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#der normative zug des kontrafaktischen
fabiansteinhauer · 6 months
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Anna Beckers
1.
Super! Super! Super! Wenn man alles das abzieht, was in der Teubnerschule (die darin eben Rechtsschule ist) unverzichtbar ist, nämlich der künstlich verknappte Aufbau von Sparringpartnern oder Pappkameraden, die die Welt nicht hinreichend gründlich betrachten, denen angeblich irgendetwas fehlt und die angeblich nicht komplex genug denken, zu mittelmäßig vorgehen oder sonstwie der Ausdifferenzierung und ihren Höhen der Zeit nicht gerecht werden sollen, wenn man also den Stil des lange angeleiteten forensischen Schreibens mit seiner Schriftsatzlogik und seiner Aufstellung von unterlegenen Rivalen zwar nicht ignoriert, sondern einfach mal hinnimmt und sich nur auf die wichtigen Stellen in diesem Buch konzentriert, dann ist das ein fantastisches Buch, eine scharfe Leistung. Das, das entsetzlich Schriftsätzliche, kommt alles in diesem Buch auch nur in winzigen Dosen vor, Anna Beckers hat mitgeschrieben, vielleicht hat sie es abgemildert.
2.
Das Cover zeigt ein Bild vom Max Ernst, auf der rechten Seite eine Kette von Lettern, das sind minore Objekte, die etwas lassen: Sie sind ausgelassen und lassen aus. Beckers und Teubner beschreiben auch am Anfang des Textes die Letter, greifen dabei auf die Arbeiten des Bildwissenschaftlers Ralph Ubl (wichtig, super! Spezialist für Falten und Furchen!!) und der Kunsthistorikerin Anna Huber zurück.
Diese Hinweise, am Anfang eines Buches, halten wir, das ist eine kleine Gruppe von Kulturtechnikforschern, die Bild- und Rechtswissenschaft betreiben, für ausserordentlich wichtig. Wir halten Anfänge für ausserordentlich wichtig, unter anderem darum die Cover von Büchern, die Anfänge der Texte und die kleinen minoren Objekte, mit denen das Schreiben anfängt, als läge ihm etwas zugrunde, die Buchstaben oder Letter.
Beckers und Teubner deuten Max Ernst und seine Letter vor dem Hintergrund einer protestantisch zugespitzen Kosmologie, für die es eine schriftliche 'Pathosformel' gibt, das ist die Formel creatio ex nihilo. Sie beziehen die Letter auf die Idee einer Produktion oder Reproduktion, die Schöpfung sein und aus dem Nichts kommen soll. Das ist keine allgemeine Vorstellung über Letter, Produktion und Reproduktion, das ist eine geographisch und historisch bestimmte Vorstellung; Beckers und Teubner haben Rechte, sie zu haben. Die Aufgabe der Forschung unser kleinen Gruppe ist es unter anderem zu klären, wie Letttern wandern oder pendeln und wie sie dabei gedeutet werden, welche Assoziationen und welcher Austausch bei diesen Deutungen stattfindet. Die dunkle, kreisförmiger Stelle im oberen rechten Teil des Bildes deuten Beckers und Teubner als Sol (wie in Sol iustitiae), als Sonne (als planetarisches Objekt) und beschreiben es als Gefahr:
And, the most threatening situation arises, as symbolised in Max Ernst’s dark sun, in the dangerous exposure of human beings to an opaque algorithmic environment that remains uncontrollable.
Das Objekt, das sie dunkle Sonne nennen, ist bei Beckers und Teubner phobisch und melancholisch besetzt, sie greifen eine Ikonologie auf, in der Antike nachlebt. Das Apollinische der Sonne wird dort verschoben und mit Opakheit und bleibender, restlicher Unkontrollierbarkeit assoziiert. Weiter wird diese Stelle im Bild mit einem Superlativ assoziiert, das ist nach einer Passage in Warburgs Denken (der dabei auf Hermann Osthoff zurückgreift) ein Indiz, dass man es mit einer Pathosformel zu tun hat: im Superlativ, einem Ausdruck größter Intensität oder intensivster Regung, sollen Leute auf entfernte, nach Warburg antike Formeln zurückgreifen - die dunkle Sonne ist ein antike Pathosformel.
3.
