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Dieser Halt im eigenen Selbst, d.h. im Zugang zu den eigenen wirklichen Bedürfnissen und Gefühlen und die Möglichkeit, sie zu artikulieren, wird für ihn also einerseits lebensnotwendig, andererseits durch das Leben in mehrfachen verschiedenen Wertsystemen enorm erschwert. Damit erklärt sich wahrscheinlich der rapide Zuwachs von Depressionen in unserer Zeit und die Faszination der Gruppe
S. 97 in: Alice Miller (2018) [1983]: Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst. Frankfurt a.M.: suhrkamp Verlag
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31.08.19; 19:20 - kindsuchend
Ich esse und esse und werde nicht satt. Kakao mit Milch, ein warmer Brei, cremige Suppe, die ich Schlückchen für Stückchen meinem Magen zuführ’, als ob sich das Loch dann schließen würde. Der Hunger bleibt. Ich werde nicht satt. Ich verliere den Verstand. Jeder Wille zergleitet der Hand. Zu voll das Glas, welches sirrend zerspringt, staubtrocken sickert das Flüssige hinab, in Rillen, hinab, in ein Loch, verschwunden. Wieviele Tage sind vergangen? Jede Waschmaschine ein Erfolg, die Augen gen Himmel. Knochen für Knochen, Muskel für Muskel bewege ich den Arm nach oben, eine Ballerina, totgeglaubt. Mein Kind in mir starrt mich an, fiebrig, glänzende Augen. Diese Delle an seinem Kopf. Ein Riss. Blut, überall Blut. An der Haut trocknend, die grau und kalkig hängt, von einem Lendenschurz bedeckt. Ich leuchte in die Seele und find’ ein Verlies. Zum ersten Mal begreife ich die Schwärze, sehe die Schmerzen, die achtlos von den Wänden tropft. Meine Taschenlampe ist die Suche selbst und im Suchen wird suchend nichts gefunden, Gewohnheitsmäßig streift es die Oberflächen, lichtet den Schatten, indem dieser sich zurückziehen kann. Gewohnheitsmäßig streift er runde Ecken. Und gewohnheitsmäßig sieht er etwas Flackern, weiß. Wäre weitergezogen, wäre dieses Gefängnis nicht anders, ja diese Nische ist anders. Das Kind war immer da, gepeinigt mit Sätzen, deren Worte sich in den Kopf ballern, eingedrückt.
Alles schlägt auf, Angst bricht aus, der Rücken gerade, die Füße berühren, Hochbetttreppe, Fenster knallen zu, Kopf in den Händen, Ellbogen, Knie, Halt, Toilette. Atme. Atme. Atme. Oben. Ist die Wand.
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29.08.19; 09:43 - kreativtodaufgeblüht
Seltsam. Hier zu sitzen und ein Leben zu führen, welches den Titel "Verfaulenztes Leben" tragen könnte. Gemessen an den Normen der Leistungs- und Wissensgesellschaft natürlich. Weder sprinte ich gerade zu einer Arbeit mit Produktions- und somit Profitorientierung, noch lasse ich mich mit Informationen zuknallen, die mir die Welt erklären. Stattdessen starre ich minutenlang, wahnsinnige ganze Minuten, in den Himmel und versuche mich an die wenigen Blumenarten zu erinnern, deren Namen ich kenne. Heute Morgen glich die Decke der Welt einem gewärmten Schneeglöckchen, sanftes Weiß im kühlen Blau. Gestern Abend neigte sich der Lavendel in das Veilchenfeld, welches am Ende der Welt dunkel und grau wurde.
Wie romantisch, wie kitschig, wie aus einer anderen Zeit. Als hätte sich der Deutsch-Leistungskurs im Kopf festbegissen, mit seinen Gedichtinterpretationen zu Landschaftswelten. Doch nichts kann die Unschuld der Natur besser beschreiben als die Natur selbst. Uns Menschen scheint die Unschuld abhanden gekommen zu sein. Wie rational wir geworden sind. Wie rationalisiert unsere Gefühle sind. Müssen sie auch, damit wir als Teilchen eines Getriebes funktionsfähig bleiben.
Wir sind getrennt von unserem Gefühl, hat das nicht schon Kiekergaard gesagt? Haben das nicht schon seltsam viele Intellektuelle gesagt? Dichter, Soziologen, ach die Philosophen? Haben das nicht bereits diejenigen gesagt, die den Titel "Intellektuelle" nicht erwerben durften? Dichter*innen, Soziolog*innen, ach die Philosoph*innen? Und konversationieren nicht bereits 'die einfachen Leute', ganz beiläufig, beim Gang zum Kühlschrank, welche Probleme die Welt umfassen? Also, unsere Welt, um es klarzustellen. Die jeweiligen Mikrokosmen, die addiert zu einer Welt werden. Die Mikrokosmen, die einander berühren, miteinander quatschen, lachen, sich hassen und neue Mikrokosmen entstehen lassen.
Also die Welt aller, jaja, nicht wahr, sitzen nickend die Gelehrten, im Gleichtakt, auf- und abnickend, auf und ab. Die Struktur, der Akteur, die Welt, Wissen hier, Wissen dort. Bullshit. Kein Wunder, dass einige erneut in die Natur streben, 'Into the Wild'. Thoreau würde schadenfroh auflachen, bis zu dem Zeitpunkt an dem er bemerkt, dass Walden ungelesen in den Bücherregalen stolziert.
Meine Teilgesellschaftsblase hat ein ökologisches Bewusstsein, d.h. wir haben Geld, um nach Lateinamerika zu fliegen, d.h. wir haben die Community, um uns innerhalb ressourcenfressenden digitale Welten zu inszenieren, d.h. wir haben das Wissen, um kritisch die Massenmeinung zu verkünden, d.h. wir widersprechen uns selbst. Und wir wissen es, oder? Wir rationalisieren das Schuldgefühl und wiegen es auf. Das politische Engagement gegen die Flugreisen oder fahrradfahrende Politiker*innen angesichts der höchsten Anzahl von Flugreisen pro Kopf im Bundestag. Wir gegen alle, ich gegen du, ich gegen mich.
Im Endeffekt läuft es darauf hinaus, dass wir mit einem Elfenohr fast die Matratze berühren. Und darauf warten, dass unsere Träume etwas sagen. Es läuft darauf hinaus, dass Sehnsuchtsnadeln unsere Körper bedecken, die sich stetig zu Marionettenfäden weiterspinnen. Es läuft darauf hinaus, dass der Solarplexus weint und die Körpermasse schweigt, weil ja weil. Es läuft auf all die alten Fragen hinaus, die den neuen Form unterliegen, bis der Glanz sich abschabt. Wir sind der alte Mensch im neuen Gewand und wollen es einfach nicht wahrhaben.
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