörer.
„Ja bitte?“ Zu ärgerlich, dass Keira vergessen hatte, ihr mitzuteilen, wer am anderen Ende der Leitung war.
„Salomé de Bertrand?“ Die samtene Stimme, und vor allem der charmante schottische Akzent, ließ die Erinnerung an die laue Sommernacht in Südfrankreich vor etwa einer Woche aufblitzen, in der sie heftig mit einem unglaublich attraktiven Kerl geflirtet hatte. Sollte er etwa …?
„Wer möchte das wissen?“ Salomé bemühte sich, ihre Stimme professionell klingen zu lassen. Ein leises Lachen ertönte in der Leitung, und ihr Herz erhöhte seine Schlag-zahl.
„Wow. Das ist sehr sexy, wenn du die toughe Bankerin mimst, Zaza. Hier ist Nate Hamilton.“
Salomé räusperte sich. Er war es. Und er nannte sie bei ihrem Kosenamen Zaza, von dem nur ihre engsten Freunde und Familienangehörigen wussten. Und er. Unerklärlicher-weise wurde sie noch aufgeregter. Mit zitternden Fingern strich sie sich durch ihr glattes schwarzes Haar und flüchtete sich in vermeintliche Coolness.
„Nate ... Hamilton? Hmm?“ Insgeheim freute sie sich diebisch, ihn zappeln zu lassen. „Ah, Nate! Ich erinnere mich. Du bist doch der Bruder von Colin. Du warst sein Begleiter bei der Geburtstagsfeier meines Vaters.“
Salomé vernahm ein leises Ächzen.
„Wenn du so willst. Der Bruder von Colin also.“
Salomé spielte ihr Spiel weiter und blieb still. Wieder hörte sie Nates leises Lachen, das ihre Knie weich werden ließ.
„Glaubst du, ich merke nicht, was du hier treibst, Zaza? – Ich bin für ein paar Tage in New York. Wir sind in Südfrankreich recht schroff von Colin“, er betonte den Namen seines Bruders bewusst, „unterbrochen worden. Ich ...“
Nate machte eine kurze Pause, und Salomé, immer noch zitternd vor Freude über seinen unerwarteten Anruf, wartete begierig auf seine nächsten Worte.
„… ich möchte dich gerne wiedersehen, Zaza.“
Obwohl sie damit gerechnet hatte, bewirkte Nates schlichter Satz, dass Salomés Herz wie ein Vogel in ihrer Brust flatterte. Bevor sie noch über eine Antwort nachdenken konnte, fuhr Nate bereits fort.
„Da gibt es ein kleines japanisches Restaurant in Chelsea, in das ich dich gerne entführen möchte. Wann und wo kann ich dich heute Abend abholen?“
Salomé fühlte sich ein wenig überrumpelt. Sie hatte eigentlich vorgehabt, den Abend in Ruhe in ihrem Apartment zu verbringen. Die Rückreise aus Südfrankreich, wo sie ihren Sommerurlaub mit ihren Eltern und ihrem Bruder Philippe auf dem familieneigenen Anwesen Mirabel verbracht hatte, und der enge Zeitplan der letzten Arbeitstage hatten sie ganz schön geschlaucht. Und morgen war in aller Herrgottsfrühe ein Frühstückstreffen mit Jonathan Hawk angesetzt, einem der aktuell begabtesten Fondsmana-ger.
„Heute Abend?“
„Ja, das ist etwas kurzfristig, ich weiß. Aber ich bin nur noch bis übermorgen in der Stadt, Zaza. Und morgen Abend habe ich eine berufliche Verpflichtung, die ich nicht absagen kann.“
Salomé sog die Luft ein. Sie war es als Geschäfts-führerin einer Bank gewohnt, in geschäftlichen Angelegenheiten rasche Entscheidungen zu treffen und sich innerhalb von Sekunden für eine andere Strategie zu entscheiden. Weshalb also nicht heute Abend?
„Okay. Ich werde allerdings erst spät hier rauskommen. Vor neun geht es nicht.“ Sie nannte ihm die Adresse ihres Apartments.
„Gut, ich freue mich.“
Nates Offenheit verwirrte sie. Sollten Männer nicht subtiler flirten? Als sie aufgelegt hatte, bemerkte sie erst, wie ihre Hand zitterte. Was zum Teufel war los mit ihr?
Wenn sie ehrlich war, war sie Nate dankbar, dass er sie davor bewahrte, in der Stille ihres Apartments sich nach ihrer fernen Familie zu sehnen. Ganz besonders vermisste sie diesmal ihre neu gewonnene Freundin Julia. Diese hatte den Sommer über auf Mirabel mit Salomés Vaters zusammen seine Memoiren geschrieben. Dort hatte sie auch Salomés Halbbruder Mathieu kennen- und lieben gelernt. Und jetzt waren beide verlobt und erwarteten ein Kind.
Salomé checkte mit einem raschen Blick die Zeit in Europa und wählte Julias Nummer. Ted, der vermutlich noch vor der Tür wartete, würde ihr die paar zusätzlichen Minuten nachsehen. Wem, wenn nicht Julia, konnte sie von ihrem Date mit Nate erzählen? Lustig, wie sich das reimte.
„Zaza, bist du das?“, meldete sich Julia fröhlich. „Ich bin gerade draußen.“
Salomé schloss lächelnd die Augen. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie ihre Freundin vor dem verwunschenen, pflanzenbewachsenen Haus ihres Halbbruders Mathieu stand.
„Julia, ich wollte nur sichergehen, dass mein Bruder Mathieu noch gut zu dir ist.“
Julia lachte freudig auf. „Du willst sicherlich nicht im Detail hören, wie gut er ist, oder?“
Salomé grinste. Sie vermisste das tägliche Herumalbern mit Julia. Salomé hatte sich selten so gut mit einer anderen Frau verstanden. Ihre langjährige Freundin und Mit-bewohnerin in New York, Allegra, war in letzter Zeit viel zu wenig da, um zu quatschen. Sie war Ärztin bei „Ärzte ohne Grenzen“ und hielt sich die meiste Zeit in Krisenregionen auf.
Salomé freute sich, dass die Liebe zwischen Mathieu und Julia trotz anfänglicher herber Rückschläge endlich auf der richtigen Spur war. Wenn Liebe so war, wie diese beiden es lebten, konnte Salomé nur neidisch werden.
„Nein, lass mal lieber. Ist alles okay mit dem Baby?“ Julia war im ersten Trimester ihrer Schwangerschaft, und Salomé konnte es kaum erwarten, Tante zu werden.
„Ja, alles super. Mathieu behandelt mich leider wie ein rohes Ei. Das halte ich nicht mehr lange aus.“
Aus Julias frischem Tonfall schloss Salomé, dass ihre Freundin es alles andere als schlimm fand, von Mathieu auf Händen getragen zu werden. Salomé beschloss, ihr brennendes Anliegen loszuwerden.
„Julia, du wirst nicht glauben, wer sich gerade bei mir gemeldet hat!“
„Doch nicht etwa der sexy Schotte?“
Salomé war verwirrt, wie zielsicher Julia ins Schwarze getroffen hatte.
„Doch, genau der. Nate. Er ist in New York.“
„Wow. Der ist aber schnell. Das Fest ist doch gerade mal fünf Tage her. Ich habe dir doch gesagt, der verschwindet nicht so einfach aus deinem Leben. Er hatte ja auch keine Chance, so wie Inès seinen Bruder Colin unter ihre Fittiche genommen hat.“
 Salomé lächelte. Ihre Mutter Inès hatte den schottischen Künstler Colin Hamilton bei einer Ausstellung in Südfrankreich entdeckt. Inès kehrte, begeistert von dessen ungewöhnlich ausdrucksstarken Bildern, in das Ferien-domizil der Familie de Bertrand in Roquebrune zurück und erwarb sogleich eine Handvoll Porträts. Der gut aussehende Künstler hatte es Inès so angetan, dass sie ihn nebst Begleitung spontan zu der großen Geburtstagsfeier ihres Mannes Charles auf das Anwesen einlud.
Colin wählte als Begleitung für das Fest seinen Bruder Nate. Die beiden attraktiven Männer, die statt eines Smo-kings im schottischen Kilt aufschlugen, ließen die Herzen der weiblichen Gäste kollektiv höherschlagen. Salomé tanzte mit beiden, aber der hochgewachsene Nate umgarnte sie an diesem Abend mit seinem Old-School-Charme. Als es hinter den Kulissen turbulenter wurde – Philippe und ihr Halbbruder Mathieu hatten eine handgreifliche Ausei-nandersetzung, die fast in einem Unglücksfall endete –, beeindruckte Nate Salomé durch seine pragmatische Hilfe.
Als sie sich bei einem Tanz gerade näherkamen, tauchte Colin leider auf und zog Nate mit dem Hinweis auf die frühe Abreise am nächsten Morgen aus Salomés Armen von der Tanzfläche. Soweit Salomé ihrer champagnerumnebelten Erinnerung trauen konnte, hatte Nate sich mit einem bedauernden Blick von ihr verabschiedet. Er hauchte einen zarten Kuss auf ihre Wange und flüsterte dabei etwas Schottisches in ihr Ohr. Dessen Sinn hatte sich der überrumpelten Salomé erst später erschlossen, als ihr Gehirn die Worte zu einem halbwegs verständlichen Satz aneinanderreihte.
„See ye soon, ma Bonnie.“
„Auf bald, meine Schöne.“ Wie meinte er das?
Das aufregende Flirren, das diese Worte in Salomé auslösten, war am nächsten Morgen nur noch eine verschwommene Erinnerung. Dann hielten auch schon die letzten Tage der Sommersaison Salomé davon ab, weiter an Nate zu denken. Mathieu und Julia feierten ihre Verlobung. Ein Abschiedsessen jagte das nächste, und gleichzeitig strukturierte Salomé bereits die ersten Arbeitswochen in ihrem New Yorker Büro vor, die nach ihrer jeweils langen Sommerpause erfahrungsgemäß sehr hektisch würden.
Bei ihrer Abreise umarmte Julia Salomé fest. „Ich wünsche mir für dich, Zaza, dass du dein Glück auch bald findest“, hauchte sie ihr dabei ins Ohr.
Salomé seufzte leise.
„Ist denn da kein Mann in New York, der sich auf dich freut, Zaza?“
„Nein. Wie denn auch? In New York habe ich wegen meines Arbeitspensums keine Zeit für ein richtiges Privat-leben.“
„Du und kein Privatleben? Das kann ich mir nicht vorstellen. Die lebensfrohe Zaza, die ich hier in Südfrankreich kennengelernt habe, nimmt jede Möglichkeit mit, sich zu amüsieren.“
„Glaube mir, du würdest die New-York-Zaza nicht wiedererkennen. Vom Leben in New York bekomme ich nur die unzähligen offiziellen Veranstaltungen mit. Aber das gehört eben zum Job. Und die Menschen, die ich auf Galas und Ausstellungseröffnungen kennenlerne, sehe ich meistens nur dort und nie privat. Es ergibt sich einfach nicht, weil alle zeitlich so eingebunden sind. So geht es mir ja selbst auch. Die Leute, mit denen ich privat in New York Kontakt hatte, lassen sich an einer Hand abzählen.“
Julia schüttelte ungläubig den Kopf. „Wie hältst du das aus? Das ist ja wie bei Doktor Jekyll und Mister Hyde. Die zwei Leben der Zaza.“
Zaza lachte laut ĂĽber Julias Vergleich. Dann zuckte sie nur die Achseln.
„Das weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Wenn die langen Sommer in Frankreich mit dem de Bertrand-Clan nicht wären, in denen ich sein kann, wie ich wirklich bin, wäre ich schon durchgedreht.“ Ihr Mund verhärtete sich kurz, dann winkte sie ab. „Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Schließlich habe ich die Ehre, die Dependance unserer Bank in New York zu leiten und den nordamerikanischen Markt abzudecken. Da muss man privat Abstriche machen.“
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Philippe so viele Abstriche macht wie du.“
Salomé verdrehte die Augen beim Gedanken an ihren Bruder.
„Philippe ist ja auch ganz anders als ich. Deshalb darf der ja auch nur den asiatischen Markt machen.“ Sie kicherte, denn Julia wusste, wie gerne Salomé ihren Bruder aufzog und sich nicht verkneifen konnte, ihm unerwünschte Tipps für die Bankgeschäfte in seinem Bereich zu geben.
