#Galiani-Verlag Berlin

[wortfinderin]

Rezensionen Kleine Probleme

Kleine Probleme von Nele Pollatschek Autorin: Nele Pollatschek, Genre: Fiktion, Verlag: Galiani Berlin, ISBN: 978-3-86971-240-6, 1. Auflage 2023, 197 Seiten, Preis Hardcover € 23,00 Bei genialokal kaufen* Dies ist ein Affilate-Link. Keine Mehrkosten für Dich aber ein kleiner Mehrwert für mich. Nele Pollatschek erzählt eine alltägliche Geschichte, die mitten ins Herz unserer Existenz trifft. Aus…

[philosophenstreik]

ja.... das foto ist nun nicht der renner mit der falschen farbwahl, aber doch fast einem passenden lenkungswinkel. manja hellpap und lisa neuhalfen haben aber doch einen sehr passenden einband gestaltet! nüchterner ruhrpott mit spritziger vespa: “die schweigsamen affen der dinge”! (rezension im vorigen beitrag)

[meineliteraturwelt]

Die fehlende Nähe zum Vater....

Die fehlende Nähe zum Vater... @GalianiBerlin #HilmarKlute #Life #Literature #Malta #Ruhrpott #Death #Relationship #expectation #Berlin #Germany

Hallo liebe Freunde des Lesens, manchmal gibt es zwischen Kindern und Eltern einen Bruch, der dauerhaft anhält. Klute zeigt in seinen neuem Roman “Die schweigsamen Affen der Dinge” wie ein Sohn versucht nach dem Tod seines Vaters wieder eine Nähe aufzubauen, doch es ist schwerer als Gedacht. Erschienen ist das Buch beim Galiani Berlin Verlag. Inhalt: Henning hat es geschafft. Er ist im…

[bewareofstupid]

“Macht” – eine Romanrezension

Rezension zu MACHT von Karin Duve (erschienen am 18.02.2016 im Galiani Verlag Berlin, 414 Seiten)

Der Roman “Macht” von Karin Duve hat in der Kritik einiges einstecken müssen. So sei dieser „eine Beleidigung für den Verstand und die Literatur“ oder es wird attestiert: „Hingeschluderte Welt-Wut reicht nicht für eine lesenswerte Dystopie, sondern allenfalls für einen missglückten Roman.“ Das sind schöne Verrisse. Aber worum geht es:

Im Jahr 2031 findet ein Klassentreffen, von Leuten die 1981 Abitur gemacht haben, statt. Sebastian Bürger ist die Hauptfigur und ehemaliger Ökoaktivist, Mitarbeiter der Demokratiezentrale in Hamburg, Vater zweier minderjähriger Kinder und Ehemann einer verschwundenen ambitionierten Politikerin. Wohnhaft ist er, in einem auf die 1970er Jahre zurück interieurisiertes Haus. 
Dann trifft er folgenschwer auf seine Vergangenheit; eine phantasierte Vergangenheit, welche ihm wünschenswerter erscheint als seine tatsächliche – mit einer anderen Frau. Elli heißt sie und ist eine ehemalige Mitschülerin. So weit so gut, aber die Dinge liegen etwas komplizierter: Die Welt steht kurz vor dem Untergang. Klimakatastrophisch. Vielleicht noch fünf, acht oder sogar zehn Jahre… 
Wenigstens sieht man gut aus und ist jugendlich fit und dabei gesegnet mit dem Erinnerungsvermögen des tatsächlichen Alters. Alles Dank der Wunderpille Ephebo. In dieser Gegenwart, mit dem verdrängten Untergang vor Augen, entfaltet sich unaufhörlich der Kosmos in die Niederungen jeglicher Art von Macht, die ausgeübt werden kann. Karin Duve lässt in dieser Hinsicht nichts aus.

Es stellt sich heraus, dass Sebastian seine Frau bereits seit zwei Jahren im eigenen Keller im vorsorglich angelegten Prepper-Raum (ein Zimmer für den Weltuntergang) an die Kette gelegt hat. Die Kinder und die Großmutter sind ahnungslos. Christine Semmelrogge, so der Name der Ehefrau, steht Sebastian im Keller zu Diensten. War sie zuvor eine ambitionierte Politikerin, muss sie sich nun ihrem Ehemann unterwerfen: sexuell, körperlich, geistig. Wofür Sebastian immer wieder die Begründungen durchdenkt: Verlust seiner einstmaligen Männlichkeit durch feministische Staatsdoktrin und die psychische Grausamkeit seiner Frau.

