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Leaving home for Christmas
Nichts erinnert mich an Weihnachten. Nicht das dreckige Grün der Wiesen, nicht der schmutzig-schwarze Bauch der dickwolligen Schafe auf den Weiden, nicht der lautlose Schwung der Windräder im tosenden Wind, der sich dem Rauschen des Zuges fügt und ein paar einzelne, dünne Regenlinien auf die Scheiben wirft. Ein heller Lichtstreifen tut sich am Himmel auf, verleiht dem Weidevieh ein fast goldenes Kleid, die andere Hälfte der Herde bleibt im Schatten, grast unbeirrt weiter, als hätte ihr die Sonne nicht gerade einen ihrer letzten freundlichen Dezembergesten angeboten.
Alles erinnert mich an Weihnachten. Der weite Blick durch das Fenster, das Kitzeln im Mundwinkel, das Kribbeln in den Fingerspitzen. Die Ungewissheit in der Vertrautheit, die Vertrautheit des Ungewissen. Kurz blitzt die in der Ferne geglaubte Nähe im Spiegelbild auf, der heilige Gral zeigt sein Gesicht – löst sich auf und hinterlässt ein Schmunzeln.
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28. November 2019 | Hamburg S-Bahn
Mit Omi telefonieren
„Ja, Omi, mach ich.“
Ihre Stimme ist hoch, die Lippen sind spitz.
„Ich meld mich Samstag oder Sonntag wieder bei dir, ja, Omi? Versprochen, Omi!“
Sie spricht mit ihrer Großmutter am Telefon wie mit einem Kind, klingt selbst wie ein Kind, ich schätze sie auf etwa zwanzig Jahre.
„Und grüß Opa von mir, ja, Omi? Ja, Omi, bis dann, Omi, ja, danke. Tschüss, Omi!“
Sie lässt ihr Smartphone in den Schoß, ihr Kinn in Richtung Brust sinken, bevor sie den Kopf wieder aufrichtet, kurz schüttelt, die blonde Mähne durchschüttelt. Ich sehe ihr, die sich vor einer Minute telefonierend mir gegenüber hingesetzt hat, das erste Mal voll ins Gesicht. Und ich sehe eine junge, erwachsene Frau, etwa Anfang dreißig, vor mir. Ihre Lippen bilden eine breite Linie, ihre Augen sind klein, das Gesicht kantig. Alles Kindliche ist aus ihr verschwunden. Nur der Nachhall ihrer hellen, ihre Omi aus der Ferne liebkosenden Stimme klingt noch in meinen Ohren.
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26. November 2019 | Hamburg S-Bahn
Der Wasserangriff
Drei Frauen und ein Mann, alle etwa Mitte bis Ende dreißig, sitzen in der S-Bahn in einer Viererbank und fahren spätabends nach Hause. Sie scherzen miteinander, lachen, sind offensichtlich angeheitert und guter Laune.
Plötzlich nimmt er seine Wasserflasche, schüttelt sie kurz, öffnet sie und hält sie in die Mitte der Runde. Eine große Wasserfontäne schießt den beiden Frauen ihm gegenüber in die Nase und ins ganze Gesicht. In einer schnellen Handbewegung stellt er die Wasserflasche neben sich auf dem Mülleimer ab.
Es wird still. Die Welle zieht sich zurück, macht sich bereit für die Brandung. Die Gesichter der Frauen laufen rot an, verziehen sich, der Atem wird zurückgehalten, Anlauf genommen. Dann prusten sie los wie zuvor die Wasserflasche.
Ihr Lachen schallt durch den Wagen und im selben Moment beginnen sie, wild durcheinander zu reden. Die dritte Frau im Bunde, die trocken geblieben ist, zückt ihr Smartphone und fängt an zu filmen.
