Tumgik
#alkoholfreiesCafé
agatha-abstinent · 6 years
Text
Tag 1136 / Alkoholiker Nummer 575.201.894.743.659.864
In dem gelesenen Kapitel ist von "Alkoholiker Nummer Drei" die Rede. Vielleicht könnte ich meine Aussage in dem Meeting damit beginnen, dass ich nicht weiß, der wievielte Alkoholiker ich bin, der zu AA gestoßen ist. Mit dem elendig betrunken auf dem Fußboden liegen, mit den gescheiterten Vorhaben wenigstens zwei, drei Monate nichts zu trinken, kann ich mich gut identifizieren. Mit einigen Anwesenden im Raum leider nicht. Ich fürchte so sehr, meine Aussage ganz besonders schön formulieren zu müssen, dass ich am Ende wie eigentlich immer hier nichts sage. Ich wurde jetzt in drei Vorstellungsgesprächen gefragt, warum ich 2014 bei Arbeitgeber X aufgehört habe. (..."verlässt uns auf eigenen Wunsch"...) Und eigentlich kann ich sehr dankbar für diese wiederholte Frage sein, denn nur so führe ich mir NÜCHTERN im Jahr 2018 vor Augen, was da mit mir los war, wie damals meine Pläne aussahen, wie diese Pläne scheiterten und ich über verschiedene Stationen in Kliniken und Krankenhäusern nun an dieser beruflichen Station, einem Vorstellungsgespräch für eine Festanstellung, angelangt bin. Was ich bei der Verabschiedung von der 2014er Festanstellung beabsichtigte, war so zum Scheitern verurteilt wie es eigentlich auch heute noch dieser berufliche Wiedereinstieg ist. "Das schaffen die Wenigsten." (Tag 364) Trockenbleiben Trockenbleiben und dabei zufrieden sein Trockenbleiben und Arbeiten
Das hier ist ein lebendiges Meeting. Und damit meine ich die Zusammensetzung der Teilnehmer. Manche gucken sich das ein einziges Mal an, manche kommen einige Wochen. In einem halben Jahr werden viele verschwunden sein. Und andere tauchen vielleicht genau dann aus einem Rückfall wieder auf. Ob ich zu denen gehören werde, die sitzenbleiben, ist nicht vorhersehbar. Aber hier stranden mehr "Neue", mehr Suchtkranke, die immer wieder Rückfälle erleiden, als in Meetings, in denen ich mich zu sprechen traue. Und wie auch an Tag 1123, ist es für meine Rückfallprävention (momentan) wichtig, öfter die zu sehen und zu hören, die noch viel näher dran sind am aktiven Trinken. Das sind quasi leibhaftige 3-D-Warnhinweise wie sie auf Flaschen und Dosen fehlen.
Heute bin ich hier erneut mit zwei der AA-Anakondas aneinander geraten, die sich an Tag 296 vor mir aufbauten. Mit einer indirekt, weil ich mich durch ihre Monologaussage verbannt fühlte. Und mit einer direkt, weil sie mir beim Aufräumen resolut erklärte, dass ich das mit der Anonymität seit dreieinhalb Jahren falsch verstehe. Und so agieren diese zwei Menschen plötzlich rückfallprovokativ, ohne es zu beabsichtigen. Auf dem Weg vom Meeting zum Café, wo ich Nick treffen will, bin ich sehr verunsichert und vielleicht bewirken meine dialektischen Gedankenschleifen, dass ich mich mal wieder wie an Tag 753 in Kreuzkölln verfahre.
1 note · View note
agatha-abstinent · 7 years
Photo
Tumblr media Tumblr media Tumblr media Tumblr media
Tag 909 / Drüsch in Düsseldorf
0 notes
agatha-abstinent · 9 years
Text
Tag 361 / Eine Tischreservierung für Agatha Abstinent
Mich hat mal jemand gefragt: „Erwartest du jetzt, dass die ganze Welt auf dich Rücksicht nimmt, nur weil du Alkoholikerin bist?“ Er selbst ist auch Alkoholiker. Für ihn ist Demut wichtig in seinem Trockenheitsweg. Für ihn ist es wichtig, nicht vom Außen Dinge zu erwarten, die erstmal im Innen gerichtet werden könnten.