Er selbst ist ein nicht minder grausamer Vater und Ehemann, der seine Kinder bei der Muttersmutter abschiebt und sich in seinem redesigntem Haus abkapselt. Bis eben zum besagten 50-jährigem Abiturjubiläum. Dort wendet sich das Blatt von Lebensfrust zur Lebenslust, denn Elli, ebenfalls  durch Ephebo chemikalisch verjüngt, tritt in sein Leben und plötzlich, trotz des bevorstehenden Weltuntergangs, lockt mit ihr so etwas wie eine Zukunft. Dieser Zukunft steht einiges im Wege. Die eingekerkerte und überaus lästige Christine und die ebenfalls überaus lästigen Kinder, wie auch deren und die eigene, wieder aufgenommene carnivore (nicht vegetarische, nicht vegane) Lebensweise. Im Weg stehen ebenfalls verschiedene aus Religion, Männlichkeitskult und Misogynie geschmiedete Sekten, die sich einer vermeintlich totalitären Frauenherrschaft nicht beugen wollen und wie Hochwasser in Sebastians Leben hineindrängen. Es entwickelt sich ein Albtraumszenario, in dem sich der Druck, der auf dem psychopathischen Sebastian lastet, immer weiter verdichtet und schließlich zur Tötung seiner Frau Christine führt. Ganz in der Manier Edgar Allan Poes wird diese eingemauert, in der Zwischendecke.


Nach einem desaströsen Familienessen mit Elli und Kindern, findet die Angebetete Sebastian schließlich im Prepper-Raum beim Aufräumen. Von da an ist die Abwärtsspirale nicht mehr aufzuhalten. Auch Elli wird eingesperrt. Später findet Elli Christine sogar noch; lebendig!

Die Ich-Perspektive des männlichen Protagonisten lässt in Duves Roman zwar immer wieder die Identifikation zu, aber fordert auch Distanz, weil dieses Ich einen schütteln und ekeln kann. Nein, so möchte man nicht sein! Die (männliche) Macht dringt in heftiger atavistischer Form an die Oberfläche und versucht sich den besten Platz, in der nun tödlichen Sonne, zu sichern. Alles was sich ein aufgeklärter Humanismus versprochen hat zu erreichen, ist mit dem Weltuntergang vor Augen ein Schlag ins Wasser. Ohne eine Instanz, der gegenüber Rechenschaft abgelegt werden muss, kann jeder sich zum Herrscher des Untergangs aufschwingen: der Protagonist Sebastian, dessen evangelikaler Bruder, oder der Kuschelkatzen rettenden Islamismus-Sympathisanten-Rocker. Eine Flucht vom Planeten Erde gibt es nicht. Für niemanden.

Es ist ein aufregender Plot, in dem eine dystopische Zukunft ausgemalt wurde, die, den Weltuntergang vor Augen, versucht zu erklären, warum eine Hälfte der Bevölkerung nicht zulassen kann von der anderen Hälfte regiert zu werden. Eine Geschichte, die zeigen will, wie leicht Gleichheit, Menschlichkeit und Akzeptanz wieder abgeschafft werden können, wenn ein Grund vorgebracht wird, der dies rechtfertigen soll. Die Errungenschaften des Abendlandes werden hinweg gefegt. Denn Demokratie und Medienberichterstattung sind Mittel zu welchem Zweck, wenn die Menschheit untergeht? Selbst die Frage, ob Sebastian denn geistig gesund oder doch psychopathologisch ist, lässt sich kaum noch stellen.

Was die Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern angeht, werden alle Argumente die in der Genderdebatte je angeführt worden sind, hier verwendet und den verschiedenen Figuren in den Mund gelegt. Durchsucht man die Foren und Kommentarspalten von Zeitungen im Internet und liest die Kommentare, die sich zum Thema Feminismus, der #aufschrei-Debatte aber auch zu Duves Roman etc. häufen, kann man sagen, dass Karin Duve wirklich alles an Dummheiten, Geschmacklosigkeiten und Menschenverachtung, geradezu penibel, abbildet.

Was will Karin Duve mit einem solchem Roman?

Glaubt man Kritikern die sich gegen MACHT aussprechen, will Frau Duve eine Standpauke halten, die sich gewaschen hat. Gegen die allumfassende Schlechtigkeit der fleischfressenden Männer, die alleine dafür verantwortlich sind, dass die Erde als Lebensraum für alle ruiniert sei. Sie schaffe es dabei lediglich sich als ernstzunehmende Autorin zu disqualifizieren. Vor allem deshalb, weil dieser Roman ein Reste-Aufkochen aus zwei vorangegangenen Werken sei, die nicht zur Belletristik gehören. Selbst wenn man diesem Verdacht glauben schenken würde, bleibt die Frage unbeantwortet, warum denn auch die Frauenfiguren, lediglich abgesehen von Sebastians Tochter, die noch ein Kind ist, genauso übel wegkommen und nicht die Gnade und Weihen der Übermenschlichkeit empfangen. Der Männer-Hasser-Verdacht greift nicht. Es lässt sich viel mehr der allgemein misanthropische Charakter dieser Geschichte erkennen.