Der Wasserangriff kam so plötzlich aus dem Nichts, dass auch der Angreifer zunächst hinter dem Überraschungseffekt verborgen bleibt. Und so rätseln sie eine Weile, was gerade eigentlich genau passiert ist. „Hä?“s und „Ha!“s vermischen sich zu einem an- und abschwellenden Gegacker, bis die Realität durchsickert und die beiden Damen das ganze nasse Fiasko in ihren Gesichtern, Schößen und am ganzen Körper bemerken. Die Filmende wird darum gebeten, ihr Handy runterzunehmen, die Tatwaffe wird inspiziert.
„Du hast ja fast die ganze Wasserflasche auf uns ausgeleert!“, stellt die am meisten Geschädigte fest. „Und noch dazu das gute Evian-Wasser für drei Euro. Aber kann man ja machen, wir sind halt die Bonzen-Kinder aus Harburg-City!“
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23. November 2019 | Hamburg Bus
Arbeit und andere Tagesbeschäftigungen
„Voll geil, ich konnte mir die Arbeitszeit jetzt frei einteilen, das heißt, ich arbeite ab sofort immer von 10 bis 16 Uhr, voll geil!“
„Aber warum machst du das so? Ich würd ja einfach drei Tage jeweils zwölf Stunden arbeiten und dann dafür den Rest der Woche frei.“
„Nee, dann sind die drei Tage ja voll im Arsch. Und was soll ich dann die anderen Tage? Was soll ich denn zum Beispiel an so einem Donnerstagmorgen machen?“
„Na, Bescheid geben, mit mir saufen gehen!“
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11. Oktober 2019 | Hamburg S-Bahn
Vom Reden und Zuhören
Zwei etwa 15-jährige Mädchen sitzen sich in der S-Bahn gegenüber und unterhalten sich. Die eine spricht, die andere hört zu. Ihre nasale Stimme plätschert wie ein Wasserfall, der immer wieder an großen Felsen hängen bleibt, vor sich hin, sie ist aufgeregt, ihre Augen springen hin und her.
Ihr Gegenüber hat ihre großen braunen Augen weit aufgerissen, auf die Freundin gerichtet, doch ihr Blick ist nicht fokussiert. Immer wieder gleitet er für ein, zwei Sekunden aus dem Fenster, doch sie wagt es nicht zu blinzeln, dirigiert sich schnell wieder zurück, äußert dann und wann sogar kurz verbal ihre Zustimmung.
Die Fenster der S-Bahn sind geöffnet, laut durchbricht das Rauschen und Quietschen des alten Zuges auf den Schienen unsere Gedanken und Gespräche. Die Sprechende gerät ins Stottern, sie steht kurz vor dem Höhepunkt ihrer Erzählung, kommt ins Rudern, hält nach einem rettenden Ast Ausschau, bevor sie von ihren eigenen Worten über die emotionale Klippe gespült wird, die sie sich selbst geschaffen hat. Das Nicken ihrer Freundin wird energischer.
Die Erzählende stockt, senkt den Kopf, greift in ihre Jackentasche und holt ihr Smartphone hervor. Ihre Begleitung ruht ihre Augen auf der Fensterscheibe aus. Der Zug schaukelt uns quietschend in die nächste Haltestelle. Nach einer kurzen Blick- und Fingerakrobatik auf ihrem Handy legt sie es wieder weg, wärmt ihre Stimme mit einem leisen Murmeln auf, das auch ihre Freundin zurück aus ihrer Trance holt. Beide richten sich in ihren Sitzen auf, schauen sich an. Ein Stein löst sich aus dem Flussbett und entlässt den Strom, der nach einer Weile wieder aufgeregt vor sich hin plätschert.
Zwei etwa 15-jährige Mädchen sitzen sich in der S-Bahn gegenüber und unterhalten sich. Die eine spricht, die andere hört zu.  
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30. September 2019 | Hamburg
Im Sog
Der Feierabendstrom bewegt sich durch das Labyrinth aus Bahnsteigen, Rolltreppen, Treppen, U-Bahn-Aus- und Aufgängen, langen Fluren zu den S-Bahnen, nur manchmal ausgebremst von verirrten Touristen, die an den Schildern zum Halt kommen oder am Treppenabsatz erst einmal wilde Blicke um sich werfen.
