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Max, Korea Japan Ulaan Baatar letzter Tag
Authentizität
Sanft und beständig bin ich an meinem letzten koreanischen Morgen geweckt worden - alle zehn Minuten addierten sich der Klang künstlichen Vogelgezwitschers gepaart mit rhythmischer Vibration eines Samsung-Handys zu dem wohligen Gefühl, nach dem es uns allen sehnt: Du hast vier, vielleicht fünf Stunden geschlafen, eine Dir fremde Person hat sich vorgenommen, früh aufzustehen - tut es aber nicht und lässt Dich an diesem intimen Überwindungsprozess teilhaben.
Und dadurch, dass ich einen sehr leichten Schlaf habe, durfte ich diese himmlischen Klänge jedes Mal aufs Neue deutlich länger genießen, als diejenige Person, die sie doch so viel eher hören mag, als ich. Welch Privileg.
Scheiß drauf, dann eben nicht mehr schlafen. Und als wollte mir Seoul den Abschied nochmal erschweren, entschied es sich, mir den Mittelfinger ins Gesicht zu reiben - in Form von strahlendem Sonnenschein, blauem Himmel und Tshirt Wetter. Ich fand es trotzdem klasse in Korea und gratuliere herzlich zur Aufnahme auf meine „muss ich nochmal hin“-Liste.
Für jetzt allerdings war es erstmal vorbei und unter diversen Machtdemonstrationen der ostasiatischen technologischen Überlegenheit gegenüber dem Westen bin ich in den Flieger Richtung Ulaan Baatar gestiegen.
Ich wollte schon immer mal in die Mongolei. Da hin zu kommen ist für gewöhnlich aber sehr nervig. Und eigentlich ist mein Traum, durch die Steppe zu reiten - ein Traum, der von der Allergologin meines Vertrauens erst kürzlich endgültig zerschmettert wurde.
An meinem Ziel angekommen, war schnell klar: hier weht ein anderer Wind als in den letzten drei Wochen Reise. Taxi! Taxi! Riefen Männer mittleren Alters in der Ankunftshalle. Die kostengünstige Alternative, in die Stadt zu kommen? 19 Stunden laufen. Keine Metro, kein Schnellzug, kein Bus. Dann also Taxi. Immerhin wurde ich nicht über den Tisch gezogen, weil ich mich im Vorfeld schlau gemacht habe, wie viel ich als Local bezahlen würde und konnte unter einigen verbalen Tänzchen dann auch eben jenen Preis verhandeln. Und weil wir uns sympathisch waren, war schnell klar, dass Akhi auch morgen mein Fahrer sein würde. Nachdem ich bereits auf dem Hinflug Tipps von meiner Sitznachbarin gesammelt hatte, rundete ich mit Akhi meine Pläne für das Abendessen und die lokalen Spezialitäten ab.
Aber erstmal war klar: Ich musste das Dsaisan Monument sehen. Wenn möglich, im Sonnenuntergang. Und dafür musste ich mich sputen. Akhi tat sein bestes, sämtliche Verkehrsregeln zu ignorieren. Leider taten alle anderen Verkehrsteilnehmer es ihm gleich. Und so fand ich mich eine Dreiviertelstunde vor Sonnenuntergang einen 45 minütigen Fußmarsch von meinem Monument entfernt und stieg im Stau aus dem Auto. Wenn ich mich beeile, mache ich aus 45 Minuten aber auch mal 30 und so bin ich gerade rechtzeitig gekommen für diesen unbeschreiblichen Blick, den ich schon so lange sehen wollte.