„Warum nur habe ich das Gefühl, du lenkst vom Thema ab? Sprachen wir nicht über Männer?“
Salomé grinste schief. „Die guten Männer, denen ich mein wahres, wildes Ich offenbaren möchte, sind anschei-nend nicht in New York.“
Julia blickte sie fragend an. „Ach – und wo sollen die sein?“
„Och … Vielleicht auf Partys in Südfrankreich?“
Es dauerte nach dieser Bemerkung etwa eine Zehntel-sekunde lang, bis Julia begriff, dass Zaza von dem blauäugigen Schotten Nate mehr als angetan war.
„Wart’s nur ab, Zaza. Ich hab da so ein Gefühl, als würdest du den bald wiedersehen.“
Zaza hatte die Achseln gezuckt. „Schön wär’s.“
 Und jetzt hatte er sich gemeldet.
„Und, trefft ihr euch?“, fragte Julia in ihrer direkten Art.
„Ja, heute Abend. Er ist nur noch zwei Tage da, und morgen haben wir beide keine Zeit. Wir gehen japanisch essen.“ Salomé versuchte vergeblich, ihre Aufregung vor Julia zu verbergen.
Julia lachte. „Zaza hat ein Date mit Nate! Zaza hat ein Date mit Nate! “, summte sie ausgelassen vor sich hin.
Salomé verdrehte die Augen. Dann hörte sie, wie Julia leise mit jemandem sprach. Das konnte nur ihr Halbbruder Mathieu sein.
„Hallo, Schwesterchen. Was höre ich, du hast also ein Date mit Sexy-Nate?“
Salomé konnte sich leider nicht über die ungewohnt vertrauliche Anrede ihres neuen Halbbruders freuen. Jetzt reichte es! So dämlich, wie dieser Satz klang, würde das Rendezvous mit Nate hoffentlich nicht werden.
„Ich muss dann mal wieder mit meinem Portfoliomanager ins Meeting“, unterbrach sie Mathieus Necken. Sein tiefes Lachen schallte aus dem Hörer, bevor Salomé auflegte.
Salomé konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Ein aufgeregtes Ziehen machte sich in ihrer Brust breit. Ob Nate noch so beeindruckend sein würde, wie sie ihn an diesem lauschigen Abend auf Mirabel empfunden hatte? Würde sie es für ihn sein?
Sie wagte sich gar nicht vorzustellen, wie der heutige Abend verlaufen würde. Seit Jahren war sie nicht mehr so aufgeregt vor einer Verabredung gewesen. Sie hatte ja auch schon eine Weile kein richtiges Date gehabt. Warum bloß war sie so nervös?
Bevor sie der Frage weiter nachgehen konnte, riss Keira sie aus ihren Träumereien. „Salomé. Ted muss gleich zu einem Meeting. Haben Sie noch kurz Zeit für ihn?“
„Klar. Schicken Sie ihn rein, Keira.“
Den weiteren Nachmittag kam Salomé nicht mehr dazu, über ihr Date mit Nate nachzudenken. Das undefinierbare Gefühl, dass etwas Großes bevorstand, hielt allerdings an.
     DATE MIT NATE
 Die Türen des Hotelaufzugs glitten lautlos auf. Nate rückte nervös sein Basecap tiefer in die Stirn und schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Er betrat die Lobby des modernen Hotels, in der nicht das kleinste Detail der Innenarchitektur dem Zufall überlassen worden war. Mit einem raschen Blick vergewisserte er sich, dass der Weg zum polierten, von futuristischen Lampen eines dänischen Designers angestrahlten Rezeptionsdesk, das den Aufzügen gegenüber lag, frei war.
Der Concierge, George, wie Nate anhand des Schildes auf seiner Uniform erkennen konnte, hob den Blick und lächelte ihn erwartungsvoll an.
„Mister Hamilton, was kann ich für Sie tun?“
Nate legte den Zettel mit der Adresse von Salomés Apartment auf den Tresen.
„Können Sie mir bitte ein Taxi rufen, George, das mich zu dieser Adresse bringt?“
„Selbstverständlich. Ihre Agentin, Miss Cary, hat bereits einen Fahrer für Sie ausgesucht. Ich gebe ihm sofort Bescheid.“
Ein älteres Paar betrat das Hotel, und durch die sich langsam schließende Tür war das Rufen einer dicht gedrängten Menschenmenge, die den Eingang hinter einer Absperrung belagerte, zu vernehmen. Nate blickte hoch und schüttelte ungläubig den Kopf. Er kramte auch noch die Sonnenbrille aus seiner Jacke, obwohl er gehofft hatte, das würde nicht nötig sein.
„Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein, Mister Hamilton?“, fragte George aufmerksam und blickte ebenfalls Richtung Eingangstür.
Nate räusperte sich. Er war diesen Trubel um seine Person nicht gewöhnt. Seit der Premiere von Highlander-Resurrection war die Hölle los. Er hoffte, das würde sich mit der Zeit wieder beruhigen. Nate verzog sein Gesicht, als er daran dachte, sich der Meute zu stellen. Dabei wollte er viel lieber in Ruhe der angenehmen Aufregung in seinem Bauch nachspüren, die das bevorstehende Date mit Salomé bei ihm auslöste.
„Gibt es im Hotel einen Blumenladen?“
„Der Fahrer kann Sie an einem vorbeibringen. Ich schlage vor, Sie verlassen das Hotel durch die Tiefgarage, Mister Hamilton. Ihr Fahrer erwartet Sie dort.“
Dankbar hellten sich Nates Gesichtszüge auf. „Besten Dank, George.“
George nickte wieder freundlich, seine Miene blieb ansonsten professionell zurĂĽckhaltend. Nate notierte sich innerlich diesen Gesichtsausdruck, falls er jemals die Rolle eines Concierge spielen sollte. Als er sich auf dem Weg in die Garage befand, klingelte sein Smartphone. Im Display war der Name seiner Agentin Cary eingeblendet. Was wollte die jetzt schon wieder? Seufzend nahm Nate ab.
„Hi, Nate. Wie ist die Anprobe gelaufen?“
„Alles okay. Was gibt es?“
„Ich wollte dich nur an die Pressekonferenz morgen früh um neun erinnern. Gegen zwölf mittags gibt es ein Meet & Greet in deinem Hotel mit anschließendem Interview durch einen Reporter der Village Voice, das spätestens um drei Uhr beendet sein dürfte. Deinen Auftritt auf der Charitygala konnte ich, wie gesagt, nicht absagen. Das heißt, der Fahrer holt dich um sieben Uhr im Hotel ab. Auf dem Weg zur Veranstaltung nehmt ihr dann deine Begleiterin für den Abend mit. Wir konnten das neue Amandas Secrets-Model Ivana dafür buchen.“
Nate konnte sich vage an das Gesicht des Models erinnern. „Ivana also. Hmm.“
„Du bist der Stargast des Abends und wirst direkt nach der Begrüßungsrede des Veranstalters auf die Bühne gerufen werden. Es werden ein paar Worte von dir erwartet. Ich habe ein Dossier mit Informationen zusammengestellt und dir gerade gemailt. Mach was draus. Und vergiss nicht: immer schön lächeln und mit allen einflussreichen Damen tanzen.“
Nate verzog genervt sein Gesicht. „Das hatten wir doch bereits besprochen, Cary. Danke trotzdem.“
„Ich dachte nur, eine kleine Erinnerung könnte nicht schaden. Und vergiss bitte bei der Pressekonferenz morgen nicht, was wir abgemacht haben. Weiterhin kein Wort über Liz.“ Carys Mahnung klang spitz. „Außerdem möchte ich dich daran erinnern, dass wir kommende Woche nochmals kurz hier sind. Du hast das Fotoshooting mit der Dream-Man und eine Pressekonferenz zu Highlander-Resurrection 2, bevor du für die Drehvorbereitungen nach Schottland reist. Und denk daran: Seit vorgestern die Premiere von Highlander-Resurrection so ein riesiger Erfolg war, bist du in eine andere Liga aufgestiegen. Also verhalte dich auch danach.“
Nate seufzte. Sollte sein Leben fortan so weitergehen? Irgendwie hatte er sich das anders vorgestellt.
„Ja, Cary. Ist alles vermerkt. War’s das?“
Cary mit ihren feinen Antennen ließ sich nicht so leicht abschütteln. „Wo bist du, und was machst du heute Abend? Ich dachte, ich komme vorbei, und wir gehen die Drehbücher durch. Welche hast du schon gelesen?“
„Ich gehe aus, Cary. Privat.“ Nate wurde ungeduldig. Er war zwischenzeitlich in der Garage angelangt und nahm in dem wartenden Fahrzeug Platz. Der Fahrer kannte offenbar das Ziel, denn er fuhr ohne weitere Fragen los.
„Denk bitte daran, Nate, dass du morgen fit sein musst. Geh früh schlafen.“
Nate schnaubte. Das wurde ja immer grässlicher. Da hätte er ja gleich bei seiner Mama wohnen bleiben können. Um Cary zu ärgern, verfiel er denn auch in denselben gelangweilten Tonfall, mit dem er seiner nervenden Mutter zu Teeniezeiten begegnet war: „Mach ich, Cary. Gute Nacht.“ Bevor Cary noch etwas einfiel, beendete Nate rasch das Gespräch. Er wandte sich an den Fahrer. „Haben Sie eine Idee, wo ich noch eine rote Rose kaufen kann?“
* * *
Kurz vor neun meldete der Portier Salomé telefonisch den Besucher.
„Sagen Sie ihm bitte, ich bin gleich unten, Conrad.“
Salomé holte tief Luft, um sich zu beruhigen, und steckte ihre Ohrringe an.
Sie war später als gedacht aus dem Büro weggekommen und hatte nach einer schnellen Dusche ein Turbostyling hingelegt. Ihr fast schwarzes Haar war noch nicht ganz getrocknet. Sie blies ungeduldig ihren gestuften Pony aus ihrer Stirn. Ihre auffallend hellblauen Augen hatte sie mit sanften braunen Akzenten betont und sich für einen dezenten Lippenstift im Nudeton entschieden.
Ratlos hatte sie vor ihrer Kleidervielfalt gestanden. Was sollte sie tragen? Was war angemessen?
Sie wusste so gar nicht, welcher Typ Nate war und in welche Art von Restaurant er sie heute führen würde. Sie hatte ihn bisher nur in schottischer Tracht gesehen. Der Gedanke an sein muskulöses Bein, das unter dem Kilt hervorgeblitzt hatte, ließ sie unruhig werden.
Salomé, die den ganzen Tag in Business-Klamotten verbringen musste, liebte in ihrer Freizeit einen unauffälligen, bequemen Look. Ihre Abendgarderobe für die amerikanischen Veranstaltungen war eher konservativ. Nur in Frankreich gönnte sie sich kleine Extravaganzen. Beim Fest ihres Vaters hatte Nate sie in einem rosafarbenen Hauch von Dior erlebt. Was sollte sie nur für das Date mit Nate anziehen?
Wieder hatte sie ĂĽber den Reim schmunzelnd das Gesicht verzogen und sich kurzentschlossen entschieden.
Sie unterzog sich einem letzten prüfenden Blick im Spiegel. Der auffällige Gürtel, den sie zum kleinen Schwarzen gewählt hatte, peppte dessen dunklen Look auf. Salomé schlüpfte in schwarze Pumps und warf sich eine leichte Kaschmirstola über, bevor sie sich mit starkem Herzklopfen auf den Weg in die Lobby machte.
Conrad begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. Er hatte einen Narren an ihr gefressen, insbesondere seit sie ihm jährlich aus ihrem Sommerurlaub in Frankreich einen Korb voll Delikatessen mitbrachte.
„Ah, Miss de Bertrand ...“
Salomé liebte es, wie amerikanisch er ihren französischen Nachnamen aussprach.
„… ich habe heute die Zitronencreme probiert. Einfach köstlich.“
Salomé lachte ihn an und sah sich dann aufgeregt um. Sie runzelte verwirrt die Stirn. Von der Sitzgruppe im Empfangsbereich erhob sich ein Mann in Jeans und Lederjacke, dessen Gesicht unter dem tief ins Gesicht gezogenen Basecap und der Sonnenbrille kaum zu erkennen war. War das etwa Nate?
Während er auf sie zukam, nahm er Brille und Kappe ab, und Salomé blickte in strahlende Augen über dem breit grinsenden Mund.