Warum nehmen wir Anfänge, Lettern und solche 'randständigen' Passagen so wichtig, warum suchen wir das Gespräch mit Leuten wie Teubner und Beckers, um mehr über den Einsatz solcher Bild- und Schreibtechniken zu erfahren? Das ist einfach: wir wollen wie immer etwas über jene Umwegigkeit erfahren, die man Technik oder Dogmatik nennt. Man kann Technik oder Dogmatik nicht widerlegen, man kann sie aber relativieren - und an den Relationen sind wir in Form von Assoziationen und Wechseln interessiert. Wir glauben, dass an solchen Stellen, wie dem Cover eines Buches und dem Anfang eines Textes besonders, nämlich auf rege Weise, zeigt, was ein juristisches Subjekt und eine natürliche Person, die man Autor nennt, begehrt, verkehrt und verzehrt. Dort zeigt sich auch das auf besonders rege Weise das, was man Position nennen kann. Verbindlichkeit zeigt sich dort auf die Weise vaguer und voguer Assoziation, kurz gesagt: Das sind klamme Stellen und an ihnen zeigt sich Normativität auf regsame Weise lebend und nachlebend, das Leben und den Tod oder das Nichts verhäkelnd. Dort zeigen sich die Letter, und das minore Objekte, die etwas lassen (zum Beispiel annehmen lassen), indem sie auslassen und ausgelassen sind.
Der Ernst und die ambuigen, biegsamen, allzu biegsamen Figuren lassen sich auch anders deuten, das ist trivial gesagt, denn Figuren sind Regerlein, sie kommen aus der Regung und ermöglichen Regung, die bewegen Deutung. Es ist aber wichtig zu sehen, welchen Wert Beckers und Teubner auf die creatio ex nihilo und auf das Neue legen - sogar so, dass die bereit sind, Altes zu kaschieren und dafür an einer Stelle die Trennung hervorzuheben und den Austausch in den Hintergrund treten zu lassen, die Selbstreferenz ins Licht und die Fremdreferenz ins Dunkle zu rücken. Sie sind dafür sogar bereit, dem Alphabet Absolution zu erteilen und stellen die Buchstaben in einem frühen Zustand so dar, als ob sie dort noch unschuldig gewesen wären. prds von mir aus, aber bevor prds durch das gelobte Land zog, kamen alle vier Buchstaben aus dem wilden Osten, machten unter anderem im heutigen Iran halt. Dass Buchstaben unverschuldet blieben, halten wir für ein Dogma. Wir interessieren uns für Reproduktion und Übersetzung, dafür zum Beispiel, wie Normativität in Normativität, wie etwa Religion in Rechtswissenschaft und Glauben in Wissen übersetzt wird und wie dabei Techniken eingesetzt werden, diese Übersetzung so zu leisten, dass der Text danach als nichtreligiöser oder zumindest säkularer Text erscheinen kann und wie danach die Leser glauben können, sie seien jetzt neue Menschen und keine alten Menschen mehr, sie seien jetzt frei und nicht mehr gebunden. Das ist Kulturtechnik, sie erhält Verbindlichkeiten durch den normativen Zug des Kontrafaktischen.
Unsere These ist unter anderem, dass die Bilder, die Beckers und Teubner verwenden, nicht als Ausweis dessen gesehen werden sollen, was man gemeinhin einen iconic turn nennt. Natürlich drehen diese Bilder etwas, Bilder regen immer etwas, auch in der Weise einer Drehung. Aber allgemein versteht man unter iconic turn ein neues, historisches und bewußtes Auftauchen von Bildern, die vorher nicht dagewesen oder nicht bewußt gewesen sein sollen, danach genau das aber sein sollen. Wir widersprechen.
Die Bilder sind immer da, immer da gewesen, sie sind aber auch immer nur halbe Sachen, halbgeschrieben zum Beispiel oder partly truth and partly fiction, always walking contradiction, wie Pilger das sind. Beckers und Teubners Bilder sind keine modernen oder gar postmodernen Neulinge in der Welt des Rechts, sie sind Teil dessen, was man in römischen Institutionen mit dem Begriff des Musters oder der Musterung, mit dem Begriff decorum assoziiert. Anders gesagt: das Buch zu artificial intelligence und den Haftungen dafür ist mit römischen, juridischen Kulturtechniken geschrieben, das Buch ist auf gründlichen römischen Linien geschrieben.
