Tumgik
splitterblog · 2 months
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Hierarchische Reorganisation von Bedürftigkeit oder:
Warum der Fünfjahresplan nie funktioniert hat, funktionieren wird und mich die Idee schon so aufregt…
Ja Diana, die Hütte steht noch – aber rasten können wir darin nicht.
Seit der Pandemie steht da noch ein Schild davor: „Geschlossen. Zu vermieten.“
„Und was machst du mit dem Fünfjahresplan wenn du im zweiten von fünf Jahren eine Pandemie hast?“ frag ich Diana,
„Ja dann hab ich einen Pandemieplan in der Schublade!“ – glaubt sie.
Ein politökonomischer Plan, der uns genau aus jenen spezifischen Herausforderungen heraushilft, vor die uns ein Virus stellt, das wir zum Zeitpunkt der Erstellung des Fünf-Jahresplans (inklusiver aller notwendiger Eventualitäts-Schubläden-Pläne) noch nicht kannten,  uns aber JETZT zu akutem handeln zwingt.
Super.
„Das ist wie Panzerfahren: Ja, wenn ich eine Stadt einnehmen will kann ich ruhig langsam und stabil drauf zutuckern – wenn mich seitlich der Tsunami wegspült wars das“, entgegne ich.
Nicht nur berg-ikonische, sondern auch martialische Sprachbilder liegen mir nahe. Das hat aber nichts mit Vorarlberg zu tun – sondern mit meiner diagnostizierten PTBs. Also doch irgendwie mit Vorarlberg … 😉
Außerdem bin ich Typ 1 Diabetikerin:
Seit meinem zehnten Lebensjahr bin ich es gewohnt andauernd langfristig planen zu müssen – um dann plötzlich den Plan zu verwerfen, um trotzdem handlungsfähig zu bleiben.
Lichtenbergs motivationale Systeme
Nichts anderes erwarte ich mir von einem politökonomischen System: Eine ständige hierarchische Reorganisation der Bedürfnisbefriedigung. 
Grundbedürfnisse sind unauflöslich mit Ökonomie verbunden: die Befriedigung von Bedürfnissen wird gesellschaftlich über Ökonomie organisiert. Bedürfnisse wechseln die Priorität ihrer Befriedigung: Ich wache in der Nacht auf, weil ich aufs Klo muss. Ich brauche ein Bett, ich brauche ein  Klo – nur weil ichs nicht gleichzeitig brauch verschwindet die Bedürftigkeit nach dem was grade weniger dringend ist nicht - sie tritt nur in den Hintergrund. Zu wissen, dass ich ein Klo habe lässt mich entspannt schlafen. Zu wissen, dass ich gleich wieder ins Bett kuscheln kann lässt mich entspannt pinkeln.
In der Psychoanalyse lässt sich zu hierarischen Reorganisation von Bedürftigkeit Input finden: Die motivationalen Systeme nach Joseph Lichtenberg. Laut Lichtenberg gibt es fünf menschliche Grundbedürfnisse. Für die Befriedigung jedes Grundbedürfnisses entwickelt jeder Mensch gewisse Muster, die biologisch, sozial und psychisch beeinflusst sind, um diese Bedürfnisse zu befriedigen – eben die motivationalen Systeme. Eine gesunde Psyche, so Lichtenberg, zeichne sich dadurch aus, dass jedes der Grundbedürfnisse mal handlungsleitend wird: hierarchisch also an der Spitze steht. Leiden zeichne sich dadurch aus, das bestimmte Bedürfnisse so stark verdrängt werden, dass das dazugehörige motivationale System nie handlungsleitend ist: Es entwickelt sich auch keine Fähigkeit das Bedürfnis zu befriedigen. Das Bedürfnis bleibt unbefriedigt, das Erleben des Mangels charakterisiert das Leid. So wie ich das verstehe sind Lichtenbergs motivationale Systeme kein Gegenentwurf, sondern eine Ergänzung aus anderer Perspektive, zu kognitiven Lernmodellen.
Die Psyche ist kein beobachtbarer Apparat
Das Ding ist nur: In die Psyche, können wir nicht reinschauen. Bei Lichtenberg findet sich also keine perfekte Vorlage wie so ein politökonomisches System aufgebaut werden muss: Eine flexible, ständig sich in ihrer Hierarchie ändernde Reorganisation der Bedürfnisbefriedigung.
