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#vergessenekinder
sn0wl · 2 years
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Vergessene Kinder von Luna Darko – zwischen Cybergeneration, Soft Grunge und Nihilismus
Ein Essay von SN0WL
2017 ist das erste Buch, der mittlerweile schon vier Teile langen Reihe „Vergessene Kinder“ von der Publizistin Luna Darko erschienen. Im Juli 2022 erscheint das fünfte Buch, was, wie die Autorin selbst sagt, immer neue Puzzlestücke zum VK-Universum hinzufügt. Anlässlich zu der anstehenden Veröffentlichung des fünften Buches möchte ich meine Gedanken zu den bisher erschienenen Büchern teilen.
Kurz zur Einordnung: Alle Bücher drehen sich um Pia, der wir auf ihrem Weg durch die Jugend folgen, so thematisiert das erste Buch „Vergessene Kinder“ ihren Entschluss, sich nach dem Suizid ihres besten Freund Momo an ihrem 18. Geburtstag ebenfalls umzubringen, bis sie Tom kennenlernt, der neu in Stuttgart ist, und ihr eine andere Sicht aufs Leben zeigt.
Das zweite Buch „MYKO“ spielt kurz nach dem ersten Teil und es geht um Pias Auseinandersetzung mit ihrem inneren Kind, mit den titelgebenden Gedanken in der Nacht, denen sie sich aussetzt, um sie zu verstehen.
Das dritte Buch heißt „Pias Tagebuch“, ist handschriftlich verfasst, der Leser kann Pias Entwicklung im Alter von zwölf bis siebzehn Jahren mitverfolgen.  
Der letzte, bisher erschienene Band heißt „BFF!! ~ or til death do us part“ und besteht hauptsächlich aus dem ICQ-Chatverlauf zwischen Pia und ihrem besten Freund Momo, bis zu seinem Tod.
Abgründe der Psyche in 2000er-Ästhetik
Generell dreht es sich in jedem Buch neben einem bestimmten Kernthema um die Probleme, die einen heranwachsenden Menschen mehr oder minder in seiner Jugend plagen können. Dies ist hier jedoch in so geballter Ladung präsent, dass man sich kaum noch retten kann aus dem Strudel von Themen wie Einsamkeit, Selbstfindung, Drogenkonsum, diversen psychischen Problemen bis hin zum Suizid, häuslicher Gewalt, Freundschaftsgeflechten, erster Liebe und ersten Erfahrungen. Sicherlich prasselt in der Jugend vieles auf einen ein und man weiß oft nicht, wie man mit all den Eindrücken umgehen soll, dennoch wirken alle Bücher sehr überladen.
Dies kann auch mit der Gestaltung zu tun haben, die sichtlich mit viel Mühe umgesetzt wurde, ihre Wirkung aber leider verfehlt. So unterstützen die Zeichnungen, Sticker und Applikationen, die an den japanischen Kawaii-Stil erinnern, die Romantisierung von den menschlichen Abgründen. Texte über Essstörungen, Depressionen und Suizidgedanken in bunten Farben. Neben Textnotizen, in denen die Hauptperson Pia darüber schreibt, wie gerne sie sich von der ganzen Welt abkehren und umbringen würde, sind bunte Sticker in Pillenform auf denen love me, eat shit, t, m, fuk u oder Ähnliches stehen. Man mag es künstlerische, detailreiche, paradoxe Gestaltung nennen, hat aber scheinbar nicht weit genug gedacht, was dies für eine Wirkung erzielt. So ist die Atmosphäre der Bücher nicht durchweg düster und bedrückend. Wenn man jung ist, wünscht man sich heimlich, im Stuttgart der 2000er zu leben und sich an den Orten rumzutreiben, wo Pia immer mit ihren Freunden war. Das ist das eigentliche Problem. Die Bücher triggern nicht durch ihre expliziten Beschreibungen, wie man sich umbringen kann oder wie sich Pias bester Freund umgebracht hat, sondern weil die Texte in eine unschuldige, pastellfarbene Gestaltung eingebettet sind und somit eine gewisse Ästhetik erschaffen, junge, (un)verbrauchte Zerbrechlichkeit.
