Liste: Die 25 besten Alben 2018
Wem es noch nicht aufgefallen ist: Dieser Blog kennt keine Zweifel, es gibt nur Imperative. Deswegen stand es auch nie zur Debatte, die Liste der 25 besten Alben des Jahres vielleicht doch nicht zu veröffentlichen, oder sich zwischenzeitlich eingetroffenen Erkenntnissen über das vergangene Musikjahr zu beugen. Nein, es sind unten stehende Platten, die ich vergangenen Dezember für die besten hielt, lediglich die Texte sind teils frisch. Die Daumen bleiben derweil weiter gedrückt für den Musikjournalismus, dem es 2018 nicht allzu gut ging und zu dem Blogs wie dieser hier, ganz zu schweigen von noch schlimmeren, keine Alternative sind. Wir hören spätestens im Dezember voneinander.
25. Pilz/Tod / Geburt
Spoiler Warnung, aber: Beim erneuten Durchgehen meiner Liste ist mir aufgefallen, dass “Tod/Geburt” tatsächlich das meiner Meinung nach beste Deutschrap Album 2018 geworden ist. An wem das nun genau liegt, soll an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden, gebührt Pilz doch jedes Lob für eine Platte, die mit stabilen Beats, hervorragender Themenwahl und vor allem einer unfassbaren Attitüde aufwartet. Zu Unrecht vielerorts unter ferner liefen gelaufen.
24. A$AP Rocky/Testing
A$AP Rocky hatte das Gegenteil eines guten Jahres. Nachdem die euphorischen Stimmen zum weit weniger als gewohnt hitsicheren “A.L.L.A.” die pessimistischen, warnenden locker ausstechen konnten, schienen jene, die sich trauten, “Testing” zu loben, stets ein bisschen ahnungslos dem Titel und seiner Programmatik verfallen. In der Tat schleichen sich irgendwann kleinere Längen ein, tendenziell, wenn Rocky alleine agiert, doch alleine die erste Hälfte dieser Platte ist schlicht unschlagbar, vor allem dank permanent rotierender Szenarien, durch die Rocky lediglich genialisch-benommen stolpern muss.
23. Cupcakke/Ephorize
“Ephorize” ist nicht nur die dritte Rap-Platte in dieser Liste, sondern auch die dritte, die nicht restlos (Beats könnten ausgebuffter sein, Strukturen waghalsiger), aber eben mit Charakter überzeugt - im Gegensatz zu Rocky ist es nämlich eben gerade Cupcakke, die ihr Album zum Faszinosum macht.
22. Bilderbuch/Mea Culpa
Die Welt war so ein bisschen überfordert, als Bilderbuch so kurz vor Abgabeschluss mit “Mea Culpa” unbedingt noch ein neues Album in den Äther ballern mussten, und reagierte hektisch entweder schulterzuckend-abkanzelnd oder überschwänglich lobend. Tatsächlich haben sich Bilderbuch nach dem irgendwo zwischen Entwicklung und Hit-Lieferantentum operierenden “Magic Life” hier für den Schnitt entschieden. House, Gigantomanie, 90s-Lounge, seichter Pop, all das wird so gebacken, dass es in kein Maul passt. Dazu überstilisierte Sorglosigkeits-Eskapismus-Lyrics. Mit mehrmonatigem Abstand lässt sich mit Sicherheit sagen: taugt.
21. Bosse-de-Nage/Further Still
Zwei Leute: Bryan Manning, der sich weltverloren in mal morbide, mal diffuse, oft belanglose Kurzgeschichten steigert und Harry Cantwell, der jedem Song seine scheiß tranzdentalen Federn stutzt und die Anderen in der Band einfach verdrischt. Sehr guter Black Metal.
20. Robyn/Honey
Nach acht Jahren konnten neun Tracks irritieren, aber irgendwie waren alle einfach froh, Robyn wieder unter uns zu wissen. “Honey” bestätigt dann auch die dumpfe Gewissheit, dass einfach niemand in der Lage ist, derart charmante Musik zwischen expressionistischer Disco, Engtanz und Beachvolleybal zu platzieren, wie die Schwedin.
19. Mitski/Be The Cowboy
“Be The Cowboy” macht es niemandem so richtig leicht, gerade weil Mitski ihre Größe so beharrlich im Fragment sucht, Blech und Äther und Tanzpop zu einem Mosaik knüppelt, das in seiner Schlichtheit oft unbegreiflich ist. Vielleicht ist auch alles anders, aber gerade wegen dieses Zweifels kommt man Monat für Monat zurück, nur um zu wissen, ob dieses Album wirklich so ist. (Ja, ist es.)
18. Rejjie Snow/Dear Annie
Es ist die Platte, die Tyler, The Creator warum auch immer nie machen konnte, und weil das wohl mittlerweile alle verstanden haben, hat Rejjie Snow sie eben gemacht. N*E*R*D werden in Gedenken an Jazz aufgedröselt und zu einem Coming-Of-Age-Musical zusammengekehrt. Einzelne Songs funktionieren nicht so gut, "Dear Annie" umso besser.