Wir können allerdings verstehen, welche Bedürfnisse bisher befriedigt wurden – und welche dabei übersehen wurden: Ein blinder Fleck innerhalb der Kapitalismus-Kritik liegt darin, zu glauben, der Kapitalismus hätte die Macht Bedürfnisse zu erzeugen. Meine Meinung ist eher, dass der Kapitalismus sich die menschliche Fähigkeit Grundbedürfnisse zu symbolisieren, zu projizieren, zu nutze macht. Laut Lichtenberg besteht eines der Grundbedürfnisse in Bindung und Zugehörigkeit – nichts anderes macht Mode: Ich trage die Aktuellste – ich gehöre dazu. Um weiter dazuzugehören muss ich ständig kaufen. Aber Lichtenberg hat schon verstanden: Ich will nicht nur dazugehören – ich will beim dazugehören auch einzigartig sein, gesehen werden: Mode funktioniert, weil es keine Uniform ist. 
Im Grunde müssen wir doch nur verstehen, welche menschlichen Grundbedürfnisse zu Stellschrauben innerhalb einer Gesellschaft werden und dementsprechend beantwortet werden müssen – damit sie nicht für kapitalistische Manipulation instrumentalisiert werden können. Der Kapitalismus tut das nämlich: Er findet mit Hilfe der Werbepsychologie heraus, welche Projektionsflächen sich wann profitmaximierend verkaufen lassen.
Was meine ich mit Projektionsfläche? Niemand >braucht< den aktuell modernsten Pulli in fünf verschiedenen Blautönen – und dazu natürlich noch jeweils die aktuellste Jeans im richtigen Farbton.
Aber wir brauchen das Zugehörigkeitsgefühl – und wir brauchen es uns dabei selbstbewusst, einzigartig zu erleben. Wir brauchen Verbundenheit – wir brauchen Inegrität.
Was bedeutet brauchen? 
Warum ich glaube, dass die Psychoanalyse Input bietet, um ein politökonomisches System außerhalb des Kapitalismus zu entwerfen, ist Folgendes: In Ergänzung zu politischem, ökonomischem, ökologischem, juristischem etc. pp. Denken bietet die Psychoanalyse die  Annahme von Ambivalenzen als selbstverständliches Merkmal des Lebens. Im Psychoanalytischen ist es vollkommen normal die empfundene Gegensätzlichkeit von Situationen und Affekten zu antizipieren. Wir sehen keine Widersprüche – sondern Puzzelteile.
Bedürftigkeit ist per se ambivalent: Wenn ich gemütlich mit Diana auf der Couch lieg – aber auch Hunger hab ist das ein harter innerer Kampf zwischen kuscheln und kochen.
Niemand würde bestreiten, dass das rational nachvollziehbar ist.
Die ontologische Feststellung, dass Bedürftigkeit ambivalent ist und zeitliche Kontexte überschreitet, zeigt auf, wo kapitalistische Deutungshoheit menschliche Bedürftigkeit instrumentalisieren kann: In Form von Projektion, die empfundene Ambivalenzen als zeitlich kontextualisierbare Eindeutigkeiten fassbar macht. Das macht der Kapitalismus durch Emotionalisierung: Wenn du DIESEN Pulli JETZT trägst dann gehörst du dazu – wenn du ihn aber in EINER ANDEREN Farbe als deine Bestie hast, bist du Einzigartig.
Ich hab eine These zum Ausbeutungspotential von Menschen über die Adressierung ihrer Grundbedürftigkeit: Der Kapitalismus hat sich verändert. Automatisierung, maschinelle Arbeitskraft hat sich beschleunigt und den Arbeitsmarkt fundamental verändert. War es der frühe Kapitalismus, der die physische Grundbedürftigkeit von Menschen missbrauchte (wie z.B. sicheres Wohnen, Essen, Zugang zu Hygiene und medizinischer Versorgung, Schlaf..) bedient sich der neoliberale Turbokapitalismus vor allem der Verwundbarkeit durch die Adressierung psychischer Bedürfnisse.  Verbindung zu Menschen, Selbstwirksamkeit, Autonomie: Wenn wir diese psychischen Aspekte des Zwischenmenschlichen als Grundbedürfnisse definieren, sehen wir, wie neoliberale Glaubenssätze uns alle an den Eingeweiden packen. Psychische Grundbedürftigkeit ist genau so existenziell wie physische: Ihre Befriedigung ist überlebensnotwendig.
Wenn wir in einem politökonomischen System leben, dass es als gesellschaftliche Pflicht betrachtet, alle Grundbedürfnisse zu befriedigen, ist (turbo-)kapitalistischer Ausbeutung jede Grundlage entzogen.
