#textfragmente
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« Angeblich wächst die Sentimentalität mit dem Alter, aber das ist Unsinn. Mein Blick war von Anfang an auf die Vergangenheit gerichtet. Als in Garstedt das Strohdachhaus abbrannte, als meine Mutter mir die Buchstaben erklärte, als ich Wachsmalstifte zur Einschulung bekam und als ich in der Voliere die Fasanenfedern fand, immer dachte ich zurück, und immer wollte ich Stillstand, und fast jeden Morgen hoffte ich, die schöne Dämmerung würde sich noch einmal wiederholen. » schreibt Wolfgang Herrndorf als aller ersten Blogeintrag, da weiss er noch nicht dass er tot sein wird, wenn ich diese Zeilen schreibe.
Zum ersten Mal habe ich Arbeit und Struktur gelesen, da war ich 18 und ich fand es in einem Ausmaß verstörend, das ich mir heute nur noch schwer erklären kann. Ich habe die Textfragmente in den letzten Jahren immer wieder zur Hand genommen, es ist nicht so, dass sie mich ganze Lebensabschnitte begleitet hätten, so wie die Bücher von Judith Hermann, aber es sind Worte, in die ich mit der Zeit hineingewachsen bin und heute kommen sie mir so passend vor, wie ein maßgeschneiderter Anzug.
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schreiblustleselust · 13 days ago
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Andreas Unterweger: Haus ohne Türen
Der Titel des Gedichtbandes von Andreas Unterweger hat mich neugierig gemacht: „Ein Haus ohne Türen“. Was finde ich in den Räumen? Das Band beginnt mit dem Zitat „Wenn man schreibt, gehen die Türen nicht zu“ von Alfred Kolleritsch, Begründer der österreichischen Literaturzeitschrift ‚manuskripte‘. Er starb 2020. Andreas Unterweger übernahm die Literaturzeitschrift als Herausgeber. Die Gedichte und Textfragmente von Andreas Unterweger laden ein – zu einer spannenden Reise. Auf dieser Reise begegnen mir starke und leise Wortbilder. Ich treffe auf Wortspiele. Auf Sprachbilder - einer Melange aus Begegnungen in anderen Ländern, Melancholie, Humor, Selbstironie, Beobachtung. „Deine Haarsträhne die dir wie ein Schrägstrich immer wieder ins Wort fällt“. „Der Stein, den du ins Wasser wirfst zieht Verse über nichts als Kreise“. Oftmals geht es in den Gedichten um Begegnungen. Um Beziehungen. Wie nah sich unterschiedliche Emotionen in einem Beziehungshaus treffen könn(t)en. Sind es Beziehungen, die niemals zustande kommen. Oder Begegnungen, die zu schnell zu Ende gehen. „Immer schaffte ich es dann am Ende doch nie, dir zu sagen, was ich für dich nicht empfand – aber etwas muss man doch auch nicht sagen (hieße nichts nicht sagen denn nicht: sprechen?), und so: brach ich also unser schönes Schweigen erst, als die Straßenbahn in die Station einfuhr und du wegen ihres Lärms nichts hören konntest.“ Der Grazer Literaturverlag Droschl, in dem das Gedichtband erschien, widmet sich der Gegenwartsliteratur und insbesondere innovativer Erzählweisen. Das Buch von Andreas Unterweger ist inspirierend. Es öffnet definitiv eine Tür, mehr von dem Autor zu lesen.  Andreas Unterweger: Haus ohne Türen.Literaturverlag Droschl, Februar 2025.128 Seiten, Hardcover, 21,00 Euro. Diese Rezension wurde verfasst von Brigitte Krech. Read the full article
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foxincrepuscularlight · 7 years ago
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Das einzige, das wir sicher wussten, war, dass wir mit Unwissenheit nicht leben konnten. Die Unibescheide kommen niemals, sagte das Blondie, wir hätten uns genauso gut auf dem Mars bewerben können. Das wäre auch gerade weit genug weg gewesen von deiner Familie. Und Thede. Wow, sagte ich, wir sind nervliche Fracks. Du hast Thede seit mindestens anderthalb Jahren nicht mehr erwähnt. Ich weiß, sagte das Blondie tief seufzend, aber mehr weiß ich auch nicht. Außer, dass die Unibescheide nicht da sind. Sie ließ ihren Kopf auf den Tisch fallen. Ich trank einen Schluck Kaffee aus ihrer Tasse. Am Blondie bewegte sich nichts. 
Thede war der athletische Gott unseres Jahrgangs gewesen, bevor er sitzenblieb und der athletische Gott des Jahrgangs unter uns wurde. Hände wie Schaufeleimer, Arme wie Baumstämme und dazu das Gemüt eines Bernhardiners und die ganze Schule war ein kleines bisschen verliebt, inklusive der Lehrerzimmertür, die sich ihm magisch oft öffnete. Wir anderen schauten zu wie Thede traumwandlerisch durch die Schule wandelte, den Kopf immer beim nächsten Training. Dass er dumm wie die Tauben im Schulhof war, machte nur Snobs wie mir etwas aus. Das Blondie, ihrerseits eine große Ablehnerin von Intelligenz, konnte nichts davon abhalten, die Pausen plötzlich nicht mehr mit mir im Rauchereck zu verbringen, sondern mit Thede drüben beim Tischtennisballtisch. Ich sah zu und rauchte wütende Wolken in den Himmel. 
Der ganze restliche Schulhof sah auch zu. Da war sie, die wunderschöne, aber leider komplett durchgeknallte Heldin der Geschichte und er, der auf jede Art die klassische Heldenrolle besetzen konnte, solange man ihn nicht bat zu erklären was ein Held eigentlich ist. Sie waren wie gemacht füreinander, da alle großen Heldengeschichten im Kern Dramen sind. 
