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blog-aventin-de · 1 month
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Der fliegende Holländer · Sage
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Der fliegende Holländer · Sage · Gespensterschiff auf dem Meer
Tagelang schon hatte es gestürmt, und das Schiff im Hafen konnte nicht ausfahren. Das war dem Kapitän nicht recht. Er war ein grober Kerl, der nur befehlen und nicht gehorchen konnte. Er war Meister auf seinem Schiff und Meister auf dem Meer. Er freute sich, wenn das Wetter schlecht war, da hatte er zu kämpfen, und es gelang ihm immer, das Schiff sicher wieder in den Hafen zu bringen. Jetzt aber lag er da im Hafen, und der Sturm kam schnurgerade aus dem Westen aus dem Meer, und kein Schiff war imstande, aus dem Hafen hinaus zu segeln. Der Kapitän hatte schon viele Tage gewartet und schrie dem Sturm entgegen: »Morgen segeln wir!« »Herr Kapitän«, sagte der Steuermann vorsichtig, »morgen ist Ostern. An Ostern fährt man nicht aus, das ist ein heiliger Tag.« »Was schert mich Ostern«, erwiderte der Kapitän finster, »ich fahre aus!« »Nicht am Tag der Auferstehung«, sagte der Steuermann leise. »Ich segle, wann es mir passt!« schrie der Schiffer. Da schwieg der Steuermann und wendete sich ab. Finster schaute der Schiffer in Wellen, Wolken und Wind. »Bei diesem Wetter kommst du nicht hinaus«, hatte man ihm gesagt, »dein Schiff wird zerschmettert, noch bevor es aus dem Hafen ist« Sollte er sich vom Wetter regieren lassen und noch tagelang warten? Oder? Oder regierte hinter dem Sturm vielleicht eine höhere Macht, der er zu gehorchen hatte? … Er fluchte und lachte laut … »Morgen segeln wir!« In dieser Nacht wuchs der Sturm zum Orkan, aber schon ganz früh befahl der Schiffer: »Wir stechen in See!« Der Steuermann wollte etwas sagen, überlegte und wiederholte dann laut zu den Matrosen: »Wir segeln!« Die Matrosen jauchzten. Das war einmal ein Kapitän. Der hatte es in sich. Sie kletterten ins Tauwerk und arbeiteten wie die Wilden. Sie wollten fahren! Sie sangen laut. Da fingen die Osterglocken zu läuten an. Die Matrosen hörten zu singen auf und starten auf die Kirche, die rief und rief: Christus ist auferstanden! »Wir fahren!« schrie da der Schiffer und überstimmte die Glocken mit seiner tönenden Stimme. Da arbeiteten die Matrosen wieder. Der Schiffer des benachbarten Schiffes rief ihn an: »Fährst du?« »Ich fahre!« rief der Kapitän. »Hörst du die Glocken nicht?« »Ich fahre!« »Und hörst du den Orkan nicht?« »Ich fahre!« »Das wirst du bereuen, Mann. Du siehst keinen Hafen mehr.« Der Kapitän richtete sich stolz auf: »Ich soll keinen Hafen mehr sehen? Du willst mich wohl einschüchtern? Und wenn ich in Ewigkeit segeln sollte, ich fahre!« Da ließ er alle Segel setzen. Die Matrosen sangen nicht mehr und jauchzten nicht mehr. Es war totenstill geworden unter ihnen. Man hörte nur, wie der Sturm durch das Tauwerk pfiff und wie er mit den Segeln klapperte. Und man hörte die Osterglocken. Schweigend lichteten sie den Anker, und schweigend warteten sie auf weiteren Befehl ihres Schiffers. Es kam aber kein Befehl. Der Schiffer stand auf der Brücke und rührte sich nicht mehr. Er schaute vor sich aufs Wasser hinaus. Da rührten sich auch die Matrosen nicht. Der Sturm pfiff durchs Tauwerk, die Glocken läuteten … und die Segel blähten sich … gegen den Wind! Die Leute auf dem Kai wurden unruhig. Hier geschah etwas, das keiner fassen konnte. Die Segel des Schiffes blähten sich gegen den Wind, und das Schiff schoss gegen den Wind aus dem Hafen hinaus. Der Schiffer rührte sich nicht. Die Matrosen rührten sich nicht. Aber das war doch nicht möglich?! Geschah hier ein Wunder? Die