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Kopfsachen
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chjungod · 5 years ago
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Von der Götterspeise zum Unkraut
Nektar und Ambrosia haben ihren etymologischen Ursprung in der griechischen Mythologie. Abgesondert von jeglichem realen Bezug, werden sie darin als Götterspeisen beschrieben. Den realen Entsprechungen zugeteilt wurden sie erst im 17. Jahrhundert, als sich Gelehrte die Natur in Arten und Gattungen einzuteilen aufmachten. So ist aus der einen Götterspeise der Ausgangsstoff des süssen Honigs geworden, worin sein etymologischer Ursprung noch nachklingt, während er bei der anderen, als Bezeichnung eines eingeschleppten Unkrauts, das allergische Reaktionen hervorruft, völlig verklungen ist. Es ist als ob Ambrosia von seiner ursprünglichen, und damit wahren (?) Bedeutung gekappt wurde – und zur reinen Spielmarke, zur Bezeichnung eines bestimmtes Dings, verkommen ist. Dass dieses Ding den Namen einer Götterspeise trägt, erscheint dabei völlig willkürlich – und ein Zusammenhang, der angeblich im intensiven Geschmack des Krautes liegen soll, erschliesst sich einem nur schwer – wenn überhaupt. Auch dass sich der Namensgeber wichtig machen wolle, reicht als Erklärung nicht hin, weiss heute doch kaum jemand irgendetwas über den „Entdecker“ jener Pflanzenart. Es ist als ob Ambrosia vom Göttlichen in ein Weltliches herabgesunken ist und dabei jegliche Erinnerung an seinen geistigen Ursprung abgeworfen hat. So wie die Sprache überhaupt – frei nach Benjamin – sich von seiner onomatopoetischen Bedeutung losgelöst hat und zur reinen Zeichensymbolik verkommen ist. Der Klang von Ambrosia, der allein noch diese ursprüngliche Bedeutung transportiert, steht dabei im unüberbrückbaren Widerspruch zu seiner realen Bedeutung, die das ursprünglich Göttliche wie das Unkraut, das es bezeichnet, überwuchert hat.
Was der etymologische Ursprung im Mythos ebenfalls zu Tage fördert, ist ein gewisses Primat des „A priori“ im erkenntnistheoretischen Bereich. Nicht das dieses das „A posteriori“ vorweg zu nehmen vermag; dies wäre eine reichlich vermessene These, aber das „A posteriori“ bedient sich des „A priori“ um seinen Erfahrungsgegenstand zu bestimmen. Und so wirft das Beispiel von Nektar und Ambrosia ein Schlaglicht auf den Ursprung aller Erkenntnis im Mythos. Dieser ist, als erste Erklärung von Geist und Welt, allein im ersteren angesiedelt – und weisst damit auf den geistigen Ursprung von Erkenntnis schlecht hin. Zuerst war das Wort, wie es in der Bibel heisst, und damit  der Geist, der die Welt schuf. Dass dies empirisch betrachtet Mumpitz ist, tut nichts zur Sache. Die geistige Prägung dient allemal als Namensgeber und damit auch als Schlüssel des zu Erkennenden – auch wenn dieses, im modernen Sinne, der Empirie entstammt – und bedarf  –, um überhaupt als solche gelten zu können. Erkenntnis ist immer Erkenntnis von etwas – und setzt damit seinen empirischen Gegenstand voraus, auf den sie sich bezieht. Nicht allerdings ist der Bezug selbst – die Wissenschaft – Produkt der Empirie; sondern diese stellt sich jenem viel eher entgegen – und es ist die Wissenschaft selbst, die als Mass und Einheit des zu Erkennenden dient.