Ich höre ihn, bevor ich ihn sehe. Er steht an der Ecke des Blumenladens, lässt den Menschenfluss aus den Bahnlinien aus allen Richtungen auf sich einbrechen. Groß und breit steht er da, den beigen Trenchcoat lässig um den Körper geschwungen, die rechte Hand in die Hosentasche gesteckt. Er trägt volle Anzugmontur bis hin zur Weste und blau gemusterten Krawatte.
Sein helles Lachen hallt durch die Gänge. Erst als ich schon fast an ihm vorüber bin, sehe ich ihn, hebe meinen Kopf, blicke nach oben, um ihn in seiner ganzen Pracht zu betrachten. Er lacht aus voller Brust, sein ganzer Oberkörper hüpft dabei. Ich kann mich nicht aus dem Sog befreien, nicht aus dem der anderen Fahrgäste, die mich mit die Treppe hinuntertragen, nicht aus seinem. Ich werfe den Kopf nach hinten. Er lacht noch einmal auf, lacht ins Handy, das er locker an sein linkes Ohr hält.
„Alles klar, meine Süße“, schallt seine Stimme über die Köpfe hinweg. „Ich hab dich lieb!“
Dann legt er auf. Und ich werde um die Ecke geschoben.
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12. September 2019 | Hamburg Supermarkt
Das Alter eines Herzens
Drei Jugendliche stehen im Supermarkt zwischen den hohen Getränkeregalen und schauen ernst.
„Das kommt drauf an, wie alt dein Herz ist. Wie alt ist dein Herz?“
„Hä?“
„Mein Herz ist vierzig Jahre alt.“
„Aber…“
„Mein Herz ist vierzig Jahre alt, also nur drei Jahre jünger als meine Mutter.“
Betretenes Lachen. Dann schauen sie wieder ernst zu Boden.
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1. September 2019 | Hamburg Fernverkehr
Das ist immer so laut
Ein älterer Herr sitzt im mittleren Bereich des Waggons im ICE von Berlin nach Hamburg und telefoniert.
„Das hier ist der Ruhebereich“, flüstert ein junger Mann am anderen Ende des Wagens seiner Begleitung zu, „da ist telefonieren verboten.“ Seine Begleitung schaut ihn mit gekringelten Augenbrauen an.
„Und der da telefoniert lautstark.“ Er deutet mit dem Kinn in Richtung des Mannes, der im breiten Hamburger Schnack gegen die schlechte Mobilfunkverbindung ankämpft. Wiederholt erklärt er seinem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, wann er am Zielbahnhof ankommen wird. Endlich hat der verstanden. Laut ist das Gemurmel aus dem Telefon zu hören.
„Hast du eigentlich vorhin schon mal versucht anzurufen?“, fragt, oder eher ruft, der ältere Herr ins Telefon. „Hallo? Hat der jetzt aufgelegt? Hallo? Er hat einfach aufgelegt!“ Empört lässt er das Handy sinken.
„Musst du so laut telefonieren?“, fragt seine Frau, die neben ihm sitzt.
„Das ist immer so laut“, erklärt er, in gleichbleibender Lautstärke, „ich bemerke das auch immer bei anderen, das ist beim Telefonieren halt immer so laut.“
Ihr weiterer, sehr leiser, Protest geht unter, da ihn sein abrupt beendetes Telefonat noch immer beschäftigt.
„Ich wollte nur wissen, ob er schon mal angerufen hat, aber da hat er gar nicht drauf geantwortet, sondern einfach aufgelegt!“
Ich prüfe die kaum nennenswerte Signalstärke auf meinem Handy und schaue dann aus dem Fenster in den goldenen Sonnenuntergang, der sich über den weiten Wiesen ausbreitet. Und auch er wird still. Bis ihm eine Geschichte einfällt, die er seiner Frau und dem ganzen Wagen sogleich lautstark erzählt.