Das war unverkennbar der Nate, mit dem sie in Südfrankreich den Abend über geflirtet hatte. Er war noch attraktiver, als sie ihn in Erinnerung hatte. Dunkelblonde Locken fielen in seine Stirn. Eine Strähne reichte bis an die hohen Wangenknochen. Ein charmantes Grübchen am Kinn lenkte von der ein wenig zu großen Nase ab. Am meisten fesselte Salomé sein ausgeprägter Mund, bei dem feine Linien darauf schließen ließen, wie gerne dieser Mann lachte.
Er trat dicht vor sie und strahlte eine unglaublich männliche Präsenz aus. Salomé spürte Verlangen in sich aufsteigen. Sie erkannte sich kaum wieder. Es war erstaunlich, welche tief in ihr verborgen geglaubten Seiten dieser Mann zum Leben erweckte. Allein seine Nähe ließ ihre Gedanken in ihr Schlafzimmer wandern. Wie konnte das sein? Sie hatte ihn erst ein einziges Mal gesehen, und doch reagierte ihr Körper mit einer Intensität auf seine Männlichkeit, dass sie nervös wurde. Sie musste sich zusammenreißen, äußerlich gelassen zu bleiben.
„Hi“, krächzte sie und räusperte sich sogleich, um ihre Stimme zu klären.
„Hallo, Schönheit.“ Er neigte sich vor und küsste sie auf französische Art auf beide Wangen.
Salomé wallte ein Hauch seines herben Rasierwassers in die Nase. Er überreichte ihr eine rote Rose. Sie grinste gerührt. Wie schön altmodisch er war. „Ich habe dich kaum erkannt, so ohne Kilt.“
Nates Lächeln vertiefte sich. „Aye, Tracht erschien mir dann doch übertrieben für ein japanisches Restaurant.“ Mit einem Blick auf den neugierig zu ihnen hin schielenden Conrad fügte er hinzu: „Lass uns los. Unser Wagen wartet draußen.“
Er hielt ihr seine Hand hin, die sie wie selbstverständlich ergriff. Seine Finger waren warm und seltsam vertraut. Salomé bat Conrad, die Rose zu versorgen und folgte ihm.
Bevor sie das Haus verließen, setzte er sich zu Salomés Erstaunen wieder die Brille und die Kappe auf und schlug seinen Kragen hoch. Während er vorsichtig nach links und rechts spähte, zog er Salomé eilig zu dem wartenden Fahrzeug. Als sie auf der Rückbank saßen, stieß Nate erleichtert seinen Atem aus. Salomé schmunzelte. Er bemerkte ihre Reaktion.
„Glaub mir, es ist nicht einfach, berühmt zu sein.“
Salomé entfuhr ein Kichern. Sie hatte bereits auf dem Fest seinen Humor bemerkt. „Oh, ja! Als Bruder von Colin Hamilton hat man sicher einige Spießrutenläufe zwischen Paparazzi zu bewältigen.“
Er starrte sie mit offenem Mund an und fuhr sich dann seufzend ĂĽber sein Kinn. Dabei brummte er irgendetwas Schottisches vor sich hin.
„Mal im Ernst, was soll die Maskerade? Wirst du verfolgt?“
„So kann man es nennen, ja.“
Als er keine weiteren Erklärungen abgab, ließ Salomé das Thema fallen. Sie genoss es, mit ihm durch das nächtliche New York zu fahren, entlang der gigantischen Wolkenkratzer, von denen hier unten nur die imposanten Eingänge in Chrom und Stahl zu sehen waren. Der unablässige Strom von Menschen, die an den Fußgängerampeln zu einem ungeduldigen Halt gezwungen waren, der krasse Gegensatz von extrovertierten Nachtvögeln und armen Schluckern – das alles rauschte an ihnen vorbei, während er immer noch ihre Hand hielt und offenkundig auch nicht vorhatte, diese loszulassen.
Erstaunlicherweise fühlte sich die Berührung vertraut an. Sein Daumen strich sanft über ihren Handrücken und sandte von dort flirrende Signale ihren Arm hoch. Sie sprachen nicht, doch es war ein angenehmes Schweigen. Seine ungewohnte Nähe überschwemmte Salomés Sinne mit Eindrücken: sein würziger Geruch nach einem herben Rasierwasser und seiner Lederjacke. Wie konnte es sein, dass die Wärme, die seine bloße Präsenz ausstrahlte, die Härchen an ihrem Unterarm zu einer Gänsehaut aufstellte?
Salomé nahm jedes Detail glasklar wahr. Die vorbeiziehenden Straßenszenen, der kurz rasierte Nacken des Chauffeurs, eine Fluse auf der Kopfstütze vor ihr. Schon wieder war sie verwirrt darüber, was nur mit ihr los war. Das war ein Date und nichts weiter. Sie war kein Backfisch und auch keine Jungfrau mehr. Bleib cool, Zaza, ermahnte sie sich selbst.
Allzu bald stoppte der Wagen, und wenig später folgte Salomé Nate in ein unscheinbares Lokal, das auf den ersten Blick einen geschlossenen Eindruck machte. Sie schienen die einzigen Gäste zu sein. Nachdenklich blickte sie sich in dem leeren Raum um.
„Bist du sicher, dass die geöffnet haben?“
„Aber ja doch.“
Im selben Moment näherte sich ihnen ein freundlicher junger Mann japanischer Herkunft. „Guten Abend, Mister Hamilton. Es ist mir eine Ehre.“ Neugierig betrachtete er Salomé und begrüßte auch sie freundlich. „Folgen Sie mir, bitte.“
Er führte sie an einen gedeckten Tisch im hinteren Teil des Lokals und rückte Salomés Stuhl zurecht. Als er gegangen war, um die Getränke zu holen, neigte Salomé sich vor.
„Nate, kennst du den Laden hier? Ich meine ja nur, das ist in New York kein gutes Zeichen, wenn wir die einzigen Gäste sind“, flüsterte sie ihm zu.
Nate grinste. „Keine Sorge, Zaza, ich habe alles unter Kontrolle.“
Bei seinen Worten zog Salomé die Brauen hoch. Da er sie weiterhin mit unerschütterlichem Selbstvertrauen anblickte, verbiss sie sich jeden weiteren Kommentar und legte die Serviette auf ihren Schoß.
„Ich hoffe, du nimmst mir nicht übel, dass ich bereits bestellt habe. Es gibt ein hervorragendes Kyoto-Menü.“
Salomé nickte zustimmend. Zu ihrem Erstaunen war der erste Gang köstlich. Sie konnte nun noch weniger verstehen, weshalb der Laden nicht vollgepackt mit Gästen war.
Nate hatte sie beobachtet und prostete ihr lächelnd zu. Das Funkeln in seinen Augen ließ sie einen kurzen Augenblick die Fassung verlieren. Sie spürte ihr Herz bis zum Hals schlagen. Krampfhaft suchte sie nach einem Gesprächsthema, das sie von der Hitze ablenkte, die in ihre Wangen stieg. Nervös nippte sie an ihrem vorzüglichen Wein.
„Weshalb bist du in New York?“, begann Salomé das behutsame Ausfragen, das ihr hoffentlich mehr über diesen aufregenden Date-Nate offenbaren würde.
„Ich habe beruflich hier zu tun.“
Aha, eine kryptische Antwort. Anscheinend liefen die „beruflichen Unternehmungen“ nicht so erfolgreich, sonst würde er doch offener darüber berichten.
„Bist du auch Maler wie dein Bruder Colin?“
Nate wollte gerade die Stäbchen zum Mund führen und hielt inne. „Maler? Nein.“
„Es reicht ja auch, wenn einer in der Familie berühmt und erfolgreich ist“, stichelte Salomé.
Nates Augen weiteten sich. „Da hast du wohl recht, Zaza.“ Vergnügt tunkte er ein Sashimi in die hauseigene Sojasoße.
„Nate, ist dein Job so schlimm, dass du nicht darüber sprechen kannst? Was ist so schwierig daran, mir zu sagen, was du machst?“ Ungeduldig blickte Salomé ihn an.
„Nichts ist schlimm daran.“ Nate zuckte unschuldig die Schultern. „Ich bin Schauspieler.“
Salomé blickte ihn interessiert an. Schauspieler also. Das Aussehen dafür hatte er auf jeden Fall. Vielleicht trat er am Broadway auf? „Und an welchem Theater spielst du?“
Nate verschluckte sich an dem Schluck Sake, den er gerade aus einem der filigranen Schälchen schlürfte. „Meine Theaterzeit liegt schon einige Jahre zurück. Ich bin eher Filmschauspieler.“
Salomé war immer noch nicht zufrieden. „Und kenne ich einen Film, in dem du mitgespielt hast?“
Nate musterte sie und rieb sich sein Kinn. „Wie es scheint … nicht, Zaza.“
* * *
Nate blickte erstaunt in die erwartungsvollen hellblauen Augen Salomés. Er konnte es kaum glauben: Es schien, als würde sie ihn nicht kennen. Zunächst war er davon ausgegangen, das wäre für sie alles nur ein Spaß. Vor allem, weil sie immer wieder auf seinen bekannten Bruder Colin anspielte. Diese Fassade würde sich nicht so lange durch-halten lassen, wäre es nur ein Spiel. Davon war er zwischenzeitlich überzeugt.
Salomés Fragen waren ernsthaft interessiert, und sie schaute so unschuldig, dass es ihm in diesem Moment wie Schuppen von den Augen gefallen war: Sie hatte keinen Schimmer, wer vor ihr saß. Kurz überlegte er, ob sein Ego beleidigt sein sollte. Dann überkam Nate ein ungewohnt angenehmes Gefühl: Er hatte mit dieser zauberhaften Frau die einzigartige Chance, nur um seiner selbst willen gemocht zu werden. Mit einer solchen Möglichkeit hatte er, seit er im Fokus der Medien und seiner Fans stand, nicht mehr gerechnet.
Bevor er vor etwa drei Jahren ins Kinofach wechselte, trat er in der Rolle des umschwärmten Oberarztes Dr. Moss in der HBO-Krankenhausserie Medical Statement auf. Im Laufe dieser Zeit war er mehr und mehr ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit gerückt. Er erhielt Fanpost von zumeist weiblichen Fans aus aller Welt. Anfangs hatte er diese Aufmerksamkeit genossen und versucht, jeden einzelnen Fanbrief und jede Facebook-Anfrage persönlich zu beantworten. Als er vor etwa eineinhalb Jahren Opfer einer unglaublich penetranten Stalkerin geworden war, die eines Nachts nackt in seinem Schlafzimmer gestanden und hysterisch gekreischt hatte, sie wollte ein Kind von ihm, war sein Enthusiasmus für die Fans allerdings merklich abgeebbt. Mittlerweile twitterte eine Agentur für ihn.
Sein älterer Bruder Colin, der mit seiner „ernsthaften“ Kunst zu Ruhm gekommen war, hatte für Nates Fernsehbekanntheit nur ein amüsiertes Schnauben übrig.
Nate selbst hatte sich seine Schauspielkarriere auch ernst-hafter vorgestellt. Immerhin besaĂź er ein Diplom der Royal Scottish Academy of Music and Drama, wo er in Glasgow seine Ausbildung gemacht hatte. Bei seinem Aussehen blieb es nicht aus, dass amerikanische Casting-Agenturen recht bald auf ihn aufmerksam geworden waren.
Schotten und auch Iren waren im amerikanischen Fernsehen anscheinend sehr begehrt. Vielleicht lag es auch daran, dass er zur Aufbesserung seiner Einkünfte neben seinem ersten Engagement an einer kleinen Bühne in Edinburgh als Unterwäschemodel seinen durchtrainierten Oberkörper vor der Kamera präsentiert hatte.
Bei seiner ersten Einladung nach L. A. hatte er verblüfft sein Sixpack im Megaformat auf den großen Werbetafeln, die die Straße vom Flughafen säumten, registriert. Ihm war bis dahin nicht bewusst gewesen, dass sein Konterfei und sein Oberkörper am anderen Ende der Welt bereits zu Ruhm gekommen waren. Die Freunde in Edinburgh wollten es dann auch erst glauben, als Nate ihnen ein Foto vom North Beverly Drive schickte, auf dem sein halbnackter Körper die gesamte Hauswand eines Kaufhauses einnahm.