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chjungod · 5 years ago
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Antithetik der Geschichte
Benjamin spricht von einer „Antithetik“ zwischen Ausdruck und Bedeutung im barocken Drama. Wobei sich die Geschichts-affizierte Bedeutung über den naturgetreuen Ausdruck her macht. Auch die NZZ lies neulich eine ähnlich Antithetik hervorschimmern, als sie im Feuilleton über zwei Bücher berichtete, die sich der geschlichen Bedeutung von Gefühlen (aka Ausdruck) annehmen. Zweifellos ein spannendes Thema – zumal  für einmal nicht der Bedeutung den Sieg über den Ausdruck das Wort geredet wird, so wie ich das zuweilen in Anklage einer vermeintlichen „Bedeutungslosigkeit“ tue, sondern den Ausdruck als ein der Natur immanent erwachsener Affekt, frei von Geschichte, gelten lässt – auch wenn sich diese in ihn a posteriori einnistet. Dieses „A posteriori“ ist das Intellektualisieren des Ausdrucks, der aus dem Moment hervor bricht. Die Quelle des Ausrucks ist nicht das geschichtliche Fundament, sondern das tanzende Erzittern und Erschaudern am Dasein.
Ebenfalls der NZZ ist in diesem – und anderem – Zusammenhang zu entnehmen, dass urplötzlich die Gegenwart diese Tage sich eingestellt habe – und das ständige Vorwärts- in die Zukunft stürmen, zum Erliegen gekommen sei. Wo „das Rad der Geschichte“ zu drehen aufgehört hat, da bricht die Gegenwart hervor. Und sie tut dies in einer Eruption, die uns erschaudern lässt.
Die Gegenwart erscheint dabei nicht als Halt, sondern als Urteil der Geschichte, über uns. Was uns da gegenwärtig wird, ist nicht das von der Geschichte enthobene Augenblickliche, sondern, ganz im Gegenteil, der Einschlag der Geschichte mitten ins Zentrum des Augenblicks; womit dieser zum Element der Geschichte wird, der von ihr fortgerissen wird. Was uns diese Tagen gegenwärtig wird ist, dass wir machtlos sind; machtlos gegenüber der Übermacht der Geschichte, die über uns gebietet.
Als naturgeschichtliches Element ist es allerdings nicht die Geschichte an sich, die über uns gebietet, sondern das antithetische Prinzip in ihr; das darin enthaltende, naturhaft Zeitliche. Es ist dies der Puls der Geschichte, der mit jedem Schlag diese um ein Grad nach vorne rückt. Dieses Pulsieren der Zeit macht uns ganz kirre und es ist dieses Zittern, das auch uns erzittert. Mit jedem Schlag wird uns bewusst, was uns geschlagen hat.
In jedem Augenblick erschliesst sich das Bild der Gegenwart von neuem – und mit ihr das der Geschichte, das diesen hervor bringt und in jene eingeht. So harren wir ihrem Lauf und versuchen ihre Zeichen zu deuten, die sich uns in der Gegenwart offenbaren. Das Bild, das dabei entsteht, ist nicht das der Geschichte selbst, sondern das seines Abdrucks. Der Schluss den wir aus all den Zeichen ziehen, ist ein Bild der Geschichte, das wiederum in diese hinein geht. Bilder – Abdrucke von einem Geschehen, die dank und in der Zeit entstehen.
Und in allem klingt das Wort. Was da erzittert ist der Ausdruck der Sprache in der die Natur die Dinge hinein gelegt hat. Und was in ihnen erklingt und uns gleichsam in Harmonie versetzt – das ist  das Wesen der Zeit, die diese zum Schwingen bringt. Alles ist Teilchen, alles Welle – wenn das nicht besagt, dass in allem der Klang liegt – dass die Materie singt, wenn sie kann – und es nur der rechten Ohren bedarf, ihr Lied zu vernehmen – und mit zu summen. Alles ist eins. Im Orchester der Zeit findet jedes seinen Platz und im Verbund erklingt das Lied der Ewigkeit.