Zu jedem Zeitpunkt.
Auch bei einer plötzlich eintretenden Krise, wie einer Pandemie.
Und das geht nur mit einem flexiblen System: Ich muss mich beim Schlafen sicher fühlen, sonst kann ich nicht rasten. Nur ausgeschlafen bin ich leistungsfähig.
-katha-
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splitterblog · 2 months
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Es ist eine sehr schöne Hütte.
Zu dumm, dass die Hütte nicht mehr bewirtschaftet wird. Jetzt stehen wir vor der verschlossenen Tür und kommen nicht zur Rast. Zumindest glaube ich, dass die Tür verschlossen sein wird. Weil steht ja auf dem Schild… Geschlossen.
Das Frustrierende am Kapitalismus ist, dass wir fortwährend gezwungen sind, die etablierten Mechanismen zu wiederholen und zu reproduzieren. Wir finden das nicht super und sind uns ziemlich sicher, dass es besser gehen könnte, aber der Kapitalismus erscheint uns ähnlich unbesiegbar wie der Leviathan, den Thomas Hobbes in seinem gleichnamigen Buch über Staatsgewalt beschrieben hat.
Das Frustrierende ist, dass es nicht „Der Kapitalismus“ ist, der die Güter und Leistungen zu Waren macht, mit denen wir unsere Bedürfnisse befrieden könnten. Es ist nicht „Der Kapitalismus“, der als Preis für diese Waren die Arbeitskraft einfordert, die viele von uns verkaufen müssen.
Das Frustrierende ist, dass es Menschen im Kapitalismus sind, die uns das antun. Auf theoretischer Ebene können wir uns von ihnen abgrenzen. Zu Zeiten von Karl Marx konnte man sie easy noch „Kapitalisten“ nennen. Wenn wir an den Klassengegensatz zwischen Arbeiter*innen und zB Großindustriellen denken, verläuft zwischen uns und zwischen ihnen eine große Kluft.
"Besuch doch heute Abend deinen Chef..."
In der Praxis, im Arbeitsalltag begegnen uns diese Kapitalisten jedoch als die Menschen, die sie sind. Sie fahren Autos, die wir eigentlich selber gerne hätten, machen Witze, die wir lustig (oder nicht lustig) finden, haben gestern das selbe Fußballmatch gesehen wie wir. Der Zwang, dass ich meinem Chef meine Arbeitskraft verkaufen muss, die Ohnmacht, dagegen nichts ausrichten zu können, erzeugt einen kontinuierlichen Widerspruch. Der Umgang mit Widersprüchen erfordert emotionale Arbeit, wodurch ein neuer Widerspruch entsteht. Weil wir unsere Arbeitskraft ja eigentlich verkaufen müssen, während die emotionale Arbeit aber unentgeltlich passiert.
Üblicherweise suchen wir dann also nach anderen – billigeren – Wegen, uns vom Kapitalismus und sonstigen Widersprüchen der modernen Gesellschaft abzugrenzen. Wir suchen nach Menschen, von denen wir uns abgrenzen – die wir ausgrenzen – können. Wir suchen nach Lebensentwürfen, in denen wir uns mächtig und einflussreich fühlen, finden uns wieder in Religionen und Ideologien, die seit jeher die Funktion übernommen haben, Widersprüche für uns auszubügeln und auf Umstände außerhalb des eigenen Tellerrandes zu projizieren.
Durch das Ausblenden dieses Widerspruchs erscheint uns jedoch der allmächtige Kapitalismus wie eine Naturgewalt. Etwas, das nicht menschengemacht ist; das wir nicht selber zu Stande bringen und alle Dinge, die im Kapitalismus der Profitmaximierung und Markterschließung dienen, erscheinen uns unnützlich, manchmal gar unheilig.
Ich bin kein großer Fan von Vorteilskarten, verdammt, meine Lippen pressen sich schon aufeinander, wenn ich an der Kassa nach der Postleitzahl gefragt werde. Ich bin aber keine konsequente Gegner*in von Big Data, vor allem wenn ich Dinge recherchiere, über die ich gerne lese, werfe ich großzügig mit Cookies um mich, als wäre ich in der Hundeschule. Und es gibt in Wien maximal zehn Leute, die mich besser kennen, als mein Insta-Algorithmus.
Aber die Daten, die von meinem Einkauf erhoben werden, nützen mir nichts. Also will ich diese Jö-Card nicht.
