Tumgik
#Nichttrinkerschutz
agatha-abstinent · 6 years
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Tag 1148 / Zwei E-Mails an Volksdrogenvertreter
Sehr geehrter Herr Hippe, sehr geehrter Herr Rögner-Francke, sehr geehrter CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf,
als an Alkoholismus erkrankte und gegenwärtig trockene Bürgerin der Stadt Berlin wollte ich mich hiermit bei Ihnen erkundigen, weshalb Sie den Antrag der Linken „Bezirkspolitik nüchtern betrachtet“ abgelehnt haben wie ich der Presse entnehmen konnte. Dass ein Alkoholverbot während der Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung eine „Gängelung“ sein soll, ist für mich schwer nachvollziehbar. Hieß es nicht im Regierungsprogramm des CDU-Landesverbandes Berlin 2016 „Eine zunehmende drogenpolitische Herausforderung ist auch der Kampf gegen die legalen Drogen Alkohol und Tabak“ ? Steht nicht die CDU mit ihrer Orientierung an christlichen Werten auch für Toleranz und Rücksicht? Also, ich hatte wegen der Positionierung gegenüber der Volksdroge Alkohol 2016 die CDU gewählt, u.a. auch, weil Ihre Partei wie keine andere die Umsetzung des Alkoholverzehrverbots in den öffentlichen Verkehrsmitteln Berlins forderte. Bereits ein Glas Bier oder Wein bewirken unmittelbar ein Nachlassen von Aufmerksamkeit, Konzentration, Kritik- und Urteilsfähigkeit, Reaktionsvermögen sowie einen Anstieg der Risikobereitschaft. Deshalb halte ich Alkoholkonsum während der Bezirksverordnetenversammlung nicht nur aus Rücksichtnahme für angebracht, sondern auch wegen der Ausübung Ihrer Rolle als Abgeordnete.
Mit freundlichen Grüßen Agatha Abstinent
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Sehr geehrter Herr Henning, sehr geehrte Grüne des Kreisverbands Steglitz-Zehlendorf,
gerne würde ich mich hiermit bei Ihnen erkundigen, ob die Darstellung in der Presse korrekt ist, dass Herr Henning während der Verkündung des Abstimmungsergebnisses zum Antrag der Linken „Bezirkspolitik nüchtern betrachtet“ in der Bezirksverordnetenversammlung eine Flasche Bier geräuschvoll öffnete. Den genauen Hintergrund des Antrags der Linken kenne ich nicht. Doch als an Alkoholismus erkrankte und gegenwärtig trockene Bürgerin der Stadt Berlin kann ich ein solches Verhalten genau so wenig nachvollziehen wie die Ablehnung eines Verzehrverbots der Volksdroge Alkohol durch Ihre Fraktion. Wenn Selbstbestimmung und Partizipation zu unterstützen zu den Grundpfeilern grüner Politik gehört, die meisten Sitzungen der Bezirksverordnetenversammlung öffentlich sind und von interessierten Bürgern besucht werden dürfen, muss ich konstatieren, dass meine Selbstbestimmung und gleichberechtigte Partizipation da endet, wo ich Menschen beim Alkoholkonsum sehe, höre, rieche. Eine Partei, die sich sonst oft für Minderheiten stark macht, verliert mit solchen Aktionen wie dem provokativen Öffnen einer Flasche Bier oder der Forderung „Freiheit für das Berliner Wegbier“ immens an Glaubwürdigkeit. Ich persönlich wünsche mir, dass der mich behandelnde Zahnarzt, die mich befördernde Busfahrerin, der mich beratende Sozialarbeiter (...) ihre Aufmerksamkeit, Konzentration, Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie ihr Reaktionsvermögen nicht durch ein Glas Bier oder Wein gemindert haben, bevor sie mit mir in Kontakt treten. Und genau so würde ich es auch von der Arbeit als Bezirksabgeordnete/r erwarten.
Mit freundlichen Grüßen Agatha Abstinent
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agatha-abstinent · 7 years
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Tag 826 / 05.53 Uhr - Blick liegend aus dem Fenster
Gleich muss ich aber wirklich aufstehen. 05.56 Uhr - Screenshot der Nachricht: Gericht erstellt Stundenplan fürs Rauchen auf der Terrasse eines Pärchens. Ob es auch irgendwann Stundenpläne fürs Trinken gibt? 12.35 Uhr - Ich habe schon Schluss. Weiterhin verkürzt, 4 Stunden. Die anderen bleiben noch. Deshalb heule ich kurz auf der Toilette. Draußen wünscht mir der Löwenzahn einen guten Start ins Wochenende. 15.03 Uhr - Gefällt mir, mein Gesicht auf dem Selfie. Aber schmaler sollte es nicht werden. Was ich dann noch gemacht habe, weiß ich nicht mehr so genau. Den Blogeintrag für Tag 815, glaube ich. Im Meeting war ich nicht. Gestern nur die erste Halbzeit.
