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Leben mit Anorexie und Depressionen
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Psychische Krankheiten sind kein Tabu
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c0ffee-is-a-meal · 4 years ago
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Therapeutensuche
Ich war ja früher der Meinung, dass man sich nur zu einer Therapie entschließen und sich dann für einen passenden Therapeuten entscheiden muss, um dann in Anschluss die Therapie zu beginnen - haha weit gefehlt. Anfangs war ich ja an sich sehr skeptisch gegenüber einer Psychotherapie, da ich wie gesagt bereits schlechte Erfahrungen gemacht habe, allerdings hat sich im Laufe der Zeit ein so großer Leidensdruck entwickelt, dass ich nur wenig Widerstand leistete und mich auf die Suche begab. Ich habe unzählige Praxen abtelefoniert und wurde überall angewiesen: Knalle volle Wartelisten. Eine Kinder und Jugend Therapeutin hätte zwar Kapazitäten gehabt, der war ich mit meinen damaligen 18 Jahren aber tendenziell schon zu alt. Die vielen Absagen ließen meine eh schon geringe Motivation noch mehr sinken und ohne den Druck durch meine Mama hätte ich wohl an dieser Stelle schon resigniert und aufgegeben. Konnte ich ja aber nicht. Nach endlosen Telefonaten bekam ich dann endlich einen 4 Wochen späteren Termin für ein Vorgespräch - Jackpot! Im Laufe dieser Wochen stieg mein Leidensdruck noch weiter, da mein Treiben ja nun nicht mehr unbehelligt im verborgenen stattfand, sondern ich ständigen Diskussionen über mein Essverhalten und Gewicht ausgesetzt war und so ging ich dann gar nicht mehr ganz so widerwillig zu meinem ersten Termin. 
Bei dieser Therapeutin habe ich die ersten 5 Probatorikstunden wahrgenommen, mich dann aber entschieden, lieber nochmal die anstrengende Suche auf mich zu nehmen, da wir einfach nicht so 100% auf einer Wellenlänge waren. Die Stunden waren geprägt von unangenehmen Schweigen und als ich ihr dann die Diagnosekriterien für Anorexie nach dem ICD-10 erklären musste, bekam ich so meine Zweifel, ob sie bei aller Nettigkeit die richtige für mein Krankheitsbild war. 
In der Zwischenzeit hatte ich mich auch in der Schönklinik Roseneck angemeldet, aber darauf gehe ich auch nochmal separat ein.
Die Therapeutensuche begann also von vorne, ähnlich zermürbend wie beim ersten Mal. Ich hatte inzwischen zum Glück viel Unterstützung durch unsere Schulpsychologin und konnte die Zeit somit gut überbrücken, denn wenn man einmal gemerkt hat, wie es ist, nicht mehr ohne Hilfe da stehen zu müssen, ist es doppelt schwer wieder alleine zu kämpfen. Ich führte wieder endlose Telefonate: Den einen war mein BMI zu niedrig, die anderen hatten wieder volle Warteliste auf die ich mich zwar setzen ließ, allerdings nie wieder eine Meldung bekam. Wenn ich dann mal das große Glück eines Erstgesprächs hatte, stellte sich dieses auch wieder als Misserfolg dar. Irgendwann hatte ich dann ein Gespräch bei einer Therapeutin, die ihrem Praxis gerade erst eröffnet und somit noch freie Plätze hatte. Sie war mir auch auf Anhieb sympathisch und ich wollte gerne bei ihr bleiben. Blöd nur, dass sie mich nicht wollte. Sie fürchtete, meinem Fall nicht gewachsen zu sein (Bei Untergewicht scheinen per se alle Therapeuten schnell nervös zu werden) und wollte mich auch lieber zu einem Verhaltenstherapeuten schicken, da sie auf Tiefenpsychologie spezialisiert ist. Ich suchte also weiter, brachte aber auch meine Not zum Ausdruck und dass ich keine Alternative finden konnte. Nach einem Austausch mit ihrer Supervisorin entschied sie sich also Gott sei Dank dafür mich doch zu behandeln! Anfangs war das eine recht mühsame Geschichte, da ich lange brauche, um Vertrauen zu fassen und nicht nur zu sagen, was mein Gegenüber gerne hören möchte, sondern was ich tatsächlich denke. Aber im Laufe der Zeit entwickelte sich trotz 8 Wochen Online-Therapie (Danke Corona) eine Bindung und das nötige Vertrauen und ich bin unglaublich froh, endlich eine gute Therapeutin an meiner Seite zu haben. Oft ärgere ich mich über mein früheres Ich, das sich so mit Händen und Füßen gegen eine Therapie gewehrt hat und frage mich, ob es etwas gebracht hätte, hätte mich meine Mama gegen meinen Willen zu einer gedrängt. Hierbei komme ich aber zu dem Schluss: Nein. Hätte meine Mama ausgenutzt, dass ich damals noch minderjährig und somit quasi wehrlos war und mich in eine Therapie gesteckt, hätte ich zu 99% nicht davon profitiert, sondern ein weiteres Therapeuten-Trauma entwickelt. Ich weiß bzw. kann mir sehr gut vorstellen, wie macht- und hilflos man sich als Elternteil eines psychisch kranken Kindes fühlt, aber letztendlich kann man keinen zum Gesundwerden zwingen, die Motivation muss von innen und nicht von außen kommen, ansonsten erzeugt Druck in der Regel nur Gegendruck. 