Osterglocken läuteten. Und das Schiff fuhr trotzdem aus? Das konnte nur eine Totenreise werden. Das war eine Herausforderung! Es wurde still auf dem Kai. Die Glocken läuteten, der Sturm brüllte. Das Schiff schoss dem Meer entgegen. Ein großer schwarzer Vogel flog um den Mast herum. Aber was war denn das? Es war, wie wenn die Segel aufglühten im Sonnenschein. Und es gab keine Sonne! Brannte es auf dem Schiff? Aber es gab keine Flammen und keinen Rauch! Trotzdem leuchteten die Segel blutrot, während der Rumpf des Schiffes pechschwarz wurde. Es war ein Gespensterschiff. Gott hatte es verurteilt. Da zitterten die Menschen und liefen in die Kirche, um zu beten. Das Schiff wurde in keinem Hafen mehr gesehen. Weder der Reeder noch die Verwandten erhielten je irgendwelche Nachricht, und man nahm an, das Schiff habe Schiffbruch erlitten. Nach vielen Jahren aber geschah es, dass in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung an Backbord eines friedlich dahinsegelnden Schiffes plötzlich ein anderes Schiff auftauchte, mit blutroten Segeln und einem pechschwarzen Rumpf. Dem alten Matrosen, der es als erster entdeckte, standen die Haare zu Berge, und er schrie laut auf. Das Schiff fuhr gegen den Wind. Es schoss vorbei, gegen den Wind! Es war keine lebende Seele an Deck. Nur ein großer, schwarzer Vogel flog um den Mast herum. »Ein Gespensterschiff wollt ihr gesehen haben?« lachte der Kapitän, als man ihn herbeiholte. »Ans Takelwerk mit euch! Es gibt keine Gespenster!« Am nächsten Tag aber warf ein fliegender Sturm das Schiff auf die Felsen, wo es zersplitterte. Der alte Matrose, der das Geisterschiff zuerst gesehen hatte, war der einzige, der lebend an Land kam, und er war der erste, der über den »Fliegenden Holländer« berichtete. Immer wieder tauchte das Gespensterschiff in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung auf, und wehe dem Schiff, dessen Weg es kreuzt, es muss untergehen. Nur einmal ist einem Schiff nichts geschehen, dessen Weg es kreuzte, obgleich es schlimm genug aussah. Es geschah wieder in der Nähe des Kaps der Guten Hoffnung. Das Wetter war herrlich und der Wind kräftig, ohne gefährlich zu sein. Das Schiff war auf dem Weg nach Java. Auf einmal tauchte an Backbordseite ein Segelschiff auf. Keiner hatte es kommen sehen. Es war ganz plötzlich da, und es fuhr gerade auf das Schiff zu. Die Besatzung schrie! Ein schreckliches Unglück musste geschehen! Aber das Segelschiff schoss ruhig - es hatte blutrote Segel und einen pechschwarzen Rumpf - durch die Schiffswand, ohne Laut, ohne Krach, ohne Schaden durch das ganze Schiff hindurch und verschwand. Die Besatzung sah, wie der Kapitän erstarrt auf der Brücke stand, mit wehenden, weißen Haaren, bleich und fahl, mit Augenhöhlen ohne Augen drin. Und ein großer, schwarzer Vogel flog um den Mast herum. »Das war der Fliegende Holländer«, wagte einer zu flüstern. »Was wird uns geschehen!?« jammerte ein anderer. Aber es geschah nichts. Der gespenstische Zusammenstoß hatte wohl genügt. Seitdem durchkreuzt der Fliegende Holländer das Meer. Man erzählt sich, dass der unglückliche Kapitän nur einmal alle sieben Jahre vor Anker gehen darf. Dann hört man auf der oder jener Reede eine Ankerkette rasseln, und eine hohle Stimme ruft: »Ich bringe Briefe!« Ein Boot kommt unsichtbar angefahren. Man hört die Ruder, und eine Hand - man sieht immer nur eine Hand - reicht Briefe. Man sagt, der Seemann, der einen solchen Brief erhalte, müsse ihn sofort an den Mast nageln, sonst geschehe ein Unglück. Ob der arme Fliegende Holländer je seine Ruhe finden wird? Oder hat er sie bereits gefunden? Denn heutzutage sieht keiner mehr den Fliegenden Holländer. Oder doch? Der fliegende Holländer · Sage · Gespenster-Schiff auf dem Meer Read the full article