Problematische Inhalt müssen auch in Jugendbüchern thematisiert werden, um die Heranwachsenden für bestimmte Themen zu sensibilisieren und Dialog zu schaffen. Dies funktioniert aber nicht, wenn genau diese Themen reißerisch, überladen und als Mittelpunkt des Buches verpackt werden. So werden die Klischees erst recht aufrechterhalten, weil es um ein junges Mädchen geht, unverstanden von der ganzen Welt und unglaublich alleine, weil es niemanden an sich ranlässt – außerdem ist es unglaublich dünn und wird in dem Buch aufgrund ihres Äußeren als schön und ästhetisch dargestellt. Pia verkörpert in dem Buch für unreflektierte, unsichere junge Menschen also einen leider erstrebsamen Zustand. Denn sie sei ja im Reinen mit sich und wenn das auch bedeutet, dass sie sich am Ende umbringen wird. Sie wird zum Vorbild für die jungen Leser, zur großen Schwester.
In einem mittlerweile offline genommenen Video beantwortet Luna Darko die Fragen ihrer Fans zu ihrem Bücheruniversum und antwortet auf die Frage, ob ihre Figuren psychische Probleme hätten, dass sie alle mit sich zu kämpfen hätten, aber nicht diagnostiziert wären. Sie sagt, Pia hätte wohl im Internet recherchiert und glaubte, sie hätte das Borderline-Syndrom. Liest man das Buch und vergleicht Pias Symptome mit denen einer Borderlinerin, fällt einem schnell auf, dass diese Laiendiagnose kein Stück fundiert ist, denn Borderline bedeutet so viel mehr, als Stimmungsschwankungen und Selbstverletzung, denn nicht alle Borderliner sind impulsive Menschen mit Selbstzerstörungsdrang und die Symptomatik ist so komplex, dass man nicht einfach im Internet dazu recherchieren und davon ausgehen kann, dass man davon betroffen ist, nur, weil man einige Symptome hat. Umso schlimmer ist es, als Person mit Reichweite so eine Behauptung in die Welt zu setzen. Die Zuschauer vergleichen Pias Probleme mit ihren eigenen und beginnen sich Gedanken zu machen.
Es funktioniert nicht, sich selbst zu diagnostizieren. Luna Darko schrieb in einem Q&A auf instagram, sie hätte sehr schwere Zeiten in ihrem Leben durchgestanden, ohne sich je Hilfe gesucht zu haben. Es ist beeindruckend, dass sie es alleine geschafft hat, trotzdem sollte sie nicht davon ausgehen, dass sich Personen wie Pia im echten Leben überleben würden. Sie stellt es so dar, als könnte man durch genug Reflektion, Selbstmedikation und den richtigen Menschen an seiner Seite in Pias Fall eine schwere Depression und Essstörung heilen.
Kunst ist Diebstahl
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Beschäftigt man sich ein bisschen mit der Jugendkultur der 2000er, fallen einem schnell Parallelen zu Charakteren wie Effy und Cassie aus der britischen Serie SKINS auf. Hier sei nur am Rande erwähnt, dass die Autorin Luna Darko ganze Sätze aus SKINS ohne Quellenverzeichnis in ihr Buch übernommen hat, wie zum Beispiel eine Notiz im ersten Buch: Alles ist so zerbrechlich, hast du das nicht verstanden? Diesen Satz sagt der Charakter Emily aus SKINS in einer Szene der 2. Folge der 4. Staffel.
Luna Darko kopiert generell gerne. Hier sei nur beispielsweise auf die Illustrationen aus dem 4. Band verwiesen, die sie in Auftrag gab. Das oben gezeigte Bild ist ein Bild von Pinterest und ist sowohl vom Motiv als auch der Komposition eins zu eins als Zeichnung ins Buch übernommen worden und soll dort Pias besten Freund Momo, seinen Bruder und einen Kumpel beim Sprühen zeigen. Dies ist bei zahlreichen Bildern im 4. Band der Fall. Eigenartig, wo Luna Darko immer behauptet, sie hätte mit ihrer Art gestalten einen eigenen Stil erschaffen.