Ich war begeistert.
Zu Fuß ging es dann auch weiter Richtung Hostel durch diese unfassbar aufregende Stadt, die wirkt, als hätte man Tiflis, Hanoi und Nowy Urengoi in einen Mixer geschmissen.
Meinen Zimmergenossen im Hostel fand ich etwas merkwürdig. Wenn man sich bei mir unbeliebt machen möchte, reicht es für gewöhnlich schon, wenn man mit dem Finger auf mich zeigt und bevor man Hallo sagt „You Russia“ messerscharf daneben analysiert. Bonuspunkte gibt es dafür, mich direkt und ohne Unterlass auf Russisch vollzulabern. Hätte er es gekonnt, hätte er es wohl getan. Während ich den Check-in mit dem sympathischen Besitzer regelte, stand der dem Englischen nicht mächtige Zimmergenosse permanent direkt neben oder auf meinen Füßen. Fast hätte ich selbst dann eine Grenze überschritten und wäre dem Host vor Freude um den Hals gefallen, als er mir von sich aus anbot, mir einen privaten Raum zur Verfügung zu stellen. Man muss auch mal Glück haben.
Danach ging ich essen, es war wunderbar. Und authentisch mongolisch.
Oder?
Natürlich hatte ich mir die Empfehlung vom Host eingeholt, wo ich lokale Küche genießen konnte. „Modern Nomads 2 ist sehr beliebt bei Touristen“. Unterrichtete er mich. Tja schön für die doofen Touristen, dachte ich mir - ich will den realen, den authentischen Scheiß. Wo er essen gehen würde? Kentucky Fried Chicken.
Reisende sind immer auf der Suche nach Authentizität. Aber allzu oft lassen sie sich auch blenden von ihren eigenen Vorstellungen, was denn authentisch sei. Oder anders ausgedrückt: die Erfüllung Deines Scheiß Vorurteils über eine Kultur, Stadt oder Person - das hat nichts mit Authentizität zu tun, sondern manchmal ist es das Gegenteil. Der Host war kein Falkner auf nem Kamel in einer Jurte. Sondern ein kleiner netter Mann, der auf Fastfood steht und eben zufällig in Ulaan Baatar und nicht in Castrop-Rauxel geboren wurde, who fuckig cares. Und so hatte ich doch meine authentische Unterhaltung mit einem Local - wenn auch nicht bei einem Schnaps in einer Runde Kehlkopfgesang. Und ruhigen Gewissens konnte ich dann Abendessen bei „Modern Nomads 2“, wo ich im Übrigen der einzige Tourist war.
Am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang raus, um zumindest noch ein bisschen mehr sehen zu können, wie Tempel, Pagoden und Soviet Blocks.




Gerade sitze ich im Flieger nach Deutschland - wenn es auch weniger sitzen als räkeln ist . Durch eigenen kleinen Trick hab ich auf Hin- und Rückflug eine ganze Reihe für mich gehabt. Die Airline, Miat Mongolian, ist, wie jede eher unbekannte Fluggesellschaft, überragend. Ich hatte mir vorab vegetarische Menüs bestellt. Die scheinen aber nicht statt, sondern zusätzlich zum „normalen“ Angebot zu kommen. Wie gesagt, man muss auch mal Glück haben. Und mit vollem Bauch, fast ganz ausgestreckt und mit unzähligen neuen Erinnerungen im Gepäck, liegt es sich verdammt gut in so einem Flieger.
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Max, Korea Tag 7
Weltfrieden
Heute Morgen klingelte der Wecker um 5 Uhr. Ich wollte der Erste im Bukchon Hanok Village sein. Gestern bin ich schon kurz durch die Tourihölle gegangen, um recht bald auf der Ferse kehrt zu machen. Heute sollte es anders sein und ich wollte durch die kleinen Straßen des alten Dorfes mit Blick über die Großstadt spazieren, ganz alleine im Sonnenaufgang. Auf dem Weg gab es eine kleine Stärkung im 7Eleven und schon war ich da - eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang betrat ich das kleine Kaff, das von Stadt umgeben am Hang liegt. Die Benimm-Schilder hatte ich schon gestern gesehen. Leise solle man bitte sein, wegen der Leute, die dort leben und so weiter. Was ich nicht gesehen hatte, war die Restriktion: Besuch bitte nur von 10 bis 17 Uhr. Ach, ich bin ja nett, leise und schnell, dachte ich mir. Doch je weiter ich ging, desto schlechter wurde das Gewissen. Ich versuche auf Reisen ja immer möglichst wenig zu nerven. Und Touris, die sich die extra Schippe aufladen, sind auch diejenigen, die mich extra abfucken. Was ich als Anwohner von Touristen um halb 6 Uhr morgens vor meiner Haustür halten würde, wenn ich doch sogar bereit war, einen Kompromiss einzugehen? Ich Kürze das mal ab:
Ich bin einfach wieder ins Bett gegangen.
Nachdem ich wieder aufgestanden bin, ging es weiter, wie die Tage zuvor auch: Dauerregen, Pisschirm und immer wieder die Versuche, das Beste draus zu machen. Cafés, Märkte, Streetfood.