Zunächst ging alles gut. Das Blondie vergnügte sich und ich versuchte mich daran zu erinnern, mit wem ich befreundet gewesen war, bevor wir uns begegneten. Ich hörte das Essen kurzzeitig auf um so dünn zu werden wie sie. Sie wurde dank neuer Zucki-Pillen in der gleichen Zeit noch dünner, woraufhin ich das Essen ernsthaft aufhören musste und meine Eltern mir auf die Schliche kamen. Das Ergebnis war eine durchgeknallte Psychologin, die mich in allen Therapiesitzungen bat mir vorzustellen, ich sei ein Baum, den nichts entwurzeln konnte. Ich schüttelte wütend meine Äste um einige Kalorien zu verbrennen während sie schwafelte. Dann ging ich heim und in der Einsamkeit meines Zimmers fragte ich mich langsam aber sicher, ob ich Alleinsein glorifiziert hatte, weil es das Blondie gab oder ob ich mich schlechter kannte, als ich dachte. 
Die Antwort war vermutlich beides. 
Nach drei Monaten Turteltauben-Dasein und Schulhofneid erinnerte sich das Blondie meiner Existenz und mein ursprünglicher Plan sie mindestens eine Woche zu ignorieren zerfiel im Moment, in dem wir unseren ersten Tiefseetaucher tranken. Beim dritten hätten wir nicht einmal mehr gewusst, wer Thede eigentlich war und so kehrte in dieser Nacht alles zum Alten zurück. Erst als er anrief und anrief und anrief erinnerte ich mich daran, dass das Blondie nicht mehr mir allein gehörte und dann erinnerte ich mich an nichts, da ich bevorzugte nichts zu wissen, anstatt das. 
Natürlich stellte sich heraus, dass die Beziehung nicht so super war wie gedacht. Denn erstens waren wir noch nicht mal ganz 18 und nichts auf der Welt ist gut, wenn man nichtmal ganz 18 ist. Und zweitens war das Blondie ein schwieriger Mensch und Thede hatte seine eigenen Probleme und kurze Zeit später zerfloss sie in meinen Armen, da er sie nicht so liebte, wie sie gedacht hatte und alles furchtbar war. Mit der Großmut einer Kaiserin nahm ich sie zurück zu mir, auch wenn ich vermutlich die einzige war, die das so sah und von da an gingen wir Thede aus dem Weg. 
Das war zumindest der Plan, aber stellte sich heraus, dass das Blondie sein Herz verloren hatte und sich sicher war, es nie wieder zu bekommen. Das Leben macht keinen Sinn mehr, sagte sie sinnierend auf der kleinen Flußmauer sitzend von der aus wir runterspringen konnten, sobald wir sehr betrunken waren und unsere Füße baden wollten, und ich stimmte nicht zu. Das Leben war jetzt gerade, mitten im Sommer, zu Beginn unseres letzten Schuljahres eigentlich ziemlich perfekt. Das Wetter war warm, ich war braungebrannt und dünn, die Haare des Blondies glänzten in der Sonne wie flüssiges Gold und wir hatten Alkohol und Kippen, die wir legal nicht besitzen durften. Was hätte man nicht nicht mögen können?
Dieser Sommer war der erste, in dem ich verstand, wie schnell Freundschaften in die ein oder andere Richtung ausschlagen können; wie schnell etwas, das so fest zu sein schien wie meine Arme an meinem Körper sich langsam loslöst, verblasst und irgendwohin entschwindet, wo man es in seiner ursprünglichen Form nie mehr findet. Und ich lernte, dass ich mich selbst wohl niemals ganz kennen würde, denn meine Eifersucht, Kleingeisterei und Genervtheit gegenüber dem Blondie hätte ich niemals von mir erwartet. Das Leben war viel weniger gut als noch vor sechs Monaten, aber wir saßen zusammen auf dieser Mauer und stoßen an und taten als seien wir die Menschen von vor einem halben Jahr und dann kamst du aus dem Nichts und setztest dich neben uns und brachtest uns wieder zueinander auch wenn es das vermutlich letzte war, was du eigentlich wolltest. 
Dein Gesicht sieht aus als seist du als Kind zu viel in der Sonne gewesen, sagte das Blondie und ich kicherte und du lachtest laut auf und fragtest uns, ob wir noch was trinken wollten. Wollten wir. Dann rauchten wir eine gemeinsam und dann gingen wir in eine Kneipe gemeinsam und du ludst uns nicht ein, was wir fancy fanden. Und dann gingen wir auseinander ohne Nummern auszutauschen, da wir alle wussten, dass unsere Stadt klein genug war um sich immer irgendwo zu begegnen aber es zufällig aussehen zu lassen und als du mir zu blinzeltest bevor ich abdrehte um heim zu gehen schlug mein Herz einen Schmetterlingsschlag schneller. 