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blog-aventin-de · 4 months
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Goldberg bei Hagen - Deutsche Sage
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Goldberg bei Hagen · Deutsche Sage · Höhle Schatz und Zwerge
In alter Zeit lebten bei Hagen in einer Höhle im Goldberg Zwerge. Heimlich halfen sie den Menschen bei ihrer Arbeit. Am Fuße des Goldbergs lag eine Schmiede. Oft kamen die Zwerge des Nachts aus ihrer Höhle und gingen in die Schmiede. Dort fachten sie die Glut wieder an und schmiedeten Schwerter, Messer, Sensen, Hufeisen und allerlei anderes Gerät. Sie verschwanden dann immer wieder, ehe die Schmiede am Morgen zur Arbeit kamen. Die Schmiede freuten sich über ihre unsichtbaren Helfer, denn die Zwerge machten viel bessere Dinge als sie selbst. Der Schmiedemeister verkaufte auch all die Erzeugnisse mit sehr hohem Gewinn. Die Leute glaubten auch, dass die Zwerge einen goldenen Schatz in ihrer Höhle hüten würden. Zu gern hätten sie diesen Schatz gehabt. Deshalb beschlossen sie eines Tages, den Schatz zu rauben. Eines Nachts beobachteten sodann die Schmiede, wie die Zwerge morgens die Werkstatt wieder verließen und hielten den letzten der Zwerge gefangen. Der Zwerg bat inständig darum, sie möchten ihn doch bitte wieder frei lassen. Dafür wollte er sie auch in die Höhle führen und reich beschenken. Nur dürften sie dort weder sprechen noch streiten. Die Schmiede stimmten dem zu und der Zwerg führte sie in die Höhle. Als die Schmiede dann all die goldenen Schätze sahen, stürzten sie sich gierig darüber her und jeder wollte am meisten raffen. Daher stritten sie auch sehr laut untereinander und schrien sich gegenseitig giftig an. Da stieß der Zwerg mit einem Stock an die Decke der Höhle, welche sogleich über den Schmieden herabstürzte und alle tötete. Kein Zwerg wurde seitdem mehr gesehen. Die freundlichen Helfer waren und blieben für immer verschwunden. Goldberg bei Hagen · Deutsche Sage · Höhle Schatz und Zwerge Read the full article
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blog-aventin-de · 4 months
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Rattenfänger von Hameln
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Rattenfänger von Hameln · Deutsche Sage · Brüder Grimm
Im Jahr 1284 ließ sich in Hameln ein sonderbarer Mann sehen. Er trug einen Rock von vielfarbigem, buntem Tuch, weswegen er Bundting geheißen haben soll, und gab sich für einen Rattenfänger aus. Er versprach für einen bestimmten Lohn die Stadt von allen Ratten und Mäusen zu befreien. Die Bürger wurden mit ihm einig und sicherten ihm den verlangten Betrag zu. Der Rattenfänger zog sodann ein Pfeifchen aus der Tasche und begann eine eigenartige Weise zu pfeifen. Da kamen sogleich die Ratten und Mäuse aus allen Häusern hervor gekrochen und sammelten sich um ihn herum. Sobald der Fänger glaubte, es sei keine mehr zurückgeblieben, schritt er langsam zum Stadttor hinaus, und der ganze Haufen folgte ihm bis an die Weser. Dort schürzte der Mann seine Kleider, stieg in den Fluss, und alle Tiere sprangen hinter ihm drein und ertranken. Nachdem die Bürger aber von ihrer Plage befreit waren, reute sie der versprochene Lohn, und sie verweigerten dem Mann die Auszahlung unter allerlei Ausflüchten, so dass er sich schließlich zornig und erbittert entfernte. Am 24. Juni, am Tage Johannis des Täufers, morgens früh um sieben Uhr erschien er dann wieder, diesmal in Gestalt eines Jägers, mit finsterem Blick und einem wunderlichen Hut auf dem Kopf. Wortlos zog er seine Pfeife hervor und ließ sie in allen Gassen