Cybersyn
Die Verwirklichung kommunistischer Ideale ist übrigens seit über 50 Jahren nicht mehr auf fünf Jahrespläne angewiesen. Bereits 1970 gab es in Chile Versuche, die sozialistische Wirtschaft mit Unterstützung von Computern in Echtzeit zu steuern. Damals wurden 400 Fernschreiber auf die entscheidensten Fabriken verteilt. Sie übermittelten wichtige Kennzahlen an ein Kontrollzentrum, wo kurzfristige Prognosen erstellt wurden. Der Bedarf an Waren war also in Echtzeit planbar.
Das System wurde 1973 durch den Putsch von Pinochet vernichtet.
Wenn wir uns nun also einen modernen Plan-Kommunismus vorstellen wollen, dann müsste darin euch irgendeine Form von künstlicher Intelligenz bzw von Big Data vorkommen. Wenn wir Beispiele realistischer Anwendung für die Implementierung solcher Systeme finden und kritisieren wollen, fällt unser Blick sehr bald auf die Social-Credit-Score Systeme in China.
Im 21. Jahrhundert sind jedenfalls sowohl kommunistische als auch kapitalistische Systeme im Stande, die Kapazitäten, Wünsche und Bedürfnisse ihrer Abnehmer*innen zu messen.
Was mich daran ärgert ist fehlende Möglichkeit, die über mich erhobenen und ausgewerteten Daten zu nutzen und direkten Vorteil daraus zu ziehen. Dafür bräuchte ich nicht einmal eine Jö-Karte.
Let me use my Data!
Seit mehreren Jahren kaufe ich im Supermarkt an der Selfcheckout-Kassa jeden Tag die gleichen Waren zur gleichen Zeit. Immer der gleiche Energy-Drink, die gleiche Pizzasemmel und das gleiche Weckerl. Sowohl Weckerl als auch Pizzasemmel haben keinen Barcode und ich muss den Produktnamen händisch eintippen und suchen. An Stelle dessen wäre es wohl durchaus möglich, dass mein geliebtes Weckerl und meine geliebte Pizzaemmel bereits im Suchfeld für „Produkt ohne Barcode“ vorgeschlagen werden, wenn jemand wochentags am Vormittag einen Monster Energy Drink über die SCO-Kassa zieht. But we just can’t have the nice things, can’t we?
Stattdessen werden die über mich erhobenen Daten verwendet, um mich zielgerichtet mit Unterhaltung, Informationen und Produktvorschlägen zu bespielen. Und selbstverständlich macht mich das ausbeutbar. Kultürlich manipuliert mich das. Aber je abstrakter meine Interaktion mit den Angeboten wird (Unternehmenserfolg wird ja inzwischen nicht erst beim Einkaufen generiert, sondern bereits beim Klicken… oder screenshotten … oder länger anschauen), um so mehr beginne ich zu daran zu Zweifeln, dass noch ums Verkaufen geht. Die wollen gar nicht mehr mein Geld, die wollen meine Aufmerksamkeit. Und davon wurde mir zwar ein Defizit diagnostiziert, aber in Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: Aufmerksamkeit hab ich im Überfluss.
-diana-
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splitterblog · 5 months
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Warum dieser Blog?
Ich verstehe mich als Antikapitalistin – aber ich verstehe mich nicht mit Antikapitalist:innen. Ohne eine genaue Expertise über die Bedeutung hinter verschiedener Selbstdefinitionen (wie z.B. Marxist:innen, Trotzkist:innen, Kommunist:innen..) sind in mir bestimmte Vorurteile entstanden: „Die wollen einfach nix. Die wollen nur dagegen sein.“ Ich war schockiert, als mein bester Freund die Reste unseres frisch gekochten Abendessens einfach in den Müll warf. „Individualisierter Konsum ändert nichts. Das Problem ist halt, dass wir uns eine Welt außerhalb des Kapitalismus nicht mal vorstellen können“, meinte er, einer dieser mir unverständlichen Antikapitalist:innen, schulterzuckend. Als wäre damit vollständig geklärt, dass profitmaximierende Überproduktion und Wegwerfmentalität im Privaten fortzuführen, im Sinne der eigenen Bequemlichkeit, unausweichlich sei. So nach dem Motto: „Das Private ist politisch - was soll ich denn machen.“
>Die wollen einfach nix - außer dagegen sein< - Ein Vorurteil gegenüber Antikapitalist:innen, das ich auch oft von Verteidiger:innen des Kapitalismus gehört habe – mit denen verstehe ich mich aber auch nicht. Meine Irritation beginnt schon bei dem Argument „Kommunismus funktioniert nicht, hat sich doch gezeigt, das endet immer in Diktatur.“
Was ich nicht will:
Die Frage nach dem geringeren Übel besprechen.
