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#tobias barreto de meneses
fabiansteinhauer · 1 year
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Tobias Barreto de Meneses
1.
Sieben Jahre! Sieben fette Jahre an der Faculdade de Direito in Recife, von 1882 bis 1889, nach mehr als sieben mageren Jahren und nach einem Bewerbungsverfahren, das in Brasilien so legendär ist, wie Friedrich Kittlers Habilitationsverfahren in Deutschland.
Manche Dinge gehen nicht, bis zu dem Moment, wo jemand etwas gehen lässt, in dem er es macht. Der macht es durch, das muss man so sagen. Barreto ist einer der durchmachenden Avantgardisten gewesen [durch ist durch und durch ein bestes Wörtchen, was ist das eigentlich, ein Adverb, eine Präposition oder sogar beides? Anm, FS] Und damit gehört Barreto zu denen, deren Bewerbungen an Kommissionen regel- und gesetzmäßig scheitern.
Sobald mehr als einer über so eine Bewerbung entscheiden muss, kommt kein Konsens zustande. Dann schlägt die Polarität aus und man sagt, einer würde polarisieren, man schiebt ihm (die, alle) Differenz in die Schuhe, wie man das manchmal macht, wenn man von einzelnen Leuten sagt, sie würden spalten, nur um alle auf den eigenhändig vorproduzierten Leim gehen zu lassen. Macht man das lange genug, nennt man es Dantonproduktion oder aber Robespierreproduktion.
Man muss sich nur immer wieder vor Augen führen, dass es in manchen Teilen der Rechtswissenschaft, etwa in manchen Schulen des Öffentlichen Rechts, als Nachteil gilt, wenn jemandem das Urteil anhängt, umstritten zu sein. So kommt das ministrable Teflon an die Leute. Ein Witz für eine Wissenschaft, die den Streit raffiniert und austrägt. Kein Witz: Großzügig, allerdings mit ernster Miene und immer gerunzelten Augenbrauen, die ein bisschen an Professor Unrat erinnern, wird allem möglichen attestiert, eine Gefahr für die Demokratie zu sein, das ist halt jetzt so.
2.
Für alles Gruppierte gibt es Ratgeber und Abratgeber, ab und zu in einer Person, ab und zu in einem Personenklumpen. Für den Rest gibt es Fürsprecher. Barreto hatte einen Fürsprecher, einen einzigen effektiven Fürsprecher, das war allerdings der Kaiser selbst, Dom Pedro de Alcântara, so sagen es die Legenden. Pedro II. ließ die Habsburger Lippe verschwinden, sprich: er war der letzte derjenigen, die so eine deutliche dicke (Unter-)Lippe hatten. Mit seinem Tod verschwand sie und kommt nimmermehr. Das alles will ich gerne glauben. Zumindest dann, wenn auch das Unzüchtige noch Veredlung ist, soll es dem Nietzscheleser recht sein.
Die Lehre, die Rechtswissenschaft, die Forschung: das dreht sich auch um die Vermittlung von Zügen, die man mit einer Vereinzelung assoziiert. Ich meine nicht jene Kulturtechnik, die Fritz Schulz meint, wenn er von der Isolierung römischer Worte spricht. Aber Kulturtechnik meine ich immer, zumindest, wenn es um Recht geht. Das ist eine Technik, die an Denkstil, Machstil, Tustil hängt. Vereinzelung muss man durchhalten, das muss man üben, von alleine kommt nichts, nicht einmal die Vereinzelung. Vesting hat dazu ein tolles Motto geboren, am Anfang war es ein flotter Spruch: Für deine Karriere sind nur du und diejenigen, die dich ablehnen, verantwortlich. Stimmen tut es zwar nicht, aber ein gutes Motto ist es allemal, sowas lässt sich unter kontrafaktischer Stabilisierung gut verbuchen. Ich würde gerne sagen können, Vereinzelung müsse technisch betrachtet und kultiviert werden. Wenn man es dafür im Walde singt, ist es ok.
Onkel Bazon (der Titel leitet sich von Onkel Dagobert und Onkel Donald, also aus Entenhausen ab) hat daraus eine übertriebene Theorie des Künstlers gemacht (und Barreto wird von manchen Leuten wegen seiner Tätigkeit zu Recht und Literatur als Künstler vorgestellt), übertrieben freilich auch in dem Sinne, dass diese Theorie über einem treibt, wenn man so neben Brock steht und seiner Energie nichts mehr entgegenstellen zu hat, weil man, wenn er noch was treibt, schon längst erschöpft ist. Onkel Bazon denkt in dieser Theorie an Exemplare, immer nur Exemplare, an Exempel Christoph Schlingensief zum Beispiel, diese Theorie kann also nicht wirklich falsch sein, sie ist auch nur exemplarisch, keine allgemeine, gesetzmäßige Theorie. Ich denke an Cornelia Vismann zum Beispiel - und es ist halt jetzt so, dass Brock und ich wieder miteinander spazieren gehen können, seitdem in einer Woche erst Schlingensief, dann Vismann starb und wir uns in der Verzweiflung wieder zusammengerauft haben, in traurigen Schnittmengen. Übertrieben künstlerisch ist Bazons Theorie aber auch deswegen, weil das Exemplar nicht auf geniale Typen und starke Männer angewiesen ist, auf keinen Bernini, auf kein Ausnahmetalent, auf keine Ausnahme. Das zu glauben ist Männerkitsch, Männerphantasie. Es braucht nichts von dem, was man seit der Entwicklungsphase vom 15. bis zum 20. Jahrhundert mit Kunst assoziiert, um exemplarisch zu sein, weil alles was dort vorkam auch nur exemplarisch gewesen sein kann. Fürstehendes, Fürsprecher: das hilft dem Rest, allem dem, in dem wir, andere und anderes, kleine vereinzelte Häufchen sind.
Barreto ist ein Exempel, ein Exemplar, eine exemplarische Gestalt. Wenn man Theorie und Geschichte der Rechtssubjekte auch als Theorie und Geschichte von Persönlichkeit schreibt, dann auch als Theorie und Geschichte von Persönlichkeit, die nicht ideal, dafür aber exemplarisch ist. Oder schlicht ein vereinzeltes Häufchen, bis hin zum bucklicht' Männlein. Am Institut für wahrscheinliches und unwahrscheinliches Recht (aka MPI, Frankfurt ) macht das im Moment vor allem Bruno Lima, nicht am Beispiel Tobias Barreto, aber am Exemplar Luiz Gama. Alexandra Kemmerer arbeitet an manchen Tagen in der Nähe des Institutes, nämlich in Seligenstadt, zu Lilly Melchior Roberts, die ist ein Exemplar, beide sind es, denn vor allem Exemplare arbeiten zu Exemplaren und Ideale arbeiten zu Idealen. Isa Weyhknecht-Diehl, ein exemplarisches Exemplar, und dann diese Stimme noch dazu! Die Anwältin Lea Welsch, dann diese Stimme noch dazu! Listen lassen sich lange fortsetzen. Mein Lieblingsspruch, den habe ich von Anna Katharina Mangold, die in vortrefflichem Optimismus sagt: Kennstu eine(n), kennstu eine(n). So ein Kennen übe ich noch, das Wissen darum ist vermutlich nur als Übung zu haben.
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