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verblassteliebeslinien · 5 years ago
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mehr als vier jahre ist es her, dass mir diese aneinanderreihung von worten gegen die schläfe knallten. sie traf mich. wie man leben soll / wenn einem jedes wort / jedes gefühl / in die brust sinkt / und katastrophen streut, schrieb ich. es folgten hunderte textfragmente, die sich mit der frage auseinandersetzten, aber gab es je eine passende antwort? wie soll man leben, hast du mich gefragt. heute würde ich sagen; in einem atemzug, mit rosigen wangen und kühlen fingerspitzen. mit dem drang etwas zu bewegen und der klarheit, nicht alles verrücken zu können. auf dem boden der tatsachen, ausgedehnt bis zur letzten blassrosa nuance im himmel, wenn die sonne untergeht. man soll sich beeilen, aber nicht überschlagen, sich einen groben überblick verschaffen und innehalten, um die details zu erkennen. man soll nein und stopp sagen, um unangenehmes zu vermeiden und bewusst wissen, dass jede freiheit mit einschränkung verbunden ist. nie darf man aufhören, dinge erfahren zu wollen, sich der naivität auch noch hinzugeben, wenn man ihr längst entwachsen könnte und niemals vergessen, dem unsinn raum zu schaffen. ich habe bibliotheken meinen rachen runter gestürzt, mit der hoffnung, eine antwort zu finden und dabei eines erkannt; die frage entweicht dem augenblick. das leben ist hauchdünn. ein versprechen bleibt fragil. die ewigkeit gehört uns schon.
https://www.instagram.com/minusgold/
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art-now-germany · 5 years ago
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Ein Tag, Katrin Schwurack
I glued together 4 sheets of copperprint paper with strips of fabric. Afterwards I painted different collages or pictures in 8 fields in mixed technique. This is how a big compendium was created. In a part of the picture I glued text fragments. Every segment of my image stands alone and yet everything flows together. The picture can be folded up. Due to the structures and the various painting materials, the collage looks different with every lighting. The picture will be sent with a certificate of authenticity. Ich habe 4 Blatt Kupferdruckpapier mit Stoffstreifen zusammengeklebt. Anschließend habe ich in 8 Felder unterschiedliche Collagen oder Bilder in Mischtechnik gemalt. So ist ein großes Kompendium entstanden. In einen Bildteil habe ich Textfragmente eingeklebt. Jedes Segment meines Bildes steht für sich und dennoch fließt alles zusammmen. Das Bild kann zusammengefaltet werden. Durch die Strukturen und die verschiedenen Malmittel wirkt die Collage bei jeder Beleuchtung anders. Das Bild wird mit Echtheitszertifikat versendet.
https://www.saatchiart.com/art/Collage-Ein-Tag/838531/4378775/view
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religionen · 6 years ago
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Mit Jesus gegen das Volk
Die Ausstellung «Sündenbock» verspricht die Untersuchung kollektiver Gewalt von Gruppen gegen Einzelne. Doch mangelt es ihr nicht nur an einer wissenschaftlichen Grundlage, eine derart ungehemmt rechtsbürgerliche Staatspropaganda hätte ich im Zürcher Landesmuseum nicht erwartet. Ein kritischer Erlebnisbericht.
Kaum durch die Türe werden mir und meinem Freund Kopfhörer an die Brust gedrückt. Mit der aufgedrängten, stimmungsschweren Musik in den Ohren steuern wir dem ersten Ausstellungsstück entgegen: eine Wand voller Totenköpfe. Von Kindern sollen diese stammen. Und gleich daneben eine Vitrine mit rituell beigesetzte Kinderknochen. Aus der Zeit der Pfahlbauern.
Die Stimme aus dem Kopfhörer doziert: «Gier, Rache oder auch pure Frustration, in den Gemeinschaften bleiben das alles Beweggründe um einzelne auszustossen und zu töten.» Diesem Erklärungsschema wird die Ausstellung treu bleiben: Es seien die ungehemmten, negativen Emotionen, die Menschen einander quälen und töten liessen – ausschliesslich.
In der nächsten Vitrine ein abgetrennter Kopf einer gut erhaltenen Frauenleiche. Aus einer römischen Quelle wird zitiert, dass Menschenopfer unter Kelten sehr verbreitet gewesen seien. Und der Kopfhörer erklärt: «Neidgetriebene Menschen brauchen den Furor.»
Von der Steinzeit gelangen wir nahtlos in die griechische Antike. Auf bemalten Vasen soll der Betrachter «das Gewaltpotential der Mythen» erkennen. Ich sehe vor allem grossartige alte Handwerkskunst. Doch das riesige, moderne Wandbild einer Mordszene in schwarz, weiss und rot lässt keinen Zweifel: hier geht es nicht um Kunst. Auch die Texte auf den Schildchen drängen darauf, dass die griechischen Mythen nichts als blutrünstig seien, beherrscht vom «Ritual des Tötens».
Endlich ein Lichtblick: Eine Tora-Rolle geöffnet im 3. Buch Mose, wo das eigentliche Sündenbock-Ritual beschrieben wird. Die Stimme lobt, dass hier erstmals ein konstruktiver Umgang für das Problem gefunden worden sei. Doch obwohl die Ausstellung nach diesem Ritual benannt wurde, wird nicht genauer darauf eingegangen. Stattdessen führt sowohl die Narration als auch die Raumgestaltung direkt zu mehreren grossen Christusfiguren. Und die Stimme lobt das Evangelium als Höhepunkt der antiken Auseinandersetzung mit Gewalt. Immerhin darf das Judentum als Vorreiter des ach so herrlichen Christentums fungieren, geht es mir durch den Kopf.
Vermutlich hat mich mein Freund den Kopf schütteln gesehen. Denn er unterbricht mich: «Findest du die Ausstellung nicht auch sehr sprunghaft und oberflächlich?» Ich pflichte ihm bei, erinnere aber altklug daran, dass man keine Ausstellung vor dem Ausgang verfluchen solle. Dabei ahne ich nicht, wie nahe wir uns bereits vom Ausgang befinden.