Funktioniert denn Kapitalismus? Hat Kapitalismus uns vor Faschismus geschützt? Und wer ist dieses „uns“? Wo beginnt Diktatur? Bei einem Diktator, oder bei der Diktatur der Verhältnisse? Was wir bereits mehr als einmal erlebt haben: Diverse kapitalistische Herangehensweisen führen zu diktatorischen Verhältnissen, in welchen Vermögende die Deutungshoheit über die Geschichte übernehmen. Der Großteil der Weltbevölkerung wird aus dem Narrativ ausgeschlossen und gehört nicht zum „wir“.
Eine globale demokratische Mehrheit bestünde aus zum jetzigen Zeitpunkt marginalisierten Gruppen.
Es bilden aber wenige Besitzende eine Hegemonie und können die Behauptung „Kapitalismus ist vielleicht nicht perfekt, aber das Beste das wir haben“ unwidersprochen aufrecht erhalten.
Also will ich das nicht diskutieren.
Ich will auch keine Beispiele besprechen, die derzeit außerhalb des Kapitalismus funktionieren. Schon alleine, weil diese Beispiele gemessen an der Weltbevölkerung so verschwinden klein sind, dass ich keine Chance sehe, deren Konzepte durch die Hegemonie profitorientierter, kapitalistischer, kolonialistischer Ausbeutung verteidigen zu können. „Funktionieren“ bedeutet für mich: Den Menschen geht es kontinuierlich gut. Ihre physische wie psychische Bedürftigkeit ist durchgehende gewährleistet. Krisen bleiben kurze Episoden, statt sich potentzierend, intersektional zu verschlechtern. Diese Inseln funktionieren durch Abgrenzung – so lange Abgrenzung möglich ist. Aber gegen die Gewalt der Invasion aus Eigeninteresse hat niemand eine Chance. Diese Inseln könnten auch in sich zusammenfallen: Vielleicht erscheinen dem ein oder anderen Mitglied der Community die Versprechen des Kapitalismus attraktiver, die Leute wandern ab, in der Gesellschaft entstehen Lücken und das Leben in gleichberechtigter Gemeinschaft aufrechtzuerhalten wird politökonomisch unmöglich – dieses Szenario erscheint mir schlicht wie Teil des Lebens. Das Leben ist Veränderung. Ein politökonomisches System, das darauf baut, dass alles gleich bleibt, ist zum Scheitern verurteilt. Das ist eine Gemeinsamkeit von kapitalistischen und antikapitalistischen Systemen.
Warum also dieser Blog?
Trotz. --- --- Ich will es versuchen. Mir ein politökonomisches System außerhalb des Kapitalismus vorzustellen. Es braucht ein lebendiges System. Eines, das Veränderung antizipiert, statt Krisenintervention zu planen oder zu verdrängen. Ein globales, eines das auch mit Vernetzung zwischen unterschiedlichsten Regionen funktioniert. „It IS easy!“ schreie ich. Und in mir flüstert es: „Kein politökonomisches System ist einfach, darum macht das nachdenken ja so Angst.“ Als Prämisse für diesen Blog soll gelten: Es ist immer multikomplex, unberechenbar. Alles. „Aber wo setzen wir, denn dann an?“, fragt mich Diana. Gute Frage. Grade im multikomplexen Chaos des Lebens – oder eben: Bezogen auf die politökonomischen Dimensionen des Lebens.
Ich glaube nicht an Revolution. Ich glaube an den Zufall. Nicht als einzige, aber als entscheidende Variable, die sich in der ideologisch, politökonomischen Gleichung nicht klar berechnen lässt. Ich bin geboren, aufgewachsen und sozial geprägt im Vorarlberg der 1990er – da liegen mir berg-ikonische Sprachbilder nahe: Ich kann die Route zur Rasthütte vor einer Wanderung planen. Das ist sehr wichtig um sie zu erreichen. Aber Hindernisse, die dann auf dem Weg erfahrbar werden, wo ich meine Route spontan ändern muss – die kann ich nicht planen. Flexibilität: Spontan wurde es wichtiger zu wissen wo die Rasthütte ist. Die bisherigen Organisationsformen des gesellschaftlichen Zusammenlebens wirken starr: Repetativ Wachstum, Krise, Wachstum, Krise und vom fünf Jahresplan war wohl noch nie jemand überzeugt. Aber es ist nicht alles zum schmeißen:
Artefakte.