Ich bin anders. Ich denke sehr wohl, dass die Welt auf Menschen Rücksicht nehmen sollte, die krank sind. Auch auf Alkoholkranke. Ich möchte die Welt gerne ändern. Nicht nur für mich. Aber auch für mich.
Wenn alle Alkoholiker immer hinter vorgehaltener Hand über ihre Krankheit sprechen, wenn niemand mal bittet „Könnte ich einen Tisch haben, auf dem keine Weingläser eingedeckt sind?“, dann ändert sich nichts. Weder für mich, noch für dich, noch für andere.
Ich wünsche mir nach wie vor alkoholfreie Zonen in Restaurants und Cafés. Diese Idee wird nicht kleiner oder unwichtiger, je länger ich trocken bin. Es geht mir da um Zweierlei: a) um Rücksicht für die Suchtkranken b) um ein wachsendes Bewusstsein bei allen (noch) nicht Abhängigkeitserkrankten, dass man auch mal einen Abend in einem Restaurant verbringen und nichts Alkoholisches trinken kann. Und vielleicht kann ein nüchterner Abend sogar gut sein.
Ich werde nicht erreichen, dass Alkohol in Deutschland nicht mehr öffentlich konsumiert werden darf. Das ist auch gar nicht mein Anliegen.
Mir reicht ein alkoholfreier Wagon von der U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn. Mir reichen zwei oder drei Tische, eine Ecke, in einem Restaurant, an denen nichts Alkoholisches getrunken wird. Mir reicht ein Abteil im ICE. Mir reicht ein Block im Stadion. Oder vielleicht von dem Block auch nur der Ober- oder Unterrang. Im Kino reichen mir auch drei, vier Reihen. Ebenso bei Konzerten. Und wenn die Nachfrage für diese alkoholfreien Plätze groß ist, dann ist das Angebot sicher erweiterbar. Alkoholfreie Zonen sind eine Art aktive Suchtprävention am Ort des Geschehens, da wo Abhängigkeit entsteht, gepflegt und bagatellisiert wird. Raus aus der Schmuddel- und Schamecke mit den trockenen Alkoholikern, den cleanen Süchtigen. Den Kranken ein lebenswertes, reiches, vielfältiges, schönes, frohes, gesellschaftliches Leben ermöglichen. Für den Beruf gibt es die Maßnahme „Teilhabe am Arbeitsleben“. Ich stelle hiermit einen Antrag auf „Teilhabe am Gesellschaftsleben“, Teilhabe an sozialen und kulturellen Ereignissen. Im Sommer ist Fußball-Europameisterschaft! Muss ich mich als trockene Alkoholikerin da wieder zu Hause einsperren wie als nasse Alkoholikerin zur WM 2014?
Kürzlich saß ich in der U-Bahn gegenüber von drei Touristen. „Really tempting. You can get beer everywhere.“ sagte einer von ihnen. Für ein Bier muss man nicht weit laufen in Berlin. Kiosk, Späti, Supermarkt, Bäcker, Imbiss. Beer to go. Manchmal wünsche ich mir eine andere Suchtkrankheit. THC, Benzos, Spielsucht vielleicht. Da ist die Konfrontationsdichte geringer. In der U-Bahn wedelt nicht ein Drittel des Wagens mit Lottoscheinen, und ich hab noch niemand Kiffen erlebt in der Tram. Das können vielleicht nur Suchtkranke nachvollziehen wie das sein muss in dieser Gesellschaft für einen Alkoholiker, der abstinent leben möchte, leben muss, um zu überleben. In der Suchtklinik hatten die Abhängigen illegaler Drogen - Marihuana, Speed, Kokain... - uns Alkoholsüchtige bemitleidet: „Boa, ihr habt’s echt schwer!“
Mit meinem „Sonderwunsch“ bei der Reservierung eines Tisches im Restaurant habe ich versucht, es mir für heute leichter zu machen. Und es hat funktioniert. Für mich war es einfacher und sicherer, das im Vorfeld zu klären, anstatt erst vor Ort alkoholische Angebote abzulehnen. Nur, ein Platz, an dem ich wirklich niemanden Bier- und Weintrinken hätte sehen müssen, wäre noch besser gewesen.
0 notes