Die Herrnhuter haben in Gestalt von Vater und Sohn Roentgen schon einen großen Beitrag zur Geschichte künstlicher Intelligenz geleistet, das ist eine These, die ich von Markus Krajewski übernommen haben. Sie haben unter anderem Tische und Sekretäre gebaut, die das Wissen routiniert mobilisieren und platzieren oder präzise rotieren lassen. Mit dem Herrnhuter Teubner gibt es jetzt einen zweiten wichtigen Beitrag dieser Rückbindungsgemeinschaft zur Geschichte und Theorie der beiden Letter A und I, oder wie es in den Spiegeln heißt: I und A.
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fabiansteinhauer · 6 months
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Der normative Zug des Kontrafaktischen
1.
Die bild- und rechtshistorischen Arbeiten, die Heiner Mühlmann Ende der Sechziger Jahre zur den Manualen und den Beratern wie Leon Battista Alberti vorlegte war, ein Impuls zur Renaissance der Rhetorikforschung und damit auch eine Forschung zu normativen Effekten, deren Kreise sich durch architektonische Linien, Bildlinien und Texte und damit auch durch Bereiche wie Politik, Religion, Recht und Kunst ziehen. Unterscheidungen, die im Recht gemacht werden, gewinnen an Effektivität durch andere Unterscheidungen., auch solche völlig unjuristischer Art.
Mühlmanns Blick auf die Wiederholungen urbaner Linien, auf die Art und Weise, wie sich die Linien der Stadtgrenze an den Fassaden der Tempel, Residenzen, Banken und Gerichte - und weiter dann auf den Möbeln und in den Bildern der Innenräume, in den Falten der Kleidungen und Betten wiederholen, das war einer der Impulse, die Forschung zum decorum und zur Bildrhetorik auch für die Moderne weiterzuführen - und nicht den an Luhmann orientierten Thesen zu folgen, wie etwa Milos Vec' These, dass das decorum durch die Ausdifferenzierung an ein historisches Ende gelangt sei. Vec These vom Ende des decorums und der Zeremonialwissenschaft stimmt für eine Buchgattung, aber nur für eine Buchgattung - und diese Buchgattung stand nie nur für sich, die stand auch nur stellvertretend für etwas anderes.
2.
Cornelia Vismann hatte in ihrer Arbeit zu den Akten scharf und präzise gezeigt, welch Rolle grundlegende Linien in den Medientechniken des Rechts spielen - sie fängt mit Wellenlinien in Amazonien und dem römischen pomerium, also an weit auseinanderliegenden Stellen an. Sie hatte solche Linien an den Ausstreichungen, den Cancellierungen verfolgt, noch bevor Latour, Descombes oder Ingold mit ihren Arbeiten in Deutschland berühmt und anerkannt wurden. Vismann ist keine Prophetin, aber wenn man an der Geschichte und Theorie der Kulturtechniken interessiert ist und an den Operationen, die durch und dank Medien normativ sind, dann kommt man an ihren Arbeiten nicht vorbei, nicht einen Millimeter. Da können die großen Jungs tun und machen was sie wollen, da hatte Madame V. Vorarbeit geleistet, die man anerkennen kann und soll, dann bin ich auch lieb zu den großen Jungs.
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fabiansteinhauer · 6 months
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Der normative Zug des Kontrafaktischen
Immer dann wenn irgendetwas anfängt, dann fängt auch Recht an. Um da mitzukommen empfiehlt es sich, zu üben: Kein Tag und Nacht ohne Linie, keine Linien ohne Wellen und keine Wellen ohne Kippen. Empfiehlt es sich nicht, dann tue ich das, dann empfehle ich das, im Namen römischer Institutionen.
Der normative Zug ist ein phobischer ( energetischer, leuchtender und dämmernder) Zug und das ist ein melancholischer Zug. Die Linie erscheint dem einen oder anderen ein wenig klamm, sie ist als kleinstes Element des graphologische Vorgangs durchaus auch die engste Stelle, eine, wie die Deutschen in sorgfältiger Umschreibung sagen und dabei versichern, dass es verwechslungsfrei bleibe: Ängstestelle. Die Phobie ist aber nicht die Angst, sie ist die Kur und die Sorge, die leuchtend oder dämmernd jeden Affekt übersetzt und jeden Begriff übersetzt, die ist die Infrastruktur minorer Epistemologie und Ästhetik. Der normative Zug verabschiedet sich laufend voran, zieht (ver-)lustig voran. Mit Zügen lässt sich nur eins tun, Züge lassen mit sich nur eins machen: trainieren, trainieren, trainieren: Kein Tag und Nacht ohne Linie, keine Linie ohne Wellen und keine Wellen ohne Kippen.
