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#recht und gerechtigkeit als pathosformeln
fabiansteinhauer · 3 months
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Formeln
Eine Formel ist gezogen und gependelt, sie soll etwas regen lassen, nämlich Gerechtigkeit, sie zieht immer noch.
Niklas Luhmann schrieb früher über Gerechtigkeit als Transzendenzformel, schrieb dann etwas um und später über Gerechtigkeit als Kontingenzformel, was wiederum von Gunther Teubner wieder um- und rückgeschrieben wurde zur Gerechtigkeit als Transzendenzformel. Die Geschichte und Theorie solcher Schreiben (deren Schreiben Unterlagen umfasst und die insofern nach Marta Madero noch unter den Begriff tabula picta subsumiert werden können) und solchen Schreibens, das unter den Begriff derjenigen Kulturtechnik subsumiert werden kann, das Aby Warburg Distanzschaffen nennt und mit Unbeständigkeit, Meteorologie und Polarität umgehen soll, versuche ich in einem Aufsatz zu rekonstruieren.
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fabiansteinhauer · 3 months
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Warburg, ein Systemtheoretiker
1.
Wie kommt ein Bild, über das Warburg sein Interesse an einer Bild-und Rechtswissenschaft auf Fragen der Meteorologie und Polarforschung ausgedehnt hat, auf das Cover eines Buches über einen Rechtswissenschaftler?
Das Bild auf dem Cover stammt zwar aus Thüringen, bildet in gewisser Hinsicht aber das, was Warburg auch mit dem Begriff der Pathosformel meinte, nämlich eine Formel, mit der entfernte, polare und meteorologische Zeit- Denk- und Spielräume wieder gesichtet und aufgegriffen werden. Werner Tübke hat für das Monument in Thüringen auf ein altes Motiv aus der Zeit der Bauernkriege zurückgegriffen, in dem auch Luthers Erscheinen mit einer jener Fluten assoziiert wurde, die das Fundament der Monoarchismen unterspülen sollen, seitdem man versucht, an normativen Referenzen Monopole zu errichten. Man könnte als anständiger Demokrat das Bild heute so verwenden: heute sei Höcke die aufziehende Apokalypse, der den Turmbau zu Babel, diesmal als globalen Bau einer bereits multiplen, vielspachigen Welt auf den Boden und in den Blutpool des Nationalen einstürzen lasse. Pathosformeln tauchen erregt, in hoher Erregung auf und lassen eine entfernte, meteorologische und polare Zeit nachleben. Darum entziehen sie sich einer exklusiven Verwendung. Man könnte auch eine Gegenfigur zu Höcke als heiliges Fischchen oder apokalyptisches Wunderwesen einsetzen.
Das Cover auf dem Buch von 2019 wiederholt einen alten iconic turn und eine alte Bilderflut und der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Warburg hatte zu dem Motiv publiziert, eventuell ist Werner Tübke über Warburgs Publikation auf das alte Motiv gestossen.
Teubner, ein Polarforscher, hat mit der Formel "Gerechtigkeit als Transzendenzformel" nicht nur eine Formel von Niklas Luhmann verwendet, also auch verkehrt und verzehrt. Er hat auch die Pathosformel von Aby Warburg verkehrt und verzehrt. Teubner, ein Wildwissenschaftler (Bild- und Rechtswissenschaftler) Luhmann, ein Warburgianer; Warburg,ein Systemtheoretiker. Kafka, ein Jurist: Diese Figuren zeichnen Karrieren und Biographien nach, die zwar unter dem Komplex einer komplexen Gesellschaft arbeiten, aber nur bedingt darunter leiden. Sie alle machen Züge und haben Züge, bei denen die Trennungen und die Assoziationen, di sie durchziehen, anhaltend und durchgehend skalierbar bleiben. Sprich: die Trennungen können groß gemacht werden und klein gemacht werden. Der Abstand zwischen Warburg und Teubner, kann maximal, kann minmal sein - in jedem und durch jedes Detail. Die Trennungen und Assoziationen können sich in einer großen Anzahl von Operationen systematisch halten und in einer kleinen Anzahl von Operationen an minoren Objekten halten. Keine der Figuren ist mit den Wenden, Kehren und Kippen, die sie vollzogen haben, losgeworden, was sie wechselten: Warburg nicht das Bankgeschäft, Kafka nicht die Versicherungsanstalt, Luhmann nicht den Krieg und seinen entfernten Kameraden, der Herrnhuter Teubner nicht den Katholizismus, in dessen geschmeidiger Wendigkeit nichts fragmentiert, alles aber biegsam und gebeugt bleibt. Mussten sie auch nicht und wollten sie vielleicht auch gar nicht, Teubner etwa pendelt gerne in römische Zonen am Mittelmeer zurück.