Er hatte sich nicht verkneifen können, die Nachricht mit „Size does matter“, „Größe spielt eine Rolle“, zu betiteln. Sein guter Freund Stuart, ein begnadeter Webdesigner, hatte Nate das Foto damals postwendend verfremdet zurückgeschickt. Nate hatte fassungslos schmunzelnd auf die über-dimensioniert aufgeblasenen Lippen gestarrt. Bei seiner schottischen Clique trug er fortan den Spitznamen „Bigmouth“, „Schwätzer“.
Seit seiner Ankunft in L. A. hatte seine Karriere so rasant an Fahrt aufgenommen, dass Nate manchmal nicht hinterherkam. Neben der Krankenhausserie spielte er in kleineren Nebenrollen mehrerer Kinofilme. Letzten Sommer hatte er dann die begehrte Hauptrolle in der Neuverfilmung des Achtzigerjahre-Filmhits Highlander ergattert. Highlander-Resurrection hatte vor zwei Tagen Weltpremiere in New York gefeiert, und seitdem stand Nates Leben kopf.
Er lächelte. Sollte er Salomé erzählen, dass er extra für diesen Abend das gesamte Lokal gebucht hatte?
Nate hätte es auch bevorzugt, im Stimmgemurmel anderer Gäste mit ihr zu speisen, als recht verlassen in dem kleinen Lokal. Solche Normalität war ihm leider nicht mehr vergönnt.
Es wunderte Nate, dass Zaza überhaupt nichts von dem Starrummel um ihn mitbekommen hatte. Seit Wochen waren die Zeitungen, Plakatwände und Busse voll von seinem Konterfei. Selbst auf dem Weg hierher waren sie an einigen Plakaten mit seinem Bild vorbeigefahren.
Zugegeben, er sah auf dem Filmplakat anders aus als in natura. Er war als archaischer Krieger mit piktischer Körperbemalung und zottigen, geflochtenen Haaren abgebildet, der vor seiner glänzenden nackten Brust eine Streitaxt und einen schottischen Dolch kreuzte. Wie konnte es sein, dass eine so intelligente Frau, die mit beiden Beinen fest im Leben stand und eine Position bekleidete, in der jeder Vorsprung an Information zählte, ihn nicht kannte? Was wohl passieren würde, wenn sie realisierte, dass er ein Kino-star war?
Nate wollte es zu gerne herausfinden.
Sie redeten über dies und das, und Nate genoss es, mit dieser schönen, klugen Frau zu reden. Sie schien über viele Themen fundiert informiert zu sein. Merkwürdig, dass Boulevardthemen davon gänzlich ausgeklammert waren.
„Liest du überhaupt keine Zeitung, Zaza?“
Salomé bedachte ihn mit einem spöttischen Blick.
„Selbstverständlich lese ich Zeitung, Nate. Weshalb fragst du? Ich verfolge online die großen Nachrichtenanbieter. Im Büro steht mir zudem täglich eine Auswahl an großen nationalen und internationalen Tageszeitungen zur Verfü-gung.“
Nate krauste die Nase.
„Und die liest du alle von vorne bis hinten durch?“
„Nein, natürlich nur die Teile, die mich interessieren und die für meinen Job wichtig sind. Hauptsächlich Finanzen und Weltpolitik.“
„Und den Kulturteil? Boulevard, Feuilleton?“
Salomé senkte verlegen den Blick.
„Ja, weißt du, ich habe bei meinem Zeitplan morgens genau zwanzig Minuten, um alle Meldungen des vergangenen Tages zu scannen. Dann beginnen die Meetings. Zu mehr ist keine Zeit. Es sei denn, ich muss abends zu einem kul-turellen Event. Meine Assistentin Keira stellt mir morgens ein Portfolio an gezielten Informationen zusammen.“
„Gehst du nie ins Kino? Oder ins Theater?“
Salomé räusperte sich. Dann schüttelte sie den Kopf.
„Ich habe dafür einfach keine Zeit“, flüsterte sie, während sie ihre Stoffserviette glatt strich.
Ihre Verlegenheit rührte eine Saite in seinem Inneren, und er hätte gerne in diesem Moment ihre Hände in seine genommen.
„Und wenn du an einem Kiosk Zeitschriften kaufst … da fallen dir doch sicherlich die Cover der Boulevardblätter auf?“
„Ich kaufe keine Zeitschriften an Kiosken, Nate. Das macht, wenn überhaupt, Keira. Außer in meinen Ferien in Frankreich ...“ Ihr Blick schweifte ab.
Zu gerne hätte Nate gewusst, was ihr gerade eingefallen war.
„Klatsch interessiert mich nicht besonders. Mein Bruder Philippe ist auch schon Opfer dieser Schmierfinke geworden … gerade noch in diesem Sommer.“ Sie verzog geringschätzig das Gesicht. „Das ist wirklich etwas, worauf ich verzichten kann.“
Das konnte Nate sehr gut verstehen.
„Fernsehen wirst du doch sicherlich ab und an?“
„Was soll eigentlich diese ganze Fragerei über meinen Medienkonsum? Arbeitest du nebenher noch für ein Marktforschungsinstitut? Vielleicht solltest du mehr Energie auf deine Schauspielkarriere verwenden.“
Sie zwinkerte ihm zu und gab ihm mit einem breiten Grinsen zu verstehen, dass sie ihn foppen wollte.
„Davon abgesehen: Ja, ich schaue fern, vor allem, wenn ich Sport treibe. In meinem Sportstudio bieten sie alle Nachrichtenkanäle an, wo ich regelmäßig Börseneinschätzungen und Marktentwicklungen verfolgen kann.“
Sie grinste schief. Ihr war bei dieser Aufzählung offenbar selbst bewusst geworden, wie sehr sie sich auf nur ein Thema, nämlich Wirtschaft, konzentrierte. Wie, um sich zu rechtfertigen, deutete sie mit ihren Essstäbchen auf ihn.
„Und wie sieht denn dein Wissen bezüglich Börsen-bewegungen und Banken aus?“
Nate konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
„Aye, du hast recht. Wir sind ganz schön verschieden, was das angeht. Ich lese eher den Gesellschaftsteil der Zeitung, und meine Agentin schickt mir tonnenweise Zeitschriften, die sich ausschließlich mit Klatsch und Tratsch be-schäftigen.“
Konnte das sein? Bestand ihr ganzes Leben nur aus Banken, Marktanalysen und Finanzen? Was machte sie in ihrer Freizeit? So, wie es klang, hatte sie sowieso kaum Freizeit, wenn sie sich noch beim Sport mit Wirtschaftsthemen beschäftigte.
„Du bist ein seltenes Geschöpf, Zaza“, stellte Nate fest, gab endlich dem Drang nach und legte seine Hand auf ihre.
     ABSERVIERT
 Salomé durchzuckte es wie ein Blitz. Nates Hand wieder auf ihrer zu spüren, erfüllte sie in der intimen Atmosphäre des Restaurants mit einer Hitze, die sich von ihren Fingern über ihren Bauch bis in ihren Unterleib zog. Das Bild, das sich einem Außenstehenden – wenn es denn einen gegeben hätte – bieten musste, entsprach ihrer urtümlichsten Vorstellung eines romantischen Rendezvous. Erst die rote Rose und jetzt das. Fehlte nur noch der Stehgeiger. Das kitschbedürftige Mädchen in Salomé schmolz förmlich dahin. Gleichzeitig erschreckte sie das Gefühl, total die Kontrolle zu verlieren. Sie wollte diesen Mann.
Jetzt.
FĂĽr immer.
Geschockt über ihre Gedanken, entschied sie, diesem Gefühl auf gar keinen Fall nachzugeben. Das letzte – das einzige – Mal, als sie so intensive Gefühle gehabt hatte, war sie fürchterlich verletzt worden, und das saß immer noch tief.
Salomé fühlte Nates Hand weiterhin auf ihrer. Sein Daumen streichelte jetzt zart ihren Handrücken, und sie spürte noch etwas anderes als die Hitze des ersten Moments: Das Gefühl von Geborgenheit, das diese Berührung in ihr auslöste, verwirrte sie aufs Neue. Wieder war seine Berührung ganz selbstverständlich. Er ließ ihr überhaupt keine Chance, sich unwohl zu fühlen. Sollte sie sich denn unwohl fühlen?
Salomé war verwirrt. Eigentlich war sie mit sich sehr zufrieden, stolz auf das, was sie aus eigenem Antrieb erreicht hatte. Aber wenn jemand wie Nate heute Abend bohrte und nach ihrem Privatleben fragte, verunsicherte sie das. Es wirkte in ihren eigenen Ohren furchtbar fad, wie wenig sie am Leben teilnahm oder Dinge tat, die für andere ganz selbstverständlich waren. Lediglich die Aufenthalte in Frankreich, in denen sie ihr lebensfrohes Wesen zeigen konnte, hielten Salomé davon ab, sich selbst für eindimensional und uninteressant zu halten.
In New York war sie auch eher Salomé als Zaza. Allein, dass Nate sie mit ihrem Spitznamen, den ihr Philippe als Kind verpasst hatte, ansprach, verwischte die scharfen Grenzen zwischen ihren beiden Welten. Wie lange würde sie diesen Wechsel ihrer Persönlichkeiten, diese – Wie hatte es Julia genannt? – Dr. Jekyll-und- Mister-Hyde-Nummer in ihrem Leben noch durchziehen? Vielleicht war heute Abend die Gelegenheit, gar nicht erst wieder in ihren besessenen New-York-Trott zu verfallen? Die schönen Seiten des Lebens auch hier in dieser großartigen Stadt öfter zu genießen. Ihr kam eine Idee.
„Hast du Lust, im Anschluss in den Central Park zu gehen? Meine Assistentin Keira hat mir erzählt, dort findet heute Abend ein Open-Air-Konzert der Metropolitan Opera statt. Die New Yorker picknicken auf der großen Wiese zu den Opernarien. Die Atmosphäre soll ganz toll sein ...“ Sie stockte, als sie Nates panisches Gesicht sah. Opern waren anscheinend nicht sein Ding.
„Zaza, das hört sich toll an. Aber wenn es dir recht ist, würde ich Menschenaufläufe gerne vermeiden.“ Nate schaute auf seine Armbanduhr.
Salomé runzelte enttäuscht die Stirn und überlegte, ob er sie langweilig fand. Wahrscheinlich wollte er den Abend rasch beenden, und sie hatte ihn mit ihrem Vorschlag in die Ecke gedrängt. Oh Gott, wie peinlich! Aber warum hielt er dann immer noch ihre Hand?
„Zaza, leider muss unser Abend zu zweit gleich enden.“
Salomés Kehle wurde enger, und sie setzte sich gerader hin. „Wie bitte?“
Nate musterte irritiert ihr sicher verwirrt aussehendes Gesicht.
„Oh nein. So war das nicht gemeint. Es war nicht geplant, aber mein Bruder weiß, dass ich in der Stadt bin. Er hat heute Abend eine Vernissage und war schon zu Tode belei-digt, weil ich nicht kommen konnte. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, später noch vorbeizuschauen. Wäre das okay für dich, mit mir dorthin zu gehen?“
Erleichterung durchflutete Salomé, und sie stieß die Luft aus, die sie unwillkürlich angehalten hatte. Ihr Herzschlag beruhigte sich. Sie war noch nicht so weit, sich von ihm zu trennen. Obwohl sie ihn erst zum zweiten Mal gesehen hatte, empfand sie eine unglaubliche Nähe zu ihm. Diese starke Anziehung verwirrte sie, war aber gleichzeitig zu aufregend. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, jetzt alleine in ihr leeres Apartment zurückzukehren.
„Colin ist auch in New York? Ich würde mich freuen, ihn wiederzutreffen, und seine Bilder gefallen mir. Wo stellt er aus?“
Nate strahlte sie an und verstärkte den Druck seiner Hand.
„Nicht weit entfernt. Eine angesagte Galerie in der Spring Street.“ Er erhob sich und zog sie aus dem Lokal, während er dem freundlichen Kellner zum Abschied zunickte.
„Müssen wir nicht erst zahlen?“, flüsterte Salomé.
Nate schaute sie mit diesem wissenden Schmunzeln an und schüttelte den Kopf. „Habe ich bereits.“ Er setzte sich das Basecap wieder auf.
