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#stuckrad-barre
benterikscholz · 1 year
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„Noch wach?“ oder: Stucki saves the day
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Foto: Daniel Reinhardt
Einen Schlüssel-, ja gar einen Enthüllungsroman erwarte man, so war überall zu lesen. Kiepenheuer & Witsch kündigte gleichsam viel- und nichtssagend an: „Erst wenn alles die schlimmstmögliche Wendung genommen hat, zieht Stuckrad-Barre sich schließlich zurück und schreibt es auf, im Zwielicht von Selbstversuch und Zeitdiagnose. Es ist viel passiert.“
Jetzt ist sie also da, diese Auf-jeden-Fall-Sensation: „Noch wach?“ heißt der knapp 400 Seiten lange neue Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre, von dem man sich erhofft, er würde den letzten Sargnagel für den mächtigen Mann bei Springer, Mathias Döpfner, bedeuten. Er kracht zielsicher mitten rein in eine neue Skandalwelle rund um das mächtigste europäische Verlagshaus und dessen Anführer. Ist das nun die Offenbarung, die sich alle gewünscht hatten?
Stucki immer mittendrin
Die gute Nachricht zuerst: Benjamin von Stuckrad-Barre schreibt nach wie vor wie ein Gott. Herrliche Formulierungen wie „dergestalt angehausmeistert“ oder „[Er] machte ein terminehabendes Leistungsträgergeräusch“ finden sich auch in diesem Buch wieder massenhaft und stellen die Beobachtungsgabe des Autors unter Beweis.
Auch das Raunen, ob das hier nun ein Schlüsselroman sei oder nicht, kann eingestellt werden, vielmehr handelt es sich um einen Brecheisenroman. Wenig subtil wird das Personal aufgestellt: der irgendwie feingeistig sich gerierende CEO mit Amerikafetisch in Anglizismusgewittern, der im Kontrast zum ihm unterstellten Programm so viel zärtlicher, klüger und nachdenklicher daherkommt, wird im Roman stets als „Freund“ betitelt. Im Kontrast dazu der „Chefredakteur“, ein grober, tendenziell neorechter Polemiker und ehemaliger Kriegsreporter mit Hang zum Pluralis Majestatis und, natürlich, Feldbett im Büro. Man muss nicht im Inner Circle sein, um zu wissen, wer gemeint ist.
In Nebenrollen treten auf: Palina Rojinski, die mit ihrem Namen für eine Tarotkarten-Metapher hinhalten darf und sonst für die Geschichte irrelevant ist; Bret Easton Ellis, der erbost darüber ist, dass sein Roman „American Psycho“ nicht als das Anti-Trump-Buch erkannt wurde, das es war, weshalb er sich nun umso mehr auf die Seite Donald Trumps stellt; und Elon Musk, mit dem der „Freund“, in der Konsequenz aber auch Stuckrad-Barre sich ein bisschen schmücken will. Ganz ohne Namedropping geht es nicht.
Neue Erkenntnisse über die Geschehnisse innerhalb des Springer-Hochhauses bringt dieser Roman keineswegs. Der „Freund“ ist immer auf dem richtigen Event mit immer der richtigen Phrase auf den Lippen und interessiert sich nur peripher für das, was da unter ihm so getrieben wird, solange es sich verkauft. Der „Chefredakteur“ ist im Krieg gegen alles, markiert sein Revier und hat insbesondere über jungen Kolleginnen seine Männlichkeitskomplexe nicht unter Kontrolle. So weit, so bekannt.
Doch auch wenn hier keine bisher unerhörten Interna ans Licht geholt werden, kann ein Roman dieser Art seinen Reiz haben: Stuckrad-Barre war nachweislich dabei und kann das Geschehene so nicht nur chronologisch, sondern emotional abbilden. Es ist dieselbe Formel, die auch bei Reportagen greift: Willst du dem Leser ein Thema begreifbar machen, erzähl ihm eine Geschichte. Und das funktioniert über weite Strecken, bis man irgendwann merkt, dass hier etwas nicht stimmen kann.
