Tumgik
#Neige leb
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Kapitel 8
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Stundenlang marschierten die Jugendlichen durch die schier endlose Wüste. Sie tauschten regelmäßig Plätze, damit niemand Winston zu lange tragen musste. Newt bestand darauf ebenfalls zu helfen, obwohl einige ihn davon abhalten wollten, da sein Humpeln mit jeder Minute schlimmer wurde.
Ein erbarmungsloser Windstoß trieb Mary Tränen in die Augen, um die Sandkörner unter ihren Lidern zu entfernen. Sie musste niesen, hatte aber immer noch das Gefühl, Sand zu atmen. "Wir müssen Schutz suchen", Thomas Stimme wurde vom Wind davongetragen, als die Lichter sich auf die Suche nach einem Unterschlupf machten.
Kurze Zeit später hatten sie eine geschützte Stelle gefunden und alle ließen sich todmüde und verschwitzt, von der enormen Hitze, auf den trockenen Boden fallen. Minho reichte eine Wasserflasche aus seinem Rucksack herum und Bratpfanne hatte ein paar wenige Müsliriegel in dem seinen entdeckt, die sie untereinander aufteilten.
Mary ging auf Teresa zu, die neben Winston saß und ihn im Auge behielt. "Ich kann dich ablösen, wenn du möchtest.", ihre Freundin sah erschöpft zu ihr hoch und nickte kaum merklich, bevor sie sich aufraffte und davon trottete. Sie murmelte etwas das wie "Thomas suchen" klang und war kurz darauf verschwunden.
Der Junge atmete stoßweise und hatte eine Hand auf dem blutigen Verband. Sie war den Tränen nahe, als sie ihn so zwischen Leben und Tod schwebend sehen musste. Niemand hatte es verdient so leiden zu müssen, vor allem nicht jemand wie Winston, der immer fröhlich gewesen war und so hilfsbereit. Er hätte alles für seine Freunde getan und nun war er darauf angewiesen, dass sie das auch für ihn taten.
Bratpfanne leistet dem Mädchen Gesellschaft und spielte mit der Pistole, die sie sicherheitshalber mitgenommen hatten. Man konnte schließlich nie wissen. Nach einer Weile warf er sie in den Sand vor sich und fing an Mary über ihre Träume auszufragen. Er war neugierig und wollte wissen, wie das Leben bei WICKED gewesen war, bevor sie ins Labyrinth gebracht wurde. Sie wollte ihm antworten als plötzlich ein lauter Knall direkt vor ihnen ertönte.
"Hey!", sie war so konzentriert auf die Frage des Kochs gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie Winston nach der Pistole gegriffen hatte und versucht hatte, sich in den Kopf zu schießen. Zu ihrer Erleichterung hatte er daneben geschossen und Pfanne war schnell genug an seiner Seite gewesen, um ihm die Waffe zu entwenden.
Der Schlitzer kroch auf allen vieren zur Seite und sah gebrechlicher aus, als je zuvor. "Was ist passiert?", Teresa und Thomas kamen angerannt und blickten panisch von einem zum anderen, um zu sehen, wer den Schuss abgefeuert hatte. "Ich weiß es nich', er hat sich einfach die Knarre geschnappt und versucht sich ... versucht ...", Pfanne war ganz aus dem Häuschen.
"Winston, ist alles okay?", Thomas kniete sich zu ihm hinunter, als der Lichter dunkles Blut erbrach, das den Sand beinahe schwarz färbte, und anschließend auf dem Boden zusammensackte. Schwer atmend hob er sein Shirt. "Es ... wächst ... in mir drin", mit zittrigen Händen hielt er den blutigen Stoff, der bis dahin verborgen hatte, was Mary beinahe dazu brachte sich ebenfalls zu übergeben.
Dunkelrotes, beinahe violettes verhärtetes Fleisch überzog seinen gesamten Bauch. Wo vorhin offene Wunden gewesen waren, klaffte nun ein schwarzes Loch, von dem aus sich dunkle Adern über seinen Körper erstreckten. Er sieht aus wie ein halber Crank. Das kann nicht sein, das kann einfach nicht sein.
Bratpfanne konnte nicht hinsehen, Minho konnte nicht glauben, was er sah, Newt sah Mary Hilfe suchend an, doch sie hatte eine düstere Ahnung, in welche Richtung die Situation sich entwickeln würde. Sie wusste, dass Winston keine Chance hatte, die Infizierung zu überleben. Niemand konnte das, bloß all jene, die immun waren und wenn Winston sich anstecken konnte, dann mussten sie auch damit rechnen, dass die anderen das vermutlich auch konnten.
"Ich werd's nich' schaffen.", die Lichter sahen einander betroffen an. Sie wussten, dass das die Wahrheit war. Mary liefen nun die Tränen in Strömen über die geröteten Wangen. "Bitte ... bitte", der Kranke streckte seinen zitternden Arm nach der Pistole aus. "Lasst mich nich' zu einem ... von diesen Dingern werden."