Die Therapie tut mir inzwischen sehr gut. Ich habe zwar oft meine Zweifel, ob und wie weit ich überhaupt therapier- bzw. heilbar bin, aber trotzdem sind die Gespräche mit meiner Therapeutin ein wichtiger Bestandteil meiner Woche geworden. Zum einen ist es einfach befreiend, sich regelmäßig über alles auskotzen zu dürfen, zum anderen habe ich viel über mich bzw. die Zusammenhänge meiner Erfahrungen und Empfindungen lernen können und sehe das als enorm hilfreich an. Ich bin inzwischen Queen der Selbstreflektion würde ich mal sagen 
Zu meinen Erfahrungen mit stationären bzw. teilstationären Einrichtungen werde ich separate Beiträge verfassen.
》Mein liebevoll und sarkastisch gestaltetes Therapiebuch nutze ich, um meine Gedanken festhalten zu können, sowohl zur Reflexion als auch als Erinnerung für später:
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c0ffee-is-a-meal · 4 years ago
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Meine Geschichte
Wenn Leute hören, dass du an Anorexie leidest, haben die meisten direkt viele Klischees im Kopf: "Zu oft Germanys next Topmodel geschaut", "Beeinflusst durch Social Media", "Außer Kontrolle geratene Diät", usw. Manche Betroffene sind vielleicht tatsächlich dadurch in die Krankheit gerutscht (wobei auch hier Auslöser und Ursache klar zu unterscheiden sind!), ich nicht.
Ich war schon immer eher zierlich und im Untergewicht, meine Erkrankung lässt sich also auch nicht auf frühere Hänseleien über meinen Körper zurückführen oder ähnliches. Allerdings habe ich in den inzwischen fast 20 Jahren die ich lebe schon einiges mitgemacht und ab einem Gewissen Punkt, weiß die Seele nicht mehr damit umzugehen und sucht sich ein Ventil, eine Ausdrucksmöglichkeit. In meinem Fall: eine Essstörung. 
Ich will mich hier gar nicht allzu sehr mit Details aufhalten, das sprengt den Rahmen, aber long story short:
Als kleines Kind wurde ich sexuell von meinem Vater missbraucht, meine Grundschulzeit war geprägt von schlimmstem Mobbing, weshalb ich später einige Jahre in einer Fernschule unterrichtet werden musste, da meine Mama fürchtete, ich würde dem nicht mehr lange standhalten und schlimmsten Falls Suizid als Ausweg wählen. Meine Jugendzeit hab ich hauptsächlich mit der Pflege meiner Großeltern verbracht, besonders als mein Opa unheilbar an Krebs erkrankte. 
Durch das Mobbing habe ich in der 3. Klasse bereits starke Panikattacken und eine Emetophobie entwickelt, wodurch ich bereits damals (allerdings getrieben durch die Angst vor Übelkeit und zu großem Kummer, um zu essen) abmagerte. Das hatte natürlich noch absolut nichts mit einer Anorexie zu tun, aber doch war mein Essverhalten spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr frei, sondern gestört und restriktiv. Die Beschulung in einer Fernschule, d.h. von Zuhause aus, hat mir diesbezüglich zwar Erleichterung beschafft und mir meine Mittlere Reife ermöglicht, zur Ruhe kam ich aber auch während dieser Zeit nicht, da mein Leben nach wie vor pures Chaos war. 