Ich glaube nicht an Revolution. Genauer: Ich glaube nicht, dass Revolution zu Innovation führt. Wir sind Menschen: Wie sollen wir, geprägt von dem was wir kennen, etwas aufbauen, ohne, dass das uns Unbewusste den Plan behindert? Das Gegenteil von gut ist gut gemeint: Wie sollen wir aus dem in uns Hineingewachsenen etwas Neues kreieren?
Wenn wir uns eine Welt außerhalb des Kapitalismus nicht vorstellen können, hängt das meiner Meinung nach mit zwei Polen eines ambivalenten Spektrums zusammen: Zum einen sind da Gefühle. Das Gewohnte ist vertraut. Egal wie schmerzhaft wir das Vertraute erleben: Es ist ein vertrauter Schmerz, einer mit dem wir umzugehen gelernt haben. Einer dem gegenüber wir uns nicht ohnmächtig sondern selbstwirksam erleben. Die Veränderung ist emotional gesehen bedrohlich. Unberechenbar. Eben: Zufallsbeeinflusst.
Zum Anderen ist da das Rationale: Wir sind bedürftig. Auch außerhalb des Kapitalismus. Wir brauchen Konsum, Versorgung, Dienstleistung. Wir sind nicht autark sondern von ökologischen und eben auch ökonomischen Systemen abhängig. Ob diese Organisationsformen jetzt „Nomadentum“ oder „monokulturelle Bewirtschaftung“ heißen, ändert nichts an der Bedürftigkeit, die das Leben genau so prägt wie der Zufall.
Das bedeutet für diesen Blog: Eine Welt ohne Kapitalismus hat Schnittmengen mit (anti-)kapitalistischen Systemen. Nämlich jene Artefakte die die Notwendigkeit der Bedürfnisbefriedigung beantworten.
Zeitlichkeitsbegriffe (postkapitalistisch, anti- oder prokapitalistisch...) in Diskussionen zwischen Kommunist:innen und Kapitalist:innen stellen den Kapitalismus als Maßstab dar. Eigentlich haben wir mit diesem System aber nur die meiste Erfahrung: Warum nicht daraus lernen? Warum die Artefakte nicht mitnehmen, einbauen, statt zu versuchen alles auf einmal zu überwinden? Warum nicht abwägen: Welche Artefakte des Kapitalismus zählen zu der psychischen wie physischen Grundbedürftigkeit des Zusammenlebens?
Ich will diesen Blog darüber schreiben, wie die Rasthütte aussehen muss, damit wir darin rasten können. Darum schreibe ich von einer Welt außerhalb des Kapitalismus, die wir uns vorstellen müssen. – Weil der Weg dahin wird sich unweigerlich verändern. Die Zeitlichkeit, das Postkapitalistische, lässt sich nicht aus dieser Diskussion raushalten: Wir denken eben jetzt darüber nach. Bauend auf mehr als genug Erfahrung, wie der Kapitalismus gescheitert ist. Ich mute uns zu das Scheitern anzunehmen, uns der Angst zu stellen und schauen, was postängstlich möglich werden muss.
-katha-
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splitterblog · 5 months
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Warum dieser Blog?
Ich schaff es einfach nicht.
"Ich will den Kapitalismus lieben" singt Funny van Dannen in seinem Lied "Kapitalismus" und zählt eine Reihe von Vorteilen auf, die man als Mensch oder Gesellschaft vom Kapitalismus haben könnte. Funny schafft es - besser als meine Eltern oder meine Lehrer*innen an der Handelsakademie - mir die Liebe zum Kapitalismus schmackhaft zu machen.
Geht es mir denn nicht gut mit meinen zwei bis drei Motorrollern (einen restaurier ich grad), meiner 56m² Meter Wohnung, dem Laptop, dem umfangreichen Angebot an Musik, dass ich überrall hören kann, der flächendeckenden Telekommunkation, dem vielfältigen Angebot an Klopapier? NEIN!
Sage ich ohne Trotz. Ich bin mir lediglich bewusst, dass ich mir meine Motorroller nur leisten kann, solange ich sie selber reparieren kann. Ich kann einer Person nicht 120 Euro dafür geben, dass sie meinen Vergaser putzt.