Und natürlich ist Kunst Diebstahl, wie van Gogh schon erkannte, aber gut geklaut werden muss zumindest. Sie klaut aus dem Nihilismus, aus Hermann Hesse und von anderen Autoren des 20. Jahrhunderts, wie Beispielsweise die Ansichten, die Menschheit sei eine Plage, alles auf der Welt sei am Ende des Tages nichts wert, der Mensch sei eine Maschine, es gäbe vielleicht mehrere Wirklichkeiten. Es ist nichts dabei, Ansichten zu teilen oder Meinungen zu übernehmen, diese dann jedoch als die eigenen auszugeben, um für ein bisschen Tiefgang zu sorgen, ist fatal, denn so hält ein junger Leser vor allem den Charakter Tom aus dem ersten Teil für unglaublich weise, obwohl Luna Darko ihm bloß Wörter von Hermann Hesse in den Mund gelegt hat.
Hier sei als Beispiel ein Zitat aus Hermann Hesses Glasperlenspiel genannt, was vom Sinn (und teilweise Wortlaut) her einem Gespräch von Tom und Pia über ihre eigene Orientierungslosigkeit und die Weltgeschichte entspricht: „Wenn es doch nur eine Lehre gäbe, etwas, woran ich glauben kann! Alles wiederspricht einander, alles läuft aneinander vorbei, nirgends ist Gewissheit. Alles lässt sich so deuten und wieder umgekehrt deuten. Man kann die ganze Weltgeschichte als Entwicklung und Fortschritt auslegen, und kann ebensowohl nichts als Verfall und Unsinn in ihr sehen. Gibt es denn keine Wahrheit? Gibt es keine echte und gültige Lehre?“ (Zitat, Das Glasperlenspiel, Hermann Hesse)
Hier ein Ausschnitt aus „Vergessene Kinder“ zum Vergleich: „Ich bin einfach so verdammt verwirrt. Ich habe das Gefühl, mein Kopf platzt. Nichts in der Welt passt noch zusammen für mich. […] Ich meine, ich wachse mit einer klaren Vorstellung von dieser Welt auf und je älter ich werde, je mehr selbst zu verstehen beginne, desto widersprüchlicher und falscher fühlt sich das alles an.“ (Zitat, „Vergessene Kinder“)
Auch gibt es bei dem Charakter Pia viele Überschneidungen mit Effy aus der britischen Serie SKINS. Effys Mutter beschreibt ihre Tochter in der 3. Staffel mit folgenden Worten: „When Effy smiles, it means you don`t know me at all and you never will.“ Pia bewegt sich auch genau in diese Richtung, schreibt im ersten Buch die Notiz: „Für immer sollst du dich fragen, wer ich war.“ (Zitat „Vergessene Kinder“)
Außerdem bedient der Charakter Pia genauso wie Effy das Klischee der depressiven, labilen, jungen, ansehnlichen femme fatale. In der Schule und im Freundeskreis hat sie einen hohen Stellenwert, wird von den anderen bewundert, aber sie lässt trotzdem niemanden an sich heran, weil sie ach so depressiv ist und lieber versucht, ihre Probleme mit diversen Substanzen zu heilen, die ihr am Ende des Tages überhaupt nichts bringen. Den Typen verdreht sie den Kopf, nimmt sich, wen sie möchte, auch wenn sie in einer toxischen Beziehung gefangen ist. Sie berichtet in ihren Tagebuchnotizen davon, wie wenig sie isst, wie unglaublich dünn sie ist und im gleichen Atemzug erzählt sie, wie begehrenswert die Jungs sie finden. Genau diese Kombination führt dazu, dass ihr psychischer Zustand romantisiert wird. Es fehlen Passagen, in denen sie wirklich unter ihrem Zustand leidet. Natürlich redet sie dauerhaft davon, dass sie sich umbringen will, aber den Rest der Zeit verbringt sie auf Partys oder high bei Tom. Es gibt keine Szene, wie sie weinend zuhause liegt, wie sie nicht aus dem Bett kommt, weil sie zu kraftlos ist, wie sie sich etwas antut, wie sie kurz davor ist, sich etwas anzutun. Ihr wahres Leid wird nicht gezeigt. Es gibt lediglich Texte, in denen sie sehr bildhaft versucht, ihre Gefühle zu beschreiben. Auch dies geschieht mit geschwollenen, überdramatisierten Ausschmückungen, die es dennoch nicht schaffen, auf den Punkt zu bringen, wie schlecht es ihr geht, sondern nur die Vergessene-Kinder-Ästhetik befeuern.