Im Namen von Rose
Döpfner hin, Reichelt her: In den Büchern von Benjamin von Stuckrad-Barre geht es in erster Linie um – Benjamin von Stuckrad-Barre. Er mischt mit in der Welt des vermeintlichen Glamours, und erzählt uns, was er erlebt hat und, vor allem, mit wem. Diesmal jedoch verlässt er die Rolle des Beobachters mehr denn je, und schreibt sich förmlich selbst zum Helden seiner Geschichte hoch.
Da sind also diese unzähligen Frauen, die vom Chefredakteur nächtliche SMS erhalten, in denen sie zu erotischen Abenteuern verleitet werden sollen. Lassen sie sich darauf nicht ein, werden sie beruflich behindert, niedergemacht, aus ihren Jobs rausgemobbt. Lassen sie sich darauf ein, begeben sie sich in eine Spirale des emotionalen Missbrauchs, die mit Lovebombing und beruflicher Förderung beginnt, aber früher oder später auch bei beruflicher Behinderung, Mobbing und Herabsetzung endet.
Und dann ist da Rose McGowan, Schauspielerin, Autorin, #MeToo-Aktivistin. Sie war maßgeblich dafür verantwortlich, dass die zahlreichen Straftaten von Harvey Weinstein offengelegt wurden. Ohne sie würde Hollywood weiterhin falsch lächelnd hinwegsehen, sexuelle Belästigungen abtun als Eigenarten der Branche, die nun mal dazugehörten, und nicht als das, was sie sind: schwere Verbrechen an Körper und Geist der Opfer.
Während Stuckrad-Barre also wie üblich im Chateau Marmont am Pool sitzt, kommt ebendiese Rose McGowan ausgerechnet auf ihn zu und schenkt ihm sowohl ein Buch über Monika Lewinsky als auch eine Mission: „Wenn sie sich dir anvertrauen – sei kein Arschloch.“
Und Stuckrad-Barre tut, wie geheißen: als das Brodeln innerhalb des „Senders“, wenig verhüllend als Metapher für Springer und Bildzeitung, unüberhörbar wird, bietet er, der Liebling des Chefs, sich als Kummerkasten, Schnittstelle und Spokesperson an. Die Frauen, die dem tyrannischen „Chefredakteur“ zum Opfer fielen, formieren sich zwar und schmieden Pläne, aber es ist an Stuckrad-Barre, ihnen zum Erfolg zu verhelfen. Der mittelalte, weiße Mann mit den guten Kontakten nach oben rettet die in Not geratenen Damen und gibt sich selbst dabei den Anstrich des Durchgreifers.
Nicht wenig dessen, was er in Gesprächen von sich gibt, klingt wie das Schlagfertige, das einem erst Stunden nach der Konfrontation einfällt. So sagt Stuckrad-Barre zum Compliance-Beauftragten: „Sie sind so hilfreich wie einer, der jemanden bei der Suche nach dessen verlorenem Haustürschlüssel zu unterstützen glaubt mit der wohlerwogenen Nachfrage: ‚Kann es sein, dass du den irgendwo hast liegen lassen?‘“ – dann wird es sehr tilschweigerig.
Die richtige Seite
Dazwischen sagt Stuckrad-Barre viel moralisch Richtiges: Opfer müssen gar nichts, Einvernehmlichkeit sei bei einem derartigen beruflichen Gefälle nicht einfach mit der reinen Zustimmung geklärt, weil das Ablehnen mit Konsequenzen verbunden wäre, und es genüge nicht, Symptome zu bekämpfen, sondern das Klima müsse sich ändern. Gut und schön. Dennoch wirkt es so, als versuche hier einer, sich rückwirkend auf die richtige Seite der Geschichte zu schreiben.
Die Wahrheit ist, dass Stuckrad-Barre ein Jahrzehnt lang Döpfners Liebling war und sich in dieser Rolle nicht nur, wie man hört, außerordentlich gut gefiel, sondern sich auch reichlich entlohnen ließ. Solange im Chateau Marmont die Künstlichkeit noch aufrechterhalten wird, begnügt der Autor sich damit, dass der Verlag die Rechnung dafür zahlt. Es bedurfte erst des Kollaps dieser Künstlichkeit ausgelöst durch #MeToo, damit auch Stuckrad-Barre überhaupt anfängt, sich Fragen zum eigenen Umfeld und Handeln zu stellen. Tatsächlich, der Vorzeigefeminist ist erstaunlich late to the party, denn: dass Axel Springer nicht erst mit dem Einzug von Julian Reichelt zum psychischen und journalistischen Kriegsgebiet wurde, ist bestens dokumentiert. Dass die Bildzeitung nicht das beste Frauenbild propagiert, überrascht niemanden.