Mein Freund pflichtet mir bei und wir tauchen wieder ein in die emotionale Fahrt durch verstörende Bilder, Texte und Musik aus dem Kopfhörer. Diesmal führte die Reise ins Mittelalter, wo brutale Hinrichtungen von Juden, Ketzern und Hexen vorgestellt werden. Und auch hier wieder ein grosses Wandbild: eine wütend schreiende Menschenmasse – ausschliesslich Männer. Der Betrachter fühlt sich sogleich von einem Lynchmob bedrängt. Doch nachdem ich mich von den Emotionen befreit und das Bild genauer studiert habe, fällt mir auf, wie sehr es den Propaganda-Plakaten gleicht, mit denen vor 100 Jahren gegen die «bolschewistische Gefahr» gehetzt wurde. Und ja, daran erinnert auch das einzige farbige Element im Bild: die rote Keule, die von einem hasserfüllten Mann in der vordersten Reihe geschwungen wird. Und ein weiterer kleiner Link zum «bösen Sozialismus»: Eines der Gesichter gleicht vermutlich nicht bloss zufällig Guy Fawkes von V wie Vendetta, dem fiktiven anarchistischen Attentäter. 
Danach kommt es nach dem Evangelium zum zweiten ‹Lichtblick› der Ausstellung: die Aufklärung. Altargleich steht im Zentrum eine mit einem Scheinwerfer beleuchtete Guillotine. Und davor ein altes Schweizer Strafgesetzbuch woraus stolz zitiert wird: «Die Vergehen gleicher Art werden mit Strafen gleicher Art bestraft.» Und daneben der grosse, ausgebreitete Codex des Leviathan von Thomas Hobbes. Dessen geöffnete Titelseite visualisiert die zentrale Botschaft des Werks: Der Staat als dominierendes Schlangenmonstrum wird benötigt, um die noch böseren Menschen zu kontrollieren und zu beherrschen.
Und falls die Besucher*in nicht überzeugt sein sollte, dass der Mensch auch heute noch eines furchteinflössenden Staates bedarf, werden im nächsten Raum die Dämonen des social media shitstorm beschworen: Menschen hetzen online gegen anderen Menschen weil sie ein Eigentor geschossen haben, weil sie Whistleblower sind, weil man einen Schuldigen für das Versagen einer grossen Firma braucht, und und und. Wir lesen und schauen dutzende Geschichten, eine schlimmer als die andere. Stets begleitet von emotionaler Musik im Ohr.
Personen, denen man Vorwürfe im Zusammenhang mit Sexualität gemacht hat – egal ob sie etwas ‹Schlimmes› getan haben oder nicht, trifft es besonders hart. Egal ob sie ihre Brüste gezeigt haben, das Geschlecht gewechselt haben, durch das Stehlen von Videos oder eines Accounts als Pornoanbieter diffamiert wurden, oder weil sie sich getraut haben zu sagen, dass sie etwas sexistisch finden, weil sie haltlose Übergriff-Vorwürfe erhalten haben oder umgekehrt, vermeintliche Täter verteidigt haben – wer Opfer von Beschuldigungen im Zusammenhang mit Sexualität wird, nimmt sich besonders oft das Leben. Ich bin froh, dass ich noch lebe. Gleichzeitig wirkt es auf mich wie eine Warnung: Tu und sprich ja nichts im Zusammenhang mit Sexualität, das andere nicht mögen könnten. 
Geschafft nehme ich die Kopfhörer ab. Jetzt fällt mir auf, wie laut die gedrängt stehenden Besucher*innen atmen. Ich fliehe vor dem Zuviel an Emotionen in den nächsten Raum. Hier sind die Sitzgelegenheiten voller erschöpfter Besucher. Mein Freund macht mich darauf aufmerksam, dass es sich um den letzten Raum handelt. Die Emotionen wurden in dieser Ausstellung strapaziert. Inhaltlich haben wir jedoch kaum etwas Fundiertes erfahren. Daran ändern auch die Textfragmente nichts, die es hier zu lesen gibt: sie alle sind der «Eifersucht» gewidmet, die das Leben der Menschen bestimme.
Mit etwas Distanz gehen ich und mein Freund die Ausstellung nochmals durch. Wir finden jedoch nicht viele Pluspunkte: Zuerst stört mich, dass die Me Too-Debatte, die im letzten Teil mehrmals zur Sprache kommt, immer negativ besetzt ist. Viele Frauen erleben tatsächlich würdelose Behandlung. Dass die heutige Sensibilisierung einzelne Personen egoistisch ausnutzen ändert nichts daran, dass der öffentliche Zorn vieler Frauen* legitim und wichtig ist! Und mein Freund fügt an, dass die Ausstellung auch nirgends erwähnt, dass den erwähnten «Sündenböcken» auch von staatlicher Seite her keine Gerechtigkeit widerfahren ist – weder rechtlich noch in den Medien. Dazu schweigt die Ausstellung, will sie den Fokus doch vom Staat weg und auf den gefährlichen Neid des Einzelnen lenken.
In seiner Werbung preist sich das Landesmuseum als «spektakulär» an. Ein Spektakel wird zweifelsohne veranstaltet. Eine sachliche Thematisierung sähe aber anders aus. Zum Titelthema Sündenbock wird nicht bloss keine biblische Forschung hinzugezogen, auch werden nirgends in der Ausstellung Erkenntnisse aus der Psychologie oder anderen Wissenschaften präsentiert.
Selbst der Umgang mit Quellentexten ist erstaunlich naiv, etwa wenn antike Texte über die verwerflichen Sitten verfeindeter Völker oder längst vergangener Zeiten als Beweise fungieren. Kein Wort dazu, dass solche Quellen fast immer einer eigenen Agenda folgen und vielleicht nicht allzu zuverlässig sein dürften.