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31. Juli 2019 | Hamburg Bus
Umkippen
22:30 Uhr. Polizeieinsatz. Sperrung der S-Bahnstrecke über die Elbe. Der einzige Bus auf dieser Strecke fährt nur alle halbe Stunde. Nach zwanzig Minuten Wartezeit großes Gedrängel. Der Bus rappelvoll. Dann der altbekannte Tanz im Türbereich. Der Busfahrer dirigiert gut gelaunt. Dann geht’s los.
„Das Gute is, Leudde“, meldet sich der Busfahrer an der nächsten Kreuzung, „umkippen is nich!“
Verhaltenes Gelächter im Bus. Die nächste Haltestelle wird angesagt.
„So, Leudde, wenn hier wirklich jemand aussteigen muss, soll der mal kurz schreien, weil ihr natürlich alle die Knöpfe drückt, wenn ihr dagegenlehnt. Is halt mal so. Also am besten laut schreien, damit ich weiß, wenn wer rausmuss.“
Stille. Nachdem man sich schweigend darauf geeinigt hat, dass keiner vorhat auszusteigen, werden einige Wunschhaltestellen in den beengten Raum geworfen. Dann widmet man sich wieder seinen Gesprächen und gleitet durch die Nacht.
Einige Zeit später ein zaghaftes Rufen.
„Hier muss einer raus!“, übernimmt eine starke Frauenstimme das Kommando. Der Bus hält an, einer steigt aus.
So schaffen wir es schließlich geschmeidig in kuscheliger Runde über die Elbe. Kurz vor der Haltestelle, an der wieder S-Bahn-Anschluss besteht und ein Großteil auszusteigen plant, wieder das Knacken der Lautsprecheranlage.
„Leudde, ich hab was vergessen…“
Gespannte Stille.
„Habt ihr alle Fahrkarten?“
Schallendes Gelächter.
„Nee, wir fahren alle schwarz!“, ruft die Frauenstimme wieder durch den Bus. Erheitertes Gemurmel.
„Ich auch, Leudde, jeden Tag!“
Und dann kommen wir an. Ohne umzukippen.
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18. Juli 2019 | Hamburg Bahnhof
Wohin du mich führst
Zwei Menschen stehen Schulter an Schulter am Bahnsteig. Gerade aus der Regionalbahn ausgestiegen haben die junge asiatische Dame und der zwei Köpfe größere Mann mit dem graumelierten Dreitagebart nur einen Schritt aus dem Zug gemacht und sind dann einfach stehen geblieben. Die Rücken zum Zug, der sich gerade wieder abfahrbereit macht. Und so stehen die beiden, ihre rechte Schulter an seiner linken Schulter, kaum, dass sie sich berühren, in ihrer linken Hand ein Blindenstock, in seiner rechten Hand ein Blindenstock.
Der Zug fährt ab, rauscht hinter ihren Rücken vorbei und sie stehen unbeirrt, lächelnd.
Eine Frau mit kurzen, weißen Haaren betritt den Bahnsteig, geht im Grollen des abfahrenden Zuges auf die beiden zu, langsam, bedächtig. Im Näherkommen öffnet sie die Arme, breitet ihren Körper aus, wie sich auch ihre Mundwinkel ausbreiten, um die beiden dann in eine große Umarmung zu nehmen.
Erschrocken quietscht die Asiatin auf. Lachend liegen sich die drei ein paar Sekunden lang in den Armen. Dann lösen sie sich voneinander und von der Bahnsteigkante, wechseln fröhliche Worte. Um sich dann erneut zu formieren.
Die kurzhaarige Dame geht vor, der Mann greift ihr hinten an den kleinen Rucksack, die Asiatin legt ihre Handfläche auf seinen Rücken. Langsam ziehen sie so über den Bahnsteig, die Blindenstöcke unter die Arme geklemmt, die Hand des anderen im Rücken. Nur eine kleine Berührung voller Vertrauen und Vertrautheit.
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Hafengespräche
"Is ja nix passiert." "Ja, er hatte Doofen-Glück." "Aber is 'n feiner Jung."