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chjungod · 6 years ago
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Über den Sinn
Der Verstand ist das Spielfeld der Sprache. Wo sich diese darüber hinaus wagt, da macht sie sich schuldig; will sie doch für sich den Sinn beanspruchen, der zu transportieren ihre eigentliche Bestimmung ist. Eine gute Sprache ist eine, die sich am Verstand orientiert. Doch dieser folgt der Sprache nur so weit, wie er ihr nachkommt. So ist das Transzendente über ihn hinaus; wo diese den Sprung ins Übersinnliche macht, da lässt sie den Sinn zurück. Der Begriff des Übersinnlichen spricht dies aus. An ihn kommt der Verstand nicht heran – und darum ist eine Sprache, die sich ihm annimmt, eine sinnlose Sprache, die über ihr eigentliches Gebiet hinaus ist. Dieses ist das Gebiet des Verstandes, wie dieser es ist, der den Sinn jeweils aufzuspüren hat. Der Verstand ist der Sinnsucher – in der Sprache, wie überhaupt. Ihm allein obliegt es, den Sinn ausfindig zu machen, an den sich sein Träger zu halten hat. Der Verstandesträger – der Mensch – braucht den Sinn um sich zu verordnen. Der Sinn ist die Ordnungsangabe des Menschen. Er führt ihn ins Feld der Kausalität. Was die Kausalität bezeichnet, das ist das Erklärte, das aufeinander Bezogene. Die Kausalität stellt die Kette her, die sich durch alles zieht. Alles ist durch die Kausalität miteinander verbunden. Sie ist das Bindeglied der Monaden – und der Sinn des Ganzen. Wobei hierbei auch der Unterschied aufblitzt – denn im Verbund der Kausalität ist der Sinn noch nicht erschöpft; der Sinn greift über die reine Kausalität hinaus. Dass die Dinge miteinander verbunden sind wirft noch kein Licht auf den eigentlichen Sinn der Sache. Dieser ist in der Sache selbst – und nicht in ihrer Verkettung. Der Sinn kommt der Sache selbst zu, die mit ihm offengelegt ist. Erst mit dem Sinn zeigt sich uns die Sache. Er ist gleichzeitig das was Schopenhauer den „Willen“ nennt – und worin er das „Ding an sich“ verordnet, als das Eigentliche, das worin allein es sich auszeichnet. Wobei mit dem Sinn, anders als mit dem Willen, auch auf das verwiesen ist, was diesen dem Ding zu spricht; der Sinn ist immer auch auf das bezogen, was den Sinn stiftet und nie nur auf das Ding an sich, worin er erkannt wird. Dass ein Sinn erkannt wird, verweist auf den Erkennenden, der diesen im Ding verortet. Und wie er ihn verortet, verortet er auch sich, für den dieser Sinn gilt. Die Gültigkeit einer Sache ist die Gültigkeit für uns. An sich hat die Sache keine Gültigkeit; diese bekommt sie erst für uns, wie sich die Sache uns zeigt. Die Erkenntnis der Sache ist das für uns erkannte, das was wir in der Sache erkennen, so wie sie sich uns zu erkennen gibt. Für uns gilt die Erkenntnis, die sich uns in der Sache offenbart. Die Erkenntnis ist die Offenbarung der Sache. In der Erkenntnis wird die Sache offen gelegt – für uns. Darin besteht das Wesen der Offenbarung – dass sie für uns und für uns allein bestimmt ist. Die Offenbarung kommt dem Einzelnen zu, wie sich ihm die Sache zeigt. In ihr zeigt sie uns ihren Sinn, der sie für uns allein besitzt. Der Sinn ist keine äussere, sondern eine innere Kategorie; sie richtet sich auf die Sache, wie auf uns – und ist darum in uns. Nur in uns offenbart sich der Sinn der Sache und nur für uns allein hat er seine Gültigkeit.