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Vergleich Bild aus VK 4 und Pinterestbild
Wirkung
Natürlich kann es in Büchern Überschneidungen mit Serien, Filmen und Literatur geben, denn vor allem die Jugend ist von der Popkultur geprägt, guckt sich Verhaltensweisen ihrer Lieblingsfiguren aus Filmen und Serien ab, dennoch spricht es nicht für den Einfallsreichtum der Autorin, wenn sie mit der Hauptfigur Pia Klischees reproduziert und mit der aufwändigen Gestaltung darüber hinwegtäuscht, was ihren Büchern literarisch und dramaturgisch fehlt. So verbessert sich der Schreibstil über die Bücher nicht und bleibt, wie im Romandebüt auf der einen Seite sehr geschwollen und auf der anderen Seite mit wenig Wiedererkennungswert oder literarischer Tiefe.
Kurz nach der Veröffentlichung des ersten Buches, tauchte im Frühling 2017 auf dem Social-Media-Dienst instagram der Hashtag #vergessenekinder auf und hat mittlerweile über 5000 Beiträge. Dort wurden vor allem in den Zügen der letzten Zuckungen der Soft-Grunge-Ära Bilder von Tumblr, Fanarts zum Vergesse-Kinder-Universum und Bilder von Luna, taddl und ardy gepostet. Unter diesem Hashtag tauschte sich die Vergessene-Kinder-Fanbase aus und es wurden Accounts erstellt namens piadarkoo, tomdarkoo, finndarkoo, jandarkoo, Accounts von Fans für die Charaktere aus Lunas Büchern. Oft nennen sie sich Moonchilds.
Klingt zuerst nicht weiter schlimm, das Problem ist jedoch, dass mit der Zeit immer mehr solcher Accounts erstellt wurden, wo Fans sich ein Ego aus dem Bücheruniversum erschaffen und problematische Inhalte teilen.
An dieser Stelle nenne ich auch die Namen der Accounts, auf die ich mich beziehe, weil ihre Inhalte meiner Meinung nach gelöscht gehören, aber dazu später mehr. Ich werde mich hier auf folgende Accounts beziehen: annie.darko, jasper.darko, kim.darko und ichgehlieberbenzosholen. Alle Accounts sind mittlerweile inaktiv, einige Betreiber der jeweiligen Accounts haben sich gegen Ende 2019/Anfang 2020 dazu geäußert, dass „dieses Darkoding irgendwie ziemlich ausgestorben sei und der Account in den nächsten Tagen gelöscht würde“ (Zitat Account jasper.darko). Es ist bis heute nicht geschehen. Die Accounts haben immer noch zwischen 100 und 300 Abonnenten, sind öffentlich und zählen teilweise über 100 Beiträge.
Auch im #vergessenekinder gibt es Posts aus der Pro-Ana- und Live-Fast-Die-Young-Community, aber auf den darko-Accounts geht es nur noch um diese Themen. Dort gibt es keine Spur mehr von teilweise wunderschönen Fanarts, Posts aus den Büchern, von Luna und ihren Freunden.