Viel bedeutsamer ist deshalb die Erzählweise, die sie in Sprache und in der Auswahl der abgebildeten Themen erkennen lässt. Denn das ist etwas, was man Karin Duve in MACHT unbedingt lassen muss: sie spricht die politisch-sozialen Verknüpfungen nicht nur an, sie erklärt sie. Die Machtbeziehungen werden genau durch dekliniert. Genauso programmatisch, wie es der Paratext  am Beginn des Buches vorgibt, in den fünf Schritten der Gehirnwäsche. 
So wird das Wahlsystem der kontrollierten Demokratie sehr genau erklärt, als wäre man bei einer Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung. Beschrieben wird auch das medizinische System und die weitreichende Wirkung der Verjüngungspille Ephebos, die auch von den Twens eingenommen wird und damit ein Kaleidoskop der Eitelkeiten, des Reichtums, der genetischen Möglichkeiten und der enormen allgemeinen gesellschaftlichen Angst vor dem Tod und dem Zerfall abbildet. 
 Wie schwierig es ist, sich eine(n Abschnitt) Zukunft vorzustellen, wenn überhaupt keine Aussicht auf ein Danach besteht, überhaupt zu denken, dass die menschliche Existenz nicht mehr vorhanden ist, lässt die Dystopie zu einem schwierigen Unterfangen werden. Notwendigerweise muss die Erzählung mit dem Untergang, quasi präsentisch, enden. Die Zeitspanne, die übrig bleibt, von Sebastians Überführung des versuchten Mordes bis zur Apokalypse, ist die Zeit, die der Leserschaft zum weiteren Ausmalen der Dystopie überlassen wird.

Ein besonders tragisches Moment tritt ein, als Sebastian seine beiden Kinder zum letzten Mal sieht und er bemerkt, dass er die bedingungslose Liebe und Loyalität, die er sich immer gewünscht hat, von seinem Sohn und seiner Tochter erfährt, obwohl er ihnen nahezu alles an Schlechtigkeiten angedroht und angetan hat: Die Mutter genommen, Lügen, Erpressung, emotionale Grausamkeiten. Auch dazu ist die elterliche Macht fähig. Sogar ohne Weltuntergang. 
 Die Macht der maskulinistischen Vereinigungen, die Macht der Politik, die Macht der Liebe sogar, dies alles, hat Karin Duve in ihrem rasantem Abgesang auf eine sich selbstzerstörende Zivilisation beschrieben. Dass der Roman dann auch noch so etwas wie ein Krimi-Thriller ist, bei dem einem der Atem stocken kann, ist wohl der Tatsache zu verdanken, dass der schlechte Umgang mit der einen Welt, in der wir alle leben, eben diesen Stoff bietet. 


[thesaetzeundschaetzeuniverse]

Hilmar Klute: Oberkampf

Bild von Walkerssk auf Pixabay

„Jonas bekam wieder richtig Lust, sich mit Steins egomanischer Literatur zu befassen. Hatte der Alte denn nicht recht? Galt es nicht, sein eigener Roman zu werden, losgelöst von den Zumutungen der Geschichte und der Wirklichkeit?“

Hilmar Klute, Oberkampf, 2020.

Was anfangen mit einem Leben, wenn man mit Anfang 40 schon alles hat und einen im Grunde nichts mehr…

[arcimboldisworld]

Alain Claude Sulzer - Doppelleben.

Alain Claude Sulzer - Doppelleben. #Roman #Biografie #EdmonddeGoncourt #JulesdeGoncourt #prixgoncourt #galianiverlagberlin #literatur #lesen #paris #frankreich #rezension #buch #bücher

Man fragt sich schon, warum ein Schweizer Autor sich mit dem Leben von Edmond und Jules de Goncourt beschäftigt und hierzu einen Roman veröffentlicht. Also eigentlich fragt man sich, warum sich bisher kein französischer Autor mit diesen beiden doch sehr skurrilen Brüdern beschäftigt hat. However, nun ist “Doppelleben” im Galiani Verlag in Berlin erschienen und die Lektüre lohnt sich sehr… (more…)