Auch das folgende Projekt hatte ich gestern begonnen: zu der völlig unnützen Statue des Gangnam-Style Tanzes zu fahren. Auf etwas mehr als halber Strecke stellte ich gestern allerdings fest, dass sie mich wirklich nicht genug interessiert für eine halbe Weltreise. Heute dann, 24 Stunden Regen später, nahm ich die 40-minütige Fahrt mit der Metro mit Kusshand entgegen. Die Frage, warum, ist leicht zu beantworten: ich habe neulich einen Kommentar irgendwo im Internet gelesen, dass die kollektive Gangnam-Style Psychose, der wir uns vor 13 Jahren als Weltgemeinschaft hingegeben haben, auch das nächste war, wie wir jemals dem Weltfrieden gekommen sind.

Ganz falsch ist das nicht. Und irgendwie fand ich es dann doch passend, durchnässt mit meinem Plastikbecher und meinem Pisseschirm vor diesem Mahnmahls des Friedens, geschaffen von der YouTube GmbH (oder wie auch immer), zu stehen. Es trifft den Zeitgeist. Und der Top- Bewertung des Ortes aus dem Internet kann ich mich nur anschließen: wenn man eh schon da ist, mach halt dein doofes Foto.
Wenn schon nicht kurz nach Sonnenaufgang, dann eben kurz vor Sonnenuntergang, dachte ich mir. Und dann hab ich doch noch mein Foto bekommen, das den Kontrast zwischen Tradition und Moderne zeigt, der Ostasien so sehr für mich ausmacht.

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Max, Korea Tag 6
Hagel, Kitsch und Pisse
Das mit der Erkältung ist nicht geil, Aber immerhin habe ich es weitgehend unter Kontrolle - selbst die Schnarchnase im Dorm zu sein, die auch noch alle ansteckt, wäre keine Option und unter allen möglichen Dopingmaßnahmen kann ich trotzdem einiges erleben.
Heute Morgen habe ich also direkt mal eine Challenge zum Status Quo der Erkältung angetreten und bin einen Berg hoch gelatscht. Was ich in Busan verpasst habe, konnte ich hier also nachholen: auch in Seoul sind überall wild bewachsene Berge zu finden, die eine tolle Rundumsicht über die Stadt ermöglichen, die genauso wenig enden möchte, wie all die anderen, die ich vorher sah. Das wechselhafte Wetter hat schöne Sonnenflecken auf Soul gezeichnet.

Auf dem Rückweg musste ich allerdings von einem Security Mann gerettet werden, der mir Unterschlupf in seinem kleinen Häuschen bot - ich war in einem Hagelsturm geraten. Kurz darauf nutzte ich eine kleine Pause in dem ganzen Chaos und flüchtete in eine nahegelegene U-Bahn Station. In dieser suchte ich die erste widerliche Toilette meines Trips auf und habe es natürlich genau dort geschafft, meinen Regenschirm in eine Pisselache zu schmeißen. Seither ziehe ich es in den meisten Fällen vor, mich einfach nass regnen zu lassen, weil er mir trotz direkter Reinigung im Waschbecken jetzt etwas suspekt geworden ist.
Während es also vom Himmel pisste, fuhr ich mit meinen Pissehänden mit meinem Pisseregenschirm durch die Gegend. Und was gibt es im Dauerregen schon zu tun? Als ich an der Zitter-Grenze von zu viel Kaffeekonsum und exzessiven Händewaschen stand, ging ich in die große Shoppingstraße, um mich der audiovisuellen Überforderung hinzugeben. Das Problem hierbei war in erster Linie das, das ich immer an solchen Tagen und in solchen Geschäften immer habe: ich gebe ja zu, dass ich eine Menge von dem Müll gerne haben würde. Aber es gibt buchstäblich nichts, das ich brauche. Und das ist dann doch recht angenehm, wenn man keine Kohle hat. Viel Geld und alles brauchen ist am Ende beschissener als kein Geld und nichts brauchen. Das sah mein auffallend gut gelaunter Taxifahrer übrigens genauso.

Des Abends dann bin ich nach Hong-Dae, wie es anfangs schien, ein verschlafenes Hipster-Studi-Viertel, das man über eine stillgelegte Bahnstrecke, gesäumt von Kirschbäumen, erreicht. Doch je weiter man geht, desto dichter drängen sich die Bars und Geschäfte; ehe ich mach versah, war ich wieder in einem absolut irren Vergnügungsviertel gelandet, mit all seinen bunten Reklamen, fragwürdigen Schaufenstern und Konsumreizen.