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fabiansteinhauer · 6 months
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Wozu Kontrafakturen?
1.
Um anfangen zu können. Immer dann, wenn irgendetwas anfängt, dann fängt auch Recht an. Anzufangen ist eine juristische Technik und eine juridische Technik, dazu gibt es ganze Bibliotheken zur Geschichte des Anfangens, wie zum Beispiel Karl-Heinz Ladeurs Der Anfang des westlichen Rechts, Fritz Schulz' Prinzipien des römischen Rechts, Jean-Pierre Vernants Die Entstehung des griechischen Denkens oder Cornelia Vismanns Aufsatz zur Macht des Anfangs, in dem es so schön heißt, alle gelungenen Gründungen kämen zweimal vor. Sie bezieht das auf römische Institutionen und weist darauf hin, dass sie einmal wie privat, wie niedrig, klein und wie schwach angefangen haben - und einmal wie staalich, wie hoch, groß und stark. Das heißt nicht, dass erst mit dem Staat der Anfang gelingt, denn von Anfang an ist der Anfang der ganze Anfang und das Gelungene ein mimetischer Zug, dessen Stationen Halbwertzeiten haben.
2.
Das, was an unserem Tun einen Anfang markieren kann ist eine feine und scharfe Linie, in der Antike nachlebt, zum Beispiel das pomerium. Die normative Kraft des Kontrafaktischen liegt durchaus in Formen, also in etwas, aber sie ist ein Zug, ein Regerlein. Die kommt kräftig und schwach vor. Besser wäre es darum, man würde vom normativen Zug des Kontrafaktischen sprechen.
Vom Scheiden ist ein Schmuggel, mit dem ich nachgeholt habe, was in Regel und Fiktion schief ging. Damals tauchte die Formulierung von der normativen Kraft des Kontrafaktischen selbst als Kontrafaktur, als Referenz zu Georg Jellinek auf. Bazon Brock verwendete die Methode, der verkehrt jede Formulierung, um ihre Spannung zu begreifen und zu verstehen, was jemand vermeiden wil.
Regel und Fiktion ist hmpf, fängt an, aber nicht als Buch. Am besten gefällt mir in dem Text eine kleine Liste mit 4 Stufen zur Geschichte und Kosmologie der Fiktion - und das Foto eines Fähnleins Genüsse Steinhauer. Man kann sagen, dass das Verfahren leicht umstritten war, aber mal wieder Glück gehabt. Ging durch. Right now it's only a notion, but I think I can get the money to make it into a concept, and later turn it into an idea. Die Kontrafaktur ist dann aber doch noch, 15 Jahre später, ein Buch geworden, mit dem ich was anfangen kann. Das Cover ist Carl Schmitt in Stützstrumpfarbe, darüber war ich auch besonders glücklich, obwohl ich dem Verlag erst die Farbe Rosa vorgeschlagen hatte. Das wollten sie nicht. Erst dachte ich, die würden sich nicht trauen, jetzt traue ich ihnen einfach und benenne die Farbe beim Namen. Vorbild war unter anderem Schmitts Ex captavitate salus, da hat der Verlag die gleiche stumpfe Pappe und das weiße Zopfornament verwendet. Ist der Inhalt des Buches Dezisionismus? Ja, aber umgekehrt würde ich sagen.
2.
Die Kontrafaktur hat einen doppelten Sinn: Sie ist die Fabrik, aus der heraus Texte und Bilder enstehen, als seien sie vorher nicht in der Welt gewesen. Der zweite Sinn meint die einzelne Produktion, wie etwa das Buch vom Scheiden. Bei der Anfertigung kommen Gelegenheiten und Gegebenheiten zusammen, etwas davon hält man wie in der Hand, der Rest kommt von alleine. Das Kontrafaktische kann des Fiktive oder das Artifizielle, das Künstliche oder Kunstvolle eines juristischen Textes genannt werden, andere Bezeichnungen sind auch möglich. Für einen Umgang mit dem Kontrafaktischen empfiehlt es sich, darauf zu achten, was ein Text kreuzt und was er austauscht. Kontrafakturen sind widerständig und insistierend, auch dem Autor, man hat den Einsatz nicht souverän in der Hand. Die Kontrafaktur zieht sich kapillar durch den ganzen Text, würde man sie Grundnorm nennen, wäre sie eine Tafel, auf der der gesamte Texte steht, und die damit nicht nur am Anfang des Textes vorkommt, sondern den ganzen Text durchzieht.