„Ich muss dieses Lokal unbedingt weiterempfehlen. Das Essen war so exzellent. Die haben es nicht verdient, keine Kundschaft zu haben.“
Nates Grinsen verstärkte sich, während er ihr die Tür aufhielt. Der Wagen, mit dem sie gekommen waren, wartete vor dem Lokal. Sie stiegen ein, und Nate ergriff wie selbstverständlich wieder Salomés Hand.
 Während der Fahrt plauderten sie entspannt über Colins Bilder. Seine Kunst war auf Porträts konzentriert, die so fein gezeichnet waren, dass sie wie fotografiert wirkten. Durch die Verwendung von ungewöhnlichen Farbkombinationen entstand ein subtiler Effekt, der den Betrachter anrührte.
Nate berichtete, wie lange Colin als erfolgloser Künstler in Paris in einer Kommune gewesen wäre, bevor er diesen einzigartigen Stil gefunden hätte, und beide lachten herzlich über das Klischee des armen Malers. Mit Leidenschaft erzählte Nate von seinen Besuchen in Paris und bei der verrückten Künstlerclique. Er hatte eine fesselnde Art, wenn er sprach.
Salomé wäre spätestens jetzt darauf gekommen, dass er Schauspieler sein musste. Seine tiefe Stimme und die deutliche Artikulation, die die verschiedenen Stimmen und Stimmungen perfekt modulierte, faszinierten sie. Sie hing an seinen Lippen und war sich ihres nackten Oberarms, der jedes Mal, wenn sich Nate zu ihr neigte, seinen warmen Körper streifte, mehr als bewusst. Und er neigte sich oft zu ihr hin.
Sie fühlte sich so, wie sie sich noch nie in New York gefühlt hatte, obwohl sie bereits drei Jahre hier war: lebendig und schön. Dieses Gefühl war ansonsten ihrem zweiten Leben an der Côte d’Azur vorbehalten gewesen. Lächelnd blickte sie auf die vorbeirauschenden Lichter dieser beeindruckenden Stadt und genoss das aufgeregte Rieseln in ihrer Brust. Zum ersten Mal konnte sie die Begeisterung der Menschen für diese Stadt wirklich nachvollziehen.
Der Wagen stoppte vor einem Fabrikgebäude in SoHo. Nate legte seine Hand auf Salomés unteren Rücken, während er sie durch die große Glastür in den Ausstellungsraum schob. Die zarte Berührung beschleunigte ihren Herzschlag.
Trotz der späten Stunde tummelte sich eine illustre Gästeschar zwischen Colin Hamiltons raffiniert beleuchteten Bildern. Musik und fröhliches Stimmengewirr drangen bis zur Tür, und die Stimmung schien auf dem Höhepunkt zu sein. Unglaublich gut aussehende Männer und Frauen prosteten sich gegenseitig zu und schienen sich blendend zu amüsieren. Offenbar war Colin begehrter, als Salomé angenommen hatte, denn einige Gesichter kannte sie aus ihrem Banken- und Charityumfeld.
„Ah, da ist unser Highlander ja endlich!“, ertönte Colins hallende Stimme von der gegenüberliegenden Seite des Raumes.
Die kleine Gruppe von Gästen um ihn herum quittierte Colins Bemerkung mit ausgelassenem Gelächter. Einige applaudierten sogar. Salomé spürte, wie Nate sich neben ihr anspannte. Die beiden Brüder begrüßten sich auf die typisch männliche Art, indem sie sich während einer breiten Umarmung gegenseitig auf die Schulter klopften.
Salomé grinste, als ihr bewusst wurde, dass diese Geste wohl kosmopolitisch war. Zumindest die Männer der Familie de Bertrand verhielten sich ebenso bei Zuneigungsbekundungen.
Aufmerksame Fotografen hatten die sich umarmenden Brüder in ein Blitzlichtgewitter getaucht. Erstaunlich, wie hoch die mediale Aufmerksamkeit an Colins Werk war. Er schien richtig berühmt. Andererseits waren die sich umar-menden Brüder sehenswert. Zwei blutjunge Schönheiten, die mit Sicherheit Models waren, starrten die beiden hochgewachsenen Schotten mit offenem Mund an.
Fehlt nur noch Sabber, der aus ihrem Mund läuft, dachte Salomé schmunzelnd.
Colin hatte sie über Nates Schulter erspäht. Nach einem nachdenklichen Stirnrunzeln erhellte sich sein Gesicht.
„Das darf doch nicht wahr sein! Du bist doch Salomé de Bertrand, oder? Die Welt ist ein Dorf!“ Er zog die überrumpelte Salomé in eine überschwängliche Umarmung. Als er sie losließ, nickte er Richtung Nate.
„Dass wir uns so schnell wiedersehen! Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dieser Bursche hier mir während des gesamten Rückfluges die Ohren vollgejammert hat, weil ich ihn von der Tanzfläche und aus deinen Armen gezogen habe“, sagte Colin in unverminderter Lautstärke zu Salomé.
Nate räusperte sich lautstark. Doch sein Bruder grinste nur wissend und hob entschuldigend die Arme.
„Ich sage nur, wie es ist, Bro.“
Salomé wandte sich verlegen den großformatigen Bildern zu. Sie erkannte zwei der Porträts, die ihre Mutter Inès in Frankreich erstanden und anscheinend für die New Yorker Ausstellung zur Verfügung gestellt hatte. Dass sie nichts davon gewusst hatte – unglaublich. Sie nahm sich in diesem Moment vor, zukünftig häufiger mit ihrer Mutter zu sprechen. Sie hätte es schade gefunden, Colins Vernissage zu verpassen.
„Wie geht es Inès? Ihre Bilder kommen hier in New York besonders gut an. Ich hatte heute schon bei mindestens zwei Interviews konkrete Fragen dazu.“
„Ich nehme an, es geht ihr ausgezeichnet. Sie ist mit meinem Vater zurzeit in der Schweiz. Wir sehen uns alle bald in Frankreich wieder. Mein Halbbruder heiratet.“
„Ah, sicherlich diese charmante Deutsche! Wie hieß sie noch gleich?“
Während sie entspannt über Julia und Mirabel plauderten, wandten sich Salomé und Colin den weiteren Bildern zu. Nates Bruder freute sich über ihr Interesse, hakte sich bei ihr ein und begann freimütig, vom Schaffensprozess zu erzählen.
Als sie sich umschaute, ob Nate mit ihnen kam, sah sie ihn inmitten einer Gruppe von Gästen und Presseleuten stehen, die förmlich an seinen Lippen hingen. Wahrscheinlich versuchten die Journalisten, ihm Insiderinformationen über seinen Bruder zu entlocken.
Mit halbem Ohr registrierte Salomé, wie Nates Smart-phone klingelte und er sich ein wenig von der Gruppe zurückzog. Sie war froh, einen Moment Abstand zu ihm zu haben und ein wenig zur Besinnung zu kommen. Der Adrenalinpegel, auf dem sie surfte, wenn er bei ihr war, sie seinen Geruch wahrnahm und am meisten, wenn er sie berührte, führte zu einem permanent erhöhten Herzschlag. Für eine kurze Pause war sie dankbar.
Doch auch jetzt schweifte ihr Blick immer wieder in seine Richtung. Er sah so unverschämt gut aus. Die beiden Models schienen das Gleiche zu denken, sie hatten kichernd die Köpfe zusammengesteckt und schauten ihn unverwandt an.
Während Colin noch über ein skurriles Erlebnis mit einem französischen Pigmentverkäufer berichtete, fiel ihr auf, wie zärtlich Nates Gesichtsausdruck war, während er telefo-nierte. Er blickte verträumt und lächelte. Wer mochte da am Telefon sein?
Colin und sie näherten sich wieder den anderen Gästen. Nate hatte ihre Rückkehr bemerkt und beendete sein Gespräch. Salomé hörte gerade noch, wie Nate mit liebevoller Stimme ins Telefon hauchte.
„Bye, Bonnie, ich muss jetzt Schluss machen. Ich ver-misse dich auch. Ich zähle die Stunden, bis ich wieder bei dir bin. … Ich dich auch. Pass auf dich auf ... Kuss!“
Ihre euphorisierte Stimmung erfuhr einen herben Dämpfer. Mit wem sprach er nur? Nannte er etwa jede Frau Bonnie?
Nate sah sehr gut aus und wohnte weit, weit entfernt. Wo eigentlich? In L. A.? In Schottland?
Salomé war eine pragmatische Frau. Ihr ging in diesem Moment auf, dass sie so gut wie nichts über ihn wusste. Außer, dass er Schotte war, einen Künstler zum Bruder hatte und als Schauspieler arbeitete. Vielleicht hatte er auch eine Frau, und dieser Flirt mit ihr war nur ein amüsanter Zeitvertreib?
Ein heftiger Stich fuhr in ihr Herz. Sie kam sich so naiv vor. Weshalb hatte sie ihn nicht intensiver ausgehorcht? Weshalb hatte er nicht mehr von sich erzählt?
Salomé spürte, wie sie innerlich ihre Mauern hochfuhr. Das beherrschte sie bis zur Perfektion, seit sie damals von diesem unerträglichen Severin Wallberger an der Nase herumgeführt worden war und nur das beherzte Eingreifen ihres Vaters einen Skandal hatte verhindern können.
Viel zu spät war sie aus ihrer verliebten Trance erwacht. Das Aufwachen und der dann folgende Aufprall waren zu hart gewesen. So hart, dass dieser Fehler ihr immer noch als stets simmernder Schmerz nachhing. Salomé hatte sich damals geschworen, nie wieder so naiv ihr Herz einem Mann auf dem Silbertablett zu servieren. Und dieses Credo hatte sie bislang durchgehalten. Sie flirtete zwar gerne, zumindest in ihrem Zweitleben in Frankreich, aber sobald die Be-ziehung zu einem Mann ernsthaftere Züge annahm, verhielt sie sich so wachsam, als würde sie ein Minenfeld überqueren. Es war Zeit, dieses Stadium in ihrer Beziehung zu Nate einzuläuten.
Als Nate sein Smartphone wegsteckte und sich lächelnd zu ihr umdrehte, straffte sich Salomé innerlich. Er legte seinen Arm um ihre Taille. Anstatt wie zuvor ein erotisches Kribbeln zu fühlen, nahm Salomé die Berührung an ihrer Hüfte jetzt wie ein unangenehmes Brennen wahr. Mit Genugtuung stellte sie fest: Es lag alles an der inneren Ein-stellung!
Sie blieben noch eine halbe Stunde in der Galerie und hielten Small Talk. Dann schob Nate sie wieder in den wartenden Wagen. Erwartungsvoll wandte er sich ihr zu.
„So, Pflichtteil erledigt. Ich hoffe, es war okay für dich. Noch Lust auf einen Absacker?“
Sein breites Lächeln war unglaublich sexy, und Salomé wankte in ihrem Entschluss, cool zu bleiben. Sie tat einen Moment so, als müsste sie abwägen, dabei konnte sie es kaum erwarten, Abstand zu Nate zu bekommen.
„Nein. Es ist schon spät, und ich habe leider morgen um sechs Uhr dreißig ein Frühstücksmeeting. Ich sollte wirklich schlafen gehen.“
Nate nahm wohl ihre veränderte Stimmung wahr und sah sie stirnrunzelnd an. Sie erwiderte unverbindlich lächelnd seinen forschenden Blick. Dann zuckte er die Schultern und gab dem Fahrer Anweisung, Salomés Apartment anzusteu-ern.
Nate begleitete Salomé in die Lobby. Der Concierge nickte ihnen freundlich zu. Als sie beide vor den mit Marmor verkleideten Aufzügen ein wenig befangen voreinander standen, war sich Salomé absolut bewusst: Dieser Augen-blick war bei jedem Date eine wichtige Weggabelung. Conrad zog sich diskret in einen kleinen Raum hinter seinem Tresen zurück.
Salomé schaute Nate fest in die Augen. In der indirekten Beleuchtung der Lobby konnte sie diese im Schatten der Basecap kaum ausmachen.
„Also dann. Vielen Dank für den schönen Abend, Nate.“
* * *
Nates Mundwinkel zuckten amĂĽsiert, so offensichtlich war es, wie sie ihn abservieren wollte. Was um alles in der Welt hatte bei ihr diesen Stimmungsumschwung bewirkt? Sie waren doch vor dem Galeriebesuch bereits auf einem ganz anderen Level gewesen.