2016 trat erstmalig eine anorektische Phase in mein Leben, richtig schlimm wurde es aber erst 2017, ich ernährte mich irgendwann von nichts anderem mehr als Chinakohl ohne Dressing (Ekelhaft, versuchts nicht.). Ich schrieb trotzdem einen guten Abschluss und wechselte 2018 auf die Fachoberschule, um dort auch mein Abitur ablegen zu können. Anfangs trat die Essstörung in den Hintergrund, kam aber nach wenigen Wochen mit voller Härte zurück - kein Wunder, denn gegen eine Psychotherapie weigerte ich mich zu diesem Zeitpunkt entschieden. Zu schlecht waren meine Erfahrungen mit Therapeuten, als ich mit 9 Jahren wegen meiner Panikattacken in Behandlung war. 
Dass die Essstörung nur für einen sehr kurzen Zeitraum weg und ich keineswegs geheilt war, blieb für mehr als 1.5 Jahre mein gut gehütetes Geheimnis, ich erinnerte mich nur zu gut, wie sehr meine Mama unter der Sorge um mich gelitten hatte und wollte weder ihr noch mir diese Torturen und Nächte voller Tränen erneut antun. Ich litt natürlich trotzdem extrem. Schuldruck, wie bereits erwähnt die Pflege meiner Großeltern und dieses dunkle Geheimnis. So oft war ich am Ende, wusste mir nicht mehr zu helfen, aber ich konnte es nicht aussprechen. Ich schrieb Briefe an meine Mama, in denen ich ihr "gestand", dass ich gelogen hatte und nicht gesund sei, aber bekommen hat sie die natürlich nie, zu groß war meine Angst vor den Auswirkungen. 
Im Frühjahr 2020 steckte ich mitten in den Vorbereitungen für mein Fachabitur, als mein Opa völlig ohne Vorwarnung und im Beisein von mir und meiner Mama von seinem Hausarzt durch eine Überdosis Morphin getötet wurde. Ebenfalls eine lange Geschichte, auf die ich vielleicht in einem späteren Eintrag eingehen werde, hier sei nur erwähnt, dass dies natürlich extrem traumatisch war und ich damit kein Stück umgehen konnte bzw. nach wie vor nur sehr schwer kann. Dieses Ereignis war für mich der letzte Schubs in die endgültige Abwärtsspirale der Anorexie. Ich hatte keine Zeit zu trauern, immerhin war nur noch ein Monat bis zum Abi und mein Perfektionismus verlangte Bestnoten von mir. Ich schob alle Gefühle von mir und aß immer weniger. Im Schnitt kam ich auf 500 Kalorien pro Tag, bis ich irgendwann merkte, dass ich ja auch mal ein paar Tage gar nichts essen konnte. Durch Instagram geriet ich in eine Pro-Ana-Gruppe, in der sich alle gegenseitig anspornten. Ich habe mich in dieser Szene nie wohlgefühlt und war eher immer die "Mutti", die ein Auge auf alle hatte und versuchte, sie von zu extremen Verhaltensweisen abzuhalten, aber doch waren das die einzigen Menschen, die mich zu verstehen schienen, wenn ich mit meinem BMI von 16 jammerte, wie dick ich mich fühlte. 
Die Zeit verging, ich schrieb am Tag der Beerdigung meines Opas meine erste Abschlussprüfung und die Tage darauf die restlichen 3 Stück - alle davon mit leerem Magen und mit Wärmflasche, um den Kreislauf halbwegs stabil halten zu können. Zu diesem Zeitpunkt fiel meine Abnahme durchaus bereits auf, ich redete mich mit meinen Unverträglichkeiten aber immer wieder problemlos raus. Eines Tages im Juli lieh sich meine Mama mein Handy und stieß blöderweise auf besagte Pro-Ana-Gruppe und somit endete mein Versteckspiel unfreiwillig und eine Therapie wurde unausweichlich. Damit begann eine weitere Odyssee... 
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c0ffee-is-a-meal · 4 years ago
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Herzlich Willkommen auf meinem Blog❤
Hier möchte ich dich ein bisschen mitnehmen in meinem Leben mit Anorexie und Depressionen. Ich möchte Aufklärung betreiben, nutze das Schreiben aber auch als eine Form der Therapie für mich. Wenn du dich mit diesen Thematiken nicht gut fühlst oder davon getriggert wirst, solltest du meine Beiträge nicht lesen, da ich kein Fan von Beschönigungen bin. Nachdem ich mich in den letzten Monaten sehr viel mit mir, meinen Erkrankungen und dem Umgang mit diesen auch aus Perspektive der Angehörigen auseinander gesetzt habe, möchte ich diese Erkenntnisse teilen, um vielleicht dem ein oder anderen einen hilfreichen Denkanstoß bieten und meinem qualvollen Weg somit ein bisschen Sinn geben zu können. 
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