hören. Und in aller Eile kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder, Knaben und Mädchen, vom vierten Lebensjahr angefangen, in großer Zahl dahergelaufen. Darunter war auch die schon fast erwachsene Tochter des Bürgermeisters. Der ganze Schwarm von Kindern zog sodann hinter dem Mann her, und er führte sie vor die Stadt zu einem Berg hinaus, wo er mit der ganzen Schar verschwand. Dies hatte ein Kindermädchen gesehen, das mit einem Kind auf dem Arm weit rückwärts nachgezogen war, dann aber umkehrte und die Kunde in die Stadt brachte. Die Eltern liefen sogleich haufenweise vor alle Tore und suchten jammernd nach ihren Kindern. Besonders die Mütter klagten und weinten herzzerreißend. Sofort wurden Boten zu Wasser und zu Land an alle Orte umhergeschickt, die nachforschen sollten, ob man die Kinder oder auch nur einige von ihnen irgendwo gesehen habe; aber alles Suchen war vergeblich. Hundertdreißig Kinder gingen damals verloren. Zwei sollen sich, wie man erzählt, verspätet haben und zurückgekommen sein, wovon aber das eine blind, das andere taubstumm war. Das blinde Kind konnte den Ort nicht zeigen, wo es sich aufgehalten hatte, wohl aber erzählen, wie sie dem Spielmann gefolgt waren, das taubstumme Kind nur den Ort weisen, da es nichts gehört hatte und auch nicht sprechen konnte. Ein kleiner Knabe war im Hemd mitgelaufen und nach einiger Zeit umgekehrt, um seinen Rock zu holen, wodurch er dem Unglück entgangen war; denn als er zurückkam, waren die anderen schon in der Senkung hinter dem Hügel verschwunden. Die Straße, auf der die Kinder zum Tor hinausgezogen waren, hieß später die bunge-lose (trommeltonlose, stille) Straße, weil kein Tanz darin abgehalten und kein Saitenspiel aufgeführt werden durfte. Ja, wenn eine Braut mit Musik zur Kirche geführt wurde, mussten die Spielleute in dieser Gasse ihr Spiel unterbrechen. Der Berg bei Hameln, wo die Kinder verschwanden, heißt der Poppenberg. Dort sind links und rechts zwei Steine in Kreuzform zur Erinnerung an dies traurige und seltsame Ereignis errichtet. Die Bürger von Hameln haben diese Begebenheit auch in ihrem Stadtbuch verzeichnen lassen. Im Jahre 1572 ließ der Bürgermeister die Geschichte auf den Kirchenfenstern abbilden. Rattenfänger von Hameln · Deutsche Sage · Brüder Grimm · Bundting Read the full article
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blog-aventin-de · 4 months
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Wie der Ammersee entstand
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Wie der Ammersee entstand · Deutsche Sage · Bayern
Drei wunderschöne Jungfrauen lebten einst auf einem Burgberg im Voralpenland, dem Schatzberg. Zwei von ihnen waren rein und weiß, die dritte hingegen pechschwarz. Einmal, als ein junger Hirte, der gerade am Hang dieses Berges ein verlorenes Schaf suchte, die pechschwarze Jungfrau hinter einem Strauch stehend erblickte, erschrak er so sehr, dass ihm beinahe die Stimme verloren ging. Große Furcht erfüllte sein Wesen beim Anblick dieser Frau. Doch diese redete ihm freundlich zu und versprach ihm eine reiche Belohnung, wenn er sie vom Fluch ihres schwarzen Antlitzes befreien würde. Die Aufgabe, die sie ihm stellte, war nicht einfach. Er sollte in den Keller der Burg gehen, dort fände er eine Kiste, gefüllt mit Gold und Edelsteinen. Diese würde ihm gehören, wenn er den goldenen Schlüssel dazu aus dem Maul des schwarzen Hundes entnehme, der die Truhe bewache. »Hab keine Angst«, flüstere sie ihm leise ins Ohr, »lass dich nicht von der Erscheinung des Höllenhundes blenden! Es geht keinerlei Gefahr von ihm aus! Bring mir nur den Schlüssel und ich bin erlöst und Du ein reicher Mann.