[philosophenstreik]

die schweigsamen affen der dinge

roman von hilmar klute

erschienen 2022

im verlag galiani berlin

isbn: 978-3-86971-247-5

raus aus dem einengenden ruhrgebiet der 70er jahre wollte henning schon immer, raus aus dem arbeiterleben, das seine familie führt. er hat es geschafft und lebt als journalist und literat mit seiner annette in berlin, hat es zu gewissem ruhm gebracht und bewegt sich dort in der guten und gebildeten gesellschaft und hat auch einige exzentrische freunde, wie den bonvivant ulrich - seine herkunft möchte henning amelott jedoch immer gern unter den teppich kehren. auf einem kurztrip erhält er einen anruf der lebensgefährtin seines vaters walter: krebs. hennings vater, den mann, den er an sich garnicht kannte, da ihn nichts mit ihm verband außer der vaterschaft lag also im sterben. zurück in seiner ungeliebten heimat, auf der beerdigung walters in recklinghausen trifft henning auf den besten freund seines vaters, jochen. sie kommen beim leichenschmaus intensiv ins gespräch und jochen erzählt anekdoten über seinen freund. henning merkt, dass er walter noch schlechter kannte als er ohnehin schon dachte, oder aber jochen würde über eine ganz andere person sprechen, so fremd schien ihm jochens version. lange erzählt er dabei von einer reise nach korsika auf der vespa als sie noch jung waren. es schienen abenteurer gewesen zu sein. die anekdoten motivieren henning dazu seinen vater posthum besser kennenlernen zu wollen und schlägt jochen vor, diese reise mit ihm noch einmal zu wiederholen. jochen stimmt zu, und so planen sie den trip auf die insel, obwohl henning unter dem druck steht einen aufsatz über oskar loerke am selben wochenende fertigzustellen, einem aufsatz, der auch seinem freund ulrich einiges bedeutet, der henning bishar hierfür in jeder beziehung unterstützte.

2018 - 2020 - 2022... ein neuer hilmar-klute-roman war fällig und liegt nun mit “die schweigsamen affen der dinge” vor. erst einmal ein titel, der verwirrung hervorruft, doch ist dieser aus einem gedicht oskar loerkes entnommen, einem 1941 verstorbenen expressionistischem dichter, der uns den ganzen roman über begleitet. es geht um so vieles in klutes roman und fließt alles so wunderbar in harmonie... die fehlende vater-sohn-beziehung, das arbeitermilieu, die fehleinschätzungen des lebens, der soziale aufstieg, die scham der herkunft, der aufstieg durch bildung, das leben der bohème, das finden der wurzeln, das aufwachen, bindungen und die macht der literatur - überall zu finden, “die seltsamen affen der dinge”... klute entwirft dabei wunderbare charaktere, teils skizzenhaft, teils in all ihren details und es macht bei ihm keinerlei unterschied - man hat ein genaues bild ihrer persönlichkeit vor sich. bisher hat sich das warten auf einen neuen klute immer gelohnt und auch diesmal hatte das warten ein sehr gutes ende, das einem die freude auf den nächsten klute erwachsen lässt.

[arcimboldisworld]

Hilmar Klute - Die schweigsamen Affen der Dinge.

Hilmar Klute - Die schweigsamen Affen der Dinge. #Roman #Buch #Bücher #Rezension #Lesen #HilmarKlute #OskarLoerke #Buchempfehlung #GalianiVerlagBerlin #Ruhrpott #Korsika

Den neuen Roman von Hilmar Klute nimmt man zur Hand und mag ihn gar nicht mehr weglegen. Man taucht ein in diesen interessanten Plot, der sich für mich persönlich wie eine Zeitreise in meine eigene Kindheit angefühlt hat… (more…)

[philosophenstreik]

das buch der nacht

sachbuch von bernd brunner

erschienen 2021

im verlag galiani berlin

isbn: 978-3-86971-230-7

(von tobias bruns)

“nachts sind alle katzen grau”, “eine nacht-und-nebel-aktion”, “die nacht zum tag machen”, “schwarz wie die nacht”, “nachtschwärmer” und natürlich “nachts ist es kälter als draußen”... viele redewendungen gibt es, die die nacht zur protagonistin machen. zum größten teil beziehen sie sich auf irgendeine weise auf das fehlen von licht und helligkeit. ziemlich logisch, auch wenn wir heutzutage in unseren städten nicht mehr unbedingt von dunkelheit reden können. doch bevor es das allzeit verfügbare gut “licht” gab, war wohl nichts so finster wie die nacht. nicht umsonst sind viele gestalten, die unsere phantasie hervorgebracht haben nachtaktiv. geister werden zur geisterstunde, die zur mitternacht beginnt, aktiv. vampire zerfallen zu staub, wenn sie das sonnenlicht berührt. in horrorfilmen geschieht zumeist der horror erst in der dunkelheit. in der serie “the purge” werden einmal im jahr in der dunkelheit der nacht für einige stunden alle gesetze außer kraft gesetzt. die nacht birgt trotz allem in unseren köpfen noch viele geheimnisse. nachtwanderungen faszinieren noch heute viele menschen. in “das buch der nacht” ist ebendiese wie in den redewendungen am anfang die protagonistin, die erforscht wird.