17. Idles - Joy As An Act Of Resistance
Es scheppert, ist mit Post Punk ebenso wenig erfasst wie ‘77 und will dabei eigentlich gar nicht anstrengen. “Joy As An Act Of Resistance” nimmt so ziemlich alles an sich ernst und weiß, wo Schweigen angebracht ist.
16. Cloud Nothings - Last Building Burning
Cloud Nothings hatten sich die Reise zurück in die Stille so schön als Pop-Punk-Revue ausgemalt, doch die Leute wollten sie noch nicht gehen lassen. Deswegen steigt Dylan Baldi eben doch nochmal in den Ring, mit Krach ohne Grund, Frustration und Free Jazz. Es müsste falsch sein, wäre es nicht einfach Rockmusik.
15. US. Girls - In A Poem Unlimited
Musik, die heruntergewirtschaftete Genres nochmal auf den Tisch packen möchte, ist oft peinlich, "In A Poem Unlimited" aber aus verschiedensten Gründen nicht. Unter anderem weil: Meg Remy es musikalisch so sorgfältig und textlich so dringlich macht, ohne den Reizen der Patina einfach naiv zu erliegen. Früher war nicht alles besser, sonst bräuchte es ja Platten wie diese nicht.
14. Interpol - Marauder
Kommt her, Interpol-Fans aller Länder, versammelt euch unter der kuscheligen Decke, die Fogarino, Banks und Kessler für uns ausgeschlagen haben. Keine Angst, die Touristen, die wegen "El Pintor" mal wieder was von New York und Indie wissen wollten, sind schon wieder Zuhause. Also raus aus der Anzug-, rein in die Jogginghose, damit wir uns alle krumm machen können, wie dieses Album, bei dem Interpol die Zügel so aus der Hand geben, dass alles verrutscht und wir durch gänzlich neue Bahnen rutschen können, ohne dabei diese erdrosselnde Wärme zu vermissen, an der manche von uns unterwegs so gerne erfroren sind.
13. Emma Ruth Rundle - On Dark Horses
Andere haben Emma Ruth Rundle vorher verstanden, für mich war es dieser sachte Abstieg in Dark-Psych-Folk-Metal, der denn Reiz dieser Musik Song für Song ausbuchstabieren musste, um ihn begreifen zu können. Immer knapp am Kollaps operierend, mit dreißig Jahren Singer/Songwriter-Musik von Menschen, die keine Singer/Songwriter sein wollen im Gepäck und einem guten Gespür für fusselige Texturen, in denen unbedarftes Publikum verlorengehen darf.
12. Die Nerven - Fake
Eigentlich dürfte so ein Album gar nicht funktionieren, eigentlich müssten die Nerven als Band auch einfach auserzählt sein, aber irgendwie ist "Fake" das unverdiente Einserabi von drei Filous aus der letzten Reihe geworden.
11. Yves Tumor - Safe In The Hands Of Love
Erst weiß man Bescheid: Sample-Kram, Brainfeeder beeinflusst, aus Tradition bei Warp unterschrieben, alles klar, bin dabei, mal eben kurz. Dann bricht aber leider alles ein, Pop übernimmt. Noise knaustert die Papiere zusammen. Bei Warp ist das trotzdem richtig aufgehoben, aber weniger wegen des Sounds, sondern weil hier jemand an der Zukunft interessiert ist.
10. Death Grips - Year Of The Snitch
Schwierig zu sagen, wo sich Death Grips gerade in ihrer Karriere befinden. Nach dem Statement “The Power The B” täuschte “Bottomless Pit” den Mindfuck an, gab sich dann jedoch erstaunlich gefällig. Bei “Year Of The Snitch” ist es anders rum: “Streaky” bleibt eine Ausnahme, stattdessen ist es wirr, kaputt, was man erst erkennt, wenn man sich mal von den Klischees rund um Death Grips verabschiedet. Ist eigentlich auch nötig, weil hiermit bereits das zweite Album einfach regulär erschienen ist, ohne Leaks und Trennungen und Serviettennachrichten. Das Management des Übergangs in die eher wieder normale Phase dieser Band läuft gut, bleibt dran!
9. Dödsrit - Spirit Crusher
Wenn Crust und Black Metal zusammenkommen, denkt man eher an so kleine, fiese Passagen, an den Dreck und Hass als gemeinsamen Nenner. “Spirit Crusher” flickt beide Genres aber an einer Transzendenz zusammen, von der man gar nicht wusste, dass sich das ausgehen könnte. Keine Bewegung, nur ein, zwei, drei, vier unbequemes Kratzen.
8. War On Women - Capture The Flag
Eine Schelle, eben weil die pfeilschnellen Songs des Debüts hier richtig aufgelockert wurden, mit mehr Alternative, Thrash eher im Sound als im Spiel und vor allem einer Attitüde, die keine Kompromisse kennen möchte, ist das zweite Album der nach wie vor formidablen War On Women geworden. Eigentlich dürfte das alles gar nicht so viel Spaß machen, aber.
