Schicke mir ein Stück Käse, damit ich einmal gut essen kann.
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Das Zeitalter des Komparativs
"Muße braucht Zeit." - Hartmut Rosa
Wir leben im 21. Jahrhundert. Einige nennen es das Zeitalter der Technologien und des Fortschritts. Andere nennen es das Zeitalter der Globalisierung und des Kapitalismus. Und für die meisten ist es das Zeitalter des Wettbewerbs und Leistungsdrucks. Für mich ist es das Zeitalter des Komparativs. Schneller, weiter, größer, effizienter, besser - bestenfalls sollten wir mit 25 Jahren schon 30 Jahre Berufserfahrung aufweisen und drei Fremdsprachen beherrschen können, Führungskompetenzen, Durchsetzungfähigkeit und ein herausragender Abiturschnitt sind vorausgesetzt. Natürlich sollte auch die Familienplanung nicht allzu lange auf sich warten lassen.
OK Google, wie schlafe ich 8 Stunden in 4 Stunden?
Diverse Stimmen aus dem Optimierungsexpertentum verweisen auf Methoden und Selbsthilfebücher, um das Beste aus uns herauszuholen; mach es schneller, mach es besser, mach mehr (Multi-Tasking, Power Naps, Speed Dating, und natürlich das Fast Food)! Die Studierenden unter uns, die der Regelstudienzeit hinterher hechten, wissen wovon ich rede. Es reicht nicht mehr, dass ich etwas gut kann - ich muss es besser können als alle anderen. Auch der Wettbewerb ist zum Komparativ mutiert, hat sich auf globaler Ebene ausgedehnt, zeigt tiefgreifende Reichweite und raubt uns das Kostbarste, was wir haben: Die Zeit.
„Es kann doch nicht sein, dass wir auf der einen Seite immer länger leben, aber ausgerechnet die erste Phase des Lebens unserer Kinder und Jugendlichen dermaßen beschleunigen“ - Harald Lesch
Gerade in der prägendsten Zeit des Menschen führt die Beschleunigung zu Orientierungslosigkeit und Überforderung: G8 sollte die zukünftige Elite zügig auf die Hochschulschienen und auf den Arbeitsmarkt werfen. Die Entgleisung in Form von Studienabbrüchen ließ nicht lange auf sich warten. Werft die Kinder ins kalte Wasser und sie sind gezwungen Schwimmen zu lernen! Und parallel zu der wachsenden Lebenserwartung, wächst auch die Anzahl der psychischen Krankheiten. Uns steigt das hohe Lebenstempo zu Kopf.
Solltet euch nun einfallen, dass ihr eigentlich gar keine Zeit habt, diesen Text zu lesen: Nehmt euch lieber die Zeit für ein Gläschen Wein und ein gutes Stück vollmundigen Old Amsterdam und lehnt euch entspannt zurück.
Tipp: Je schneller ihr den Wein genießt, desto schneller setzt die Entspannung ein.

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