Wenn die komplexe Gesellschaft die Gesellschaft ist, die nicht mehr alles mit allem verbinden kann und nicht mehr alle mit allen verbinden kann, dann ist MultipliCity (die oder das zwar eine Gesellschaft sein kann, aber keine Gesellschaft sein muss), etwas, in dem Recht, Pastorale und Urbanität, historische und multiple Reiche, Regierungen, Regungen und Regime kooperativ und koextensiv erscheinen und in dem allem durchgehend und anhaltend passieren kann, involviert zu werden. Alles ist verwickelt.
Wenn Luhmann in seinen Notizen zur Konstanz und zum Gleichgewicht glaubt, die vaguen Assoziationen, die Unbeständigkeit mit einer Theorie oder Praxis der Homöostase oder Autopoiesis hinter sich gelassen zu haben, dann können ihn vague Assoziationen und Unbeständigkeit dennoch einholen. Wenn Teubner glaubt, Luhmann hinter sich gelassen zu haben oder Warburg hinter sich gelassen zu haben, können beide ihn einholen. Wenn Warburg glaubt, das System hinter sich gelassen zu haben, kann das System ihn einholen.
Man kann Luhmanns Satz, das Recht sei kontrafaktisch stabilisierte Verhaltenserwartung auch so lesen: Dass die Stabilisierung nicht erfolgt, nicht verwirklich wird, sondern nur Kontrafaktisch bleibt, Illusionen aufsitzt, nur durch Kontrafakturen zu sichten ist und packen kann. Das Kontrafaktische muss nicht das Irreale, Ideale, Ausgedachte oder Abstrakte sein: Das können graphische und choreographische Gegenzüge sein, also selbst faktische Züge, deren Widerständigkeit und Insistenz nur die Richtung kehren, wenden oder kippen lassen.
Ich bringe Aby Warburg nicht unbedingt ins Spiel, um ihn gegen die Systemtheorie auszuspielen (knüpfe aber durchaus an dem alten Gespräch zu Widerständen der Systemtheorie an), sondern um mit einem Vergleich zwischen Warburgs bild- und rechtswissenschaftlichen Summe (den beiden Staatstafeln) einerseits sowie Luhmanns und Teubners Ideen zu Formeln andererseits einen entfernten Systembegriff zu restituieren, den man sogar mit dem römischen Recht und dem Begriff tabula picta assoziieren kann. Der Begriff tabula picta bezieht sich auf graphische und choreographische Züge, die sich dadurch auszeichnen, zweischichtig und damit zweideutig zu bleiben. Was daran Schreiben ist, ist Schreiben im Sinne von Graphik und Choreographie, die Unterlagen haben, und es ist Schreiben im Sinne von etwas, was einen Zug macht und darum einen Zug hat, also als Trakt und Tracht erscheint. Wenn dieses Schreiben Schrift ist, dann ist Schrift in diesem Sinne die Einfalt der Differenz von Auf und Ab, die Einfalt der Differenz von Hoch und Runter, die Einfalt der Differenz von Vor und Zurück, die Einfalt der Differenz Upside/Down und damit vague Assoziation und vague Trennung, wie Cornelia Vismann das brilliant am Beispiel der Verwaltung in den Traurigen Tropen gezeigt hat.
Ich sage Einfalt, nicht Einheit, weil ich das vom Horizont diplomatischer, juridischer und bürokratischer Kulturtechniken sehe - vor allem auch als etwas, was in seiner Zügigkeit (und damit auch unausgefüllten und unerschöpften Zeit) Komplexität gerade darum nicht reduziert, weil es unterkomplex ist und Komplexität gar nicht anrührt.