An mehreren Stellen in seinem Buch kritisiert der Autor jene, die auf die Trennung von Werk und Schöpfer beharren, wenn ein weiterer #MeToo-Fall für kognitive Dissonanz sorgt. Geht es aber um seinen „Freund“, gelingt es Stuckrad-Barre immer wieder, zu ignorieren, was unter dessen Ägide vonstattengeht. Als er es bemerkt, gerät er nicht etwa in moralische Konflikte, fühlt sich nicht hin- und hergerissen, sondern lässt die vorherige Zärtlichkeit bei Bedarf fallen, suggeriert dem Leser, dass er ja immer schon geahnt hätte, dass dieser „Freund“ auch irgendwie doof sei. Mehrmals rettet er sich mit der Aussage, ja schon ewig nichts mehr für den „Sender“ gemacht zu haben.
Entweder also hat Stuckrad-Barre zehn Jahre lang nicht gewusst, für wen er da arbeitete, und will sich rechtfertigen. Oder aber er wusste es ganz genau und nutzte damals wie heute die Gunst der Stunde, und wenn es dafür notwendig war, einstige Freunde und Förderer ohne zu zögern unter den Bus zu schubsen. An keiner Stelle lässt der Autor durchblicken, dass er daran zweifelte, worauf er sich mit der Kooperation mit dem „Sender“ eingelassen habe, er lässt sie nur fallen, sobald es ihm passt. Stattdessen lotet er das Spektakel und die eigene Beteiligung darin auf eine Weise aus, die ihn auf jeden Fall in einer weißen Weste dastehen lässt. Wenn Stuckrad-Barre sich in diesem Buch zum Feminismus und zur „richtigen Seite“ bekennt, klingt das im Anbetracht dessen weniger nach dem Hinweis, dass die Sache gut sei, sondern nach einer Beteuerung, dass er selbst zu den Guten gehöre.
© Bent-Erik Scholz, 2023.
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anokha-swad · 1 year
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Es ist die schönste Zeit, hier entlangzufahren, Abendsonne, die Palmen am Straßenrand, wirklich Palmen!, man vergisst das immer.
It is the most beautiful time to drive along here, evening sun, the palm trees on the side of the road, really palm trees!, you always forget.
NEWS - Helmet (helmetmusic.com)
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arcimboldisworld · 1 year
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Benjamin von Stuckrad-Barre - Noch wach?
Benjamin von Stuckrad-Barre - Noch wach? #Lesen #Roman #PopLiteratur #KiwiVerlag #Lesejahr2023 #Leselust #rezension #metoo #bild #weinstein #losangeles #berlin
Mit grosser Spannung erwartet, vor kurzem erschienen und heiss diskutiert: Benjamin von Stuckrad-Barres neuer Roman “Noch wach? Seit dem Erscheinen seines ersten Romans “Soloalbum” 1998 ist Stuckrad-Barre – nach wie vor – ein interessanter Autor, ein Chronist unserer Zeit… Continue reading Untitled
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intellectures · 1 year
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Kantig (in) die Wirklichkeit brechen
Während sämtliche Springer- und #MeToo-Bezüge in Benjamin von Stuckrad-Barres neuem Roman »Noch wach?« im Eiltempo verarbeitet wurden, wurde die Haptik des Buches links liegen gelassen. Dabei spricht die für sich und Bände.