bernd brunner setzt sich intensiv mit der geschichte der nacht sowie mit den geschichten der nacht auseinander. er lässt uns mit diesem buch daran teilhaben, die nacht zu ergründen. er geht dabei allen aspekten der nacht nach. dem natürlichem phänomen an sich ebenso wie den tierischen bewohnern der nacht, die diesen wohl eher ihren tag nennen würden. was geschieht alles in den stunden, in denen dem menschen empfohlen wird zu schlafen, und hielt man es mit dem schlafen schon immer so, wie es heute getan wird? die erforschung der nacht durch bernd brunner bringt vieles neues, unglaubliches, verwunderliches und erstaunliches zutage (dieses wort musste ich bei der rezension von “das buch der nacht” einfach fallenlassen...).

dieses buch ist tatsächlich kein buch für den tag... es ist das perfekte buch, um sich abends zur ruhe zu legen und vor dem einschlafen eine der 36 episoden über die nacht zu lesen und so noch viel tiefer in diese einzutauchen.

[philosophenstreik]

es ist ein genialer roman, den hannes stein hier aus dem ärmel geschüttelt hat (rezension im vorigen beitrag). die covergestaltung ist allerdings eher enttäuschend ob des inhalts... sollte dieser etwa bei der gestaltung unbekannt gewesen sein? zwölf schier unglaubliche, zwölf fantastische reisen in diesem roman, der noch dazu in einer nahen zukunft spielt - und dann ziert ein heißluftballon das cover? das mutet an wie in 80 tagen um die welt - auch dort benutzt niemand den ballon und dennoch ziert er so manches cover von jules vernes roman, nur passt er da zumindest in die zeit. so trefflich und abwechslungsreich die designerinnen lisa neuhalfen und maja helpap für den verlag galiani berlin auch arbeiten, wie man bei nach uns die pinguine oder auch levi (siehe archiv) sehen kann, so ging hier leider etwas daneben: die verbindung fehlt...

[philosophenstreik]

der weltreporter

ein roman in zwölf reisen

von hannes stein

erschienen 2021

im verlag galiani berlin

isbn: 978-3-86971-235-2

(von tobias bruns)

der roman spielt in einer zeit, die wir heute alle zu genüge kennengelernt haben, er spielt während einer pandemie - ganz vieles ist gerade einfach nicht möglich und nur die, die gegen die krankheit immun sind haben besondere rechte, wie beispielsweise den besuch eines restaurants... in dieses pandemiezeit verliebt sich julia bacharach in einen reporter namens bodo von unruh. bodo schreibt für ein berühmtes hochglanzmagazin reportagen aus aller welt. er reist an die abgelegensten und interessantesten orte und berichtet unterfüttert mit den fotos von jacques lacoste von seinen erlebnissen. mitten im brasilianischen urwald, abgelegen und auf keiner karte verzeichnet besucht er münchen - die nachbildung von münchen. hier haben aus deutschland geflüchtete die münchner rätemonarchie entstehen lassen. rätemonarchie klingt wie ein widerspruch in sich? bodo von unruh klärt auf, und stellt den ort vor, den kaum ein mensch (der nicht der rätemonarchie angehört) bisher betreten hat. er reist in die eidgenossenschaft (schweiz) - in afghanistan, in der eine große gruppe illustrer krimineller ihre ganz eigene interpretation des schweizer systems versteckt in einem bürgerkriegsland versteckt in den bergen aufgebaut haben. bodo von unruh ist auf der suche nach dem transzendentalen orgasmus und er wird fündig bei einem guru und einigen mantras, die es ermöglichen, er berichtet aus einem restaurant, dem besten der welt, von dem niemand weiss, wo es ist und wer der wahnsinnige koch ist - alles fotografisch dokumentiert und durch den exzellenten ruf des hochglanzmagazins verbürgt. ist er mal nicht auf reisen, lebt er in saus und braus in einer exklusiven wohnung und kutschiert mit seinem “angeber”-dienstwagen durch die stadt. sein kollege der fotograf jacques wohnt im appartment direkt über ihm - verbunden mit einer treppe, die durch eine codeverschlossene tür gesichert ist. doch als julia, die sich als taxifahrerin etwas geld verdient bodo von unruh, obwohl er irgendwo im ausland sein sollte, aus einem sehr speziellen “club” kommen sieht, fängt sie an skeptisch zu werden - wer ist dieser mann wirklich, in den sie sich so hals über kopf verliebt hat?