Und was mich traurig macht ist, dass Jesus benutzt wird, um gegen die Volksmassen Stimmung zu machen. Die Ausstellung diabolisiert den Menschen, mit seinen negativen Emotionen, stellt aber Jesus gleichzeitig überhöht dar. Dies erinnert an die vielen Jahrhunderte, in denen Juden zu Ehren Christi verflucht wurden. An die Stelle des jüdischen Volkes tritt nun das  «gemeine Volk». Ich dachte, die Zeiten seien vorbei, in denen unser Staat christliche Figuren instrumentalisiert. Deshalb sei es ganz deutlich gesagt: Jesus gab nie die Schuld dem Volk, sondern prangerte die ungerechten Machthaber an. Dem Volk vergab er – sogar im voraus.
Fabian Perlini-Pfister, 11.05.2019
Die Ausstellung «Sündenbock» kann noch bis zum 30.6.2019 im Landesmuseum Zürich besucht werden: www.nationalmuseum.ch.
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frankyherzkleber · 2 years ago
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1986 soziale Erfahrungen
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1986, als Betreuer für ein behindertes Kind fuhr ich in ein Erholungslager nach Meck-Pom. Die Erfahrung war prägend. Ich hatte seitdem immer eine große Achtung vor Menschen, die in sozialen Berufe arbeiten. Danach ist einer meiner ersten Textfragmente entstanden, der Refrain von „Leute“ hieß damals Menschen, die Strophen wurden nach 2010 neu geschrieben. Den Text findet ihr auf unserer Homepage. Leute: https://drive.google.com/file/d/1ZvGoUsr6v4JiFcGxbk9gA3tJcAl-cTrE/view?usp=share_link   1987 gründete ich dann meine erste Band, die auch in Ostberlin ihre ersten Auftritte hatte. Wie hieß diese Band? Grüne Ohren ? Die Kandidaten ? Auf die Mütze ? Premiere: 12. Mai 2023 /20:00 https://www.youtube.com/watch?v=JlL83AQDaws   Lesen Sie den ganzen Artikel
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galeriehinten · 3 years ago
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Martin Lucas Schulze: Der Prozess ist die Form
Zeitraum: 17.12.2022–22.01.2023
Vernissage: 17.12.2022 | 19.00 Uhr
Öffnungszeiten: FR–SA 18.00–22.00 Uhr | SO 15.00–19.00 Uhr
Verfallsprozesse stellen eine fundamentale Naturkonstante dar. Sie stehen im Zentrum der künstlerischen Forschung von Martin Lucas Schulze. „Wenn Wissenschaftler:innen heute davon ausgehen, dass von den kleinsten Stoffen bis zu schwarzen Löchern alles vergehen muss, scheint es sich um eine überall vorhandene Struktur zu handeln, von der es gilt, sich ein Bild zu machen. Eine interessante Frage die ich mir stelle ist, ob solch eine Verfallsstruktur auch selbst verfallen und sich dann wieder rekonfigurieren müsste? Dass sozusagen die Struktur selbst auch nur ein Zustand ist.“ (MLS 2022)
In der Ausstellung "Der Prozess ist die Form" zeigt Martin Lucas Schulze Auszüge aus seinem ungewöhnlichen Archiv, welches er stetig erweitert. Die umfangreiche Sammlung umfasst Fotografien, Textfragmente, Zeichnungen und Fundstücke, welche die verschiedenen Erscheinungsformen permanenter Verfallsereignisse in unserer Umwelt dokumentieren und einer Bestandsaufnahme ähneln – für den Künstler Ausgangsmaterial, um Denkmodelle zu entwerfen bzw. sich der Frage zu stellen, wie ein naturphilosophischer Entwurf bezüglich deren Gesetzmäßigkeiten, Methoden, Strukturen und Funktionen aussehen könnte.
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jeremiasheppeler · 7 years ago
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“Der Abend mit „die hunde“ verspricht in jedem Fall ein spannendes Experiment zu werden. Christof Heppeler und sein Sohn Jeremias aus Fridingen im Donautal bilden seit vier Jahren unter unterschiedlichen Namen ein Künstler-Duo, dem es laut eigenen Aussagen „weniger um Identität und Identifikation als viel eher um Verwirrung und Verwischung“ geht.” (Vorbericht Schwäbische Zeitung: https://www.schwaebische.de/landkreis/landkreis-sigmaringen/scheer_artikel,-ein-bunter-abend-soll-sich-im-tonstudio-etablieren-_arid,10884709.html). 
“In Erinnerung bleiben nach dem rasanten Auftritt neben den visuellen Eindrücken vor allem auch einzelne Textfragmente, die Jeremias Heppeler im zweiten Teil des Abends ins Mikro gesprochen oder gebrüllt hat. Das Zitat am Anfang des Artikels zum Beispiel oder „Der verdammte Aufschlag“, der einem nach langem „Schlag auf Schlag“ nicht so schnell aus dem Kopf geht.” (Nachbericht Schwäbische Zeitung: https://www.schwaebische.de/landkreis/landkreis-sigmaringen/scheer_artikel,-vogelk%C3%A4fig-wird-zum-musikinstrument-_arid,10896165.html)
Das Konzert wurde von Heiko M. Fischer analog mit Stift und Papier festgehalten:
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Video zu “ schwall 22062018 “
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lisapeil · 4 years ago
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REFUGIUM/ field studies without fields MALEREI und TEXT Lisa Peil
About:
Lisa Peil zeigt Malereien auf Leinwand, großflächige Drucke und Wandcollagen aus Papier. Gebrochene, vielschichtige und abstrakte Landschaften. Arrangierte Textfragmente und kurze Erzählungen an der Wand und im Raum ergänzen die dystopischen Gedankengänge zwischen Isolation und Ausbruch. Im Mittelpunkt der Szene steht ein Unikatbuch in dem Bildskizzen, Erzählungen, Textfragmente und Fotografien collagiert und verdichtet sind.