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agatha-abstinent · 7 years
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Tag 779 / “Du hast gestern kein Bier getrunken, du hast vorgestern kein Bier getrunken...”
Und weil ich nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung meiner Nichte heute auch kein Bier trinken werde, könne ich doch den Sticker für den heutigen Tag einfach schon jetzt am Vormittag auf meinen Abstinenzkalender kleben.
Drei Tage vorher, am ersten Besuchstag entdeckte sie die Kalenderblätter. "Oh, warum hast du so viele Aufkleber?" Ich erklärte, dass ich für jeden Tag, an dem ich kein Bier getrunken habe, einen Sticker aufs Blatt klebe. Und Bier steht dabei als Synonym für Alkohol, für alle alkoholischen Getränke. Bier kennt meine Nichte.
"Papi trinkt aber Bier." "Ja, dein Papi kann ja ruhig Bier trinken. Mir geht's besser, wenn ich kein Bier trinke." "Aber du rauchst!" "Ja, der eine raucht, der andere trinkt Bier, so hat jeder Seins."
Dass laut meiner Argumentation Bier genau so schädlich ist wie Zigaretten, klingt für ein Dritte-Klasse-Schulkind, das in einem Nichtraucherhaushalt aufwächst und Warnhinweise lesen kann, schwer nachvollziehbar. "Auf den Zigaretten steht: Rauchen ist tödlich," sagt meine Nichte. Und ich entgegne: "Alles ist tödlich, was man zu viel macht. Auch zu viele Gummibärchen und zu viel Schokolade essen, zum Beispiel." Doch die Kleine denkt bei dem, was man zu viel macht, nicht ans Konsumieren - "Wenn ich zu viel schlafe..., zu viel spiele..., zu viel lerne... ist das tödlich..." Also merke ich, dass ich in meinem "Wie ich Kindern die Abstinenz erkläre" noch spezifischer werden muss.
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agatha-abstinent · 8 years
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Tag 717 / “Empörung ist mein Lieblingsgefühl“
sage ich leicht ironisch in der DBT-Gruppe, denn Empörung kommt eigentlich in jedem meiner Anspannungsprotokolle vor.
Ob es mir hilft, empört zu sein, werde ich gefragt. Ja, ich glaube schon. Ich finde Empörung gut. Toll sogar.
Wut und Ärger haben ja etwas Körperverkrampfendes. Traurigkeit, Enttäuschung, Scham, Hilflosigkeit haben etwas Körperkrümmendes. Aber die Empörung, die richtet mich auf.
Ich gebe zu, dass Empörung bisweilen bei mir anspannungssteigernd wirken kann. Doch lieber bin ich aufgerichtet angespannt, als krumm-kauernd traurig.
Seit ich abstinent bin, empfinde ich sehr häufig Empörung. Viel, viel, viel häufiger als in der Zeit zuvor. Und sehr häufig bezieht sich die Empörung auf mein Suchtmittel oder den Umgang mit Sucht und Süchtigen.
Und so wie ich an Tag 334 festgestellt habe, dass meine Angst mich schützt auf dem Trockenheitsweg, so wird mir heute, an Tag 717, bewusst, dass meine Empörung ebenso eng "mit meiner Selbstwirksamkeitserwartung, mit meiner Selbstfürsorge, meiner Selbstwahrnehmung, meiner Entscheidung für den neuen Weg, meiner Konsequenz und Abstinenz" zusammenarbeitet.
Ich, Agatha, kann diesem omnipräsenten Alkohol ohne Warnhinweise, kann der Alkoholstrom-Konsumgesellschaft, kann den abhängigkeitsfördernden TV-Beiträgen, Büchern, Werbemaßnahmen, kann den versoffenen Fußballstadien (...) nicht mit Gleichmut begegnen. Gelassenheit, Akzeptanz, Toleranz, wenn da ein ganzes Weinregal im Nicht-Getränkemarkt-Supermarkt bei Rewe steht und keine einzige 0,75 l Flasche Wasser, wenn in jeder Arztserienfolge Alkohol getrunken wird, wenn zu bestimmten Uhrzeiten in bestimmten Bahnen mehr Menschen Bierpullen als Handys festhalten, wenn Selbsthilfegruppenmitglieder vom passiven Beiwohnen familiärer, freundschaftlicher oder kollegialer Trinksituationen berichten, (...) Gelassenheit, Akzeptanz, Toleranz, Gleichmut, Gleichgültigkeit würde mir, Agatha, da schaden. Zu einer Anti-Alkohol-Aktivistin gehört Empörung. Das ist mein Antrieb. Aber eben auch mein Überlebenstrieb. Empört greife ich nicht aus Versehen zu, stoße ich nicht im Affekt mit an. Empört wende ich mich ab. Und richte mich auf.
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