Über Streamingdienste und die mickrigen Einkünfte, die Musiker*innen dadurch erzielen, sollte man mit mir nicht zu lange reden und Klopapier kauf ich mir immer das zweitbilligste, weil ich mir eigentlich sicher bin, dass ich mir nur die billigen Supermarkt-Eigenmarken leisten kann. Mein Laptop (auch der Akku!) ist 10 Jahre alt. Und die 56m² gehören zu einer mittlerweile unverschämt billigen super gedämmten Genossenschaftswohnung, deren Anteil bereits meine Großeltern abbezahlt haben. Manchmal höre ich, was 56m² mittlerweile in Wien kosten und erschrecke so sehr, dass ich es wieder vergesse. Der Kapitalismus ermöglicht mir eine Teilhabe an Wohlstand und Fortschritt, wie man sie eben nur in wenigen europäischen Ländern (ich habe den Verdacht, es sind ehemalige Kolonialmächte) genießen kann. Aber er schränkt meine Teilhabe am Reichtum auf eine Weise ein, die ich als sehr ungerecht empfinde. Das schöne Leben verdanke ich zu einem großen Teil meinen Großeltern und deren Großeltern, die am Aufbau von Genossenschaften in meinem Wohnort nicht unbeteiligt waren.
Tumblr media
Niemand muss dem Kapitalismus dankbar sein, weil der ja die von Funny aufgezählten Leistungen nicht für die Konsument*innen erbringt, sondern für die Shareholder - die Marktanteilseigner*innen. Auch das ist falsch, denn die Leistungen erbringt nicht der Kapitalismus sondern wir Menschen. Aber ich habe keinen Marktanteil, alles was ich vermarkten kann ist meine Arbeitskraft. Und auch das mach ich eher schlecht.
Alle Räder stehen still..
Ich bin Antikapitalistin, weil ich diese Arbeitskraft in jedem mir erdenklichen Wirtschaftssystem wirkungsvoller einsetzen kann, als ich es jetzt tue. Das stimmt vielleicht nicht ganz. Wenn ich mich anstrenge, fällt mir bestimmt ein wirkungsloseres Wirtschaftssystem ein. Aber es ist halt auch anstrengend, nachvollziehen zu können, wie das Verlegen, Vertreiben und Vermarkten meiner Lieblingsmusik so teuer sein kann, dass Majorlabels und Streamingdienste meinen Lieblingskünstler*innen so wenig Geld für ihre Werke abgeben können, dass sie als Musikant*innen eigentlich nur durch Konzerte und Merchandise-Verkauf gut überleben können.
Ich könnte mich noch in sehr vielen weiteren Beispielen über mein wirkungsloses Dasein in der Welt der Marktwirtschaft echauffieren, bevor ich auch nur in die Verlegenheit käme, mich über die Ausbeutung von Kinderarbeit, Abholzung und Monokultur, Tierleid und Klimaerhitzung zu beschweren, wie das Menschen tun, die mir erwachsener vorkommen als ich. Aber das sind Probleme, die man dann erst als Politiker*in oder Cosmopolitin … Cosmopolitiker*in vor Augen haben muss.
Oder sollte ich sagen: "Die ich als Politiker*in vor Augen haben muss"?
Denn das Private ist politisch. Sollte ich nicht selber etwas tun gegen das Leid und die Zerstörung, die verursacht wird, um meinen täglichen Bedarf an Stromspeichereinheiten, Fortbewegungsmitteln, Kleidungsstücken, Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Unterhaltung zu decken?
… wenn dein Kontostand es will.
Im Kapitalismus mag Kaufkraft die größte Kraft sein, die wir als Konsument*innen einsetzen können. In der liberalen Gesellschaftskritik ist die Überzeugung verbreitet, dass wir mit jedem Produkt, dass wir erwerben auch eine Stimme dafür abgeben, wie das Produkt hergestellt wird. Das gilt aber nur für jene, die das Privileg haben, sich die teuer vermarkteten Produkte ebenso leisten zu können, wie Diskont-Ware. Weniger Kaufkraft heißt auch weniger Einfluss auf den Markt. Ich hab keinen Einfluss darauf, wie ethisch vertretbar Handtaschen von Balmain oder Chanel hergestellt werden.
Wir sind die Abnehmer*innen von Waren, wir stellen sie nicht selber her. Ob das Fleisch in meinem Hamburger wirklich Fleisch ist, entscheide nicht ich, sondern der Betrieb, der das Laibchen herstellt.