Wenn das römische Recht jemals systematisch war und den Begriff tabula picta jemals systematisch verwendet hat, dann ist das System das Verkehrende, Verkehrsfähige und Verkehrbare, das Vague und das Vogue. Ich denke, dass Marta Madero das in hinreichender Schärfe rekonstruiert hat. Der Begriff tabula picta dient nicht dazu, Unterscheidungen, Skalierungen oder Musterungen festzustellen und einrasten zu lassen, sondern sie verkehrend, verkehrsfähig und verkehrbar zu halten. Was sich durchsetzt, ist durchsetzt von seinem Anderen, also von dem, gegen das es sich durchsetzt. Durchsetzung ist insofern transgressiv, transversal oder aber diagonal, aber weder Verwirklichung noch Lösung des Problems. Darum baut sich an Pathosformeln eine Geschichte nur und immerhin als ein Geschichte auf, indem entfernte Zeiten, die man längst überwunden dachte, plötzlich vor einem stehen. Nanu, mitten auf dem Cover von Teubner ein Babel-Fisch, ein übersetzender Warburger Zug, man sagt, ein Steinhauer sei involviert gewesen, den Warburg dahin zu bringen. et in systema ego und in sozialen Systemen Warburg. Der Mund ist rund, damit man die Worte darin verdrehen kann. Das Rigide verstehe ich insofern als Teil einer Technik, deren Name Dogmatik ist, die aber nicht unbedingt Stoppregeln verlangt, nur ein Regen, das rigide reicht und einen Regen, der rigide reicht. Nicht das Stoppen ist dogmatisch. Das etwas reicht, das ist dogmatisch. Das Genügen lässt das Selbe ziehen, die Saturiertheit bleibt unersättlich. Einen Vorschlag, den Gratian im Decretum, also im kanonischen Recht gemacht hat, aufgreifend gehe ich davon aus, dass so eine Dogmatik dem Lex Satyrica untersteht.
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fabiansteinhauer · 3 months
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Recht und Gerechtigkeit als Pathosformel
1.
Inwiefern hat Niklas Luhmann in dem Buch zu sozialen Systemen von den erloschenen Vulkanen des Marxismus gesprochen? Präziser gefragt: welcher Genitiv ist dem Autor eigen? Schreibt Luhmann auch vom anfeuernden Marxismus erloschener Vulkane (wie etwa von dem Argument, vergehende Umwelten würden uns im sogenannten Anthropozän bedrängen, die Welt nicht mehr als Kapital zu begreifen) oder nur von den erloschenen Vulkanen des Marxismus? Was ließ Luhmanns Schreiben leben, was hielt dieses Schreiben (für) tot? Die zwar erloschenen, dafür aber ergrünten Vulkane oder/und die feuer- und aschespeienden, dafür aber rotglühenden Ausbrecher? Das ist zwar schwer zu sagen, zu sagen aber ist es.
2.
Aby Warburgs Ikonologie, die Wildwissenschaft ist, weil sie Polarforschung, Bild- und Rechtswissenschaft ist, beantwortet solche Fragen, indem sie solche Fragen an Pathosformeln beschreiben lässt, die entfernte, polare, unbeständige und meteorologische Zeit- Denk- und Spielräume ( "Antike") nachleben lassen sollen, und in denen weder der Tod eine Abwesenheit garantiert noch das Leben ein Versprechen auf Gegenwart erfüllt. Weder Leben noch Tod sind durch Pathosformeln, die nur und immerhin nachleben lassen sollen, garantiert oder gesichert, weder für die Zukunft noch für das Hier und Jetzt, nicht einmal für die Vergangenheit. Es kann sein, dass Pathosformeln eine Geschichte haben, kann aber auch sein, dass sie keine haben.
Pathosformeln sind sedimentär und aufrührbar, einem Geschichte sitzen sie immer auf, nämlich demjenigen Haufen aus Zügen, die normativ, kooperativ und rekursiv schon Züge geben, bevor sich nur ein Säugling erste Fragen stellt oder etwas sich systematisiert. Pathosformeln sind Teil einer Kanzleikultur und einer Welt im Rücken, die Thomas Melle wieder einmal polar genannt hat, die Vismann am Anfang ihrer Geschichte der Akten treffend mit einem Haufen, mit Aktenbergen beginnen lässt und in der noch das weiße Papier ein Haufen, zum Beispiel aus Lumpen, ist.
Gerechtigkeit als Zufall ist ein gealterter und immer noch elliptischer Titel dafür, dass Recht und Gerechtigkeit frei sind, einen melancholischen Kurs nehmen, dessen anderer Name Glück und Unglück oder Fortuna aka occassio, Zufall, ist. Luhmanns Formel als Pathosformel lesen heißt, das beste daraus zu machen, notfalls zu unterstellen, dass er beide Versionen sich angeeignet hat und nicht nur Systemtheoretiker, sondern auch ein praktisch chaotischer Marxist gewesen sein kann, praktisch chaotisch, weil er was durcheinandergebracht hat am akademischen Marxismus. Er hat, wie sein Schreiben nahelegt, die Formel zügig, blind und flugs verwendet.