Zu ihrer Überraschung ging Newt zu Bratpfanne und nahm die Waffe aus seiner Hand. Augenblicklich protestierten die Lichter, schwiegen aber, als sie verstanden, was er vorhatte. Er kniete sich vor den Schlitzer und legte ihm die Pistole in die Hand. "Ich danke dir."
Die Tränen liefen erbarmungslos über Marys Gesicht und sie konnte ihr Schluchzen nur mit Mühe zurückhalten. "Und jetzt ... verschwindet hier." "Wiedersehen, Winston.", Newt war todunglücklich darüber seinen Freund so zurückzulassen, doch er versuchte sich zu beherrschen, was ihm noch am besten gelang. Mit einem letzten Blick auf den todgeweihten Jungen nahm er seinen Rucksack und humpelte langsam davon.
Einer nach dem anderen verabschiedete sich und folgte dem Lichter. Mary kniete sich in den Sand und fuhr Winston durch die dunklen Haare. "Du bist so mutig. Es tut mir so leid. Leb wohl.", sie drückte ihm einen sanften Kuss auf die schweißnasse Stirn und sah wie ein angestrengtes Lächeln seine ausgetrockneten Lippen umspielte, als sie sich zum Gehen wandte.
Mit ihren blutigen Händen versuchte sie sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und schloss eilig zu Newt auf, der jedoch nicht in der Verfassung war, um mit jemandem zu sprechen. Also ging sie eine Zeit lang neben ihm her und fiel schließlich immer weiter zurück, bis sie hinter ihm hertrottete, während sie darüber nachdachte, was Winston noch alles erleben hätte können.
Was wäre, wenn sie tatsächlich vor WICKED fliehen könnten und einen sicheren Ort zu leben finden würden? Einen Ort, wie sie ihn sich seit Jahren auf der Lichtung ausgemalt hatten. Aber was, wenn sie gar keine Chance hatten und Winston bloß der Erste der Gruppe war, der sterben musste?
In Gedanken versunken setzten die Lichter einen Fuß vor den anderen. Niemand sagte ein Wort, denn es gab kein Wort, dass dieser Situation gerecht werden konnte. Wie auf Kommando blieben alle ruckartig stehen, als sie den unmissverständlichen Knall einer Pistole aus der Ferne hörten. Sie standen lange so da und niemand wusste, was er sagen sollte. Sie hatten einen Freund verloren, aber was noch schlimmer war: allen war bewusst, dass sie genauso enden konnten, wie Winston es musste. Und niemand von ihnen hatte es verdient.
***
Nachts fanden sie Zuflucht unter den Flügeln eines abgestürzten Flugzeugs. Minho hatte ein Feuer entzündet, vermutlich mit etwas das er in seinem Rucksack entdeckt hatte, denn es gab weit und breit nichts, das man hätte anzünden können. Schwarze Schatten tanzten auf den Gesichtern der Lichter, die bedrückt in die orangenen Flammen starrten. Mary saß neben Newt auf dem mittlerweile kalten Boden und schmiegte sich an seine Seite, um sich vor der stetig unerträglicher werdenden Kälte zu schützen, aber vor allem um Trost zu finden.
"Ich dachte, wir wär'n angeblich immun.", Minho sah ausdruckslos ins Feuer und klang etwas wütend. "Nicht alle von uns ... wie's aussieht.", Teresa sah zu Mary und zwang sich zu lächeln, um ihr zu zeigen, dass sie es nicht böse gemeint hatte. "Wenn Winston sich anstecken konnte, dann sollten wir annehmen, dass das für uns alle gilt.", Newt sagte zum ersten Mal, seit Winstons Tod etwas. Vermutlich hatte er die ganze Zeit darüber nachgedacht, was das für sie bedeuten könnte und ist zu dem Schluss gekommen, dass höchstwahrscheinlich nicht einmal Mary immun war, denn als er sie ansah, konnte sie die Furcht, die in ihm wütete, durch seine Augen sehen.
"Ich hätt' nie gedacht, dass ich das mal sagen würde ... ich vermiss' die Lichtung.", Pfanne hatte Tränen in den Augen und alle Lichter waren wohl kurz davor ebenfalls zu heulen, bei dem Gedanken an warme Mahlzeiten, ihre Hängematten, an alle, die sie zurückgelassen hatten und besonders an alle, die sie verloren hatten.
***
In den nächsten Tagen wurde nicht viel gesprochen. Es schien so, als ob der bloße Wille, zu sprechen zu viel Energie kosten würde, die niemand mehr aufbringen konnte. Die Hitze war unerträglich und sowohl Wasser als auch Nahrung gingen zur Neige. In qualvoll langsamen Tempo gingen sie zwar auf die Berge zu, doch es sah aus, als würden sie sich mit jedem Schritt, den die Lichter taten, noch weiter von ihnen entfernen.