hannes stein schrieb sein neues buch, als man eine pandemie, wie sie anfang 2020 über uns kam, als science-fiction für zombie- und weltuntergangsfilme sah - sprich absolut surreal... doch genau das ist der rahmen, in dem die handlung von “der weltreporter” stattfindet. sowenig surreal uns diese szenerie anfang 2021 scheint, so genial surreal ist dieser vorliegende roman! die reisen, die stein seinen protagonisten machen lässt sind so faszinierend real beschrieben, dass man glauben möchte, was man liest. es ist wie das betrachten eines gemäldes von magritte. es muss einfach wahr sein. man verzehrt sich nach diesen reisen, die bodo von unruh für “holzmann´s weltspiegel” unternimmt, man will immer mehr von diesen absurden geschichten und stein schreibt so lebendig, dass man glaubt, man wäre dabei. und wenn man dabei ist, dann muss es doch stimmen... schon steins weltuntergangskrimi “nach uns die pinguine” war eine freude, aber mit “der weltreporter” (wenn auch der titel nicht sonderlich attraktiv wirkt) setzt der autor noch eins drauf! noch einmal: genial surreal, wunderbar absurd!

andré breton, rené magritte, salvador dalí und auch luis buñuel würden ihren hut ziehen vor diesem steinschen geniestreich! danke hannes stein!

[philosophenstreik]

unhaltbare zustände

roman von alain claude sulzer

erschienen 2019

im verlag galiani berlin

isbn: 978-3-86971-194-2

(von tobias bruns)

stettler ist schaufensterdekorateur im wichtigsten kaufhaus der stadt, dem quatre saisons - seit jahrzehnten begeistert er die passanten mit seinen schaufenstern. er liebt es die staunenden gesichter zu sehen, wenn er nach viel arbeit (ende der 60er jahre) die schaufenster der neuen saison enthüllt. sein leben plätschert von saison zu saison vor sich hin, bis die direktion entscheidet, dass ein neuer wind wehen muss und stettler plötzlich konkurrenz in eigenen geschäft bekommt. ein neuer dekorateur, von dem er nicht einmal weiss, in welchem hause er seine ausbildung absolviert hat... ein persönlicher skandal, der sein leben so wenige jahre vor der rente auf den kopf stellt, und dann auch noch die geschichte mit der zerbst, der musikerin, die er aufgrund ihrer musik liebt und mit der sich eine sporadische aber innige brieffreundschaft entwickelt... der neue hat stettler zuviel erfolg und er versucht alles, ihn in den wilden jahren der zeit in diskredit zu bringen, doch schafft der andere nur immer innovativere dekorationen, die es letztendlich in die nachrichten der welt schaffen, was stettler noch mehr wurmt und ihn an den rand (?) des wahnsinns bringt....

ein roman über einen schaufensterdekorateur kurz vor seiner rente in einer geschichte, die kein krimi ist, keine komödie, sondern einfach nur ein drama... es scheint überfällig... trotz aller medien sind schaufenster in den innenstädten noch heute der ort, die kunden in den laden zu locken. wie im roman angedeutet ist es eine kunst für sich, die heute nicht mehr die massenbegeisterung auslöst, doch weiterhin für kunden sorgt. es geht um das leben eines mannes, der sich seines lebens sicher war, seiner zukunft und seiner arbeit, seiner kreativität, für den doch alles in frage gestellt wird, als der neue kommt - und das ohne abstimmung... er kann sich nicht mehr sicher sein, er ist nicht mehr herr in seinem schaffen, er muss teilen. auf einmal! stettler ist mensch und menschlich geht er um mit allem... doch was passiert mit jemandem, der alles als gegeben sieht und wandel weder erwartet und noch viel weniger herbeisehnt? unhaltbare zustände ist ein recht ungewöhnlicher roman - er nimmt mit nichtigkeiten mit und schafft es auf diese weise, dass man ihn einfach weiterlesen muss. ein unhaltbarer zustand und doch passiert es - ganz einfach so...