Es werden lediglich Screenshots von Pinterest oder Tumblr gepostet, die das Leben der fiktiven Charaktere darstellen sollen. Die häufigsten Motive sind Besäufnisse in Sommernächten, Selbstverletzungsnarben und -wunden, anorektische Mädchenkörper, Baggys gefüllt mit Grasknollen, Pillen und Pappen, Hälse von Knutschflecken und Kratzspuren übersät und typische Bilder, von zwei Personen, die man heutzutage als Couple Goals bezeichnen würde. Dazu steht dann in der Bildbeschreibung z.B. folgendes: „Ich war beim Arzt, hab mich durchchecken lassen, wegen den komischen Zusammenbrüchen in letzter Zeit… Ich hab wieder abgenommen… Ich könnte mich gerade so schlagen…“ oder „War doch mehr, als ich dachte, was die nähen mussten“ oder „I can`t live without you“ (Zitat Account annie.darko)
Aus unerfindlichen Gründen werden die Bilder nicht mal als sensible Inhalte gekennzeichnet. Was an diesen Inhalten so problematisch ist, möchte ich an einem Beispielbild erklären. Auf dem Account von annie.darko ist ein Pinterestbild zu finden von zwei Mädchen, die eine sollte um die dreizehn, die andere um die fünfzehn Jahre alt sein. Sie zünden sich Zigaretten an und blicken taff in die Kamera. In den Kommentaren steht:
annie.darko: @kimdarkoo das war einfach im Badezimmer meines Klinikzimmers lol
kim.darkoo: @annie.darko stimmt… Ich hatte Kippen besorgt und rein geschmuggelt
[…]
(Zitat Account annie.darko)
Den fiktiven Charakteren ging es in ihrem Leben also schon so schlecht, dass sie in ihrer Jugend in der Psychiatrie waren und das passt natürlich so gut in die Ästhetik, dass man in Erinnerung schwelgend ein Foto aus der Zeit in der Klinik postet. Lol.
Ein Account, der in einem Zug unglaublich schöne, junge, viel zu dünne Mädchen und als nächstes Bild ein altes Selfie „aus der Psychiatrie“ postet, verzerrt das Bild von psychischem Leid unglaublich stark, weil es unterschwellig geschieht. Auf den Accounts wird die Zerstörung von Körper und Geist dermaßen romantisch dargestellt, wie es das Buch „Vergessene Kinder“ vorgemacht hat. Abgesehen davon scheinen sich die Betreiber der Accounts ihrer Verantwortung nicht bewusst zu sein, wenn sie solche Inhalte öffentlich teilen. Die Accounts sind öffentlich zugängig, die Betreiber schreiben höchsten eine Triggerwarnung in die Bio, dass doch alles fiktiv sei und toben sich anschließend auf ihren Accounts aus. Sie glorifizieren ein Leben, einen Zustand, der in keiner Weise erstrebenswert ist. Die Spitzenreiter sind hier die Accounts annie.darko und ichgehlieberbenzosholen. Es ist nicht erstrebenswert, sich so stark selbstzuverletzen, dass man in die Notaufnahme muss, Heroin zu nehmen, im Park zu schlafen, weil man zu high ist, um nachhause zu gehen, sich runterzuhungern und zusammenzubrechen, nur drei Stunden in der Nacht zu schlafen, Fotos aus der Psychiatrie und aus dem Krankenhaus zu posten. Diese Accounts haben nichts mehr damit zu tun, dass man in der Jugend Grenzerfahrungen macht und verdammt schwere Zeiten durchläuft, die mit Sicherheit auch in der Psychiatrie enden können. Dies bleibt aber ein Ort, den man nicht zu glorifizieren hat, auch wenn man dort mit etwas Glück und genug Willenskraft wirklich Hilfe bekommt. Der Entschluss, sich Hilfe zu suchen entsteht im schlimmsten Fall, weil man alleine nicht mehr überleben kann. Da hat man keine Zeit, Fotos davon zu machen, wie man im Klinikbad raucht. Und niemand kann in diesem Zustand noch arbeiten oder zur Schule gehen, am Sozialleben teilhaben oder Roadtrips unternehmen, so wie annie.darko es auf ihrem Account darstellt.  
Wären die Posts nicht so aufgeladen mit der Faszination der Accountbetreiber, wäre es nur halb so schlimm, aber sie stellen ihr fiktives Ego auch mit Filmfiguren wie Ellen aus To the Bone dar, wo sich die Schauspielerin Lily Collins extra runterhungerte, um die Rolle eines essgestörten Mädchens realistischer spielen zu können. All diese Verknüpfungen sorgen für einen verheerenden Wollknäueleffekt. Wenn labile, junge Menschen sich die Bilder angucken, rutschen sie von einem Triggeraccount in den nächsten, können sich in dieser Welt verlieren, weil sie eine große Bandbreite an psychischen Abgründen abbildet. So kommt man über #vergessenekinder auf den Account annie.darko und darüber an zahlreiche, belastende Filme, Serien und weitere Accounts, z.B. Fanpages zu Filmen wie To the Bone, etc.