7. Haru Nemuri - Haru To Shura
Verstehen lässt sich “Haru To Shura” nicht, wohl aber durchleben, und damit hat Haru Nemuri dann doch ziemlich genau das gemacht, was Rap 2018 laut einiger Experten auszeichnet. Freilich nicht nur versierter und überdrehter, sondern versetzt mit Alternative-Girl-Group-Glitch-Rockismen, die nach Luft schnappen lassen.
6. JPEGMAFIA - Veteran
"Veteran" rauscht vorbei, ist anstrengend, und zusammengenommen irritiert das. Sieht man sich dann einmal ein paar Gesprächsfetzen mit Peggy an, merkt man schon, wo das alles herkommt, fragt sich aber doch, wie das so rauskommt. Blubbertechno, Glitchgeballer, und eben nicht MC Ride, sondern so ein reptilienhaftes Winden und Keifen und bisweilen auch Säuseln. Sollte man vielleicht auch nicht zerdenken.
5. Anna von Hausswolf - Dead Magic
Es muss schon dieses ganze Album sein und verstehen zu können, wie Anna von Hausswolf hier gegen Ende der Dekade die Spuren zwischen Indie, Folk, Doom und Drone vollends verwischt, um zu einer eigenen Form von Überwältigungsmusik zu gelangen, die eben so knochig wie knochenbrechend ist. Hätte Michael Gira nicht rechtzeitig die letzte Swans-Phase beendet, vielleicht hätte er sich die Zähne an diesem Entwurf ausgebissen.
4. Tocotronic - Die Unendlichkeit
Der Manierismus hätte daneben gehen können, ebenso wie die autobiographische Nabelschau. Tocotronic lehnten beides jedoch so beweglich aneinander, dass sie nach den (meiner Meinung nach gerade richtigen) strauchelnden 10er Jahren alle abholen konnten, die unterwegs warum auch immer hängengeblieben waren. Eingefasst von Überlegungen zur Unsterblichkeit, zur Bühne und vielleicht auch zum Rock wuseln sich Zank, Müller, von Lowtzow und McPhail durch die Musik ihres Lebens, ziehen die richtigen Referenzen, teils dreist direkt, teils toll überblendet, und generell: Wie Dirk da teils Details fokussiert, Szenerien verschwimmen lässt, Begebenheiten abstrahiert und Brücken baut, zählt zu den richtig guten Momenten dieser an richtig guten Momenten nicht armen Karriere.
3. Kero Kero Bonito - Time'n'Place
Zwischendrin habe auch ich gedacht, dieses Album sei irgendwie scheiße, von den Singles und Twists besser gehypt, als es letzten Endes ist. Aber Leute: Schlagt euch mal den Kaugummi in die Backe, legt euch einen Lavalampenfilter über das Display, scrollt dann munter durch die Timelines, lasst euch von diesen 2018er Foo Fighters beballern und erzählt mir am Ende, das hätte gar nichts mit euch gemacht, oder schlimmer noch - das hätte keinen Sinn ergeben. Typen wie euch verwandeln Kero Kero Bonito einfach in GIFs. Rock hatte abseits von dieser Platte keine Relevanz in diesem Jahr.
2. Kids See Ghosts - Kids See Ghosts
2018 war unter anderem das Jahr, in dem man bei Kanye nicht nur nicht mehr mitkam, sondern auch nicht mehr mitkommen wollte. Ja, wieder eine Talkshow an die Wand gefahren, irgendwelche nicht mehr kruden, sondern nur noch dummen Bill-Cosby-Donald-Trump-Statements gebracht, mit irgendwem für irgendwas kollaboriert und dabei immer egaler geworden. Aber dann gab es da eben doch diese 24 Minuten, in denen unter der Flagge von Emo Rap nicht nur Kanyes (angenommener, aber wie gesagt: mir egal) Mindstate und Kid Cudis wirre Alternative-Rock-Versuche zu einem guten, porösen, hittigen, absurden amalgamierten, sondern sich eben jener Gruppeneffekt einstellte, den The Throne bei allen Hits nie erreichen konnte. Vielleicht, weil Kanye da noch zu gut und Jay Z ohnehin zu sehr Ikone war. Man wollte lieber den Mogul und das Genie für sich betrachten. Heute kann das Genie kaum genug hinter dem Alias verschwimmen.
1. Deafheaven - Ordinary Corrupt Human Love
“Ordinary Corrupt Human Love” ist keine Platte, die beim ersten Hören Album des Jahres schreit, obwohl sie so heraus ragt, aber eben ambivalent bleibt und sich auch ein bisschen forciert anhört. Alleine “You Without End” - ach, komm. Aber dann schlört man sich nochmal zu den Livekonzerten, man erlebt, wie "Honeycomb" und "Canary Yellow" geballt ins Publikum fliegen, und plötzlich macht irgendwie doch alles erschreckend viel Sinn, der Metal ist da und der Postrock und plötzlich liegt die Platte nicht mehr in einem diffusen Mittelfeld, das man sich so im Laufe des Jahres imaginiert hat, sondern ganz vorne, weil bei allen guten strategischen Manövern die Musik einfach schön ist. Da, ich habs gesagt.
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