Die gezeigten Arbeiten sind zwischen 7/2020-5/2021 entstanden als Teil der praktischen Diplomarbeit (HFG Offenbach)
Öffnungszeiten:
Do, 19.08. Vernissage 19:00 Uhr
Do, 26.08. Studioabend 19:00 Uhr
Sa, 28.08. Lesung 16:30 Uhr
So, 29.08. Finissage 15:00 Uhr
Sa&So, 21.,22.,28.,29.08. 13:00-19:00 Uhr
sowie unter der Woche nach Vereinbarung:
Ort:
Studio 294 auf dem Milchsackfabrikgelände im Gutleutviertel (Zwischen Künstlerhaus und Theater Landungsbrücken)
Textauszug:
Skizzen aus dem Abseits/ stehen gelassen auf weiter Flur:
Der Tag zerfließt in der Dämmerung. Stunden des Wartens vergehen am verwitterten Bahnhof. Krautige, kratzige Vegetation dürrt.
Die grauen Steine ruhen im Gleisbett.
Dann ist es Nacht geworden.
Die Frage nach der Gegenwärtigkeit der Zustände drängt sich auf. Die Bedrohung der Systeme –ökologische, soziale, wirtschaftliche– zeichnet sich in lieblichen, kräftigen, gesättigten Tönen am Horizont ab. Was das bedeuten soll? Ich weiß es nicht. Aber lass uns auf jeden Fall da hingehen!
Es scheint alles noch nicht sichtbar. Das wenigste davon greifbar.
Ein fernes, tiefes Schwelen in der Nacht lässt mich wittern.
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Manchmal. Ganz manchmal. Überkommt mich der Gedanke an dich.
Nach all der Zeit. Nach all den Jahren. Obwohl mittlerweile Welten dazwischen liegen. Selten. Wirklich selten. Erwische ich mich. Dabei das ich diesen einen Ordner durchscrolle. Mit Bildern. Mit Textfiles. Voll von Erinnerungen, die ich irgendwann einmal weggeschlossen hatte. Aber nun selten mal durchsehe. An Bildern hängen bleibe. Textfragmente aufschnappe.
Dann überkommt mich kurz eine Traurigkeit. Weil es Lichtmillionen Jahre entfernt scheint. Das, was wir dort hatten. Dieses Gefühl, dass ich für dich hatte. Das sich nach all der Zeit noch vertraut anfühlt. So warm. So sehr nach "Scheiße, ich habe dich wirklich mit jeder Faser meines Herzens sehr gemocht". Und dann werde ich kurz traurig. Weil weiterhin tief in mir diese Frage schlummert, was wäre gewesen wenn.
Egal wie viele Jahre noch verstreichen werden. So wenig ich das möchte und so leid mir das tut, aber du wirst immer dieses große, mein großes "was wäre gewesen, wenn..." bleiben. Egal, wie sehr ich mir einreden möchte, dass du es nicht bist.
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korrektheiten · 4 years ago
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Nächste Plagiats-Affäre in ÖVP: Villacher Abgeordneter “verzichtet” auf Titel
Unzensuriert:In der Diplomarbeit des Kärntner Nationalratsabgeordneten Peter Weidinger (ÖVP) fand der Gutachter Stefan Weber 30 Textfragmente, die als Plagiat gewertet werden können. Weidinger bestätigte, dass er seinen Magister der Rechtswissenschaften vorerst "zurücklegen" wolle. Der Beitrag Nächste Plagiats-Affäre in ÖVP: Villacher Abgeordneter “verzichtet” auf Titel erschien zuerst auf Unzensuriert - Demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich. http://dlvr.it/Rrc83T
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mediadigest · 5 years ago
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2014 | Flying Lotus - Cosmogramma Warp Records Ist das die Musik, auf die das Prekariat gewartet hat? Die reichhaltige Darbietung all der simplen Textfragmente die einen, in dieser schweren Zeit, in der das Oktoberfest abgesagt wird, auf virtuelle Bierbänke krabbeln lässt um lauthals die eingängigen Refrains mitzubrüllen? Das uns dazu ermuntert die Melodaien auf dem alkoholumnebelten Nachhauseweg unentwegt mitzusummen? Arm in Arm mit dem gerade gewonnen besten Freund fürs Leben? Nope! Das pure Gegenteil. Viel Spaß beim entdecken dieser Kopfmusik. #flyinglotus #warprecords #cosmogramma @flyinglotus @warprecords https://www.instagram.com/p/B_U6KcppCYV/?igshid=rioaw6uzmh9z
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foxincrepuscularlight · 7 years ago
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Man könnte halt, sagte das Blondie während sie in ihre Käsestulle biss, auch für immer doch nur Kaffee trinken. Man könnte ne richtige Karriere aus dem Kaffeetrinken machen. Man könnte Barista werden oder auch irgendwann selbst nen Café eröffnen. Man könnte zu Tastings gehen oder Kaffee anbauen und dafür auswandern. Man könnte mit seinem Kaffeeverkauf sogar was Gutes tun und Projekte unterstützen. Man könnte sogar sagen, dass man Kaffee-Tastings macht. Man könnte so nen süßen kleinen Bulli kaufen und daraus Kaffee verkaufen. Man könnte auch versuchen auf Märkten Kaffee zu verkaufen. Man muss nur darüber hinwegkommen, dass es Menschen gibt, die einfach keinen schwarzen Kaffee mögen und sie nicht hardcore judgen. Oder man sagt, dass es einfach keine Milch oder keinen Zucker gibt und die Leute gottverdammt eben damit leben müssen und dann gilt man als edgy und anders und die ganzen Hipster und Angeber kommen ins Café weil es da wenigstens keine Kompromisse gibt. Man könnte den ganzen Tag Kaffee in den Siebträgermaschinen festpressen und ihn davor mahlen und riechen und selbst circa 100 Kaffee trinken und danach könnte man heim und sich an den Küchentisch setzen in der winzigen Wohnung, die alles ist, was man sich leisten will, weil man sein Alleinsein schätzt und stundenlang schreiben, weil man vom ganzen Kaffee eh nicht schlafen kann und wenn man später interviewed wird, weil man irgendeinen geilen Preis gewonnen hat, kann man erzählen, wie das war, als das Leben nur aus Kaffee bestand und man in der Einsamkeit der Nacht mit sich selbst gerungen hat um Wörter auf Papier zu bekommen. Und es wäre schon geil. 