17. Juli 2019, Hamburg
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14. Juni 2019 | Hamburg S-Bahn
Morgenlachen
Vier Business-Männer oder Anwälte oder Mitglieder einer anderen Berufsgruppe mit entsprechender Bekleidungsetikette betreten am frühen Morgen den Zug. Der eine in voller Montur, eleganter Anzug inklusive Sakko, Krawatte und Weste, polierte Schuhe. Ein zweiter mit Anzughose und weißem Hemd, ein dritter hat das weiße Hemd, den sommerlichen Temperaturen angemessen, mit einer kurzen Hose kombiniert. Alle drei etwa in ihren Endvierzigern oder ein paar Jährchen älter. Der vierte im Bunde versackt ein bisschen in seinem grau-braunen Anzug, schlüpft leise hinter den drei anderen in den Waggon. Er ist etwa zwanzig Jahre jünger als seine Kollegen und wohl noch nicht so lange im Amt. Aufmerksam hört er den anderen zu, die, im Türbereich zum Stehen kommend, in ein heiteres Gespräch vertieft sind. Die Herren sind wohl auf dem Weg zu einem Meeting.
„Wir müssen am Hauptbahnhof raus, oder?“
„Ich bin gespannt, wie es wird.“
„Was wollen die denn?“
„Nichts“, sagt der eine. Die zwei anderen schauen sich spitzbübisch an.
„Maoam! Maoam!“, rufen sie unisono und verbreiten ein fröhliches Lachen.
„Ich denke mal, Herr Wartke wird erst einmal wieder erzählen, wie er geboren worden ist.“
„Na, das kann dann ja eine Stunde dauern.“
„Wie immer.“
„Herr Wartke, können Sie das nochmal erklären? Wie war das damals noch genau?“
Gelöste Stimmung unter den Herren, die Augen des Jünglings glänzen, seine Augenfältchen werden tiefer. Die Sonne lacht durch das Fenster.
„Die haben halt kein Geld für den Ausbau“, geht das Gespräch im Zickzack weiter.
„16 Millionen!“
„Wer kauft sich auch ein Auto, obwohl er dann kein Geld mehr fürs Benzin hat!“
Zustimmendes Gelächter. Der junge Kollege schiebt sich noch etwas weiter in den Kreis, umklammert dabei auf der einen Seite die Haltestange, auf der anderen seine Aktentasche. Ansonsten ist es still im Waggon. Wie meistens am Morgen. Nur die Gruppe der vier heiteren Herren lockert die Runde auf und bringt uns leicht in den letzten Arbeitstag vor dem Wochenende.
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Und dann liegt sie im Bett neben mir und sieht noch immer so knuddelig aus mit ihren 75 Jahren.
Ein älterer Herr zu seinem Freund an der Straßenecke.
13. Juni 2019, Hamburg
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7. April 2019 | Hamburg
Ein Sonntag im April
Ich sitze am Alsterkanal und blicke auf die Villen am anderen Ufer, die gepflegten Gärten, den frisch gemähten Rasen. Ich höre Stimmen von den Terrassen, doch Menschen sehe ich nicht.
Dann, ein Mann, kurze Hose, weißes Hemd, fein säuberlich in den Hosenbund gesteckt, eine Kappe gegen die Sonne, Sandalen, wagt sich durch den Rasen zum Wasser. Er telefoniert. Und während er telefoniert, stapft und schlendert er durch den Garten, bleibt auch mal stehen, um aufs Wasser zu blicken, in meine Richtung.
Am Nachbarhaus taucht eine Frau auf der Terrasse auf, bleibt oben an der Treppe stehen, die hinunter zum Garten führt. Luftige Leinenhose in Beige, ebenso beige Leinenbluse, deren Ärmel in der leichten Frühlingsbrise wehen. Auch sie ein Telefon am Ohr.
Die Augen aufs Wasser gerichtet, der Blick in die Ferne, ans andere Ende der Leitung. Sie drehen sich um hundertachtzig Grad, die Telefonate sind beendet. Sie verschwinden hinter den Bäumen, Büschen, Säulen, Mauern.