[philosophenstreik]

levi

roman von carmen buttjer

erschienen 2019

im verlag galiani

isbn: 978-3-86971-179-9

(von tobias bruns)

die sommerhitze steht drückend über berlin und ein grausames verbrechen ist geschehen. levis mutter wurde umgebracht - die umstände, wie die pathologin an ihrem arbeitsplatz getötet wurden sind bis auf weiteres nicht bekannt, doch es war ein grausames verbrechen, weshalb der 11-jährige levi sich vorstellt, tiger wären gekommen und hätten seine mutter gerissen. die hitze drückt und der junge ist auf der beisetzung. er reißt die urne an sich und rennt weg, verfolgt von der trauergesellschaft - allen voran sein vater, den er trotz zusammenlebens eigentlich kaum kennt... der junge kommt mit der neuen situation nicht klar. er haut ab, verlässt sein zuhause in naher entfernung. ab sofort lebt er zeltend auf dem dach des mietshauses in berlin ein wenig höher als zuvor. er verbringt seine zeit mit kolja, einem kioskbesitzer und ehemaligem kriegsfotografen, bei dem er aushilft und mit einem bis dahin unbekannten nachbarn, vincent, der mit ihm durch die stadt zieht und über tiger philosophiert, die seine mutter auf dem gewissen haben... mit vincent fühlt er sich erwachsen. mit kolja verbindet ihn einiges, denn nicht nur geniesst er die geschichten, die er ihm immer wieder erzählt, auch der kioskbesitzer ist noch nicht damit fertig, verluste aus seiner fotografenzeit zu verarbeiten. doch nicht nur, dass levi nicht mit dem tod seiner mutter zurechtkommt, nun, einmal einen tag zuhause zurück bei seinem vater, verdächtigt er diesen mit am mord an seiner mutter verantwortlich zu sein. dem jungen dreht sich alles und er beginnt auf jede art und weise seine pubertät in kürzester und ausuferndster weise auszuleben...

es ist ein donnernder debutroman von carmen buttjer, doch mit ruhigen tönen. levi ist - ... nun, er ist ein “kleiner” junge, der gerade seine mutter verloren hat. ein junge, der die kaputte beziehung seiner eltern immerzu erlebt hat, der in eine situation geraten ist, in der der ihm an sich fast fremde vater die einzige bezugsperson geworden ist. abgesehen vom kioskbesitzer, dem er sich anvertraut, und der für ihn mehr vaterfigur ist, als der ihm eigene... carmen buttjer ruft hier einen protagonisten ins leben mit dem man gemeinsam alles durchmacht, mit dem man gemeinsam scheiben zertrümmert, mit dem man gemeinsam die mutter entführt, die man bei sich haben möchte - es ist ganz einfach die mama - und wenn sie auch in der urne ist. in diesem roman findet man vier männliche protagonisten, die in ihren gefühlen, ihrem denken und verhalten nicht anders sein könnten. es gibt zwei weibliche protagonistinnen, die beide nicht mehr unter den lebenden weilen und doch omnipräsent sind... das spiel von nähe und distanz von vater, sohn und mutter, von menschen zu freunden, zu vertrauten baut buttjer auf grandiose weise auf, wie es jeder kennt, wie es tag für tag passiert in welche richtung auch immer... durchweg ein gelungener roman, der auf einen weiteren hoffen lässt!

[philosophenstreik]

nach uns die pinguine - ein genial unterhaltsamer weltuntergangskrimi von hannes stein.

[philosophenstreik]

nach uns die pinguine

ein weltuntergangskrimi

von hannes stein

erschienen bei galiani berlin

2017

isbn: 978-3-86971-156-0

(von tobias bruns)

die falklandinseln, die malvinen, in scheinbar nicht allzu weiter zukunft nach dem weltuntergang, sind der ort der handlung. das leben nimmt hier seinen gewohnten lauf - man geht seiner arbeit nach und trifft sich im pub, in diesem letzten territorium der britischen krone. nach dem 3. weltkrieg ist hier auf den malvinen eine der letzten menschlichen zivilisationen zu finden, das leben trotz größerer internationalität ob der gestrandeten neuen einwohner dennoch very british. doch plötzlich wird der von allen geliebte ralphie, gouverneur ihrer majestät auf den inseln mit einer churchill-büste ermordet - und nicht nur er! was geht auf der insel vor sich?

joshua feldenkrais, moderator des inselradios, gleichzeitig auch, aber nicht nur, der letzte mormone der welt, nimmt seine journalistischen ermittlungen auf, um die verunsicherte inselgemeinschaft von ihren zweifeln mit einer großen enthüllung zu befreien. leider läuft nicht alles so wie es sich joshua gedacht hat,...