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chjungod · 6 years ago
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Pusteblume
Es geht also um Glück. Es geht immer um Glück. Um das jetzige, aber, und vor allem, um das beständige. Auf letzteres zielt eine als vernünftig geltende Handlung ab – in wie fern diese zum beständigen Glück beiträgt. Denn das momentane allein taugt ja nicht, denn dieses verpufft sobald der Moment vorüber ist und man dann auch wiederrum nichts mehr davon hat. Dabei freilich wird übersehen, dass das Leben selbst nur eine quasi endlose Anhäufung von Momenten ist und das jeder glücklich verbrachte darin es allemal wert war,  egal ob er dann wieder von einem dem Glück weniger zu teil gewordenen Moment abgelöst wurde. Das glückliche Leben ist die Akkumulation von glücklich verbrachten Momenten und jeder einzelne trägt hierzu bei. Ich sprach von einer quasi endlosen Anhäufung von Momenten; dies trifft insofern zu, als dass man den einzelnen, auf seine infinitesimale Grundeinheit runter bricht, die er tatsächlich ist; wie jeder Moment in schon wieder vorüber ist, sobald er hier ist und damit im Grunde genommen eine unendlich kurze Zeit dauert – oder besser: von einer Dauer des Momentes gar nicht die Rede sein kann, sondern dieser vielmehr einem Art Abbild von einem Zustand gleich kommt. Einem Abbild? Nein, einem Zustand unmittelbar, denn der Moment wird tatsächlich unmittelbar erlebt und hat nichts von diesem „Vermittelnden“ zu dem ich sonst geneigt bin es zu machen. Nein, im Moment selber ist der Zustand, der ihn ausmacht, durch den er sich auszeichnet, der sein Wesen ist – könnte man sagen – unmittelbar, unverfälscht, ganz und gar. Der Moment stellt die einzige unvermittelte Einheit des Lebens dar – unter dem Gesichtspunkt natürlich, dass er an sich keine Dauer hat, sondern wie er da ist, auch schon wieder weg ist; wie das Licht das für einen Bruchteil einer Sekunde auf den Film fällt und auf diesem ein Abbild hinterlässt, das den Augenblick einfängt. Denn, auch wenn er an sich nicht dauert, so bleibt doch immer irgendwas vom Moment hängen, auch wenn er immerzu von seinem Nachfolger abgelöst wird. Der Moment ist wie eine Polizeieinheit die am Tatort aufkreuzt und sogleich von einer in der Hierarchie höher gestuften Einheit mit den Worten „Wir übernehmen hier“ abgelöst wird. Wobei natürlich von einer Hierarchie nicht die Rede sein kann – auch wenn ich, zugegebenermassen, vor langer Zeit, einmal davon überzeugt war, dass das Leben in der Tat wahrhaftigaufsteigt – langsam aber stetig zu immer neueren Höhen steigt – , hatte dann allerdings relativ schnell gemerkt, dass das Mumpitz ist – dass dem Leben zwar sicherlich eine Art Kurs zukommt, dieser allerdings keineswegs auf immer höhere Sphären hinauf führt, sondern viel mehr umschlugen und verworren umher zwirbelt und irgendeines Tages, an irgendeiner Stelle, komplett abbricht. Das ist das Leben, so wie ich es heute sehe – ein Irrgang – ohne wirkliches Ziel – oder wenn, dann nur einzig und allein das was man sich selbst zu diesem erklärt hat. Ein anderes gibt es nicht, als dasjenige, das man sich selber steckt – und dem man hinterher rennt; denn immer ist es einem voraus, dieses Ziel, respektive man stellt es sich ja selbst immer weiter hinaus, so dass man es im Grunde genommen gar