« Mutigen Herzens schritt der Hirte sodann in den Burgkeller. Dort angekommen, erblickte er das wahrhaft entsetzlich aussehende Tier, das ihn mit feurigen Augen anblickte und aus dessen Fell Funken schlugen. Sein Knurren klang so bedrohlich, dass der junge Mann auf und davon lief, so schnell er nur konnte. Die schwarze Jungfrau lief ihm zwar noch nach, doch vergebens, sie konnte ihn nicht mehr einholen. Voller Zorn über die Feigheit dieses jungen Mannes, verfluchte sie den Berg und mit ihm die Burg und das umliegende Land. Daraufhin zerbarst der ganze Berg und eine gewaltige Flut überschwemmte das Land. Menschen und Tiere wurden von den Wassermassen mitgerissen. Übrig blieb nur ein großer See - der heutige Ammersee. Und so blieb bis heute der Schatz im Berg verborgen. Und wenn sich kein mutiger Geselle findet ihn zu suchen, wird er für immer dort verborgen bleiben. Wie der Ammersee entstand · Deutsche Sage · Bayern · Schatzberg Read the full article
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blog-aventin-de · 5 months
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Sage vom Mäuseturm zu Bingen
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Sage vom Mäuseturm zu Bingen · Deutschland · Rhein
Wo aus dem Rheinstrom unterhalb von Bingen weiße Klippen gefahrdrohend emporragen und nur einen schmalen Raum, das Binger Loch, für die Durchfahrt freilassen, da erhebt sich in der Nähe der Ruine Ehrenfels und unweit des Rheinsteins inmitten der schäumenden Fluten ein finsteres Gemäuer. Es ist Hattos Turm. Von Eulen und Fledermäusen umflattert, erscheint er dem Beschauer wie das Haus eines Bösen, wie das Denkmal eines ungeheuren Frevels. Mäuseturm nennt die Sage jenes Gemäuer, von dem der Schiffer mit Grauen das Gesicht abwendet.  Einst lebte zu Mainz ein Erzbischof namens Hatto, dessen Herz grob, hart und unempfänglich war gegen alle Not der Bedrängten. Und um diese Zeit brach am Rhein und rings in der Gegend gerade eine große Hungersnot aus, so dass viele Menschen umkamen. Der Bischof jedoch, dessen Speicher voll mit Korn gefüllt waren, öffnete diese nur dem Wucher, aber nicht den Armen seines weiten Sprengels. Als die Not seiner Untertanen größer und größer wurde, fanden sich die hungernden Menschen in Scharen zusammen und flehten den gefühllosen Mann um Erbarmen und Nahrung an. Als sie merkten, dass dies umsonst war, murrten sie und fluchten dem Tyrannen in ohnmächtiger Wut. Aber das Herz des Bischofs regte sich nicht vor Mitleid sondern vor Zorn. Er ergrimmte so sehr, dass er seine Schergen ausschickte, die Murrenden zu fangen und sperrte sie sodann in eine große Scheune ein und ließ Feuer legen. Als die Unglücklichen von den Flammen ergriffen wurden und ihr Todesgeschrei bis in den Bischofspalast drang, bis an die Ohren des Unmenschen und aller derjenigen, die mit ihm an der üppigen Tafel saßen, da rief dieser in teuflischem Hohn: »Hört ihr die Kornmäuslein unten pfeifen?«  Da wurde es plötzlich ganz still und die Sonne verhüllte ihr Antlitz. Im Saal wurde es dunkel, und die angezündeten Kerzen vermochten nicht mehr die Dämmerung zu durchbrechen, die den finsteren Mann von nun an umlagerte. Und siehe da! Im Saal begann es sich zu regen, und aus allen Winkeln, aus den Ritzen des Fußbodens, zu den Fenstern herein und von der Decke herab krochen und liefen Scharen nagender Mäuse und erfüllten alsbald alle Gemächer des Palastes. Ohne Scheu sprangen die Tiere auf die Tische und benagten die Speisen vor den Augen der erstaunten Versammlung. Immer neue kamen hinzu, und kein Brotkrümel auf der Tafel blieb verschont und kein Bissen, der zum Mund geführt werden sollte. Da ergriffen Furcht und Entsetzen sie alle, die das sahen, und seine