So werden Pharmafirmen fit gemacht für Werbung im Internet
Falls Sie es noch nicht gemerkt haben: Es drängen immer mehr „Gesundheitsratgeber“ auf den Internet-Markt. Und das sind keine Webseiten von Medizin-Journalisten oder sonstigem medizinischem Fachpersonal, sondern von sogenannten Marketing-Agenturen.
Aber warum will uns eine Marketing-Agentur in Sachen Medizin und Gesundheit aufklären?
Doch der Reihe nach:
Der Gesundheits-Ratgeber im Internet
Wem es nicht so gut geht, der geht zum Doktor, oder – zum Dr. Internet oder Dr. Google. Zum Beispiel wer mit Schlafstörungen zu kämpfen hat, der wird dann schnell fündig, zum Beispiel eine Seite wie diese: Was tun gegen Schlafstörungen?, unter: sorglos-schlafen.de
„Interessant!“, dachte ich mir. Vielleicht ein Betroffener, der seine Erfahrungen teilt? Aber dafür war das Design der Webseite viel zu professionell. Wenn man sich die Seite genau anschaut, dann werden durchaus passable Ratschläge gegeben, wie man mit Tipps und Tricks Schlafstörungen abstellen, Störquellen feststellen und ausschalten kann und welche Voraussetzungen notwendig sind, um gut schlafen zu können.
Es werden sogar Empfehlungen gegeben, sich mit einigen Entspannungstechniken zu beschäftigen, wie die progressive Muskelentspannung, autogenes Training, Yoga, Qigong und Meditation.
Bei der Frage nach Schlaftabletten oder anderen Einschlafhilfen werden pflanzliche Präparate, wie zum Beispiel Baldrian, empfohlen – finde ich gut!
Die Frage nach Schlaftabletten wird so beantwortet, dass diese nur dann genommen werden sollen, wenn die bereits diskutierten Maßnahmen nicht greifen. Und dann sollen Schlaftabletten nur für kurze Zeit genommen werden, da sie eine psychische Abhängigkeit verursachen können. Und natürlich das Ganze nicht in eigener Regie, sondern als Verschreibung vom Arzt.
Das alles liest sich gar nicht so schlecht. Aber da ist noch etwas, was nicht greifbar ist, und so etwas wie einen störenden Charakter hat. Es hängt irgendwie der Geruch von Scheinheiligkeit im Raum, wenn man diese Sachen liest. Mir fiel sofort der Spruch von Laotse ein: „Schöne Worte sind nicht wahr. Wahre Worte sind nicht schön“.
Und diese Darstellung ist irgendwie zu schön, um wahr zu sein. Der Grund dafür wird schnell klar, wenn man an der richtigen Stelle sucht: Dieser Ratgeber wird vom Fachverlag Gesundheit und Medizin betrieben.
Warum sollte das ein Thema sein?
Im Impressum wird klar, dass diese Ratschläge von einem Fachverlag gestaltet werden, die aber kein Arzt oder Apotheker oder Heilpraktiker oder sonst eine Fachkraft aus einem Heilberuf verantwortet, sondern ein Dipl.-Wirt.-Ing. Namens T. Niggemeier.
Ein Wirtschaftsingenieur als Gesundheitsratgeber? Wie passt das zusammen?
Wenn der Wirtschaftsingenieur Gesundheitstipps gibt
Die Webseite des Fachverlags (fachverlag-gesundheit-medizin.de) gibt dann Auskunft, warum Wirtschaftsingenieure was von Medizin verstehen wollen.
Dieser Fachverlag scheint nämlich gar nicht an Medizin und Gesundheit interessiert zu sein, sondern (und jetzt kommt es): „konzipiert, betreut und optimiert Gesundheitsportale“.
Das heißt mit anderen Worten, dass der Fachverlag die Stoßrichtung des Ratgebers festlegt, nicht aber den Inhalt und fachliche Aussagen. Denn die Internet-Präsenz des Ratgebers hat ein Ziel, eine Intention. Und die wird mit der Präsentation des jeweiligen Inhalts erreicht beziehungsweise soll erreicht werden. Und hierbei hilft der Fachverlag.
Wie sieht das Ziel solcher Webseiten-Spezialisten aus?
Nun ja, der Fachverlag gibt sich quasi als Mutter aller Ratgeber. Auf seiner Seite „Die Idee“ zieht er ein ziemlich skurriles Beispiel an den Haaren aus einem erfundenen Hut, demzufolge irgendein Chinareisender im dortigen Land krank wird und ohne Sprachkenntnisse von einem Quacksalber dort ein Medikament bekommt. Der Not gehorchend, ohne zu wissen, was er da nimmt, schluckt er die Sachen, und ist am nächsten Tag fast wieder auskuriert. Obwohl das Ende ein gutes ist, beklagt der Fachverlag einen Mangel an verlässlicher Information, den es zu beseitigen gilt.