So nah, wie er vor ihr stand, konnte er die zarten Som-mersprossen auf ihrer feinen Nase erkennen, aber auch den müden Schatten unter ihren Augen. Sein Herz krampfte sich unversehens zusammen, und er hätte am liebsten ihren Kopf zu sich gezogen und ihr durch einen Kuss Sterne in diese blauen Augen gezaubert. Aber durfte er das denn?
Er war in einer Phase seines Lebens, wo er alle, die er liebte – allen voran Liz - vernachlässigte. Er war teilweise monatelang wegen der Dreharbeiten abwesend und befand sich auch in den übrigen Zeiten in einem engen Terminkorsett. Und dann noch dieser ganze Starrummel. Welche Frau würde das mitmachen? Wenn er ehrlich zu sich war, hatte er überhaupt keine Zeit für eine Frau und sollte sich auch keiner zumuten. Fairerweise sollte er Salomé hier und jetzt verlassen und ihr die Chance auf ein ruhiges Leben geben.
Aber er konnte nicht von ihr lassen. Ihre Augen waren wie Magneten, und er spürte das pulsierende Leben durch seinen Körper pumpen, wenn er in ihrer Nähe war. Dieses Gefühl hatte er bereits auf dem Fest in Südfrankreich gehabt. War das erst knapp eine Woche her? Es kam ihm vor wie ein fernes Märchen.
Die gesamte Stimmung des Abends, Salomés luftiges langes Kleid und ihre unbändige Lebensfreude in dieser Nacht hatten ihn verzaubert und ihm seitdem schlaflose Nächte bereitet. Sie war wie eine Droge, und er war schlicht und einfach angefixt. Verdammt, er war ein impulsiver Mensch, und alles an dieser Frau weckte in ihm haupt-sächlich einen sehr männlichen Impuls.
Ohne lange zu überlegen, legte er seine Arme um sie und zog sie in eine feste Umarmung. Wie erwartet, versteifte sie sich sofort. Er ließ sie nicht los, vergrub seine Nase in ihrem Haar und inhalierte ihren berauschenden Duft, während er zärtlich mit einer Hand über ihren Rücken streichelte. Mit einem leichten Ächzen gab sie unmerklich nach und schmiegte sich an ihn. Nate lächelte in sich hinein.
„Well, ma Bonnie. See ye soon“, flüsterte er in ihr entzückendes kleines Ohr. Bewusst wählte er fast die gleichen Worte, die er ihr bereits an dem Abend in Frankreich in ihr Ohr gehaucht hatte. Als wären diese ein Talisman, die Garantie, sie bald wiederzusehen.
Er hörte sie ungläubig schnauben, und sie begann, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Ihre Wangen waren zart gerötet, und wieder rührte ihr Anblick an sein Herz. Sie räusperte sich, und er biss sich angesichts ihres kläglichen Versuchs, die Fassung zu erlangen, wieder auf die Lippe, um ein Grinsen zu unterdrücken.
„Okay, Nate. Ich muss jetzt wirklich nach oben. Gute Nacht.“ Nate nickte nur ernst und verließ dann, ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen, die Lobby.
* * *
Salomé schaute ihm fassungslos hinterher, als er das Haus verließ. Noch nicht einmal ein kleiner Blick zurück zu ihr! Ihr Herz hämmerte. Wie machte er das? Wie konnte er in einem Moment so unglaublich zärtlich sein und im nächsten so unglaublich cool? Und weshalb benahm er sich so?, war die noch viel wichtigere Frage.
Sie schloss kurz die Augen, immer noch überwältigt von dieser intensiven Szene, als er sie umarmt hatte. Sie hatte noch den Geruch seines Rasierwassers in der Nase. Wie ärgerlich, dass sie ihre Fassade hatte sinken lassen und weich geworden war. Benommen drehte sie sich um und machte sich auf den Weg nach oben. Nur gut, dass sie ihn wahrscheinlich so bald nicht wiedersehen musste. Das würde genügen, um ihren Verstand wieder die Oberhand gewinnen zu lassen.
Als sie die TĂĽr zu ihrem dunklen Apartment schloss, fiel ihr ein, dass sie Nates Rose bei Conrad vergessen hatte.
    STARGAST DES ABENDS
 Googeln oder nicht googeln? Salomés Finger zuckten, während sie sich diese Frage stellte. Dann siegte die Neugier. Gerade, als sie „Nate“ eingegeben hatte, klopfte es energisch an ihrer Bürotür. Ertappt schloss sie ihr Laptop und überlegte, ob sie vorgeben sollte, ein paar Dokumente auf ihrem Schreibtisch zu ordnen. Wie albern. Sie war erwachsen und konnte googeln, wen immer sie wollte. Sie schüttelte über sich selbst den Kopf, bevor sie den Besucher hereinbat.
Salomé blickte in Teds besorgte Augen, als er ihr wortlos auf seinem Tablet eine Eilmeldung der Financial Times vorlegte. Ihre Stirn krauste sich tiefer, je weiter sie im Text vorankam. Dann gab sie einen empörten Laut von sich.
„Das darf doch nicht wahr sein! Davon hat er heute früh kein einziges Wort erwähnt.“
„Warum sollte er auch? Er wollte wahrscheinlich noch die letzten Stunden als angesehener Banker genießen und sich in der Bewunderung einer schönen Frau suhlen.“
Salomé verzog ihr Gesicht. Das musste sie Ted lassen: Er hatte es raus, Vorgänge und Motivationen rasiermesserscharf zu sezieren, und traf mit seiner Einschätzung immer genau den Punkt. Sie ärgerte sich über den verlorenen Morgen.
Dieses Frühstücksmeeting mit dem begehrten Fonds-manager Jonathan Hawk, zu dem sie sich heute früh nach einer recht schlaflosen, kurzen Nacht geschleppt hatte, war also überflüssig gewesen. Eine pfiffige Journalistin der Financial Times hatte ihn bei Insidergeschäften überführt, und die Behörden hatten sich sicherlich bereits seiner angenommen.
Schade. Seine außergewöhnlichen Ideen für die Gründung eines neuen Fonds, die er ihr heute früh mit leuchtenden Augen skizziert hatte, hatten Salomé mehr als beeindruckt und sie kurzzeitig das leise Ziehen in ihrem Herzen, wann immer sie an Nates Umarmung gedacht hatte, vergessen lassen. Eigentlich hatte sie heute noch die Rechtsabteilung anweisen wollen, einen reizvollen Exklusivvertrag für Hawk zu entwerfen.
„Glück im Unglück würde ich sagen. Nicht auszudenken, wenn das später herausgekommen wäre und uns die Anleger reihenweise verlassen hätten“, fasste sie das Fiasko abschließend zusammen.
Ted nickte zustimmend und fragte: „Bist du heute Abend auf der Gala?“
„Ja, selbstverständlich. Wir sind schließlich einer der Hauptsponsoren. Mein Bruder Philippe und seine Verlobte werden ebenfalls dort sein. Also denke ich, ich werde auch ein wenig Spaß haben. Komm doch auch. Bei uns am Tisch wäre sicherlich noch ein Platz frei.“
Ted druckste ein wenig verlegen herum, was nichts damit zu tun hatte, dass ein einziger Sitzplatz bei dem Gala-Event die Bank an die fĂĽnftausend Dollar kostete.
„Nein, so gerne ich dein Angebot annähme. Aber ich habe heute Jahrestag mit Sarah. Und ich habe ihr ver-sprochen, mit ihr ins Kino zu gehen. Sie will unbedingt diesen neuen Shootingstar in dem Blockbuster, der gerade Premiere hatte, sehen. Sie steht total auf diesen Highlander-Typ.“
Salomé blickte ihn ausdruckslos an. Ted winkte ab, weil er wusste, dass sie mit solchen Themen überhaupt nichts anfangen konnte.
„Ist ja auch nicht so wichtig. Ich bin gleich nach der Mittagspause wie besprochen im Meeting mit Johnson & Abt. Ich hoffe, die zieht sich nicht wieder ewig. Ich schicke dir dann eine kurze Zusammenfassung und wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß heute Abend. Wir sehen uns dann Montag, okay?“ Mit einer winkenden Geste verließ Ted den Raum.
Salomé klappte ihr Laptop wieder auf und las sich alle Nachrichtenmeldungen zur Verhaftung von Jonathan Hawk durch.
„Gucklöcher in der Chinese Wall“, lautete ein mehr-seitiger Artikel, in dem eine Journalistin ein ganzes Nest an Bankern und Firmenmagnaten ausgehoben hatte, die, entgegen sämtlichen Regeln der Finanzmärkte, ihr Konsor-tium genutzt hatten, um Aktienemissionen künstlich zu pushen.
Du meine Güte. Salomés Herzschlag erhöhte sich. Hoffentlich würde dieser Finanzskandal die de Bertrand-Bank dBB nicht beeinträchtigen. Selbst wenn ihre Familienbank nicht Teil dieses Bankenkonsortiums war, begleitete sie regelmäßig Start-up-Unternehmen bei ihren IPOs, ihren Börsenstarts. Nicht auszudenken, wenn das Vertrauen der Unternehmen in die Glaubwürdigkeit der Finanzanalysen und Equity Story von dBB geschwächt würde.
Sie wählte die Nummer ihres Vaters Charles, um die Strategie für eine Stellungnahme im Falle der zu erwartenden besorgten Anfragen der Anleger mit ihm abzustimmen.
Ihr Mittagessen ließ Salomé ausfallen und sich von Keira mit einer Suppe aus einem nahen Deli versorgen. Während sie die nicht mehr ganz heiße Köstlichkeit schlürfte, hielt sie inne. Die Verlockung war groß, Nates Namen zu googeln. Sollte sie?
Unerklärlicherweise bereitete ihr der Gedanke Lampen-fieber. Gerade deswegen rief sie ihre Vernunft zur Ordnung. Wenn sie sich jetzt ablenken ließ, wäre der ganze Tag verloren. Sie hatte sich mit ihrer zukünftigen Schwägerin Dominique um vier Uhr bei sich zu Hause verabredet. Louis, der begnadetste Visagist Manhattans, würde dort vor der Gala an ihnen den letzten Feinschliff vornehmen. Bis dahin blieb nicht mehr viel Zeit. Dieser blöde Skandal um Jonathan Hawk hatte ihr das für heute geplante Pensum durcheinandergebracht.
 Kurz vor vier hetzte Salomé in die Lobby ihres Apartment-hauses. Dominique erhob sich freudestrahlend aus einem der cremefarbenen Sessel im Wartebereich. Conrad folgte ihr und hielt zwei Kleidersäcke im Arm.
„Ah, Miss de Bertrand. Sie haben Ihre rote Rose gestern Abend bei mir vergessen.“
Salomé spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Dominique hob fragend ihre Augenbrauen. Zu ihrer Erleichterung erschien just in diesem Moment Louis mit seiner Entourage. Nach einer raschen Dusche konnte Salomé ein wenig entspannen und genoss die kundigen Hände von Louis’ Team.
„Das ist ja fast so schön wie bei Inès in Frankreich“, brummte sie genießerisch, als ihr eine Nackenmassage verabreicht wurde. Ihre Mutter verbrachte ihre Sommermonate niemals ohne ihr Beautyteam, und Salomé, Julia und auch Dominique waren ebenfalls in den Genuss dieses Luxus gekommen. Dominique seufzte bei der Erinnerung.
„Ja, das war herrlich. Hier, zur Einstimmung.“ Sie reichte Salomé ein Glas Champagner.
Salomé grinste und prostete ihr zu. Sie freute sich auf den Abend. Er würde sie ablenken. Nate war gestern. Ihr Leben ging weiter und kam ihr gar nicht so übel vor.
„Erzähl schon, Zaza, wer schenkt dir in Manhattan eine Rose? Und noch dazu eine rote?“
Salomé war versucht, Dominique die Wahrheit zu erzählen. Aber sie hatte überhaupt keine Lust, sich den spöttischen Bemerkungen ihres Bruders Philippe auszusetzen, für den der Fakt, dass seine Schwester einen ernsthaften Verehrer hatte, ein gefundenes Fressen wäre. Nicht auszudenken, wenn auch noch ihr Vater davon erfahren würde. Also gab sie sich betont gleichmütig.
„Ach, nur ein Werbegeschenk von einer Ausstellungseröffnung, auf der ich gestern war. Der Künstler kam sich wohl besonders originell vor“, log sie.
