Tumgik
#Kirsten Brünjes
craft2eu · 7 years
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Sie warten schon!
Die Katze, der Chihuahua im roten Rolli und die vergößerten Mäuse, die ich fälschlicherweise für Ratten hielt. Mit den Dimensionen verhält es sich etwas unübersichtlich, die Mäuse tendieren eher dazu etwas zu groß zu geraten. Die Menschenkinder dagegen winzig klein. Sozusagen auf Augenhöhe mit den possierlichen Nagern. Als “niedlich” mag Kirsten Brünjes sie nicht beschreiben. In ihren Augen sind die Mäuse – gleich welcher Größe –  qietschlebendig und verkörpern einen Allgorithmus in ihrem Werk, auf den sie immer zurück kommen kann. Also gibt es hier sehr sehr viele Mäuse. Empfindsam und kokett sind sie, geichzeitig neugierig und erwartungsvoll in ihre Umgebung platziert. Ihre Erwartungshaltung überträgt sich sofort auf ihren Gegenüber. What’s next? Was folgt dieser ersten Begegnung?
Es wird gewiß mehr daraus als nur die Gelegenheit zu nutzen so eine Maus ganz genau zu betrachten? Das eigene ambivalente Verhalten gegenüber ihresgleichen in aller Ruhe zu überprüfen? Interessiert, berührt oder mit vagem Grusel?
Kirsten Brünjes: Maus, Steinzeug, an der Wand montiert, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Maus, Steinzeug, an der Wand montiert, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Maus, Steinzeug, an der Wand montiert, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes macht seit 2006 miniaturhafte Figuren aus Steinzeug, Textilien, Kunststoff und hängt sie an die Wand. Früher noch eher skizzenhaft und selten höher als der kleine Finger, wachsen sie langsam aber stetig. Sie werden immer detaillierter in Ausdruck und Form, bedeckt mit dichten, feinen Fellstrukturen, behäkelt oder mit einzeln gepflanztem Haar behaupten sie eine ernsthafte Eigenständigkeit. Inzwischen tauchen sie auch lebensgroß, im Raum sitzend oder stehend auf. In prekärer Situation, auf dem Sprung, am Scheideweg.
Die Bildhauerin Kirsten Brünjes war Meisterschülerin bei Prof. F. Vehring an der Hochschule für Künste Bremen. Sie machte 1998 ihr Diplom und durchlief dann eher intuitiv einen intensiven Prozess der Entwicklung ihrer ganz eigenen künstlerischen Sprache, mit der sie ganz unmittelbar die Menschen erreicht – und trifft.
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug, an der Wand montiert, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug, an der Wand montiert, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug, an der Wand montiert, Foto: Schnuppe von Gwinner
Sie arbeite nicht naturalistisch, sagt sie, keineswegs anatomisch korrekt. Auf die Haltung und den Ausdruck der Figuren komme es ihr an. Und die Augen sind ihr ganz wichtig. So entwickelt sich in der Gegenüberstellung von Objekt und Betrachter eine geradezu irritierende Intimität. Ihre Wesen schauen zurück, ohne Scheu, eher fragend, auffordernd. Sie fangen den Augenblick ein, in dem die Beziehung, das weitere Vorgehen, die Situation gerade eben noch unentschieden ist. Kirsten Brünjes will anknüpfen. Sie destilliert die Mimik und Gestik ihrer Figuren aus intensiv wahrgenommenen Alltagseindrücken, aus jedermann vertrauten Zusammenhängen und Interaktionen. Ihre Wesen sind empfindsam und guter Dinge. Sie haben kein Problem, sagt Kirsten Brünjes.
Also ist, trotz müder, rotgeränderter Augen oder diesem gewiss demütigen Blick von unten  Optimismus gerechtfertigt? Auch wenn die vage interrogative  Stimmungslage in allen diesen Wesen gebannt ist? Vertrauen oder Flucht? Freundschaft oder Gleichgültigkeit?
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug – Galerie terra rossa, Leipzig bis 29.06.2017, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug – Galerie terra rossa, Leipzig bis 29.06.2017, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug – Galerie terra rossa, Leipzig bis 29.06.2017, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes Figuren entstehen vor dem Hintergrund ihrer eigenen, persönlichen Geschichte, die aber nun, wo sie dort an der Wand hängen oder auf den Simsen und Podesten sitzen und stehen, nicht mehr wichtig ist. Jetzt kommt der Betrachter mit seiner neuen Geschichte dazu, die sich in der Gegenüberstellung fortsetzt. Manche dieser püppchengleichen Figuren haben sich Boxhandschuhe übergestreift, ein Bärenkostüm oder ein Wolfsfell angelegt, als Unterstützung die Unsicherheit des Momentes auszuhalten. Die Situationen, an der Wand hängend – stürzend? – abwartend, halbnackt, verkleidet … sind irritierend. Doch nur für den Betrachter.  Nicht für den kahlen Affen, den verharrenden Fuchs, den verballhornten Maulwurf, die verkleideten Kinder und ihre Gefährten.
Kirsten Brünjes: Miniatur, Steinzeug – Galerie terra rossa, Leipzig bis 29.06.2017, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug – Galerie terra rossa, Leipzig bis 29.06.2017, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Affe, Steinzeug – Galerie terra rossa, Leipzig bis 29.06.2017, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes: Miniatur-Figuren, Steinzeug – Galerie terra rossa, Leipzig bis 29.06.2017, Foto: Schnuppe von Gwinner
Kirsten Brünjes verfolgt weder bewußte Strategien noch Kategorien des hässlich oder schön. Sie lässt es einfach laufen, einzig darauf erpicht diesen Wesen als Einzelgängern wie auch als Teamplayern einen eigenen starken Charakter mitzugeben. Angesiedelt zwischen Verblüffung und Selbstverständlichkeit – motiviert gerade in diesem Moment der Begegnung der eigenen Geschichte eine Wendung zu geben.
Fotos & Text © Schnuppe von Gwinner
Die Ausstellung »Gute Geister« von Kirsten Brünjes ist vom 16.05. bis 29.06.2017 in der Galerie terra rossa, Roßplatz 12, 04103 Leipzig zu sehen
Öffnungszeiten: Mo–Fr 10–18 Uhr | Sa 11–15 Uhr
  »Gute Geister« von Kirsten Brünjes: Leipzig vom 16.05.2017 bis 29.06.2017 Sie warten schon! Die Katze, der Chihuahua im roten Rolli und die vergößerten Mäuse, die ich fälschlicherweise für Ratten hielt.
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