nicht erreicht, dieses Ziel, das man sich selbst steckt und immer wieder von neuem steckt. Darin bildet sich ja auch eine Art Lebenshaltung ab, die man eingetrichtert bekommt, denn zweifelsohne ist dieser Wahn, dieser Wahn stetig auf ein Ziel hinrennen zu müssen, nicht von Geburt auf in uns verankert, sondern entspricht ganz und gar einer Gesellschaftsordnung, die sich den Wettstreit – und damit die Vorstellung von einem möglichst als erster zu erreichenden Ziel – auf die Fahnen geschrieben hat – und so wächst man in dieser Vorstellung heran – dass man in eine Art Rennen verwickelt ist und gefälligst schön immer weiter zu rennen hat – einem imaginären Ziele entgegen – mit all den Leuten am Strassenrand, die einem zujubeln – das ist einem ja eingebläut worden, diese Vorstellung, diese Vorstellung, dass es da um was geht, dass es tatsächlich einen Sinn gibt in dem Ganzen und das dieser durch möglichst hohe Anstrengung herauszuarbeiten sei; dafür wären sie ja da, all die Kräfte in deren Besitzt man ist – zur Verausgabung; dafür sei man ja selbst da – um sich selbst zu verausgaben – um zu pusten – daran erkennt man ja den glücklichen Menschen – in dem er pustet, ständig immer nur pustet und pustet, bis ihm eines Tages diese ausgeht und er umfällt – ausgepustet; so bekommt man all das eingebläut und man glaubt es, weil man ja irgendwo die ganzen Bilder hernehmen muss, die so ein Leben ausmachen – und man sich derer sowieso nur in seinem Umfeld bedienen kann; da, woher die ganzen Bilden in all den Momenten auf einen hereinstürzen, da nimmt man sie sich her; sowie die ganze Zeit Lichtblitze auf die Retina fallen und sich das Ganze Umfeld in einem abbildet; denn, es sind ja doch Bilder, die man da hat, die man macht – aus den ganzen Momenten sich diese Bilder macht – und sie wild durcheinander wirft – in seinem Gruselkabinett.
  Es geht also um Glück.
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chjungod · 6 years ago
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Über den Zusammenhang von Realität, Macht und Kausalität
Die „Realität“ ist öffentlich. Das zeichnet sie wohl am ehesten aus – dass sie in der Öffentlichkeit spielt; dass es dieser Raum ist, wo sich die Menschen treffen, worüber interagiert und geredet wird. Das ist Öffentlichkeit, das ist Realität. Alles andere ist Weltverlorenheit; so viel gilt es Hannah Arendt einzuräumen, dass ihr Begriff von Öffentlichkeit zutrifft – und dass der Schluss nahe liegt, dass alles Reale in gewisser Weise auch öffentlich sein muss. Denn Realität wird eingestanden, zugesprochen. Und auch wenn jeder Einzelne das für sich selbst tut, so bekommt etwas, was allgemeinen Zuspruch erhält, dadurch auch mehr Realität. Womit nicht ausgeschlossen werden soll, dass sich die Öffentlichkeit nicht auch irren kann; es geht dabei in erster Linie um eine Machtansammlung – dass sich diese in einer Sache, die allgemein Anerkennung und Zuspruch erhält, ansammelt. Denn die Realität zeichnet sich ferner dadurch aus, dass sie Macht besitzt. Denn um eine Sache die real ist, kommt man so leicht nicht herum, sondern man hat sich ihr zu stellen, wie auch sie sich einem stellt. Der Realitätsanspruch erhebt sich dadurch, dass eine Sache über einen gebietet. Real ist was Macht besitzt. Macht besitzt was diese eingeräumt bekommt. Und zwar vom