Natürlich gab es schon vor der Veröffentlichung von „Vergessene Kinder“ auf Tumblr und Instagram Accounts mit „Thinspo“ und sensiblen Inhalten. Der Unterschied dazu ist, dass diese Accounts mittlerweile nicht mehr zugänglich sind und Hashtags wie #magersucht oder #ed über die Jahre gebannt wurden. Dies geschieht jedoch nicht mit Accounts, die im Prinzip die gleichen Inhalte auf eine alltägliche, verharmlosende Art und Weise posten.
Ich spreche mich gegen Cancelculture aus, aber auf einer für Minderjährige öffentlich zugängliche Plattform gehören die oben genannten Inhalte nicht. Und weil sie bis jetzt nicht gelöscht wurden, ist dies mein Appell an Luna Darko, sich mit ihrem selbsterschaffenen Universum auseinander zu setzen und sich zu fragen, ob eine Altersbeschränkung und Triggerwarnung für ihre Bücher nicht doch angebracht wäre. Denn bis jetzt hat sie eine Triggerwarnung immer zurückgewiesen, man müsse sich eben auf den Inhalt einlassen (Zitat Luna Darko).
Es gibt zahlreiche Jugendbücher die Themen, wie Drogenmissbrauch und Psychiatrie thematisieren. Exzellente Beispiele für Jugendbücher, in denen die Themen angemessen behandelt wurden, sind „Als wir träumten“ von Clemens Meyer, in dem nicht geschwollen und melodramatisch auf den prekären Verhältnissen der Nachwendejugend herumgetrampelt wird, sondern die wahren Verhältnisse ungeschönt und nüchtern geschildert werden, oder auch „Seelenficker“ von natascha, da dieses Buch es trotz der Tagebuchperspektive schafft, die Distanz zum Leser zu wahren und ihn durch die Anonymisierung nicht in die elendige, raue Welt der Protagonistin zieht. Diese Bücher sind aber immer nur Randgruppenbücher geblieben, von kleinen Verlagen wie beispielsweise Antipop verlegt worden. „Vergessene Kinder“, von Community Editions verlegt, hat die breite Masse erreicht, steht auf der Spiegelbestsellerliste und soll nun für die heutige, verlorene Jugend sprechen? Dieses Buch soll die Gefühle einer Generation verstehen und verbildlichen können?
Es wäre anmaßend zu sagen, das Buch sei nur veröffentlicht worden, weil Luna Darko auf ihrem YouTube-Kanal eine halbe Million Abonnenten zählt. Der Gedanke liegt nah, dass Community Editions es deshalb verlegt hat. Der Verlag veröffentlicht ausschließlich Bücher von Influencern, Werke der Unterhaltungsliteratur von geringem literarischem Mehrwert. Dies nur als Denkanstoß.
Ihr fünftes Buch veröffentlicht Luna Darko via Self Publishing und es wird sich zeigen, ob die Nachfrage weiterhin so groß sein wird, denn schon nach der Veröffentlichung des letzten Buches ebbte die Aktivität des #vergessenekinder ab.
Es sollen wohl einige Schulen Lunas Buch im Deutschunterricht behandelt haben. Das schreiben die Fans immer wieder begeistert unter Lunas Videos, in denen sie über ihre Bücher spricht. Erinnert ein wenig an „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, was in den 70er Jahren noch viel intensiver in den Schulen durchgenommen wurde und die Schüler nicht abgeschreckt, sondern fasziniert hat. „Vergessene Kinder“ ist lange nicht so wirksam und bekannt geworden, wie „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, zumindest scheint es so, weil von dem Buch „Vergessene Kinder“ in den Massenmedien nicht berichtet wurde. Doch unter dem Radar tummelt sich die Jugend in den sozialen Netzwerken und tauscht sich aus, triggert sich, kann in dem Universum verschwinden und will den Figuren nacheifern.