Als Abnehmer*innen stimmen wir nicht über die Herstellung der angebotenen Waren ab, sondern über die Verhältnisse, unter denen wir die Waren kaufen. Wir stimmen ab über Produktdesign, die Wirksamkeit von Umwelt- und Fairtraidezertifikaten und über den Preis. Wer drei Euro für den Liter Barista-Hafermilch zahlt, stimmt dafür, dass sich alle, die nur ein Drittel des Einkommens zur Verfügung haben, diese Hafermilch nicht so gut leisten können (Ja, sorry. Preispolitik in diesem Preissegment orientiert sich nicht an den Herstellungskosten. Ich hab selber lang und hartnäckig dran geglaubt).
Was ist Privat?
Das Private ist Politisch heißt für mich, dass ich meine Motive für politischen Aktivismus aus dem eigenen Alltag beziehe. Denn dort nehme ich den größten Einfluss meines Handelns wahr. Sagt mir das mehr über den Einfluss all derjenigen, die sich dafür engagiert haben, dass man Milchshakes nurmehr mit Papierstrohhalmen trinken kann (bläh)? Oder sagt es mehr über die Kultur des Empowerments, die ich durch Punk und autonome Szene genossen hab?
Wie ermächtigt fühlen sich Menschen, deren politisches Handeln sich darauf beschränkt, jedes Jahr ein fast neues Handy in die Wundertüte zu stecken während sie gerettete Erdbeermarmelade zu Weihnachten verschenken? Ist es nicht sogar kontraproduktiv, das eigene Gewissen dermaßen zu beruhigen und dann weiter zu konsumieren? Ist ziviles Engagement das Neue Opium des Volks?
Hurra, die Welt geht unter
Eigentlich wird mir das hier zu zynisch. Denn letzten Endes wird jedes ehrenamtliche zivilgesellschafltiche Engagement - auch meines - vom Staat ausgenutzt, um Versorgungsleistungen zB an gewissen Randgruppen nicht erbringen zu müssen. Das Märchen vom Schlanken Staat funktioniert nur, solange Sorgearbeit unsichtbar und unbezahlt ist.
Zizek sagt, die Menschen hätten Schwierigkeiten, sich eine Welt ohne Kapitalismus vorzustellen. Ich glaub aber: Viele Schwierigkeiten, unter denen die Menschen leiden, beruhen auf der Lüge, dass es der Kapitalismus wäre, der uns das Schöne Leben ermöglicht.
Was Zizek im Rahmen des berühmten Zitats eigentlich beschreibt, ist der Mangel an Bildern, mit denen wir eine Zukunft beschreiben könnten, in der wir den Kapitalismus überwunden haben. Wir sind – zumindest jenseits der Kunst – auf negierende Darstellung und zynische Sprachformen angewiesen, um zu beschreiben, was sein könnte, wenn das, was ist, nicht mehr ist und sich Absurdität, Redundanz und Ausbeutung in Artefakte – also Überbleibsel oder Splitter – eines überwundenen Systems verwandeln.
„Ein Hundert Euro Schein, was soll das sein? Wieso soll ich dir was wegnehmen, wenn wir alles teilen“ fragt die Kinderstimme im KIZ-Song „Hurra, die Welt geht unter“.
Katha hat mich eingeladen, eine Rasthütte in Vorarlberg zu besuchen. Vorarlberg ist ein Teil von Österreich, der für viele Menschen nur theoretisch existiert. Die meisten Leute kennen keine Details und sie glauben, wenn sie Innsbruck erreicht haben, haben sie’s bald geschafft. Als käme gleich nach Zirl der Tunnel und dann der Bodensee. Bregenz, Feldkirch, Bludenz und das lustige Schruns/Tschagguns lagen in meiner Vorstellung so nah beieinander wie Gumpoldskirchen, Guntramsdorf und Biedermannsdorf.
Ich stell mir vor, wie wir uns auf den Weg machen und auf dem Weg drüber reden, was es bei der Rasthütte gibt und was nicht. Gibt’s dort Kühe oder sind es Ziegen? Wird es mehr sein wie in der Piefkesaga oder wie in Die Wand? Ist die Hütte bewirtet?
Ich muss aber auch an eine Hütte aus meiner Kindheit denken. Die Berndorfer Hütte auf der Hohen Mandling, zu der ich mal mit meinen Eltern gewandert bin (oke, meine Eltern mit mir). Zwanzig Jahre später habe ich gelesen, dass sie während des Zweiten Weltkriegs einer Gruppe von Partisanen Schutz geboten hat. Im nächsten Satz stand, dass sie 2007 abgebrannt ist.
Katha steht deine Hütte noch? Und wenn ja, wie lange bleiben wir?
-diana- Bild: Calvin & Hobbes 22. Mar 1994 (Watterson, vertrieben durch Universal Press Syndicate 1994)
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