Mittlerweile war ich aber so durchnässt, dass ich mich wieder ins Hostel begab, um die Erkältung nicht schlimmer zu machen. Und eine ausgiebige Dusche mit warmem Wasser klang plötzlich sehr viel besser, als die kalte, die mich im Gemisch aus Smog und Urin den Tag über begleitete.
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Max, Korea Tag 5
Spieltag
Ich bin erkältet. Das ist ziemlich ätzend.
Nach einem gemütlichen und ausgiebigen Frühstück bin ich heute nach Seoul gefahren. Erstmal ja gar nicht schlecht, denn es waren 22 Grad. Ein bisschen, Tee für Tee, von Café zu Café schlendern hat sich nach genau dem angehört, was ich brauchte. Aber nichts da - mit meiner Ankunft begann es wie bescheuert zu regnen. Kassel-Style ohne jede Kontur und so beharrlich vor sich hin plätschernd, dass man erstmal gar nicht merkt, wie durchnässt man ist. Doch immerhin hatte ich ein Ass im nassen Ärmel: Das Spiel FC Seoul gegen Daejeon Citizens. Also einmal die Sachen ins Hostel geschmissen (in dem übrigens eine Katze wohnt, was meine allgergiebedingte Erkältung nicht unbedingt verbessert) und ab zum Stadion. Das ist übrigens auch das einzige, über das heute hier geschrieben wird, wer darauf keine Lust hat, kann ab jetzt gerne überspringen.
Vorgeschichte: Das (vermutlich) zweite Fußballspiel, das ich je ganz sah, hat sozusagen etwas mit diesem Trip hier zu tun. Denn im Jahr 2002 fand die Fußball Weltmeisterschaft der Männer in Japan und Südkorea statt. Nachdem der DFB den Gastgeber Korea im Halbfinale in dem heute von mir besuchten Stadion rausgekegelt hatte, spielte er im Finale gegen die brasilianische Auswahl. Ich habe das Spiel mit Dad zusammen bei meiner Oma Mia geguckt - und als Ronaldo den zweiten Treffer in Olli Kahns Tor gesemmelt hatte, beschwichtigte ich meinen Vater, der dem DFB die Daumen drückte, mit den Worten "Ach, ist doch nicht so schlimm - ist doch nur ein Freundschaftsspiel". "Das ist so ziemlich das Gegenteil von einem Freundschaftsspiel, es ist das Finale der Weltmeisterschaft" belehrte er mich. Das war mir schon bewusst. Doch das Missverständnis lag an einem anderen Ort, viel tiefer: Das erste Spiel nämlich, das ich bewusst sah, war auch mit Dad. Damals ein tatsächliches internationales Freundschaftsspiel, das der DFB verlor. Er kommentierte den Ausgang abwinkend mit den Worten, die ich später wiederholte. Ich, jung und dumm, nahm an, dass Fußball an sich ein Sport sei, der die Freundschaft zwischen Nationen und Städten ermöglicht und den Kontakt der Menschen untereinander positiv fördert. Was für eine irre Vorstellung.
Angekommen am Stadion gab es natürlich wieder einige kulturelle Unterschiede zu beobachten. Da hätten wir die Einlasskontrollen. Ich habe mal wieder für einige Verwirrung gesorgt, als ich, viel zu früh und als erster in der Schlange, meine Bauchtasche öffnete und mich rückwärts mit ausgestreckten Armen vor die beiden Securities stellte. Als nach ein paar wenigen Sekunden nichts passierte, drehte ich mich um und sah in zwei recht verdutzte Gesichter. "Ticket?" wurde ich gefragt. Ich habe das Ticket ausgehändigt und bin unter ihrem Lächeln rein gegangen - ohne irgendeine Form der Kontrolle.
So war es dann auch im Stadion - ich sollte in den Block P. Ich habe mir natürlich das billigste Ticket organisiert. Ganz oben links in der Ecke hatte ich einen ganzen Block für mich. Aber ich konnte mich im ganzen Stadion frei bewegen und setzte mich einfach Mitte-Mitte in den Oberrang und hatte perfekte Sicht auf das Geschehen. Die Ultras beider Vereine waren zu dem Zeitpunkt schon anwesend und machten Lärm - deutlich mehr als ich dachte! Mit Melodien, die mir teils gut und zu gut bekannt waren, aber auch solchen, die ich noch nie gehört hatte, wurde sich eingesungen. Dabei ist hervorzuheben: Die Mitmachquote in den jeweiligen Kurven war über 90 Prozent - und so gab das Ganze trotz einer Stadionauslastung von vielleicht 25% ein gutes Bild ab.
Unter tosendem Applaus lief dann auch bald die Heimmannschaft ein, die ein extrem niedliches Ritual vollzog: Sie gingen zum Mittelkreis; jeder einen Ball in der Hand stellten sie sich mit Blick Richtung Publikum kreisförmig auf und verbeugten sich tief und ausgiebig, bevor sie zu allen Seiten ausscherten und zuschauenden Kindern die Bälle schenkten.
Zum Anpfiff wurden dann vom Verein Leuchtraketen abgefeuert und die Mannschaft von ihren Fans nach vorne gepeitscht. Das Team um Jesse Lingard, bekannt von Manchester United und der englischen Nationalmannschaft, spielte äußerst ansehnlichen Fußball, aber wollte und konnte sich nicht belohnen. Und auf einen späten Gegentreffer vom Punkt folgte der nächste aus dem Spiel heraus.
Halbzeit
In Seoul verfolgt man ein Konzept, das sich dringend mal von europäischen Vereinen angesehen werden sollte: Das Catering übernimmt GS25, eine Supermarktkette. Diese bietet speziell auf das Publikum abgestimmte Snacks und Drinks an - zu Supermarktpreisen. Ein Wasser kostete 50 Cent, ein Kaffe ein Euro. Einen Hotdog oder ein Bier gab es für 1,50 und so weiter.
Ein bisschen Mitleid bekam ich dann doch mit den Ultras, als ich die Halbzeitshow ansehen musste: Mit der Stadionkamera wurden einzeln Leute abgefilmt, die sich, wenn ich es richtig verstehe, in einen Tanzwettbewerb begeben mussten, um Preise wie ein Zelt oder mehrere Kilo Fleisch (???) zu gewinnen. Das halbe Stadion wollte auf sich aufmerksam machen und zeigte alle erdenklichen Verrenkungen. Lustig anzusehen war es allemal.