Vulkane sind meteorologische Grenzobjekte und insoweit Gegenstand einer vergleichenden Meteorologie. Im Recht zieht nicht nur eine vulkanische Pathosformel (befeuernd, löschend oder erloschen) Form und Formlosigkeit durch, ist nicht nur durch Form und Formlosigkeit durchgezogen. Es liegt nahe zu sagen, alle Pathosformeln seien vulkanisch, weil der Pathos eine hohe oder sogar ausbrechende Erregung sei. Ganz falsch ist das nicht, könnte aber nicht scharf genug gesagt sein. Sie sind vulkanisch, weil sie meteorologisch sind, nicht erst seit Descartes. Warburgs Pathos kommt zwar auch haufenweise daher und insofern möglicherweise mit hoher Erregung. Die kann aber bremsen, hemmen, kann also auch aus routinierter Regung ausbrechen. Das Hohe daran muss aber weder sublim, noch souverän, muss nicht herrschaftlich und herrschend sein. Es kann auch minore, niedere, auch niederträchtige Regung sein, auch Wahnsinn, auch Pathologie. Warburg lässt wiederum dasjenige, was an Pathosformeln passioniert, an Passionen privat und was daran wieder pathologisch sein soll, sich nicht nehmen. Er begreift sie in und durch Akte, weil sie Passion/ Passivität und Aktion, insoweit sogar Pathologie und Kuratorium ineineinander übersetzbar machen sollen. Das Ungehörige muss nicht Angehöriges sein. Das Private kann öffentliche Praxis sein. Logik kann rational sein, die Vernunft kann rationiert sein, auch die Pathologik. Treffend wurden Warburgs Formeln in der Literatur auch niedriger, nämlich aus als Ethosformeln beschrieben. Man hat auch die Ethik zu einer polarforschenden Wildwissenschaft, zur Bild- und Rechtswissenschaft gemacht. Die Meteorologie ist zwar rigide räumlich, aber ebenso rigide zeitlich, das einzige Reine an ihr ist das Vorübergehende, ein Kommen und Gehen, vom dem Thomas Hobbes im Leviathan mit vornehmer Zurückhaltung nahelegt, es sei unverbindlich. Schwer berechenbar scheint es, weil es bar jede Berechnung und Bar jeder Berechnung sein kann.
Die Formeln lassen durchgehen, ähneln nicht nur demjenigen, was in rhetorischen Institutionen decorum (Gemustertes und Durchgehendes) genannt wird. Sie können rhetorischen Institutionen auch unähnlich sein und doch wie sie musternd und passierend, musterhaft und durchlassend. Die Formeln sind zwar vague, aber sie sitzen keine Leere auf, sie können sich nur nicht auf eine hylemorphistische Architektur stützen, kein Inhalt diktiert ihnen die Form und das, was sie loswerden sollen. Diese Formeln sitzen keiner Leere auf, sie sitzen schon Durchzogenem und Durchgezogenen, schon Formen und Formosigkeit auf. Pathosformeln ziehen Form und Formlosigkeit durch. Wenn das, weil es auch Distinktionen Züge gibt, Distinktion ziehen oder zeichnen lässt und dabei Zeit-, Denk- und Spielräume unmarkiert stellt, könnte man sie für ein Kalkül nutzen. Das muss allerdings nicht systematisch sein, kann auch meteorologisch sein. Ikonologie als Wildwissenschaft schlägt nicht vor, Gerechtigkeit weder als Kontingenz- Transzendenzformel zu begreifen. Sie rät nicht dazu, in Anbetracht des Imaginären und Realen kein Systemtheoretiker zu sein. Sie schlägt vor, sich vorzustellen, dass Differenzierungen weder ausgehen noch aus sind und dass Selbstreferenzen meteorologisch situiert sein können, größer oder kleiner vorkommen (egal, an was man sie und was man ihnen anhängt), dass sie also durchgehend und anhaltend halbgeschrieben (Nietzsche) werden. Ihr Künstlerbegriff sollte Fremdreferenz und ihr Künstlername Warburgbank lauten. Man könnte Doppelnamen daraus machen, wenn schon Leuthäuser-Schnarrenberger möglich ist, warum nicht auch Selbstreferenz-Fremdreferenz?
Ihre meteorologische Situierung macht die Referenzen nicht löchriger als die übrigen Institutionen der Kanzleikultur. Sie sind weiterhin cum ex nutzbar, obschon die Nutzung ex nihilo ein kurzes und stolzes Gedächtnis verlangt.
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