nach uns die pinguine ist ein sehr unterhaltsamer “weltuntergangskrimi” - hannes stein hat schnell einmal ein neues genre erfunden... wenn man es nicht besser wüsste, würde man denken, alles wäre wie immer, doch in dieser geschichte ist die gesellschaft von den falkland-inseln eine der scheinbar letzten menschlichen ansiedlungen auf einer zerstörten welt. wie es dennoch sein kann, dass die bevölkerung der inseln mit vielen annehmlichkeiten leben kann? diese erklärung bleibt uns hannes stein schuldig - ebenso hätte man gern ein wenig mehr über die “betrüblichen ereignisse, über die wir ungern reden” erfahren, doch in diesem punkt bleibt sich hannes stein treu, denn es sind nun einmal die ereignisse, über die ungern geredet wird und sie sind nicht der mittelpunkt dieses krimis. es geht um den mord am gouverneur dieser abgelegenen inseln, die scheinbar zum mittelpunkt der menschheit mutiert sind. mit viel humor erzählt hannes stein hier einen absurden krimi, der recht viele anspielungen auf einige aktuelle politiker bestimmter weltmächte beinhaltet. ein unterhaltsamer und schnell gelesener krimi - ein “weltuntergangskrimi”, wie man ihn noch nicht gelesen hat.

[philosophenstreik]

oberkampf

roman von hilmar klute

erschienen 2020

im verlag galiani berlin

isbn: 978-3-86971-215-4

(von tobias bruns)

eine biographie über den schriftsteller richard stein möchte jonas becker schreiben. eine biographie über einen schriftsteller, dessen komplettes werk biographisch ist... doch für jonas ein verkanntes genie. jonas möchte sich in das leben dieses alten mannes stürzen, der in paris lebt, um sein eigenes bisheriges leben zurückzulassen. er hat einen verlag gefunden, der diese biographie tatsächlich inklusive seines aufenthalts hierfür in paris finanziert. was tut man nicht alles, um seinem leben einen neustart zu verpassen.

jonas ankunft in paris ist eine mischung aus fehlstart und glück: er kommt spät an mit all seinem gepäck und steht plötzlich vor der tür in der kälte - der hausmeister, der ihm den schlüssel für seine neue wohnung übergeben sollte ist nicht aufzufinden. ihm bleibt nichts übrig, als ins nächste café zu gehen, um die nacht totzuschlagen. eine schicksalhafte nacht, sollte er doch direkt hier seine zukünftige freundin kennenlernen: christine. seiner schicksalhaften begegnung in der bar folgt am nächsten tag ein schicksalhafter moment für die stadt paris und die gesamte grande nation: der anschlag auf die redaktion der satire-zeitschrift charlie hebdo. jonas findet sich nun in zweierlei geschichte... in der geschichte des alten schriftstellers richard stein, der anders als erwartet jonas komplett einzunehmen scheint und in der geschichte eines erschütterten staates verkörpert durch seine neue geliebte. bei der arbeit mit stein scheint ihm immer mehr das heft aus der hand genommen zu werden durch den dominanten schriftsteller, der immer mehr in konkurrenz zu seiner neuen liebe tritt und dann ist da noch seine vergangenheit, die er so sehr hinter sich lassen möchte und die doch immer wieder aufploppt... plopp, plopp, plopp... jonas findet keine ruhe in seiner neuen geborgenheit, lässt sich vom schriftsteller einwickeln, der eigenmächtig mit jonas´ verlag gespräche führt, um ihn in die vereinigte staaten zu entführen, um steins verschwundenen, drogensüchtigen sohn zu suchen, während christine ihn in die banlieus entführt, um mit ihm die abgründe der vergessenen und benachteiligten, der ihrer meinung nach “brutstätte” der terroristen zu erkunden.

oberkampf - der name einer straße, einer u-bahn-station in paris - nebenbei: der namensgeber ist ein erfolgreicher tuchfabrikant deutscher herkunft... oberkampf, "jonas hatte sofort gefallen gefunden an diesem resoluten wort, das die entschlossenheit einer geballten faust hatte” (oberkampf, s.16). das ist eindeutig ein klute-satz, einer dieser sätze, die man schon in seinem ersten roman “was dann nachher so schön fliegt” lieben gelernt hat. oberkampf - dieser roman ist eine wunderbare liebesgeschichte auf so vielen ebenen, dass man nicht einmal mehr von liebesgeschichte reden kann, sondern eher von einer lebensgeschichte, was natürlich vor dem hintergrund des biographieschreibens bedeutend sinniger ist. klutes zweiter roman nimmt mit, verquickt realität und fiktion auf beeindruckende art und weise ebenso wie menschliche schwäche und ohnmacht, überheblichkeit und allmachtsgefühle. ein wunderbarer buchtitel mit einer ebensolchen geschichte - das an diesem “resoluten wort”, an dem jonas soviel gefallen gefunden hat, scheint das zu sein, was er an sich für sich selbst wünschte und in dieser geschichte sucht.