Im nächsten Absatz würde ich jetzt vermuten, dass jetzt Ratgeber für alle Chinareisenden auf dem Programm stehen. Dem ist aber nicht so. Vielmehr wird der eine, an den Haaren herbeigezogene Chinareisende aus nicht verständlichen Gründen die Ursache für den Glauben des Fachverlags, dass es in Gesundheitsfragen nicht nur in China, sonder auch im Internet turbulent einhergeht: „Mangelnde oder fehlerhafte Informationen, ein nicht überschaubares Sammelsurium an Auskünften und ein unauflöslicher Rest an Zweifeln – diese Konstellation trifft auch auf beratende Inhalte im Internet zu. Genau in dieser Situation liegt der Anstoß für die Gründung des Fachverlags.“
Oder mit anderen Worten: Wäre dieser eine Mensch nicht nach China gereist und krank geworden, dann gäbe es den Fachverlag auch nicht. Oder? Oder vielleicht gäbe es auch das Internet dann nicht? Da sieht man mal, was wir nicht alles China verdanken!
Nachdem wir also die „Existenzberechtigung“ des Fachverlags kennengelernt haben, die so lächerlich ist, dass selbst die Chinesen lachen müssen, geht es weiter mit weniger Ideologie, sondern mit mehr Stoßrichtung. Und die wird deutlich, wenn wir uns das Impressum von jemand anderem, sehr Bekanntem anschauen.
Der Stoßrichtung-Geber für das Marketing „TamTam“ der Pharmaindustrie
Fast aus dem Nichts taucht die Webseite einer Beratungsfirma auf (xeomed – Digital Evolution in Healthcare), deren Leitsatz lautet: „Wir möchten für unsere Partner Marketing erklärbar machen“. Ein Blick auf das Impressum zeigt die versprochenen alten Bekannten. Es handelt sich wieder um ein fast identisches Impressum, das auch die Webseite des Fachverlags auszeichnet.
Identisch sind die Adresse, einige Telefonnummern, die „persönlich haftende Gesellschafterin“ (Nexas Verwaltungs GmbH, Registergericht Nürnberg, HRB 27065) und die Geschäftsführung, die bei beiden Herrn Niggemeier (unter anderem) benennt. Er zeichnet sich auch bei beiden verantwortlich als der „inhaltlich Verantwortliche“ mit ebenso identischer Adresse (sehr wahrscheinlich seine Privatadresse).
Nachdem wir also verstehen müssen, dass der Fachverlag und Xeomed ein und die gleiche Veranstaltung sind, wird es Zeit, nach den Gründen dieser Divergenz zu schauen. Denn es ist doch eigenartig, warum diese Leute zweimal das Gleiche aufsetzen, wo einmal schon zu viel zu sein scheint…
Xeomed hatte ja gleich zu Beginn seine Leser aufgeklärt, dass man Marketing für seine Partner erklärbar machen will. Es geht also um Marketing und nicht um Gesundheit. Und ehe wir uns versehen, sind wir voll in der Stoßrichtung. Wer ist jetzt der Partner von Xeomed?
Ist es der Leser, der nach Hilfe sucht, weil er gesundheitliche Probleme hat? An dieser Stelle sind wir raus aus dem Märchenwald und voll in der evidenzbasierten Realität.
Die Partner: Novartis, Bayer, Hermes Arzneimittel etc.
Denn die Partner sind (gem. Angaben der Xeomed, Stand: 22.3.2018) niemand anders als Firmen wie Novartis, Bayer, Hermes Arzneimittel, UrsaPharm etc. Die sich daran anschließenden Beispiele zeigen bebildert, wie man Inhalte (in diesem Fall Erklärungen zur Gesundheit) geschickt an den Mann oder die Frau bringt, ohne dabei mit der Tür ins Haus zu fallen.
Vollends deutlich wird diese Strategie in einem Beitrag der „apotheke adhoc“ (Fast niemand googelt Aspirin, apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/pharma-markting-fast-niemand-googelt-aspirin-apotheke/). Hier analysiert Herr Niggemeier das Verhalten der Leser beim Suchen nach Gesundheitsfragen. Er kommt zu dem Schluss, dass nicht nur Hunderttausende bis Millionen an Anfragen zu verschiedenen Gesundheitsthemen in die Suchmaschinen eingetippt werden, sondern dass hier der Knackpunkt liegt, an dem die Webseiten der Hersteller anzusetzen haben.
Er bezeichnet dies als „Moment of need“. Auf Deutsch würde das heißen wollen, dass dies der Moment des Bedarfs ist. Oder mit anderen Worten: Hier zeigen die Sucher ihre schwache Seite, die es auszubeuten gilt.