Einzelnen. Es liegt in der Entscheidung des Einzelnen, sich dem Machtanspruch der Sache über ihn zu beugen oder ihr sich zu wiedersetzen. Wobei die Sache tatsächlich auch über einem gebietet, auch wenn man dieser, ihren Machtanspruch verwehrt. Denn im Leugnen allein ist einer Sache noch lange nicht ihre Macht entzogen, die sie über einem besitzt; es gehört dazu auch noch ihre Abschaffung. Solange eine Sache bestand hat, hat sie auch Macht – so viel steht fest. Denn mit der Sache ist gleichzeitig auch die Macht gesetzt, die dieser zugesprochen bekommt. Will man sich dieser entziehen, so reicht es nicht, ihr diese abzusprechen, sondern die Sache selbst gehört abgeschafft, um sie von der Macht zu trennen, die ihr zukommt. Und eine Sache lässt sich nicht abschaffen, solange diese von der Öffentlichkeit getragen wird. Die Öffentlichkeit ist der Garant für die Sache, die in ihr den allgemeinen Zuspruch hat – und damit Macht; Macht über all jene, die ihr diese zusprechen –, wie auch über jene, die dies nicht tun, aber durch ihre Wirkung betroffen sind. Denn die Sache selbst unterscheidet nicht zwischen denjenigen, die ihr Macht zusprechen und denjenigen, die dies nicht tun. Die Sache selbst wirkt unabhängig ihrer Anerkennung. Solange man von ihr betroffen ist, kann man sich ihr nicht entziehen. Und man ist von ihr solange betroffen, wie sie Anspruch auf Allgemeingültigkeit – und damit Realität hat. Schwindet ihre Anerkennung, wird es für den Einzelnen leichter, sich ihr zu entziehen, bis sie schliesslich jegliche Legitimität eingebüsst hat – und damit aus der Realität entschwindet. Solange sie aber da ist, macht man sich besser daran, sich ihr zu stellen, um nicht von ihrer Macht erdrückt zu werden. Denn Macht haben, bedeutet gleichzeitig diese auch auszuüben. Was Macht ausübt, das übt Druck aus; Druck auf diejenige, die unterm Machtanspruch der Sache liegen und diese zum Handeln anregt, nach der ihr vorgegebenen Vorstellung. Mit der Macht der Sache geht die Vorstellung einher, wie ihr zufolge zu handeln ist; sie ist die Ursache nach der gewirkt wird. Und die Wirkung hat ganz im Sinne der Ursache aus zu fallen, wie diese auf die gewünschte Wirkung ausgelegt ist. Die Ursache gibt die Wirkung vor, die ihr gemäss erzielt werden soll. Und der Einzelne hat ihr gemäss zu wirken, sofern er von der ihrigen Ursache betroffen ist – und damit auch von den Folgen, die ein anderweitiges Wirken nach sich ziehen würde. Denn mit der Sache ist auch die Drohung gesetzt, die von ihr ausgeht. Was Macht besitzt, das hat die Möglichkeit zur Strafe, wenn man sich ihr wiedersetzt. Jeder Machtanspruch wäre zahnlos, wäre ihm nicht auch das Element der Strafe eigen, die demjenigen droht, der sich ihr wiedersetzt. Die Realität zeichnet sich nicht durch ihre Passivität aus, sondern in ihrer tatsächlichen Einwirkung auf den Einzelnen. Und was eine tatsächliche Wirkung hat, das veranlasst denjenigen, auf den diese Wirkung ausgeht, dazu, selber zu wirken. Vom Einzelnen geht selber Macht aus, die auf seine Umwelt wirkt. Der Einzelne wird selbst zur Ursache für das Wirken in seinem Umfeld. Wie der Einzelne auf seine Umwelt einwirkt, wird diese wiederum zum Wirken angeregt. Der Impuls der vom Handelnden auf das übergeht, auf das dieser wirkt, überträgt sich auf dieses und wird wiederum weitergegeben.