Das Erscheinen von Benjamin von Stuckrad-Barres neuem Roman »Noch wach?« ist im Wortsinn ein Medienereignis, das inmitten neuer Springer-Enthüllungen für Aufsehen sorgt. Während sämtliche Springer- und #MeToo-Bezüge im Eiltempo verarbeitet wurden, wurde die Haptik des Buches links liegen gelassen. Dabei spricht die für sich und Bände. Continue reading Untitled
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Benjamin von Stuckrad-Barre mit neuem Roman auf Lesetour
Benjamin von Stuckrad-Barre mit neuem Roman auf Lesetour
Der Autor Benjamin von Stuckrad-Barre veröffentlicht am 19. April 2023 beim Verlag Kiepenheuer & Witsch (KiWi) einen neuen Roman. Sieben Jahre nach “Panikherz”. Am 25. April 2023 geht es dann auf große Lesereise durch 24 Städte in Deutschland. 25.04. Bremen26.04. Hannover28.04. Lübeck29.04. Oldenburg02.05. Regensburg03.05. Heidelberg04.05. Stuttgart07.05. Köln08.05. Ingolstadt09.05. Essen10.05.…
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neobase · 2 years
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polarnacht1 · 1 year
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Hiii, for the books ask! 9. do you have a favorite author, 22. would you want your favorite book to be a movie, 35. what’s a book you read over and over? Have fuuun!
Thank you so much for your ask!! 9. Favourite author: not really, maybe also because I read so many different genres. I really like Stieg Larsson, Khaled Hosseini is an amazing author too. For those fanfic-feelings I like C.S Pacat. When I was younger I adored the books of Benjamin von Stuckrad-Barre (but those books didn't age that well).
22. would you want your favorite book to be a movie? short answer: no. Long: I probably wouldn't even watch it as most movies do not live up to the books at all. E.g. I haven't watched any of the movies of Stieg Larsson (not the Swedish ones and def. not the Hollywood ones). I don't like when the faces of the actors, their speech patterns etc. overrule the images I have in my head, and that often happens when I watch movies after reading books. Some of the books I like but are not favs I probably would watch.
35: what’s a book you read over and over? it's very rare that I read books more than once. I have read the Millenium trilogy a couple of times and will probably reread them, I have read Captive Prince twice, I might reread Hunger Games at some point.
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renemartens · 8 months
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Ein medienkritischer Podcast mit produktiver Reibung
Meine am 31. Januar in Marl gehaltene Laudatio für Nadia Zaboura und Nils Minkmar, die für ihren Podcast „quoted“ mit dem diesjährigen Bert-Donnepp-Preis für Medienpublizistik ausgezeichnet wurden. Die Textfassung weicht minimal vom Redemanuskript ab.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Preisträgerinnen und Preisträger,
die Jury des Bert-Donnepp-Preis, die mir die ehrenvolle Herkulesaufgabe übertragen hat, die Laudatio auf Nadia Zaboura und Nils Minkmar zu halten - diese Jury hat die Auszeichnung für ihren Podcast „quoted“ unter anderem mit folgenden Worten begründet:
Er habe „eine Tiefe, die im geschriebenen Medienjournalismus nur noch selten zu finden“ sei.
Die eine oder andere Textjournalistin oder der eine oder andere Textjournalist wird da vielleicht gesagt haben: 
Was ist denn das für ein blöder Vergleich? Die beiden haben ja schließlich viel mehr Zeit als wir. Das stimmt, eine Folge von „quoted“ - alle 14 Tage auf der Website der Süddeutschen Zeitung und bei den üblichen Plattformen abrufbar - dauert mindestens 35 Minuten, manchmal auch knapp über 40.
Tiefe entsteht aber nicht nur dadurch, dass man Zeit hat, ein Thema aufzublättern. Tiefe entsteht auch dadurch, dass man den richtigen Ansatz wählt. „quoted“ hat unter anderem deshalb Tiefe, weil Medienkritik hier immer in einem gesellschaftspolitischen Kontext stattfindet, im Kontext aktueller Debatten, die über das Journalismus-Milieu hinaus reichen.
Bei „Quoted“ findet man, grob gesagt, eine Mischung aus zwei Sorten von Themen.
Die erste Kategorie: dringliche Themen, die anderswo nicht so tiefgehend behandelt werden, wie es nötig wäre. Beispiel: Es gab im Oktober und November innerhalb von vier Wochen gleich zwei Folgen, die sich kritisch mit der Berichterstattung über den derzeitigen Nahostkrieg beschäftigten.