Und wie macht man das am geschicktesten? Die beste Strategie sieht laut Niggemeier so aus:
Von Hinten, durch die Brust ins Auge
Denn an dieser Stelle, so rät er, sollte man die Hilfesuchenden nicht mit einer Produkt- beziehungsweise Kaufempfehlung abschrecken. Also einfach mal ein Schmerzmittel empfehlen als Antwort auf die Frage, was man gegen Schmerzen unternehmen kann, hält Herr Niggemeier aus marketingtechnischer Sicht für strategisch fragwürdig. Ich frage mich hier, wenn das Schmerzmittel gut ist und wirklich hilft, warum dann nicht? Aber auch Herr Niggemeier weiß, dass Schmerzmittel nicht das halten, was das Marketing verspricht. Darum muss mehr Marketing gemacht werden, damit man sich vorsichtig, heimlich still und leise an den Kunden herantastet.
Wie geschieht dies? Antwort: indem die Hersteller sich stattdessen auf den Patienten und seine Bedürfnisse fokussieren. Hört sich doch nicht so schlecht an, oder?
Nur, dieses Eingehen auf die Bedürfnisse der Patienten ist der Trick, mit dem man sich beim Patienten Gehör verschafft. Wenn dies gesichert ist, dann kann man so langsam seine Philosophie in das Gehirn des Patienten eintrichtern. Praktisch sieht das so aus, dass Herr Niggemeier den Pharmafirmen rät, auf ihren Homepages „zu Indikationen zunächst die drängenden Fragen des Patienten zu beantworten“.
Hat man dann den Patienten an der Angel, dann „gelangt er automatisch zu der Frage: Was hilft dagegen?“ Und das ist der angeblich „ideale Moment für die Produktempfehlung“.
Und so werden dann Marketingstrategien empfohlen, die Vertrauen aufbauen sollen, damit der Kunde für Produktempfehlungen empfänglich wird. Dazu gehört selbstverständlich die Diskussion über Hausmittel, Heilpflanzen, alternative Behandlungsmethoden etc. etc.
Denn man weiß hier, dass Hausmittel etc. in der Bevölkerung einen relativ hohen Stellenwert genießen. Ein ungeschicktes und grobes „Plattmachen“ von diesen Alternativen ist für Niggemeier ein strategischer Marketingfehler, der keine einzige Packung Medikamente mehr verkauft als zuvor.
Man weiß in der Marketingfirma auch, dass kranke Leute schnell Hilfe erhalten wollen, die die Pharmaindustrie in Form von Pillen angeblich bereitstellen kann und damit die Nase vorn hat vor den Hausmitteln und alternativen Behandlungen. Damit ist es überhaupt nicht erforderlich, die Alternativen zu kritisieren, nicht zuletzt auch weil eine Behandlung damit häufig in eigener Regie erfolgt, eine Behandlung mit Tabletten in der Regel aber vom Arzt ausgeht.
Wenn man diese Grundregeln des Marketings von Medikamenten in Webseiten beachtet, dann hat man die Botschaft von Niggemeier und Co. verstanden. Und das genau ist die Stoßrichtung dieser Marketingfirma, die rät, sich beim hilfesuchenden Leser einzuschleimen, um ihm von hinten durch die Brust ins Auge jenes Produkt zu verkaufen, wovon er inzwischen glaubt, dass er es haben muss, um sein Gesundheitsproblem zu lösen.
Fazit
Marketing für Pharmafirmen ist der optimierte Umgang mit dem Leiden der Patienten, um größtmöglichen Profit aus Leiden und Patienten zu schlagen. Und hier sehen die Marktschreier der Pharmaindustrie und ihre Berater das Internet als den idealen Ort für die Umsetzung ihrer „Über-den-Tisch-ziehen“-Methode. Dies dürfte auch die Frage beantworten, warum es mehr und mehr „Gesundheitsberater“ gibt, die sich als harmlos und „freundlicher Onkel von nebenan“ ausgeben, aber hinter der vorgehaltenen Hand bereits aus dem Leid der Patienten ihr eigenes Süppchen kochen.
An dieser Stelle kann man jetzt natürlich anmerken, dass auch ich das eine ein oder andere Buch anbiete, oder auch mal ein Seminar. Der wesentliche Unterschied: Sie sehen auf meinen Webseiten fast immer mein Gesicht und meinen Namen dazu. Ich selbst müsste das nicht wirklich haben, aber genau aus den oben genannten Gründen, bin ich für Transparenz und Klarheit. Und dazu gehört auch die Offenlegung aller Interessen und Interessen-Konflikte. Marketing und Einflussnahme durch die Hintertür? Nein, Danke!
Dieser Beitrag So werden Pharmafirmen fit gemacht für Werbung im Internet wurde erstmalig von Heilpraktiker René Gräber auf NaturHeilt.com Blog veröffentlicht.
Quelle: NaturHeilt.com Blog https://naturheilt.com/blog/pharmafirmen-fit-fuers-internet/
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