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chjungod · 6 years ago
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Richter und Henker
Was da über mich richtet, das bin ich selber – aber nur in der Vertretung eines gesellschaftlich vorgestellten Sittenwächters. Denn es ist die Gesellschaft, die die Sitten vorgibt, an denen sich der Einzelne orientiert – und auch zu orientieren hat, will er von dieser nicht herausfallen und damit den Privilegien des gesellschaftlich verankerten Lebens entsagen. Und wer will das schon? Das heisst, wer will das in der Praxis schon? Denn in der Theorie fühlt sich noch manch einer den gesellschaftlichen Normen enthoben. Wenn dann allerdings einmal die echte und – zwar die materielle Enthebung droht, die der gesellschaftlichen auf dem Fusse folgt, dann findet sich noch der Letzte wieder im Schosse der Gesellschaft ein und spielt das Spielchen mit, das in ihr gespielt wird – und was er insgeheim verachten mag. Der Groll richtet sich gegen innen und findet in einer mürrischen Haltung seiner Mitmenschen gegenüber seinen Niederschlag. Diese ist allemal Produkt gesellschaftlichen Drucks und Zwangs, dem sich der Einzelne ausgesetzt sieht – und tatsächlich ist. Auch die liberale Gesellschaftsordnung kommt nicht ohne subtile Druckmittel aus, deren Wirkung sich im Innersten der Menschen in Selbstkasteiung entladen. Ihre Prinzipien haben sich so gründlich in den Köpfen ihrer Subjekte festgesetzt, dass er über keinerlei äussere Zwangsmittel zu ihrer Vollstreckung mehr bedarf. Der Liberalismus ist tatsächlich ein Totalitarismus, wenn auch seine Gleichschaltung implizit erfolgt. Ihr hochgehaltener Pluralismus erfolgt unterm Primat des  „Wettbewerbes der Ideen“. Die Idee hat sich zum Markte zu tragen, wobei die Idee des Marktes bereits als ausgemacht fest steht. Er entscheidet, welche Ideen sich durchsetzen – und welche das sind, dass sind die mit ihm kommensurablen.  Denn es ist der Markt, wo sich der Einzelne zu behaupten hat und nur was ihm hierzu dienlich ist verdient seine Aufmerksamkeit. Was der Selbstbehauptung auf dem Markte zuwider läuft wird dadurch zum frevelhaft Unnützen und wird marginalisiert; mag die Idee auch an und für sich vernünftig sein – was sie in Tat und Wahrheit gar nicht sein kann, wie auch die Idee der Vernunft selbst vom Gesetz des Marktes gepachtet wurde. Die Idee verkommt somit zum Irrsinn, den es aus dem Kopf zu schlagen gilt, um an ihrer Stelle die Idee der herrschenden Vernunft zu installieren, die da lautet: sich einzubinden in den Apparat, wie es ja immer schon das herrschende Prinzip war, an dem der Einzelne sich zu orientieren hatte. Die Diskurshoheit liegt in den Händen der Mächtigen und sie bestimmen den Kurs, der dem Einzelnen aufgetragen ist. Jede Abweichung davon wird ihm zum Nachteil gegenüber den Anderen, mit denen er sich im Wettstreit weiss. Was der Einzelne auch will, er hat sich zu seiner Durchsetzung dem Willen der Mächtigen zu beugen; der Wille des Einzelnen gerät dadurch zum „Trieb“, zu dem ihn Freud erklärte (und den bereits Schopenhauer aufgedeckt hatte): ein irrationalerer Drang den es zu zügeln und zu sublimieren gilt. Die Sublimierung des Triebes ist von den gesellschaftlichen Verhältnissen dem Einzelnen aufgetragen. An sich ist der Trieb „böse“; wodurch der Egoismus zum moralisch Verwerflichen wird, wie er sich dem Interesse der Gemeinschaft entgegenstellt, das als Gegenpol zum „Guten“ gemacht wird – und als Hobbes Leviathan die Rolle des freudschen „Über-ich’s“ einnimmt. Das „Ich“, als zwischen den beiden Polen eingesperrtes, hin-und-hergerissenes; das was die Vermittlung antritt – und die letztlich der Vernunft zu Ihrem Recht verhilft. Denn diese ist weder das gesellschaftliche-, noch das individuelle Prinzip, sondern tatsächlich das Vermittelnde – und war es eigentlich immer schon. Denn immer schon war es das Masshalten das als Königsweg des Eudämonismus gegolten hat; das sich dazwischen behaupten können, zwischen den gesellschaftlichen Anmassungen an den Einzelnen und den mit diesen nicht kompatiblen eigenen Wünschen.