Stimmt schon, sagte ich, aber es gibt leider doch ein paar Probleme in dem Plan. Erstens, als du das letzte Mal gekellnert hast, hast du mir bereits am ersten Tag in der Pause 100 Nachrichten geschrieben, dass das, das Ende deines Lebens sei, dass du Menschen hasst und dass du Laufen hasst und dass du Tablette und Tische hasst. 
Das Blondie nickte gedankenverloren. 
Zweitens, sagte ich, deine Mutter droht dir mit Obdachlosigkeit und Einfrieren des Kaufens von Zigaretten, wenn du nicht studierst. Erst gestern hat sie in der Küche wieder losgelegt, obwohl ich dabei war und es mir mega unangenehm war zu hören, wie sie loslegt. Mein Kind studiert, hat sie geschrien und ich will dich nicht beleidigen, aber du bist das größte Mamakind der Weltgeschichte. Wir wissen beide, dass du tatsächlich studieren wirst. 
Das Blondie seufzte tief und nickte erneut. 
Drittens, sagte ich, wir trinken jetzt bereits in jeder Pause Kaffee. Nach der Schule gehen wir als erstes los und trinken Kaffee. Danach holen wir uns nen Kaffee to go und trinken den auf dem Weg zu mir und dort trinken wir wieder nen Kaffee. Ich schlafe eigentlich nie. Es ist einfach unmöglich, noch mehr Kaffee zu trinken. 
Das Blondie hob einwendend einen Finger. Jaaa, sagte ich.
Aber, sagte das Blondie, wir haben es auch noch nicht versucht. Wer weiß, was wir könnten, wenn wir wollten. 
Dieses Mal nickte ich gedankenverloren. 
Hast du dir den dummen Katalog mit den Unistudiengängen schon angesehen, sagte das Blondie, der hat 1000 Seiten und ist in der kleinsten Schrift gedruckt, die ich jemals gesehen habe. Glaubst du wirklich, wir überleben es, diesen Katalog durchzugehen? 
Hmm, sagte ich, komplett durchgehen müssen wir ihn nicht. Alles mit den Wörtern Naturwissenschaft, Technik, Medizin oder Sport ist sofort raus. Sowas von raus, sagte das Blondie und nahm einen Schluck Kaffee. Tierarzt leider auch. Tierpfleger im Zoo wiederum wäre richtig nice. 
Eh, sagte ich, wenn ich ein Eisbärbaby so aufziehen könnte, wie Knut aufgezogen worden ist, würde ich sofort sogar auf Kaffee verzichten. Wenn ich morgen nach Hannover fahre und mich im Zoo vorstelle und die sagen, ok, du bist dabei, aber du musst das Eisbarbäby aufziehen, würde ich nicht mal mehr Abi mitschreiben. Ich würde prinzipiell nicht Abi mitschreiben, sagte das Blondie, würde meine Mutter mich nicht killen. Dann würde ich nämlich Hunde trainieren. Vor allem die kleinen Babies. Alles was acht bis zwölf Wochen alt ist, würde ich so hardcore im Kuscheln trainieren, das hättest du noch nicht gesehen. Geil, sagte ich. Geil, sagte das Blondie. 
Die Wahrheit war, dass wir so orientierungslos waren wie kleine Papierschiffe, die man auf dem Meer ausgesetzt hatte. Alle waren so, bis auf die Leute, die Familienbetriebe übernehmen sollten oder die, die solche Streber waren, dass völlig klar war, dass sie Ärzte oder Anwälte oder Psychiater werden würden. Wir anderen waren kleine Babies, die gerade erst gecheckt hatten, wie die Waschmaschine funktionierte und die nicht mal sicher wussten, wie man einen Wohnungsvertrag abschloss. Keiner von uns war bereit, sein richtiges Leben zu beginnen und doch saßen wir gemeinsam rum und dachten nur darüber nach, wie es sein würde, richtig zu leben. Keine Eltern, keine Geschwister, WGs und wilder Sex nach Uniparties. Wir waren bereit, aber gleichzeitig waren wir panisch vor Angst. 