Die Nächte waren im Vergleich zu den Tagen, schrecklich kalt. Eisiger Wind ließ jeden Zentimeter von Marys Körper erzittern. Die Lichter versuchten der Kälte etwas zu entgehen, indem sie sich so eng aneinander legten, wie sie konnten. Bratpfanne schien kein Problem damit zu haben auf dem steinernen Boden zu schlafen, denn sein Schnarchen war das erste, das abends zu hören war. Dem Mädchen tat alles weh und ihre Gedanken waren rastlos, sodass sie keine Ruhe finden konnte.
Thomas wälzte sich unbeholfen hin und her, um eine Position zu finden, die nicht ganz so unbequem war wie die vorherige. Sie beobachtete ihn durch halb geschlossene Augen, die mit jeder Sekunde schwerer zu werden schienen. Donnergrollen in der Ferne ließ sie jedoch wieder wach werden.
"Hey ... hey!", auch der Läufer schien es gehört zu haben. Doch als Mary zu ihm sah, wurde ihr klar, was er meinte. Lichter! "Wacht auf!", er schubste Minho und die Anderen während er aufstand. Das Mädchen tat es ihm gleich. "Newt, komm schon. Steh' auf, geh'n wir." "Pfanne, Aris! Ich seh' da vorne was!"
"Was?" "Was ist denn?" "Seht ihr das? Diese ... Lichter.", am Fuße des Berges waren mehrere Lichter zu sehen, die darauf hindeuteten, dass dort womöglich eine kleine Stadt liegen könnte. "Wir haben's geschafft", doch ausgerechnet in diesem Moment ließ ein gewaltiger Donnerschlag den Boden erzittern. Erschrocken sahen sich die Freunde um und entdeckten Blitze, die sich über den gesamten Himmel zu erstrecken schienen.
"Okay, geh'n wir. Wir müssen los.", Thomas starrte wie gebannt auf das Unwetter und griff nach seinem Rucksack. "Ja", Newt schnappte sich ebenfalls einen Rucksack. "Kommt schon, kommt schon. Lasst uns geh'n." Ohne zu zögern, verfielen die Jugendlichen wieder in ihren gewohnten Laufschritt. Es dauerte jedoch nicht lange, bis sie ihr Tempo wesentlich erhöhen mussten, da die Blitze immer näher kamen.
"Schnell!" "Los!" Die Luft war wie erfüllt von Elektrizität und die Kälte stach in Marys Nase, als sie schnappend einatmete. Sie lief so schnell sie konnte und versuchte gleichzeitig Newt im Auge zu behalten, was nicht besonders einfach war, da es bis auf die sich häufenden Blitze, stockdunkel war. Ihre einzige Chance war es rechtzeitig die Lichter zu erreichen, wo sie hoffentlich Zuflucht vor dem Sturm finden konnten.
"Okay, lauft weiter! Na los, kommt schon!" "Komm schon, Teresa!", das Mädchen war etwas zurückgefallen, holte jedoch schnell wieder auf. Minho lief etwas weiter seitlich, als die Anderen, war aber wesentlich schneller. "Wir sind gleich da!", vereinzelte Autos standen um sie herum, was ein gutes Zeichen war, denn Autos deuteten immer auf Menschen hin und wo Menschen waren, gab es auch Schutz.
Tatsächlich wurden in der Ferne Gebäude sichtbar. Mary wollte sich schon freuen, doch im selben Augenblick schlug ein Blitz in eines der Autos ein. Das Unwetter war nun direkt über ihnen. "Schnell rein da! Los!", Thomas und die Anderen bogen zügig in eine Richtung ab, als erneut ein Blitz eines der Autos traf und Minho von der Druckwelle zu Boden geschleudert wurde, wo er regungslos liegen blieb.
Einen Moment lang konnte Mary nichts hören. Der Einschlag war so laut gewesen, dass sie Angst hatte, ihr Trommelfell wäre gerissen. Sie sah nach hinten und bemerkte, dass es auch Thomas erwischt hatte, der sich jedoch schon wieder etwas benommen aufrichtete und zu seinem Freund humpelte. Sofort eilte sie ihm zu Hilfe.
Zusammen mit dem Läufer hob sie ihn hoch und gemeinsam zerrten sie ihn in das erste Gebäude, das sie sahen, wo auch schon die Anderen auf sie warteten. "Legt ihn hin!" "Passt auf seinen Kopf auf!" Vorsichtig legten sie den Jungen auf den Boden. "Wer hat 'ne Taschenlampe?", augenblicklich fiel das bläuliche Licht auf das Gesicht des Asiaten, der bewusstlos zu sein schien. "Minho!", Thomas hatte ihn am Kragen gepackt und rief immer wieder seinen Namen. Das kann nicht schon wieder passieren! Das kann nicht wahr sein. Bitte nicht!
Weiterlesen: Kapitel 9
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