Die Gärten sind wieder leer. Ein Schwan gleitet durch den Kanal. Ein Hubschrauber durchbricht die Stille. Ich sitze am Alsterkanal und blicke auf die Villen am anderen Ufer. Die Sonne wandert durch die gepflegten Gärten, dicht gefolgt von den Schatten auf dem frisch gemähten Rasen.
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3. April 2019 | Hamburg S-Bahn
Schlechte Nachrichten zum Feierabend
„Sie meinte dann so am Telefon, ich soll ja nicht anfangen zu weinen, und ich bin schon am Auflegen und fang natürlich sofort an, zu weinen. Da denkt man, man ist schon 30 Jahre alt, aber es ist egal, wie alt man ist, wenn’s um die Mutti geht, dann ist es vorbei. Weißte, da arbeitet man den ganzen Tag am Dom und dann so ’n Mist zum Feierabend. Warte mal kurz, ich will nicht unhöflich sein, aber sie schreibt grad schon wieder zurück. Weißte, dann sagt sie, der Tropf ist jetzt fast durch, sagt sie einfach so. Aber sie ist halt selbst Krankenschwester und ich sag immer, irgendwann wirst du halt berufsabgestumpft. Aber ich, nee, ich kann das gar nicht. Und dann ist man halt nicht mal in der Nähe und auf der Arbeit und kann nichts machen. Nee, ich mag das nicht.“
„Ich kenn das. Mein Vater ist ja auch letztes Jahr gestorben...“
„Sag bloß nicht, auch Herzinfarkt, sonst dreh ich noch durch, das sag ich dir.“
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29. März 2019 | Hamburg Bahnsteig
Am Kiosk an der Brötchentheke
„Was ist denn da so drauf?“
„Wir haben Schinken, Pute und Käse.“
„Pute und Käse?“
„Ja, wir haben eines mit Pute und eines mit Käse.“
„Haben Sie auch eines, wo beides drauf ist, Pute und Käse?“
„Nein, leider nicht.“
„Aber ich will eines, wo beides drauf ist…“
Niedergeschmettert zieht er von dannen.
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27. März 2019 | Hamburg S-Bahn
Getrennte Wege
Wir stehen am überfüllten Bahnsteig und warten, bis die Schar an Fahrgästen aus dem soeben eingefahrenen Zug aussteigt, um selbst einzusteigen. Dazu versammeln wir uns in trichterartiger Formatierung an den Türen.
Ich stelle mich an die Tür links. Das ältere Ehepaar stellt sich in die Menge an der Tür ein paar Meter weiter rechts. Schritt für Schritt wagen wir uns nach vorne. Er sieht sich um, mustert die Menschentraube, in der ich stehe, dann löst er sich aus seiner und reiht sich in meine ein. Sie bleibt alleine stehen.
Wenige Sekunden später sieht sie sich nach ihm um, entdeckt ihn in der Nachbarmenge, geht zur anderen Tür, stellt sich hinter ihn. Wütend klopft sie ihm auf die Schulter.
„Du hättest auch was sagen können, dass du weggehst.“
Er sagt nichts.
Wir drücken uns Körper um Körper in den Zug. Sie betritt den Zug vor ihm, entdeckt noch ein paar freie Sitzplätze, schlängelt sich durch, lässt sich fallen. Er betritt den Zug, bleibt stehen, lässt alle anderen an ihm vorbei, lehnt sich an die Trennwand zum Sitzbereich. Fremde Menschen setzen sich zu ihr, während er im Türbereich verweilt. Sie hebt den Kopf, sucht ihn. Er starrt aus dem Fenster.
Der Zug fährt los. Dann und wann ist ein kurzer, aber lauter Benachrichtigungston zu hören. Er holt das Handy aus der Tasche, tippt herum, lässt den Arm wieder sinken, dann wieder der Benachrichtigungston. Nach einer Weile holt sie, ein paar Meter weiter auf ihrem Platz sitzend, ihr Handy aus der Tasche hervor, wirft einen Blick darauf, doch da ist nichts. Sie lässt den Arm wieder sinken. Wir fahren schweigend weiter.
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