 Als Salomé aus der Limousine stieg, war die Hektik des Tages wie weggeblasen. Sie fühlte sich wunderschön in ihrer körperbetonenden nudefarbenen Chanelrobe mit den eleganten Schmetterlingsapplikationen. Bisher hatte sie bei solchen Anlässen konservative Abendroben von ameri-kanischen Designern getragen. Aber die Zeit in Frankreich hallte noch nach, und ihre Mutter hatte ihr das Kleid extra für diesen Anlass geschickt.
Louis hatte seine ganze Kunst in Salomés Styling eingebracht. Sie grinste.
Der Moment frĂĽher am Abend, als sie sein Werk an ihr betrachten durfte, war unvergesslich. Louis liebte die Dramatik.
„So, nun noch ein Hauch von Mauve auf deine Lippen. Voilà! Du bist fertig, Salomé!“
Sie hatte ergriffen geschluckt, als sie sich selbst im Spiegel gesehen hatte. Wow! Ihr sonst modern gestuftes, dunkles Haar war wie bei einem amerikanischen Filmstar in weiche Wellen gelegt und harmonierte perfekt mit dem Vierzigerjahre-Stil des Kleides.
„Was hat Louis mit deinen Augen gemacht?“ Dominique drehte begeistert Salomés Gesicht zu sich, damit sie Louis’ Werk genauer studieren konnte.
„Das nennt man Sparkling-Eyes. Siehst du hier, Chérie: Den unteren Lidstrich habe ich mit diesen glitzernden Elementen versehen, das obere Lid mit einem schwarzen Lidstrich.“ Der zufriedene Gesichtsausdruck des Meisters zeigte, wie Louis es liebte, seine Arbeit zu erläutern.
„Das will ich auch haben, bitte, Louis!“ Dominique zog einen Schmollmund, als Louis abwehrend die Hände hob.
„Nein, das passt heute nicht zu deinem Kleid. Dafür habe ich mir etwas anderes für dich ausgedacht. Du wirst begeistert sein, glaube mir, Dominique.“
Dominique hatte gespielt geseufzt und sich Louis’ kundig-en Händen überlassen.
Nun also schwebte Salomé neben Philippe und Dominique wie eine Prinzessin in den Veranstaltungssaal des Manhattan Penthouse 5th Avenue. Die Bedenken, für den Anlass zu europäisch overdressed zu sein, zerfielen, als sie die opulenten Roben der anderen Damen begutachtete. Diese Gala war einer der gesellschaftlichen Events des Jahres. Die Reichsten des Landes hatten sich zu dieser hu-manitären Charity-Veranstaltung zusammengefunden. Und hatte nicht sogar ein Star aus Hollywood sein Kommen angekündigt und sollte den Preis an einen armenischen Arzt im Exil überreichen, der ganzen Scharen von Kindern in Krisenregionen das Überleben gesichert hatte?
 Philippe und Salomé waren gerade in ein ernstes Gespräch über den Finanzskandal um Hawk vertieft, als der Organi-sator der Veranstaltung, Howard Bench, begleitet von zurückhaltendem Applaus der Anwesenden, das Stehpult erreichte und mit einem strahlenden Lächeln um Ruhe bat. Bench war für seine schonungslosen Reden bekannt.
„Liebe Freunde und Gönner. Seien wir ehrlich. Wir sind heute hauptsächlich hier, um unser Gewissen zu beruhigen. Aber was ist an diesem Impuls falsch, wenn wir damit tatsächlich helfen?“
Verhaltenes Gelächter ertönte. Howard Bench fuhr in ähnlichem Stil kurz und treffend fort.
Salomé hing an Benchs frechen Worten und bekam zunächst nicht mit, wie sich am Eingang des Saales ein Raunen erhob. Philippe blickte sich bereits suchend um.
Bench hielt in seiner Rede inne. Dann deutete er begeistert auf den Eingangsbereich des Saales, und jeder im Saal reckte nun den Hals, um zu erkennen, was dort vor sich ging.
„Und kann es schaden, wenn wir uns – nennen wir es unlauterer – Methoden bedienen, um helfendes Geld zusammenzubringen?“, rief Howard Bench in Richtung eines Paares, das in der Saaltür stand.
Salomé konnte außer Silhouetten nichts erkennen, weil sie der Scheinwerfer, der auf das Stehpult gerichtet war, anstrahlte. Sie vermutete, es handelte sich um den Hollywoodstar, und nahm gelassen noch einen Schluck Champagner zu sich.
„Meine Damen und Herren, mit Freude teile ich Ihnen mit, dass wir dieses Jahr einen sehr begabten Darsteller gewinnen konnten, den diesjährigen Outstanding-Contribution-to-Humanity-Award, also unseren Tower, zu überreichen. Begrüßen Sie mit mir Nathan Hamilton und seine wunderschöne Begleiterin Ivana Kalinka.“
Salomés Kopf fuhr herum. Der frenetische Applaus, der nach diesen Worten einsetzte, wurde von dem Rauschen in ihren Ohren übertönt. Wie in Zeitlupe sah sie Nate, mittlerweile von mehreren Spots hell angestrahlt, freundlich nickend durch den Raum schweben. Er trug einen eleganten Smoking, hatte das dunkelblonde Haar zurückgegelt, was seine hohe Stirn betonte, und sah umwerfend aus. Am Arm führte er eine überirdische Schönheit, die mit ihren langen Beinen und den High Heels fast so groß war wie er.
In Salomés Hirn herrschte Leere. Am Rande nahm sie wahr, wie Philippe sich zu ihr neigte.
„Ist das nicht der Nate, der bei uns auf Mirabel war?“
„Stimmt, jetzt erkenne ich ihn auch. Der war doch einer von den Jungs im schottischen Kilt, oder?“, warf Dominique leise ein.
Salomé nickte und konnte den Blick nicht vom Geschehen lösen. Nate führte seine Begleiterin an einen Tisch direkt vor der Bühne, deutete eine leichte Verbeugung an und stieg dann die Stufen hoch.
Fassungslos starrte Salomé die Frau an, die offenbar Nates Freundin war. Also doch! Er hatte eine Freundin. Jetzt hatte sie Gewissheit. Wie konnte er nur! Gestern hatte er es für einen Moment geschafft, sie glauben zu lassen, er wäre ernsthaft an ihr interessiert. Und nun saß da eine andere Frau, unanständig schön, und lächelte Nate hingebungsvoll an.
Er hatte Howard Bench die Hand geschüttelt und sich dem immer noch applaudierenden Publikum zugewandt. Salomé schluckte. Sie hatte den anfänglichen Schock überwunden, und ihr Verstand lief auf Hochtouren. Die einsetzende Erkenntnis ließ sie leise ächzen. Das konnte doch nicht wahr sein. Er war berühmt, und sie hatte es nicht gewusst. Er hatte ja erzählt, dass er Schauspieler sei. Aber er hatte nichts von einem Hollywood-Superstar erwähnt. Kein Wunder, dass er dazu passend die atemberaubend schöne Freundin hatte.
Mit einem Mal ergab sein ganzes geheimnisvolles Verhal-ten von gestern Abend einen Sinn. Seine Vermum-mung, dass er nicht zu den Menschenmassen in den Central Park wollte und sie die einzigen Gäste in dem japanischen Lokal gewesen waren. Wie peinlich! Sicherlich hatte er das gesamte Lokal gebucht und sich köstlich über ihre dummen Sprüche amüsiert. Stöhnend verbarg Salomé ihr Gesicht in den Händen.
„Zaza, was tust du? Du zerstörst dein Make-up“, hörte sie Dominique leise murmeln.
Salomé schluckte. Sie brauchte einen Moment für sich. Als sie sich gerade erheben wollte, um die Damentoilette aufzusuchen, fasste Philippe sie am Arm.
„Zaza, das geht nicht. Dein Einsatz kommt gleich.“ Salomé schaute ihn panisch an. Kaum hatte Philippe geendet, erscholl auch bereits Howard Benchs dröhnende Stimme im Raum.
* * *
„Meine Damen und Herren! Es ist mir eine besondere Ehre die entzückende Vertreterin des diesjährigen Hauptsponsors dBB zu begrüßen. Salomé de Bertrand, die Präsidentin der de Bertrand-Bank New York!“
Nate sog scharf die Luft ein. Was hatte Howard gesagt? Zaza war hier?
Er blinzelte gegen die Scheinwerfer in die Richtung, in die Howard deutete, und entdeckte sie, halb erhoben an einem der nahen runden Tische. Sie wirkte geschockt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie Nate an. Dann schien sie sich zu besinnen. Sie richtete sich auf, zeigte ein strahlendes Lächeln und schwebte wie ein Engel auf Nate zu. Er schluckte.
Wow. Sie sah aus wie eine Göttin. Benommen starrte Nate auf die unzähligen goldschillernden Schmetterlinge, die ihre durch das Kleid betonten Hüften umschwirrten. Irgendetwas war mit ihren Augen. Sie wirkten so groß und klar.
Howard Bench hatte Salomés Hand ergriffen und schien von ihr eine Begrüßung des berühmten Hollywoodstars zu erwarten.
Nate blickte verwirrt auf die von Salomé dargebotene Hand, die er automatisch ergriff. In dem Moment, in dem ihre kleine, warme Hand seine berührte, überkam ihn ein heftiger Impuls, dem er instinktiv nachgab. Er zog sie an sich und küsste erst die eine, dann ihre andere Wange. Im Saal war erneut ein Raunen zu vernehmen, gespickt mit verein-zelten Lachern. Wie gerne hätte er Salomé den erstaunten Ausdruck vom Mund geküsst, der leicht offen stand und ihm verlockend nah war.
Ganz der Showman, neigte er sich erklärend zum Mikrofon und hauchte mit seiner sinnlichsten Stimme, garniert mit seinem weichen schottischen Akzent:
„Bei uns in Schottland habe ich gelernt, dass man Französinnen zur Begrüßung zweimal küsst.“
Er perfektionierte die Rolle des frechen Schuljungen, indem er die Achseln hob und offen in die Menge grinste. Plötzlich fühlte er sich am Revers seines Smokings gepackt. Salomé verpasste ihm nun ihrerseits drei Küsse auf seine Wangen. Zwischen den Küssen blickte sie ihn mit ihren hellen blauen Augen so herausfordernd an, dass ihm ganz schwindelig wurde. Das Publikum johlte bereits.
Dann beugte sich Salomé vor und sagte in ihn perfekt imitierender Stimmlage ins Mikrofon: „Tja, ich bin überhaupt keine Französin. Da musste wohl jemand Mister Hamilton mal beibringen, dass man Schweizerinnen sogar dreimal küsst.“
Der Saal brĂĽllte vor Lachen. Und auch Howard Bench neben ihnen konnte sich kaum gerade halten.
„Köstlich, köstlich!“, wieherte er, während er sich die Lachtränen aus den Augen tupfte.
Beschwichtigend hob Salomé ihre Arme und stellte sich erhobenen Hauptes an das Stehpult. Sie wartete einen Moment, bis sich die Gäste beruhigt hatten, und begann mit ihrer Rede.
„Wie viel schöner ist es, wenn wir sogar lachen, während wir helfendes Geld aufbringen.“ Sie zwinkerte Howard Bench zu, der sie bewundernd ansah. Salomé setzte in gewohnter Souveränität ihre Rede fort und stellte den Anwesenden, ohne auch nur ein einziges Mal Notizen zu bemühen, die Projekte und Errungenschaften der Orga-nisation vor. Unaufdringlich gelang es ihr dabei, das selbstlose Engagement von dBB einfließen zu lassen.
Nate tat, als würde er ihren Worten zuhören. Während er äußerlich den aufmerksamen Filmstar mimte, versuchte er, die Stürme, die diese Frau in seinem Innern ausgelöst hatte, zu bändigen. Er hatte oft gelesen und sogar gemimt, wie es sein würde, aber noch nicht am eigenen Leib erfahren.
Dieser Moment brannte sich für immer in sein Gedächtnis. Salomés kontrollierte Gestik, die sanften Fältchen um ihren Mund, eine vorwitzige Haarsträhne, die sich während des Kusstausches aus ihrer Frisur gelöst hatte und nun ihre hohen Wangenknochen streichelte, das Blitzen ihrer Augen. Sein Blick wanderte unmerklich tiefer und versank im Spiel ihrer zarten Halsmuskeln, streifte die Linie ihrer perfekten Schlüsselbeine und verharrte bei der weichen Wölbung ihrer Brüste, die vom Dekolleté dieses atemberaubenden Kleides sanft nach oben gedrückt wurden.