Das Buch ist schon alt. Inzwischen würde ich, wenn ich etwas zu Kulturtechnikforschung sagen möchte, die Bild- und Rechtswissenschaft ist, vom Scheiden, Schichten und Mustern sprechen. Die Techniken des Scheidens sind zum Beispiel allen logischen Operationen der Unterscheidung assoziiert, allen Verfahren und Stragien, etwas zu entscheiden zu bescheiden, oder zu verabschieden, etwas zu bescheiden, zu definieren, zu präzisieren oder etwas als Montage zu präsentieren. Juristen könnten mit dem Vokabalur fremdeln, o.k. so, so soll es sein, insoweit handelt es sich bei der Antrittsvorlesug von 2015 um eine formalistische Arbeit. Weil ich mich aber auch mit Geschichte und Stratifikaton befasse, müsste ich einen zweiten Band zum Schichten schreiben. Und weil ich mich mit Bildern, dabei unter anderem der magischen Rationalität, vaguen und voguem Assoziatione bei Warburg befasse, müsste es einen dritten Band zum Mustern geben. Ich würde bei Censoren anfangen, den Haruspizen, und bei Armin Nassehi aufhören.
3.
Man kann sich die Kontrafaktur als eine Linie und einen Zug vorstellen, als Tragendes und Trachtendes eines juristischen oder juridischen Objektes (zum Beispiel einer Norm, eines Textes oder eines Bildes). Die Kontrafaktur stellt das Objekt her und stellt es dar. Die Kontrafaktur lässt Texte nicht nur so schreiben, als seien sie bisher nicht geschrieben gewesen. Sie lässt Texte auch so schreiben, als sei alles in dem Text schon so in der Welt gewesen und würde nun nicht verrückt. Schreiben, als ob man abschriebe und abschreiben, als ob man schreibe: Diese Kreuzung und der Austausch ist der kontrafaktische Zug juristischer und juridischer Objekte. Das vergleiche ich mit Vismanns Texten zum Canceln. Ich vergleich das auch mit Ino Augsbergs Arbeiten zum Versäumen, mit Pottages Arbeiten zur Involution, zur Einfaltung - und sicher auch, Bingo!, mit Warburgs Gestellschieberei. Machen tun es alle, die genannten explizieren es aber deutlicher.
Die Kontrafaktur lässt sogar einen Text so schreiben, als käme nicht drin vor, was der Autor vermeiden will. So kommen zum Beispiel alle Arbeiten von Cornelia Vismann in den Medien des Rechts von Thomas Vesting vor, es sind aber Linien eingezogen, die den Text so stellen, als käme sie nicht drin vor. Wäre das Buch von Vismann später, die von Vesting früher erschienen, müsste man an beiden Büchern nichts ändern, die Kontrafaktur arbeitet auch so - und liesse den Text von Vismann so lesen, als dringe sie in Denkräume vor, wo Vestings Denken nicht vorkäme. Anders herum ist es auch so.
Die Kontrafakturen haben eine logische Geschichte, wissenschaftshistorisch sind sie zum Teil der Logik und Dialektik und der Paradoxie geworden. Sie haben aber überall Geschichte, nicht nur in der Logik. Sie kommen auch diagonal/durchgehend kantig, eckig, zügig oder schwillend vor, durchgehend winkelig und winkelnd. In der Graphik und der Choreopgraphie haben sie ein lange Geschichte, des pomerium ist ein Teil dieser Geschichte.
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fabiansteinhauer · 7 months
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Kreisen
1.
Portrait eines Retraites - die normative Kraft des Kontrafaktischen. Das Portrait ist ein tragender, trachtender Zug, als solches wird es auch Kontrafaktur genannt und ist unter anderem als Bildnis (also als tragender und trachtender Zug, der zu einer Person führen soll) übersetzt worden. Es gibt aber auch urbane Kontrafakturen, Kontrafakturen von Städten, die sind als Stadtansichten übersetzt worden. Retraites sind Portraits, wenn sie etwas wiederholen oder wiederholen lassen, zum Beispiel wieder erholen lassen.