Freunde, seine Knechte und Mägde flohen in die Nähe des Geächteten. Der  aber wollte nur entrinnen, bestieg sodann eilends allein ein Schiff und fuhr den Rhein hinab bis zu jenem Turm, der von den Wellen des Stroms umspült wird. Dort wähnte er sich vor seinen unersättlichen Peinigern sicher. Doch auch hier wiederum krochen Tausende von Mäusen mit Gepfeife aus den Wänden hervor. Vergebens erstieg der Erzbischof Hatto sodann, bebend vor Angst und stumm vor Entsetzen, die höchste Warte. Aber auch dahin folgten sie ihm, und heißhungrig wie sie waren, fielen sie den unmenschlichen Spötter an. Bald war von ihm nichts mehr übrig. So lautet die Sage von jenem einsamen Turm mitten im Rhein. Sage vom Mäuseturm zu Bingen · Deutschland · Rhein Read the full article
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blog-aventin-de · 1 year
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Der Bergmönch
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Der Bergmönch im Harz ⋆ Brüder Grimm ⋆ Deutsche Sage
Der Bergmönch im Harz ⋆ Brüder Grimm ⋆ Deutsche Sage
Zwei Bergleute arbeiteten immer gemeinschaftlich. Einmal als sie anfuhren und vor Ort kamen, sahen sie an ihrem Geleucht, dass sie nicht genug Öl zu einer Schicht auf den Lampen hatten. »Was fangen wir da an?« sprachen sie miteinander, »geht uns das Öl aus, so dass wir im Dunkeln sollen zutag fahren, sind wir gewiss unglücklich, da der Schacht alleine schon gefährlich ist. Fahren wir aber jetzt gleich aus, um von zu Haus Öl zu holen, so straft uns der Steiger und das mit Lust, denn er ist uns nicht gut.« Wie sie also besorgt da standen, sahen sie ganz fern in der Strecke ein Licht, das ihnen entgegenkam. Anfangs freuten sie sich, als es aber näher kam, erschraken sie gewaltig, denn ein ungeheurer, riesengroßer Mann ging, ganz gebückt, in der Strecke herauf. Er hatte eine große Kappe auf dem Kopf und war auch sonst wie ein Mönch angetan, in der Hand aber trug er ein mächtiges Grubenlicht. Als er bis zu den beiden , die in Angst und Schrecken da still standen, geschritten war, richtete er sich auf und sprach: »Fürchtet euch nicht, ich will euch kein Leid antun, vielmehr Gutes«, nahm ihr Geleucht und schüttete Öl von seiner Lampe darauf. Dann aber griff er ihr Gezäh und arbeitete ihnen in einer Stunde mehr, als sie selbst in der ganzen Woche bei allem Fleiß herausgearbeitet hätten. Nun sprach er: »Sagt es aber keinem Menschen, dass ihr mich gesehen habt«, und schlug zuletzt mit der Faust links an die Seitenwand; sie tat sich auseinander, und die Bergleute erblickten eine lange Strecke, ganz von Gold und Silber schimmernd. Und weil der unerwartete Glanz ihre Augen blendete, so wendeten sie sich ab; als sie aber wieder hinschauten, war alles verschwunden. Hätten sie ihre Bilhacke (Hacke mit einem Beil) oder sonst nur einen Teil ihres Gezähs hineingeworfen, wäre die Strecke offen geblieben und ihnen viel Reichtum und Ehre zugekommen; aber so war es vorbei, wie sie die Augen davon abgewendet. Doch blieb ihnen auf ihrem Geleucht das Öl des Berggeistes, das nicht abnahm und darum noch immer ein großer Vorteil war. Aber nach Jahren, als sie einmal am Sonnabend mit ihren guten Freunden im Wirtshaus zechten und sich lustig machten, erzählten sie die ganze Geschichte, und Montagsmorgen, als sie anfuhren, war kein Öl mehr auf der Lampe, und sie mussten nun jedesmal wieder, wie die anderen auch, frisch aufschütten. Read the full article
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blog-aventin-de · 1 year
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Das unsichtbare Schloss
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Das unsichtbare Schloss ⋆ Sage aus Deutschland