Nate schluckte. Ihm wurde heiß, und unbewusst griff er sich an seinen Kragen. Plötzlich wurde ihm klar, dass er soeben unter den Blicken des ganzen Saales Salomés Brüste angestarrt hatte. Er riss sich zusammen und fixierte stattdessen ihre gepflegten Hände, die sanft über das Pult strichen und in kontrollierten Gesten ihre Rede untermalten. Als sie sich mit ihrer Hand während eines Zwischenapplauses strahlend die Haarsträhne hinters Ohr schob, war es gänzlich um Nate geschehen.
Er hatte sich zu ihr hingezogen gefühlt, sie begehrt und unbedingt wiedersehen wollen. Als er sie jetzt beobachtete, potenzierten sich diese Gefühle und etwas veränderte sich unmerklich und unwiderruflich in ihm. Er schluckte trocken.
Wie sollte er das nur Liz beibringen?
(...)
Wer wissen möchte, wie es mit Nate und Zaza an dem Abend weitergeht: Der dritte Band der ENDLICH-Reihe ist als ebook und Taschenbuch im Kindle-Shop erhältlich. Wer alle drei Bände lesen möchte, dem empfehle ich die E-Book-Gesamtausgabe.
GruĂź Eure Ava
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avalennart-blog · 9 years ago
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Checkliste historischer Liebesroman von Ava Lennart
 Damit ich über die nächste LoveLetterConvention eventuell auch einmal im Empirekleidchen schweben kann, sollte ich doch darüber nachdenken ins Historical-Romance-Fach zu wechseln. Hier meine gaaaanz kurze Checkliste, die dann nur noch abzuhaken wäre:
 1.     Setting: eine Zeit, in der Frauen nix selbst entscheiden können, ein Londoner Stadthaus, ein düsterer aber pompöser Herrensitz, ein malerisches Cottage. Sollte das ganze in Schottland stattfinden, entsprechend zu transponieren.
2.     Die Protagonistin ist eine Frau, die ALLES selbst entscheiden möchte, Name völlig nebensächlich, besser aber dreisilbig. (Warum? Keine Ahnung!)
3.     Die Protagonistin ist mindestens die älteste von vier Töchtern, oder aber das noch nicht verheiratete Nesthäkchen und hat einen wohlwollenden Bruder
4.     Die Protagonistin hat ein Trauma, weil ihr Vater entweder Säufer, Spieler oder beides ist und das gesamte Vermögen verschleudert hat (was die Frage mit dem Londoner Stadthaus kompliziert, aber das könnte ja dann der gütigen, drallen, behaubten Tante gehören) und, megawichtig,
5.     Die Protagonistin soll alsbald mit einem ekligen Typen verheiratet werden.
6.     Der Protagonist ist selbstverständlich Duke (oder wenigstens Marquess, (ja, das Ranking hab ich verinnerlicht!) und hat einen wohlklingenden Namen, in dem mindestens eine Ziffer vorkommt. Völlig unverbindlicher Vorschlag: Brandon Montfort, der fünfte Duke of Willingshire oder (für die schottischen Freunde) Duncan Buchanan, Laird of Killingsair Castle. Dieser Name sollte bereits im allerersten Satz seines ersten Auftritts vollständig genannt werden. Das erzeugt bei der Leserin dieser Romane eine vorfreudige Gänsehaut (empirisch belegt).
7.     Versteht sich von selbst, dass der Duke ein unfassbar attraktiver (von Duellen und Wettritten durch den Hyde-Park oder den eigenen Schlosspark gestähltes 8-Pack und natürlich mit deutlich durch die eng anliegende Stoffhose sichtbarer Luxus-Ausstattung), jedoch finster dreinblickender Geselle ist, der unter dem Trauma seiner untreuen Mutter, wahlweise seines fordernden Vaters steht. Als Variante könnte dieser ihn noch für den Tod des Bruders und eigentlichen Erben verantwortlich machen. Nett ist auch, wenn dringend vor dem 25. Geburtstag noch geheiratet werden muss, da ansonsten das Erbe bedroht ist.
8.     Der Protagonist hat einen besten Freund, der zu Fettleibigkeit neigt und es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Duke wieder zum Lächeln zu bringen. Die beiden Freunde verbringen ihre wilden Nächte – bis zu dem Moment, in dem Victoria, Amanda oder wie auch immer sie heißt, das Herz des Helden vereinnahmt – in stilvollen Bordellen, Herrenclubs oder Fight-Clubs.
9.     Folgende Begriffe dürfen in der Geschichte keinesfalls fehlen: grünes Samtkleid, Ball, Retikül, Droschke, Hyde Park, Duell, Korsett, Beinkleid, schwere Eichentür, dampfendes Moor, sonntäglicher Gottesdienst, the TON, Gazette, livrierter Diener, markantes Kinn, bebender Busen, Unschuld und natürlich die Ziegenlederhandschuhe (die lassen sich gut verlieren oder aber gegen die vernarbte Wange des Helden schlagen, sollte dieser zudringlich werden (WAS ER WIRD, DENN ER KANN SICH KAUM BEI VICTORIA BEHERRSCHEN – sehr zum Verdruss der Witwe, die er jahrelang beglückte und nun sträflich vernachlässigt) (hier wird noch fleißig gesammelt, Tipps zu mir)
10. Der Rest ergibt sich dann von selbst
  Klingt gar nicht so schwer. Vielleicht 2017?
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avalennart-blog · 9 years ago
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avalennart-blog · 9 years ago
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StargeflĂĽster - Teasypeasy
Im Restaurant wurde es auf einmal unnatürlich still. Kein Zweifel, ein Promi war soeben hereingekommen. Salomé, die mit dem Rücken zur Tür saß, senkte den Blick und begann ein stummes Zwiegespräch mit ihrem Platzteller. „Bitte, bitte, lass es nicht Nate sein.“
Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, obwohl ihr Herz unvernünftig schnell wummerte. So viel Zufall konnte es bei der Fülle der Restaurants in Manhattan gar nicht geben. Die Wahrscheinlichkeit war verschwindend gering, hier ausgerechnet auf Nate zu treffen. Außerdem suchte er keine öffentlichen Lokale auf, weil er den Trubel um seine Person verabscheute. Kaum hatte sie dies gedacht, entspannte sie sich. Für eine Zehntelsekunde. Mit einem Mal stellten sich die feinen Härchen in ihrem Nacken auf, so, als läge eine erhöhte Spannung im Raum. Sie schloss die Augen. Es gab nur eine Erklärung, weshalb ihr Körper so eindeutig reagierte. Schon bestätigte Philippes geflüsterte Reaktion ihre Vermutung.
„Das gibt es doch nicht! Schon wieder dieser Nate. Kann es sein, dass der Typ dich stalkt, Zaza?“ Salomé schluckte trocken, während ihr Herzschlag noch einen Takt zulegte. Womit hatte sie diese Prüfung verdient? Sie saß mit dem Rücken zur Tür und hoffte inständig, unentdeckt zu bleiben. Ob es half, wenn sie die Schultern leicht hochzog?
„Wenn er wirklich wegen Zaza hier wäre, dann hätte er sich die atemberaubende Begleitung sparen können.“ Dominiques Satz war wie ein Schlag in die Magengrube. Salomé wollte nicht hinschauen. Wirklich nicht. Hatte Nate ihr nicht auch erklärt, es habe nichts zu bedeuten? Ein geschäftlicher Deal zwischen zwei Celebrities. Aber es war wie bei einem Verkehrsunfall, an dem man rasch vorbeifahren sollte. Eine höhere Macht drehte ihren Kopf, um sich dem Bild des Grauens zu stellen.
Da war er. Verdammt, war er sexy. Er sah in seinem maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug aus wie ein einflussreicher Geschäftsmann. Gleichzeitig strahlte sein ganzes Auftreten und die fehlende Krawatte die ihm eigene natürliche Lässigkeit aus, die in erster Linie von seinem unnachahmlichen Lächeln getragen war. Dicht an ihn geschmiegt lief eines dieser ätherischen dünnen Models. Obwohl sie wusste, dass das Ganze nur inszeniert war, tat Salomé das Bild von Nate mit einer anderen Frau weh. Oder war es diesmal keine Inszenierung? Selbst sie musste zugeben, dass die beiden als Paar perfekt miteinander harmonierten. Und Nate zeigte sich sehr aufmerksam. Sie konnte ihren verstohlenen Blick nicht von dem strahlenden Lächeln der Frau abwenden, als sie sich auf den von Nate für sie vorgezogenen Stuhl niederließ. Er strich ihr sogar sanft über ihren Nacken, bevor er sich selbst setzte. Diese zärtliche Geste brachte Salomé fast an den Rand ihrer Selbstbeherrschung. Nate hatte nur Augen für diese Frau. Die übrigen Anwesenden ignorierte er. Salomé stellte sich der bitteren Erkenntnis, dass Nate sich wohl schneller als gedacht anderweitig getröstet hatte. Sie riss sich zusammen. Das alles hatte sie sich ganz allein eingebrockt. Sie war es doch, die ihn abgewiesen hatte. Der heutige Nachmittag bestätigte: Es hätte niemals funktioniert. Und außerdem war es zum Wohl der Bank.
„Ach, und da ist ja auch Colin. Du weißt, Dom, der Maler, von dem Inès einige Bilder erstanden hat.“
Erst jetzt wurde Salomé, die ihren Blick endlich von Nate lösen konnte, bewusst, dass Nate und seine Begleiterin nicht alleine waren. Nates Agentin Cary und sein Bruder Colin waren ebenfalls mit von der Partie. Da sie den Anblick nicht ertragen konnte, wandte sich wieder ihrem Teller zu und begann fieberhaft, an einem Plan zu arbeiten, wie sie das Lokal vorzeitig und von Nate unentdeckt verlassen könnte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie sich Nate und seine Gesellschaft in die Speisekarten vertieften. Das war die Gelegenheit.
„Entschuldigt mich bitte einen Augenblick.“ Mit vollendeter Contenance, auf die ihre Mutter sehr stolz gewesen wäre, erhob sich Salomé und ging gemäßigten Schrittes zu den Waschräumen, wobei sie den Weg wählte, der möglichst weit entfernt von Nates Tisch war. Kaum war sie außer Sicht vor der Garderobe, zückte sie ihr Smartphone. Sie war erleichtert, dass sie Keira erreichte. „Salomé, ist etwas passiert?“ „Nein, entschuldigen Sie, wenn ich Sie am Wochenende störe. Können Sie mir einen großen Gefallen tun und mich in etwa zehn Minuten anrufen?“ „Wir sprechen doch schon miteinander? Warum können Sie es mir nicht jetzt sofort sagen?“ Ungeduldig blickte Salomé zur Decke. Herrje, was war denn mit der sonst so aufgeweckten Keira los? „Ich habe jetzt leider keine Zeit für Erklärungen, bitte rufen Sie mich in zehn Minuten an, ja?“ Es blieb einen Moment still in der Leitung. „Ist es wegen Nate Hamilton?“ Salomé starrte verblüfft auf den verwaisten Schirmständer vor ihr. Hatte sie soeben nicht gedacht, Keira wäre heute schwer von Begriff? Das grenzte ja an Hellseherei. Sie räusperte sich. „Wie kommen Sie darauf?“ Wieder blieb es kurz still. „Also ich meine ja nur, weil er in der Stadt ist. Das soll ich bei meiner Freundin Jenny auch immer machen. Sie erlösen, wenn sie ein Blind Date hat. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Date mit Nate – hihi, das reimt sich! ...“ Einen Moment gluckste Keira ins Telefon, und Salomé begann, ihre Nasenwurzel zu massieren, um einen aufsteigenden Kopfschmerz zu unterdrücken. Sie hätte besser Allegra angerufen. „Wo war ich stehen geblieben? Ach so, ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Date mit Nate Hamilton so unerträglich ist, dass wir auf diesen Telefontrick zurückgreifen sollten.“ Jetzt wurde Salomé die Einmischung zu bunt. „Keira. Bitte, tun Sie einfach, worum ich Sie bitte. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie mit Ihrem Anruf kein Date mit ... Mister Hamilton unterbrechen. Danke.“ Sie legte auf und wollte gerade wieder zu ihrem Platz zurückkehren, als sie in Colins Arme lief.
„Salomé de Bertrand. Na, wenn das kein Schicksal ist, dass wir uns ständig über den Weg laufen.“
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