2.
Die Staatstafeln übersetzen Kontrafakturen, indem sie das kontrafaktisch tun.
Die übersetzen auch Portraits und Retraites. Warburg nimmt einen Vertrag, einen Contract oder Pakt (ein Bündel davon, die Patti Lateranensi) zum Anlass, Vertragstheorie anzugehen, nicht nur theoretisch. Im Deutschen nennt man sie Verträge, weil der packende Griff dem Diabolischen reserviert sein soll. Die Deutschen können auch Flaschen sein. Sie starren auch auf den Begriff und wollen Bilder fahren lassen, als wären die nur ein Pups.
Warburg praktiziert die Patti Lateranensi, in dem er das Tragen und Trachten lingen lässt, also die Richtungen, die der Bund und die Bündelung nimmt, in alle Richtungen zähmt und züchtet, alles lingen lässt - und insgesamt nichts auf Dauer gelingen lässt. Die Zitation erscheint wie das kleinste Objekt, der Verweis als die epistemische Minorität von Warburgs Weisheiten. Warburg Zitation zittert zwar, wo sie nur zitiert, pur zitiert. aber alle Unschärfe, die einem erscheinen könnte, liegt dann in ein, zwei scharfen Linien. Warburg ist genau und pedantisch, der arbeitet exakt aus dem Akt, aus den Akten heraus, die bei ihm sortiert geführt werden.
In alle Richtung zähmt und züchtet Warburg das lingen, das voranbringen, die Erzeugung und Bezeugung der Effektivität dieses Vertrages (und seiner Methode, ihn zu deuten). Dadurch gelingt auf Dauer nichts. Warburg wäre doch nicht durch die Schule der Rechte gegangen, an denen er sich geschult hat, wenn es ihn, zum Beispiel das Leben oder das Nachleben, nicht mitgenommen hätte und er davon nichts mitgenommen hätte.
Das waren alles pendelnde und wandernde Rechte, die in der Aneignung nur glücksweise anzueignen sind, denn die Aneignung macht nicht durchgehend glücklich, sie macht bald schon oder im gleichen, vor allem im selben Moment schon in der Welt im Rücken, unglücklich. Man kann sagen, dass Warburg jüdisches Recht oder römisches Recht gelernt hat, aber nur glückweise. Eine glückliche Formulierung sieht auf Dauer anders aus.
3.
Bruno Latour hat in seinem Buch zur Fabrikation des Rechts über Pierre Legendre gesagt, alle Bücher von Legendre seien eins. Das sei alles ein Buch. Auch über das Recht hat er das gesagt. Alle Vermehrung zum Trotz, alle Vervielfältigungen zum Trotz, aller Pluralisierung zum Trotz: alles, was Legendre schreibe, alles worüber er schreibe, sei wie das Recht, alles eins. Die Passage ist Kritik und Krise an Legendre, am Schreiben und am Recht, dahinschmelzende, schmachtende Kritik und Krise. Da ist Latour, als er nur diese eine Passage, eine einzige Passage schreibt, in law, in love, mit Legendre, mit dem Schreiben und mit dem Recht.
So etwas kann schon Mal passieren. Glücklicherweise ist das nicht von Dauer. Es kann sein, dass alle Lust tiefe tiefe Ewigkeit haben will, ausgeschlossen ist das nicht. Hat sie aber nicht.
Glücksweise soll das sein. Man muss ja nicht viel schreiben, eins reicht. Nur ein O, nur ein Punkt. Wo Monologe sind, sollen Monadologen werden. Alle schreiben nur ein Buch, nur ein einziges Buch, solange sie alle sind. Ich schreibe auch nur ein Buch, solange ich schreibe. An Kontrafakturen schreibe ich schon lange, nicht erst seit der ersten Dissertation. Das ist künstliches, artifizielles Schreiben, in echt tue ich gar nichts. Meinen Schwager kann das auf die Palme bringen, der sagt mir manchmal: Fang endlich einmal an, in deinem Leben zu arbeiten. Werde endlich Mal erwachsen. Kein Witz, vielmehr gesagt: einer. Das ist mein Brother-in-law, der verfolgt, was ich mache, weil es ihn verfolgt. Vice versa.