Das unsichtbare Schloss ⋆ Sage aus Deutschland
Zwischen Schwerte und Wandhofen, wo jetzt die Wandhofer Heide ist, hat vor langer Zeit ein großes, prächtiges Schloss gestanden, von dessen früherer Geschichte aber nichts mehr bekannt ist. Nur das weiß man noch, dass dessen letzter Besitzer in Pracht und Üppigkeit lebte und dass er, um seinen Begierden und Wünschen ganz dienen zu können, einen Bund mit dem Bösen schloss. Nachdem dieser ihm eine lange Zeit gedient hatte, sind beide einmal uneins geworden, worauf der Teufel den Ritter holen wollte. Weil aber dessen Lebenszeit noch nicht abgelaufen war, hat der Teufel in dem Augenblick, als er das Schloss unsichtbar gemacht hatte, um es mitsamt seinen Bewohnern in die Hölle zu stoßen, seine Macht darüber verloren. Darum hat er es nicht bis in die Hölle bringen können. Es ist an seiner alten Stelle geblieben und nur nicht wieder sichtbar geworden. Alle hundert Jahre aber kommt es in einer Vollmondnacht wieder zum Vorschein. Ein angesehener Mann von Wandhofen hat es zuletzt gesehen. Diesen führte vor mehreren Jahren, als er von Schwerte nach Wandhofen zurückkehren wollte, sein Weg über die Wandhofer Heide, auf der er gegen zwölf Uhr nachts ankam, als gerade Vollmond war. Auf einmal verschwand der Weg, auf dem er ging, und er sah, sich in eine ganz fremde Gegend versetzt, die er noch nie gesehen hatte. Vor sich erblickte er ein großes, schönes, hell erleuchtetes Schloss, aus dem ihm lauter Jubel und die schönste Musik entgegenschallte. Er blieb verwundert eine Zeit lang stehen. Als ihm aber die Geschichte des verwünschten Schlosses einfiel, eilte er erschrocken von dannen. Doch den Weg konnte er nicht wieder finden. Wohl zwei Stunden lief er voll Angst in der Irre umher, bis er zuletzt in der Ferne Laute hörte. Darauf ging er zu, und er erreichte glücklich das Dorf Wandhofen. Am anderen Morgen ging er mit vielen Leuten auf die Heide zurück, aber sie konnten nichts finden. Nur an einer Stelle, die etwas hügelig war, wehte ihnen ein starker Schwefelgeruch entgegen. Das unsichtbare Schloss ⋆ Sage aus Deutschland Read the full article
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blog-aventin-de · 2 years
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Melusine
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Melusine und das Schloss Staufenberg ⋆ Deutsche Sage ⋆ Durbach
Melusine und das Schloss Staufenberg ⋆ Deutsche Sage ⋆ Durbach
Im Schloss Staufenberg unweit des Weinortes Durbach wohnte einst ein Amtmann, dessen Sohn Sebald Vogelsteller war. Als der Jüngling wieder einmal im Stollenberger Wald seine Liebhaberei betrieb, hörte er einen lieblichen Gesang. Er ging bergauf den klangvollen Tönen nach. Da erblickte er im Gebüsch eine wunderschöne Frau. Flehend schaute diese den herantretenden Jüngling an und rief: »Schon lange harre ich deiner. Ich bin verwünscht. Erbarme dich meiner und erlöse mich! Du brauchst mich nur dreimal dreifach zu küssen, dann bin ich erlöst.« Auf Sebalds Frage, wer sie denn sei, antwortete die Waldfrau: »Ich heiße Melusine und habe einen großen Brautschatz. Wenn du mich erlöst, bin ich mit meinem Schatze dein. Du musst mich nur drei Morgen hintereinander, früh um neun Uhr, auf beide Wangen und den Mund küssen. Dann ist die Erlösung vollbracht. Fürchte dich nicht, besonders nicht am dritten Tag!