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Fallstrick.
Warum L. seiner Frau so ganz verfallen ist, liegt auf der Hand. Man muß schließlich Rechenschaft ablegen über jedes nichtsnutzige Wort, das man verliert. Und C. – stumm wie ein Marmorbild – ist Bewahrerin der Worte. Ich glaube, auch L. würde die Sprache am liebsten hüten wie einen Schatz, und es schmerzt ihn sehr, wie andere Sätze von sich schleudern. Manchmal sehe ich Tränen in seinen Augen,…

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Wunschbrunnen.
»Wer sich das Geld nicht vom Leib hält, dem wird es Gift«, sagt Perkeo. »So schwer wiegt Gold, es will dich durch den Boden brechen lassen. Kupfer verwandelt sich in Grünspan, Silber tötet Werwölfe. Münzen haben die Macht, das Hirn zu verhexen. Von Scheinen will ich gar nicht erst sprechen.« So erklärt sich Perkeo, warum ihn andere ihr Vermögen verschwenden lassen. Jetta kommt hinzu. Ich bin der…

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Wiederholung.
Nichts wiederholt sich schöner als der April, sagt M., und liest am Frühstückstisch vor, als würde sie aus der Zeitung zitieren: »Der Frühling hat die Hügel rosa, grün getupft, doch bringt die Sonne kalten Wind mit sich; morgens sind die Blüten noch mit Eis überzogen. Die Lage ist verworren. Fluchend verkauft M. die Aktien des Onkels, ehe sie sich ganz auflösen.« Ich stimme ihr zu und kippe den…

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Wiederkehr.
Es ist Zeit. Im März kehrt alles wieder: die Mandelblüte an der Promenade, der Sonnenschein im kalten Wind; ein feingliedriger Himmel nistet in den Zweigen. Die alte Litanei der Osterglocken am Ufer. Das Kind schreit entzückt, als M. auf der Mauer balanciert. Man könnte alt werden über die alljährliche Müdigkeit. Der Schlamm ist zu harten Furchen geronnen, im Schatten sind die Pfützen noch…

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Nebel.
Der Weinberg droht unter dem Gestrüpp langsam zu ersticken; Brombeer und Flieder haben sich ineinander wild verschlungen, sie lassen sich nicht mehr unterscheiden; man kann kaum die Hand rühren, so dicht steht man im Gebüsch, wie lange muss es her sein, dass M. mit den Studenten hier gearbeitet hat, es ist ein Hauen und Stechen, was man vor sich wegräumt, türmt sich umso höher hinter einem auf;…

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Wege.
»Diese Pferde, möchte man sie nicht umarmen?«, flüstert M., und wir gehen ein paar Schritte weiter in Richtung der Haltestelle. Da erkennen wir, dass es stattliche Maultiere sind, die vor der Straßenbahn stehen. »Das Maultier«, sage ich, »in dem Kunst die Natur überholt.« Die Flanken dampfen in der Kälte, während sie Disteln und Heu fressen. Man hat sich rasch abgewöhnt, die Zugtiere zu…

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Wendung.
Das alte Häuschen flackert in der Dämmerung; eben löst sich aus dem Waldrand eine dunkle, bärtige Gestalt. Die Augen leuchten wie Bernstein, als er eintritt. So füllt sich nach und nach die Weinstube mit Besuchern aus allen Himmelsrichtungen, bis an den Fenstern die Tropfen herabrinnen. Jetta hat die Tische zusammengeschoben, sodass wir nun an einer langen Tafel sitzen, an der sich die Gläser wie…
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Einrichtung.
Man weiß nie recht, was oben los ist. Perkeo scheint sich in der Dachkammer über uns einzurichten. Es hört sich an, als würde er die Tisch- und Stuhlbeine absägen, damit er bequem sitzen kann. Möglicherweise zimmert er sich auch gleich eine kleine Treppe, um aus dem Fenster schauen zu können, hinüber zu den Resten der Ruine. Das Bett hat für ihn eine königliche, fast irrsinnige Größe, und so…

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Zwischenfall.
Erzählen will ich von einer unerhörten Begebenheit, die – es klingelt an der Tür, das Paket ist da, stellen Sies hinters Tor – die sich vor nicht allzu langer Zeit – das Kind möchte das Paket lieber jetzt gleich öffnen – die Stufen hinunter und hinauf – Atem holen – damals, nicht lange her, flossen die Tage noch gemächlicher – eine Schere muss her fürs Paketband – gemächlicher vor sich hin – in…