Hallo? Ich mache law clinic unter Palmen. Arbeitet nie! Das ist eine anarchistisches Motto. Das ist auch, was Bruno Lima eine Meditation nennt (der Bruno Lima, der am Strand angefangen hat, seine Wissenschaft zu üben, wo sonst?). Zen: Solange man Schreiben übt, schreibt man nur an einem Buch. Ob Latour meckern wollte, als er nur diese Passage schrieb? Könnte sein, sollte sein können. Umgang soll man händeln können.
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fabiansteinhauer · 3 months
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Beim Bau der juristischen Mauer
Die Form des Diagramms und die Form eines diagraphischen Zeichens macht aus der Form des Rechts die Einfalt der Differenz aus auf und ab oder das diplomatische Simple aus Upside/Down.
Ino Augsberg behauptet in einem Aufsatz, der in der JZ erscheinen ist, modernes, wissenschaftlich-rationales Denken sei auf Systematisierung und Kohärenz und damit (!) letztlich auf Einheitsbildung ausgerichtet. Das halte ich für ein Gerücht, also immerhin für normatives Material. Man sagt, so solle es gewesen sein. Augsberg fragt aber immerhin, nEver look back, gleich darauf, ob es auch anders ginge. Ja natürlich, nicht nur dank Warburg, der selbst modern operiert, sondern auch dank und durch Diagramme, anhaltende und durchgehende Zeichen und dank diagraphischer Züge, anhaltender und durchgehender Züge - und auch dank einer Reihe moderner juristischer Autoren. Sagen wir so: die Moderne war auf Modernität ausgerüchtet.
Beim Bau der fachchinesischen Mauer, die man das juristische Schreiben und eine Form der Schrift nennt, operiert man diagrammatisch und diagraphisch. Das Schreiben sitzt Unterlagen auf, die Züge sind Trakte und Trachten, so innerlich wie äußerlich. Das Schreiben ist tabula picta: Auf- und Unterlage, Trakt und Tracht, darum ist es verkehrbar und verkehrsfähig, verkehrend und verkehrt: erinnert ans Äußere und äußert Inhalte, als ob der Bau der juristisch fachchinesischen Mauer eine hylemorphistische Architektur hätte. Die Rede from re- entry, vom Zugang ins juristische Schreiben oder auch die, man könne aus dem juristischen Schreiben herauskommen, offener werden, mehr vernetzen und mehr deuten, das setzt kontrafaktischen Zügen weiter kontrafaktische Züge auf. Das ist eine Verkettung des Symbolischen, mit der jede Vermehrung vermindert und jede Verminderung vermehrt: Nicht jedem Tor folgt ein Tor, manche sind unfolgsam. Auf jedes Tor aber kommt ein Tor, auf jede Falte der MulipliCity ein Simple oder Dimpel.
Niklas Luhmann hat die Form der Schrift als Einheit der Differenz aus Schriftlichkeit und Mündlichkeit definiert. In der kulturtechnischen Forschung, die eine Mediengeschichte des Rechts nicht als Abfolge von Trennungen beschreibt, die mittels Sprache, Schrift, Buchdruck und Computernetzwerken den Abstand zwischen westlich modernen Gesellschaften und archaischen, antiken, östlichen, etwa russischen, türkischen, arabischen, iranischen- ashekanisch- und sephardisch-jüdischen, indischen und chinesischen vergrößert, groß trennt oder groß anreichert, sondern diese Geschichte als eine sedimentäres und aufrührbares Geschichte aus Trennungen und Assoziationen beschreibt, wird noch einmal eine andere Sichtweise vorgeschlagen, eine auf das Schreiben und seine diagraphischen Züge. Solche Züge vergößern und verkleiner Abstände, die Züge pendeln und verkehren dabei.