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Am Ende steht Ratlosigkeit
Ist die Verbannung solcher Inhalte von den sozialen Netzwerken wirklich die Lösung? Die Erfahrung zeigt, dass die Zensur von Tumblr auch wenig gebracht hat. Wenn man bestimmte Inhalte sucht, die auf Tumblr oder Pinterest gelöscht wurden, dann wird man sie irgendwo anders im Internet finden. Man kann keine Community aus dem Internet verbannen. Ein bekanntes Beispiel sind die Proanaseiten, welche heutzutage nicht mehr auf den großen Social-Media-Diensten,­­ sondern in Form von Whatsapp- und Telegramgruppen zu finden sind.
Man sollte sich als Publizistin seiner Verantwortung bewusstwerden. In den Zehnern war Luna Darkos YouTube-Kanal ein Zufluchtsort für so manche dreizehn-, vierzehnjährigen Jugendlichen, die sich vielleicht schon ein bisschen für Kunst interessierten, nirgendwo reinpassten, es in der Schule schwer hatten, weil sie eben ein bisschen anders tickten, und im Social-Media-Mainstream in den Cyber-Hippies eine Community fanden. Genau diese Community interessiert die Geschichte eines depressiven Mädchens, was sich umbringen will. Das Problem daran ist, dass diese Community sehr empfänglich für solche Themen ist und das VK-Universum für sie einen wahnsinnigen Sog hat.
Luna Darkos Ansatz, sensiblen Themen eine Plattform zu geben, ist lobenswert, dennoch hat sie in Anbetracht ihrer Zielgruppe die Wirkung anscheinend vorher nicht abgeschätzt, nutzte das Buch sicherlich auch, um eigene Erlebnisse zu verarbeiten ohne sich darüber Gedanken zu machen, was sie damit in den jungen Lesern auslösen könnte.
Lesenswert ist das Buch nicht und das hat nichts damit zu tun, dass es, wie so oft bemängelt, keinen roten Faden hat. Es braucht keinen roten Faden, wenn man einen gefestigten, einzigartigen Schreibstil herausliest, den es hier schlichtweg nicht gibt, wenn man von überraschenden Figuren liest und der Autor nicht einfach nur Klischees bedient. Hier werden jedoch komplett überzogen die teils befremdlichen, teils schlimmen, teils wunderschönen Erlebnisse einer Siebzehnjährigen niedergeschrieben, nur, damit es am Ende dann doch gut endet. Ein bisschen zu gut vielleicht, meldet sich ein kritischer Gedanke, dann kann es doch alles nicht so schlimm gewesen sein? Dann war wirklich alles ein bisschen überdramatisiert?
Viel schlauer ist man zumindest nicht, nachdem man das Buch gelesen hat, eher irritiert von dem Ende, an dem ein alles heilender LSD-Trip Pias Leben ins Positive verändert, wobei man sich ernsthaft fragen sollte, ob es in ihrem psychischen Zustand überhaupt möglich ist, so ein gutes, weltveränderndes Erlebnis auf einem starken Psychedelikum zu haben, doch das wissen nur die Experimentierfreudigen.
Macht eure eigenen Erfahrungen, macht Fehler, so viele ihr wollt und könnt, denn ihr seid jung, aber orientiert euch nicht an pseudotiefgründigen, störungsverherrlichenden Büchern mit instabilen Figuren, die so dargestellt werden, als wäre ihr Zustand ansehnlich. Lasst euch nicht von dem Sog von Social Media gefangen nehmen, überlegt zweimal, welche Seiten ihr abonniert. Die Zeit ist zu kostbar, um sie auf #vergessenekinder zu verschwenden.
Und ein paar letzte Worte an die darko(o)-Accounts auf Instagram: Löscht doch bitte eure Accounts, da „dieses Darkoding [sowieso] irgendwie ziemlich ausgestorben ist“ (Zitat Account jasper.darko). Ihr würdet damit vielen jungen Leuten einige Trigger ersparen. Danke im Voraus.