« Melusine trat dann aus dem Busch hervor, und Sebald konnte sie genau betrachten. Sie war sehr schön, blond und hatte blaue Augen, aber keine Finger. Statt ihrer sah man eine trichterförmige Höhlung und an Stelle der Beine Fischschwänze. Sebald gab ihr zunächst die ersten drei Küsse. Darüber war Melusine sehr erfreut und bat ihn, am zweiten und dritten Tag ganz bestimmt wiederzukommen. Alsdann kroch sie wieder in ihren Busch zurück und sang: Komm und erlöse deine Braut, Hüte dich wohl zu erschrecken! Sebald, nimm dich wohl in acht! Einmal war es recht gemacht. Dann verschwand sie wieder und Sebald ging heim, sagte aber nichts von seinem Erlebnis. Am anderen Morgen eilte er wieder in den Stollenberger Wald; Melusine sang wie tags zuvor, und er näherte sich ihr. Diesmal hatte sie jedoch Flügel und einen Drachenschweif. Trotzdem trat Sebald furchtlos auf sie zu und küsste sie dreimal. Melusine bedankte sich wieder wie am ersten Tag und versank in die Erde. Am dritten Tag aber hatte Melusine einen scheußlichen Krötenkopf, und ein riesengroßer Drachenschwanz umschlang ihren ganzen Leib. Da erfasste Sebald ein großes Grauen vor dem giftträufelden Ungeheuer, und er rief abwehrend: »Kannst du mir nicht dein menschliches Antlitz zeigen, so kann ich dich nicht küssen!« »NEIN!« rief Melusine und streckte mit lautem Schrei ihre beiden Arme nach ihm aus. Da floh Sebald Furcht erschrocken und von großem Entsetzen gepackt, den Berg hinunter. Atemlos kam er bei seinem Vater in der Burg an. Als er nun sein Erlebnis erzählte, wurde er vom Vater wegen seiner Furchtsamkeit auch noch gescholten. Zwei Jahre vergingen. Sebald suchte den Stollenberger Wald nicht mehr auf, denn er fürchtete die Rache der von ihm betrogenen Waldfrau. Auf Wunsch seines Vaters heiratete er sodann die Tochter eines Amtsvogtes. Die Hochzeit wurde im Schloss Staufenberg abgehalten. Als aber die Gesellschaft gerade fröhlich beim Schmause saß, spaltete sich die Decke des Saales, und ein gelber Tropfen fiel auf Sebalds Teller. Sebald hatte dies gar nicht bemerkt und aß weiter. Da fiel er plötzlich tot nieder. Zu gleicher Zeit zog sich ein kleiner Schlangenschwanz in die Decke zurück. So rächte sich die verzauberte Melusine an dem Mann, der ihre Hoffnung auf Erlösung so arg enttäuscht hatte. Melusine und das Schloss Staufenberg ⋆ Deutsche Sage ⋆ Durbach Read the full article
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blog-aventin-de · 2 years
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Ulmer Spatz
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Ulmer Spatz und Ulmer Bürger ⋆ Deutsche Sage ⋆ Münster
Ulmer Spatz und Ulmer Bürger ⋆ Deutsche Sage ⋆ Münster
Als die Bürger der Stadt Ulm im Jahr 1377 begannen, ihr Münster mit dem höchsten Turm im Land zu bauen, trug sich folgende Begebenheit zu: Für das Baugerüst waren die längsten und kräftigsten Stämme in den nahe liegenden Wäldern gefällt worden und vor das Stadttor geschafft. Dort aber merkte man, dass das Tor viel zu schmal war, um die Stämme hindurch zu bringen. Die klugen Ulmer beratschlagten und hätten gar schon das große Tor samt dem schönen Turm darauf eingerissen, da zeigte einer von ihnen, der gerade in die Luft geguckt hatte, nach oben und rief: »Ich hab's!« Da sahen die Männer einen kleinen Spatz, der ihnen sonst ganz unnütz dünkte, da er nur die Körner auf dem Feld weg fraß, wie er einen langen Halm in seine Nisthöhle schleppte. Anstatt quer mit ihm hängen zu bleiben, wie die Ulmer mit den Baumstämmen am Stadttor, zog der Spatz den Halm längs durch das kleine Loch. Das taten die Ulmer Bürger nun ihm nach und konnten so ihr Münster doch noch fertig bauen. Zur Erinnerung an das kluge Tier setzten sie ihm ein großes Denkmal hoch oben auf dem First des Daches vom Münster. Dort kann man den Spatz von Ulm auch heute noch blinken sehen. Die Ulmer tragen seitdem auch den Spitznamen »Spatzen«. Ulmer Spatz und Ulmer Bürger ⋆ Deutsche Sage ⋆ Stadt und Münster Read the full article
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