Ich wünschte, wir hätten einen sprechenden Hut im echten Leben, sagte das Blondie, den man sich überziehen kann und dann sagt er einem, was man werden sollte. Und dann wird man das einfach und weil es vom sprechenden Hut kam, ist man auch niemals unglücklich darüber, weil es Vorhersehung war und das Leben genau so laufen sollte, wie der Hut gesagt hat. Das wäre mördergeil, sagte ich. Hast du eigentlich endlich deinen Patronus auf Pottermore gemacht, fragte das Blondie mit ungehaltenem Unterton. Der Patronus war offiziell eine wichtige Angelegenheit. Nö, sagte ich, ich hab Stinas Fisch gesehen. Ich kann nicht den Patronus machen und dann kommt ein fucking Fisch dabei raus. Never. Meine Reputation wäre am Boden. Ich bin im perfekten Haus und habe den geilsten Zauberstab und versaue mir mein Profil doch nicht durch nen fucking Fisch. Es war ein Lachs, sagte das Blondie erregt und wütend, und der Lachs ist fucking geil, ok! Lachse schaffen alles, wenn sie sich in Schwärmen zusammentun. Lachse reisen jedes Jahr weiter als du in deinem ganzen bisherigen Leben. Der fucking Lachs ist das geilste man. Hast du auch einen Fisch, fragte ich. Das Blondie drehte sich erhaben weg von mir. Du kennst meine strikte no-disclosure Klausel über die Art und das Wesen meines Patronus bis du mir deinen sagst. Ende Gelände. Tzz, zischte ich und wir tranken beide einen Schluck Kaffee. 
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kleinergruenerdrache · 8 years ago
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Turn around, around your eyes Take a look, a look inside Turn around, around your head Take a look, a look inside You are not alone, open your mind Try to find the roots of your heart Come on and take this chance tonight And all the fears, fears fall down Like the trees of autumn Let their leaves, leaves fall down Like the trees in autumn Come on, shed your skin Come on, shed your second skin tonight
Love Like Blood - “Shed your skin”
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Erinnerungen an meine letzten Jahre im Elternhaus. Und Textfragmente, die mich noch immer sehr bewegen...
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salmonluedenscheidt · 5 years ago
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Über Romanzen, IV.
Das hier wird mein erster wirklicher Versuch. Seit Jahren bin ich der festen Überzeugung, dass meine Analysen, meine Texte und Geschichten, meine mündlichen Berichte, die fragmentiert so etwas wie Wirklichkeit erfassen sollen, meine Gefühle dahinter widerspiegeln könnten. Die Wahrheit ist, dass davon selten etwas wirklich nach Außen gedrungen ist. Aber nun sind wir hier. Du bringst mich dazu. 
Wir haben viel zusammen erlebt, Schätzchen. Ich glaube, du weißt mehr über mich, als mir lieb ist und im Gegenzug kann ich über 4 Jahre, 245 Bilder und tausende Textfragmente irgendwo mehr über dich sagen, als du offensichtlich über dich selbst sagen willst. Ich weiß nicht, wann der Punkt erreicht war, an dem es zwar nicht kaputtgegangen ist, aber irgendetwas gekittet werden musste. 
Dass du am liebsten gerne weglaufen würdest von all dem, dass dir deine Vergangenheit immer noch so in den Knochen steckt wie mir, ganz egal ob es mit einem Lächeln überspielst - geht mir ja auch so - hat weder uns gut getan noch irgendetwas Konstruktives geschaffen. Dass du viel schöner bist als deine Freundinnen weißt du vielleicht nicht, aber jeder, der sich länger als eine Sekunde ehrlich mit dir beschäftigt hat, würde mir zustimmen. Dass du deinem Platz in der Welt trotzdem suchst und dich gerne mal mittragen lässt von den Kräften, die dir suggerieren, man sei nur sich selbst Rechenschaft schuldig und die pervertierte Idee der Freiheit sei die Glückseligkeit von morgen nehme ich dir nicht übel und ganz ehrlich - es interessiert mich auch nicht. 
Wenn ich von Schönheit rede, meine ich weder dass was du sagst, noch wer du bist, noch dein Aussehen oder dein Status. Ich meine damit, dass ich schön finde, was du bist - auch wenn ich dir nicht sagen kann, was genau. Dein Idealismus, dein Egoismus oder deine Durchschlagskraft werden dann zu Schall und Rauch, wenn du ehrlich lächelst und ich bin mir sicher, dass ich das schon einmal gesehen habe. Wir sind gleich gut darin, Botschaften so zu verpacken, dass wir ihrem Inhalt stets aus dem Weg gehen können. Wir sind vermutlich gleich schrecklich in den Augen meiner Freunde. 
Du bist fantastisch im Bett, das hab ich dir auch nicht gesagt, weil es mir schlichtweg egal war und ich dir die kleine Genugtuung nicht gönnen wollte. Ich wollte den Moment und nichts als den Moment genießen, nicht reden, nicht aufhören, nicht verstehen. Die Nacht an sich war die absolute Krönung der Art und Weise, wie wir ohne Worte miteinander sprechen können und wenn du nicht so nett wärst, würde ich dich erst fragen, ob du mich heiratest und im nächsten Atemzug, ob du auch die Weltherrschaft willst. Aber ich war nicht wirklich in der geistigen Verfassung dazu. 
Ich bin verliebt in dich und das weißt du, ich liebe dich nicht, das weißt du auch - ich schätze, dass ich dazugelernt habe in den letzten Jahren, reifer geworden bin und mit Sicherheit sagen kann, dass du mir nicht gut tun würdest. Ich bin auf dem Weg, eine ehrliche Beziehung einzugehen, ich weiß nicht, ob du’s mitbekommen hast. Und ich würde gerne sagen, dass ich bereit für Ehrlichkeit bin. Aber so einfach sind die Dinge nun mal nicht. Warten wir mal bis August. Vielleicht weiß ich dann sicher, dass ich dich nicht will. 
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