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Primat.
Es ist, im Spiel der Zeit, alles eine Frage des Vorrangs. Wichtiger als über diesen Satz nachzudenken, ist für mich aber gerade, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich balanciere auf der Brüstung der Plattform und hasche nach dem Affen, der ungerührt weiter den Kirchturm hinaufklettert. Tagelang haben wir nach ihm gesucht; dass er sich nun leibhaftig die Wasserspeier entlanghangelt, ist ein…

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Wahrzeichen.
Professor B. legt die gewaltig gewölbte Stirn in Falten: »So ist also etwas über uns verhängt, zu dem wir uns nicht anders verhalten können, als zu allem Überfluss noch eine gute Figur zu machen.« Da wird es für C. Zeit sich zu verabschieden; sie bleibt in der Tür kurz stehen, dreht sich um die eigene Achse, verschwindet mit leichter Verbeugung. Die Kneipe johlt auf, dann herrscht wieder die…

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Lamento.
Das Leben verspricht, was es niemals einlösen kann. Wir sitzen unter dem Fliegenglas, oder dem Stundenglas, und brüten vor uns hin. Was in dem Brüten für Träume kommen, die vorzaubern, was sein könnte! Man geht dem Leben auf den Leim und erwacht dann doch zu Leid und Langeweile. Wenn man sich einmal nicht im Dunkeln verläuft, die Dinge ohne Augenschließen betrachtet – alles Wirkliche ist zäh und…

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Kaffeesatz.
Vor C. verstummt, so scheint es wenigstens, die Frage nach der Zukunft. Ein Finger rührt beiläufig in der Tasse. Vom Kirchturm aus gesehen, muss C. ein himmelblauer Fleck Herrlichkeit sein. Sie raucht und lächelt und schweigt, während ringsum das Palaver brodelt. Da C. nicht spricht, ist unendlich, was sie sagen könnte: immerhin hat C. die letzte Flut vorhergesehen. Auf dem Boden der Tasse hat…

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Fontäne.
Der Mai ist da mit aller Macht. Wie ein schlafendes Tier hat sich die Sonne auf dem Pflaster ausgestreckt. Die Fontäne steigt zum Himmel auf, verharrt in der ihr zugedachten Höhe; ein Schleier Wasser weht im leichten Wind. Nun sind M. und das Kind aus der Ferne zurück, mein Feldzug ist vorerst abgesagt. Die Stadt streckt langsam ihre Glieder, der ganze Marktplatz ist in Bewegung. Die Gassen…

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Demonstrandum.
Der Kirchturm, wieder habe ich mich hinauf gewagt. Unten liegt der Marktplatz da als quadrierter Sternenhimmel. Fackeln leuchten. »Oder sind es Laternen«, meint der Faun und lehnt sich so weit über die Brüstung, dass der Zentaur ihn festhalten muss: »Wie oft haben wir das gesehen, die Reden, das Schwenken der Plakate, die Parolen, Sprechchöre und die Hände, die sich ins Firmament schrauben, wo…

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Verreisen.
M. und ihre Postkarten: jahrlang hab ich von ihr keine mehr bekommen; und dann heute diese unter ganz anderem Vorzeichen. Ich drehe und wende die Karte in den Händen. Eine Abbildung des Châteaus in der französischen Provinz. Nachdem der Onkel gestorben ist, haben die Zwillinge das Anwesen zum Hotel umgebaut. Auf dem Bild ist davon nichts zu sehen, ruhig schiebt sich der Wald ins Gemäuer hinter…

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Insolvenz.
Jeden Tag decken wir den Tisch, die Gäste aber bleiben aus. Die ganze Küchenbrigade wartet vergeblich auf eine Aufgabe. Alles ist bereit, das Porzellan gewärmt, das Gemüse gegart, die Sauce brodelt auf dem Herd vor sich hin. Der Service zupft an der Tischdecke, arrangiert das Besteck um, poliert die Gläser, bis das Glas bricht. Ich gehe vor dem Restaurant auf und ab, spähe die Gasse hinunter:…

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