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chjungod · 6 years ago
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Denken als Begründung und Wiederlegung des Idealismus
Den sogenanten „geistige Menschen“ könnte man auch als verwirrten Menschen bezeichnen. Denn was im geistigen Menschen tatsächlich vor sich geht, das ist in erster Linie einfach mal eine Begriffsverwirrung. Diese rührt daher, dass er sich (zu) vielen Begriffen bedient, die allesamt auf die unterschiedlichsten Gegenständen  verweisen und diese geradezu verdrängt haben. Wo das Geistige überhand nimmt, da verdrängt es das Wahre; das was tatsächlich und unmittelbar wäre und an dessen Stelle ein unglaublicher Begriffssalat getreten ist, der diese Gegenstände verhüllt, anstatt sie zu enthüllen. Man stülpt der Welt irgendein Kostüm über und behauptet im idealistischen Eifer, dass diese nicht so sei, wie man sie denkt; respektive nur so sei, wie man sie sich denkt; was zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird, wie man ja längst dazu übergegangen ist, die Welt nur noch zu denken, anstatt sie wahrhaftig zu erfahren. In dem die Welt gedacht wird, wird sie wahrhaftig zur idealistischen – und damit zu dem, zu der man sie sich im Denken macht. Es ist der Gedanke, der die Welt umhüllt und sie damit aus ihm heraustrennt. Erst der Gedanke macht aus der Welt eine idealistische, wie noch jeder Gedanke nur ein idealistischer sein kann. Die Hinwendung des Philosophen zum Idealismus geschieht aus seiner Natur heraus, die das Primat des Geistigen hochhält. Jeder Philosoph wird zwangsläufig zum Idealisten, sobald er über die Welt zu denken anfängt. Der Idealismus zieht seine Überzeugungskraft nicht aus einer realistischen Annahme – dass die Welt in irgendeiner Art und Weise eine Ausgeburt des Kopfes sei (was völlig abstrus wäre), sondern aus seiner Verwandtschaft mit dem Denken selbst, das per Definition eine Ausgeburt des Kopfes ist. Das Denken führt zwangsläufig dazu, von der Welt nur einen idealistischen Begriff zu haben –, auch wenn jeder gesunde Menschenverstand von der Echtheit dieser – und damit vom Realismus –  überzeugt sein muss. Denn die Welt ist keineswegs das, wozu sie im Denken über sie gemacht wird, sondern vielmehr die Abstraktion von diesem – was in das Denken noch nicht hineingegangen ist. Was einmal im Denken sich einfindet wird zum Begriff gemacht und verliert dadurch das, was mit ihm eigentlich begriffen wird. Der Begriff tritt im Denken an die Stelle der Sache und findet nimmermehr zu dieser zurück. Was einmal Begriff geworden, wird durch diesen idealisiert – und dadurch von ihm abgelöst. Der Idealismus tritt im Denken an die Stelle des Realismus, von dem dieser eigentlich hervorgeht. Denn noch vor allem Denken ist erst einmal das, worüber überhaupt gedacht wird, damit überhaupt gedacht wird. Wo nichts sein soll, was nicht gedacht ist – wie das der Idealismus behauptet – da gibt es auch nichts worüber überhaupt gedacht werden kann. Denken selbst ist die Wiederlegung des Idealismus –, auch wenn es diesen zwangsläufig hervorbringen muss. Würde der Idealismus tatsächlich zutreffen (was wahrscheinlich nicht einmal seine kühnsten Vertreter tatsächlich glauben), so würde dieser trotzdem keine Grundlage bieten für das Denken, das diesen hervor bringt. Dass ein Idealismus überhaupt hervorgebracht werden kann, beweist seine Unangemessenheit.    
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