Die zweite Kategorie: naheliegende Themen, bei denen es den Machern gelingt, einen Ansatz zu finden, der all dem woanders schon Gesagten noch etwas hinzufügt. Beispiel: Im Frühjahr und Frühsommer 2023 wimmelte es in den Medien von Geschichten über Springer: Machtmissbrauch bei „Bild“, Döpfners Textnachrichten, Stuckrad-Barres Roman, wir erinnern uns alle.
Zu der Zeit gab es eine „quoted“-Folge, die unter der Überschrift stand: „Bild-Zeitung: Toxische Texte?“ 
Ich fand das angemessen: Das ganze, im übrigen ja völlig berechtigte Bohei um Springer und „Bild“ zum Anlass für Fragen zu nehmen, die gar nicht oft genug gestellt werden können: Inwiefern sind „Bild“-Texte toxisch? Für wen sind sie toxisch?
Ein wesentliches Merkmal von „quoted“ ist die internationale Perspektive, also Fragen wie diese: Wie blicken internationale Medien bei bestimmten Themen auf Deutschland? Wie unterscheiden sich bei bestimmten Themen die deutsche und die internationale Berichterstattung? Wie berichten deutsche Medien über internationale Themen?
Um Letzteres ging es einer Folge, die mir besonders gut gefallen hat. Die lief Mitte August, als sich zum zweiten Mal der Tag jährte, an dem die Taliban wieder die Macht in Afghanistan übernahmen. Seitdem haben deutsche Medien oft nur unpräzise über dieses Land berichtet. Und vorher - leider auch schon. Vor allem berichten sie mittlerweile sehr wenig, verglichen mit den Zeiten, als unsere Freiheit noch am Hindukusch verteidigt wurde - um mal einen bekannten Politiker-Ausspruch zu variieren. All das haben Nadia Zaboura und Nils Minkmar in der besagten Folge aufgegriffen.
Wie sind nun die Rollen unter den beiden Protagonisten verteilt? Nils Minkmar ist, wie er es selbst in einer Podcast-Folge mal formuliert hat, „ein Stück älter“ als Nadia Zaboura. Die Frau etwas jünger, der Mann nicht ganz so jung - diese Konstellation könnte zu etwas klischeehaften Einordnungen der Rollenverteilung animieren. Also versuche ich es lieber anders.
In der Einleitung zu jeder Folge ist folgender Satz zu hören: “Es diskutieren Nadia Zaboura, Linguistin und Kommunikationswissenschaftlerin … und der Journalist Nils Minkmar.“ Damit ist gleich für alle Zuhörenden, auch für die gerade neu dazu Gekommenen, relativ klar, dass die beiden aus unterschiedlichen Perspektiven auf die Themen blicken.
Bei der Entwicklung der Idee für diesen Podcast, die von der CIVIS Medienstiftung stammt, war früh klar, was man nicht wollte: Man wollte nicht zwei einander sehr ähnliche Personen miteinander reden lassen - was bei Podcasts ja gelegentlich der Fall ist und was für die direkt Beteiligten vielleicht eine feine Sache ist, aber nicht zwangsläufig für die Zuhörenden. 
„Quoted“ ist also kein Bro-cast, kein Sis-cast, kein Buddycast oder dergleichen. 
Nadia Zaboura steht für die wissenschaftliche Analyse, sie blickt auf das Strukturelle und Systemische und übernimmt oft den fundamentalkritischen Part. Nils Minkmar kennt die Binnenlogiken des Medienbetriebs bzw. mehrerer Betriebe, u.a. Zeit, Spiegel, FAZ, Süddeutsche Zeitung. Er weiß, wie bestimmte Entwicklungen zustande kommen und zu erklären sind. So entsteht oft eine produktive Reibung.
Nun könnte es natürlich passieren, dass jemand diese Laudatio unter anderem mit den Worten zusammenfasst, dass bei „quoted“ „Positionen aufeinander prallen“ oder Ähnliches. Aber: „quoted“ ist keines dieser „kontrovers“ besetzten Medienformate, bei denen die Positionen erwartbar oder sogar quasi vorchoreografiert sind. Dass fast immer ein Gast dabei ist, sei der Vollständigkeit halber auch erwähnt.