Das Schreiben ist die Einfalt der Differenz aus auf und ab (oder rein und raus); das Schreiben ist durchgehend und anhaltend zügig. Schreiben ist nicht Schrift. Schreiben ist graphischer und choreographischer Zug, der Unterlagen und Oberlagen hat, wie das im römischen Recht mit dem Begriff tabula picta (angepinnte und damit peinvolle (gerissene/reissende/ kreisende oder kritische) Tafel gefasst und verkehrbar gehalten wird. Schreiben ist nicht Schrift, die ein Innen und ein Außen außeinander halten soll, Schreiben ist ein Zug, der Trakt (Mauer/ Kanal) und Tracht (Riss/ Kleid) ist. Die Darstellung, die Thomas Vesting der Medientheorie des Rechts gegeben hat und in der er wiederholt sich von den Weimarer Entwürfen (wenn auch äußerst zurückhaltend) distanziert hat, sollte nicht so verstanden werden, dass sein Entwurf kein Gegenentwurf wäre oder keinen Gegenentwurf hätte oder das er damit die Distanz, der schafft, zurücklegt und etwas von dem loswird, was er sagt. Dieses Verhältnis von Wurf und Gegenwurf wird zu einer falschen Front, wenn man es anderen Verhältnissen, etwa denen zwischen Luhmann und Kittler aufsetzt. Das Distanzierungsbemühen ist ansteckend. Wenn Luhmann angeblich so anders denkt als Kittler oder Vesting angeblich so anders denkt als Vismann, wenn Augsberg angeblich so anders denkt als diejenigen, die auf Einheit, System und Kohärenz pochen, dann kann man echohaft, also vague und vogue dazu etwas schreiben. Man tut es auch.
2.
Augsberg kommt in dem Aufsatz um Verfahren auch auf Flexibilität zu sprechen. Das wäre was, nach Warburg: Züge, die biegsam und beugend sind, wie die Steinhauer beim Turmbau zu Babel. Keine Fragmentierung, keine Totalisierung des Gegenwärtigen: keine Geschichte, in der ins Beständige Flut einbricht oder aber starrsinnig Altesdurch flexibel neues zu erssätzen wäre: Diese Knochen kann man weiter abkauen, muss man aber nicht. Jedes Detail kontrahiert und distrahiert ohnehin, jedes Detail verkehrt ohnehin.
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fabiansteinhauer · 6 months
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Kontrafaktische Züge
1.
Der normative Zug des Kontrafaktischen: Das Recht kreuzt. Cornelia Vismann hat eine Rechtsgeschichte und Rechtstheorie des Cancelns entwickelt, die meines Erachtens auch als eine des Kreuzens und des Kontrafaktischen zu lesen ist. Bis heute entzieht sich ihre Fassung der Nutzung von Juristen wie Ladeur. Der verweist treffend und passend auf Descombes Ideen der Ausstreichung, wie immer kurz und knapp - und gibt damit noch zu glauben, der Mensch habe anthropologische Konstanten. Der Mensch ist eventuell doch eher, so sieht das bei Vismann aus, unbeständig, vor allem auch in seinen Unterschieden zu dem, was nichts menschlich sein soll. Wo etwas knapp vorbei und völlig daneben liegt, entstehen scharfe Theorien.
2.
Vismanns Geschichte und Theorie des Cancelns (Kreuzens oder kontrafaktischer Züge) ist nämlich eine Theorie und eine Geschichte, in der die Melancholie nicht dem Westen und die Phobie nicht dem Osten eigen sein sollen und in der der Westen darum auch nicht total anders als der Islam erscheint.
Der von Ladeur sog. paradoxe Kontrollverlust ist dem Westen eigen und fremd und der ist dem Osten exakt auf die gleiche Weise eigen und fremd. Ordnung ist geschichtet, stratifiziert, arca-logisch und archäologisch und wird sowohl im Westen als auch im Osten gerne flacher und nicht-hierarchisch betrachtet. Was genau eines der Probleme des Islam ist, ist genau eines der Probleme des Westens. Das sieht nicht jeder so; ich tue es - mit einer an Vismann und Warburgs geschulten Lesart dessen, was den Westen auszeichnen soll.
Vismanns Geschichte und Theorie der gründlichen Linien lässt sich in meiner Lesart, die eventuell ebenfalls stark von Warburg beeinflusst ist, nicht als Theorie inwendiger Selbstbehauptung nutzen, sie lässt einen Juristen wie Ladeur (oder auch Vesting) in der Luft baumeln. Ich halte die Manöver, mit denen Vismann sowohl bei Ladeur als auch bei Vesting umgangen wird, für passend. Ladeurs Distanzierungsgesten sind passend (weil jede Distanzierungsgeste immer passend ist), in dem Fall weil Ladeur doch auch eine frohe Botschaft lösbarer Probleme und großer Produktivität verbeiten will , was erstens sein gutes Recht und auch seine Aufgabe als Ausbilder an westlichen juristischen Fakultäten ist.
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