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xotobymitkxo · 4 years
Text
In einer egoistischen Geschellschaft in der sich niemand um den anderen scherte wurden aus Verlassenen und Vergessenen Kindern Gestörte Erwachsene
-Vergessene Kinder/Luna Darko
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maybeiamit · 6 years
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# @kittheykitthey
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mermaidmind · 7 years
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maryizzel · 7 years
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"Ich kannte die Antwort, natürlich kannte ich sie. Und doch hatte ich bis zuletzt Hoffnung, ich würde mich irren. Diese Hoffnung ist einfach immer da, aber ich merke mir zu viel, bin zu aufmerksam und interpretiere in zu viele Dinge etwas hinein."
- Vergessene Kinder
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via-xnna · 7 years
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satans-buddy666 · 7 years
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🖤IN LOVE AGAIN 🖤
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nadine-hoh-blog · 7 years
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First post💜
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luna darko, "vergessene kinder"
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yviwtevr · 7 years
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Man kann nur die Farbe der Scheiße verändern, in der man sitzt.
Vergessene Kinder @kittheykitthey
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alaskalamoon · 8 years
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spätestens wenn ihr alt und kurz vorm sterben seid, sollte euch doch klar werden, dass alles, was ihr im leben erreicht habt, am ende nichts mehr wert ist. nichts. verbitterte, alte menschen, deren leben nie das ihre war. kein leben ist mehr wert als das andere. auf der anderen seite der welt verrecken kinder an aids und hungersnot und hier schaufeln sich leute fleisch aus massentierhaltung in den gierigen schlund. hängen in ihren büros fest und lassen sich abends nurnoch berieseln, um nicht darüber nachdenken zu müssen, wie beschissen all das ist. ja, am ende sind wir alle gleich und niemanden juckt es, wie viel du mal verdient hast oder wie viele karren in deiner garage standen, das sind nicht die dinge, die bleiben, das ist nur noch mehr belangloser müll, in dem unsere welt erstickt. man soll mir bitte nicht mehr sagen, dass diese welt ein schöner ort ist. ja, es ist mir egal, dass ihr mich nicht kennt. ja, vielleicht ist auch irgendwas bei mir kaputt, weil ich mich nicht für euch und eure leben interessiere.
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mermaidmind · 7 years
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Ich erhalte in letzter Zeit oft die Frage, wo man mein Buch noch bekommen kann, da es überall ausverkauft zu sein scheint - tatsächlich geistern da draußen irgendwo noch ein paar Special Editionen rum, circa 500 davon wurden noch nicht verkauft (aber die können wirklich überall sein, keine Ahnung wo)! Die Special Edition ist limitiert, d.h. sie wird vorerst nicht nachgedruckt und man sollte auch nicht damit rechnen, dass das passiert! Ich schließe es nicht aus, aber es ist bisher nicht geplant. Das Taschenbuch hingegen wird immer nachgedruckt werden (je nachdem wie da die Nachfrage ist), momentan sind wir bei der dritten Auflage! Ihr könnt es euch außerdem auch digital bei z.B. iBooks holen :) Es freut mich total, eure Rezensionen zu lesen und so positives und umfangreiches Feedback zu erhalten! Diese Geschichte fängt durch euch an zu leben ^.^
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yunasmoondragon · 7 years
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Die liebe @all_about_the_books hat mich zu meinem letzten Buchkauf getagged: In den letzten beiden Monaten habe ich relativ viele Bücher gekauft 😏Und eines davon ist "Vergessene Kinder" von Luna Darko 😍 Ich habe sehr lange darauf gewartet und mich mega gefreut als ich den Roman endlich in den Händen halten konnte 😁❤ Das Buch ist ein kleines Kunstwerk für sich mit all den Zeichnungen und Fotos von @kitthey selbst. War aber auch nicht anders von ihr zu erwarten 😊 Eine Meinung zur Story wird bald (oder irgendwann) auf meinem Blog folgen 😁😅 // #books #bücher #booklover #bookaholic #bookaddict #bookphotography #bookstagram #bücherliebe #bücherwurm #lunadarko #vergessenekinder
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~could be me
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"Hol den DeLorean, lass uns damit zurückfahren, wir meinten immer nur einander, wenn wir "Glück" sagten" × Prinz Pi ×
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s-h-a-t-t-e-red · 7 years
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#VergesseneKinder
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