All das trägt dazu bei, dass „quoted“ sowohl für Journalist*innen sehr instruktiv sein kann - als auch für Leute, die überhaupt nichts mit Medien zu tun haben, aber sich eben dann für Medienkritik interessieren, wenn sie gesellschaftlich debattenrelevant ist. „Quoted“ zeigt auch, dass analytische Qualität und niedrigschwelliger Zugang kein Widerspruch sein müssen.
Die etwas trockenere Materie habe ich mir für den Schluss aufgespart. Der vollständige Titel dessen, was die Jury des Donnepp-Preises ausgezeichnet hat, lautet ja etwas sperrig: „quoted. der medienpodcast von CIVIS Medienstiftung und Süddeutscher Zeitung, gefördert von der Stiftung Mercator.“ Die redaktionelle Verantwortung liegt bei der CIVIS-Stiftung, die ich in dieser Laudatio schon etwas früher erwähnt habe. Und von der Stiftung Mercator kommt das Geld. 
In den Debatten um die künftige Finanzierung von Journalismus geht es ja immer mal wieder um die Rolle, die Stiftungen dabei spielen könnten. Es gibt Forderungen, dass sich Stiftungen stärker in der Finanzierung von Journalismus engagieren sollten. Und es gibt Forderungen, dass der Gesetzgeber bessere Rahmenbedingungen dafür schafft, dass sich Stiftungen stärker engagieren können. 
Dass wir hier heute einen Preis vergeben für eine medienpublizistische Leistung, hinter der zwei Stiftungen stehen - das könnte die hiesige Stiftungswelt als Signal verstehen. 
Wer gerade noch überlegt, ob er sich mit Ideen oder Geld oder beidem im Journalismus oder gar Medienjournalismus engagiert, der weiß jetzt: Als Lohn winkt irgendwann vielleicht der wichtigste deutsche Preis für Medienpublizistik.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!
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thimel · 1 year
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Leseliste April 2023
Stormland, John Shirley, Blackstone 2021
The Destroyer of Worlds, Matt Ruff, HarperCollins 2023
Melody, Martin Suter, Diogenes 2023
Noch wach?, Benjamin von Stuckrad-Barre, Kiepenheuer & Witsch 2023
Wilde Schafsjagd, Haruki Murakami, Dumont 2005/2017, re-read
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korrektheiten · 1 year
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Sexualisierte Gewalt, Reichelt, die BILD, ein Buch, ein Podcast und die Frage der individuellen Verantwortung
NachDenkSeiten: »Ein Buch und ein Podcast zur „Reichelt-Affäre“ erobern derzeit die Charts. Während Benjamin von Stuckrad-Barre in seinem wohl nur aus juristischen Gründen „fiktionalen“ Roman „Noch wach?“ ein sprachlich exzellentes, aber auch ziemlich elitäres Sittengemälde des Springer-Verlags und seiner Protagonisten liefert, scheitert die von Jan Böhmermann für Spotify coproduzierte achtteilige Podcast-Reihe „Boys Club“ auf ganzer Linie,Weiterlesen http://dlvr.it/SnsMbk «
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kunstplaza · 1 year
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sakrumverum · 1 year
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Die Queen oder Schmutz?
Das neue Buch von Benjamin von Stuckrad-Barre kommt aus der untersten Schublade. Dank der links-progressiven Kultur-Oberschicht gilt sein Schmutz aber als Hoch-Popkultur. https://www.die-tagespost.de/kultur/feuilleton/die-queen-oder-schmutz-art-237366
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leontiucmarius · 1 year
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Warum Stuckrad-Barres MeToo-Aufregerroman "Noch wach?" nur halb gelungen ist
Jetzt ist der heiß erwartete Schlüsselroman über das Springer-Imperium endlich da. Die 400 Seiten sind zwar große Mediensatire, aber lauwarmer Aktivismus Diese Nachricht wird übernommen. Nach dem rumänischen Gesetz Nr. 8/1996 können die Nachrichten ohne das Herz der Eigentümer übernommen werden. Leontiuc Marius
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whatodoo-germany · 1 year
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Benjamin von Stuckrad-Barre - Oldenburg, Germany | 29 Apr, 2023.
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wohlbemerkt · 4 years
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Benjamin von Stuckrad-Barre - Panikherz
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uhlmanns · 3 years
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