Trööt
Die Stimmung hatte mich jetzt doch angefixt und ich entschied mich, meinen Platz gegen einen hinter den Ultras zu tauschen. Und anders als bei Werder, schien ich diesem Verein Glück zu bringen, denn keine halbe Stunde später stand es 2-2. Es gab einen versuchten Fallrückzieher, mehrere Pfostentreffer... Ich kann mich beim besten Willen nicht beschweren. Wie sie hier politisch ticken, kann ich nicht einschätzen, aber die Blockfahne der Gäste, "Utopia Daegeon", lässt mich hoffen, dass es hier auch progressive Fußballfans gibt.
Nach dem Spiel dann wollte ich meinen eigentlichen Tagesplan verfolgen und ging über den Night Market, in der Hoffnung, ein gemütliches Café oder ähnliches zu finden. Es hat mittlerweile aber nur noch geschüttet und so ging nach diversen merkwürdigen Snacks einfach zurück ins Hostel, in dem ich jetzt versuche, meine letzten verbleibenden Tage bei Schietwetter zu planen. Denn heute Nacht wird es vermutlich sogar schneien.
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Max, Korea Tag 3 und 4
König in Schloss
Schweren Herzens musste ich Busan also verlassen, die in meinen Augen bisher tollste Stadt - vorhin erst wurde hier im Hostel über sie gelästert, weil es keine guten Sightseeing Spots gäbe außer der "Fakes", die ich ja auch besucht (und für gut befunden) hatte. Aber gerade das hat sie für mich so super gemacht - überall gab es Kleinigkeiten und Sonderbares zu entdecken, statt dass es einem wie in Japan auf dem Silbertablett serviert wurde.
Anstelle von Abenteuern in einer pulsierenden Großstadt am Meer im üppigen Grün, bespickt mit Bergen, dann halt sechs Stunden Bus fahren. Immerhin aber in der Tat äußerst komfortabel, sodass ich meinem neu entdeckten und wohl dem Alter geschuldeten Hobby nachgehen konnte: Permanent im Sitzen beim Lesen einschlafen. Auf die 30 bin ich ja fast schon vorbereitet, aber dass die 70 so nah ist, war mir bis vor Kurzem nicht klar.
So komfortabel die Busfahrt an sich war, so amüsant die Umgangsart des Busfahrers mit mir und den drei anderen Nicht-Koreanern an Bord. Anfangs noch höflich distanziert, wurden wir gen Ende regelmäßig angeschrien, weil wir par tout - selbst, wenn sehr laut und langsam gesprochen - nicht auf seine Fragen oder Anweisungen reagierten, die sicherlich in unmissverständlichem Koreanisch ausgedrückt waren. Heil an unser Ziel hat er uns dennoch gebracht, nach Sokcho in Nord-Ost-Südkorea.
Mein Hostel ist wunderschön und der Gastgeber extrem engagiert. Kaum hatte ich einen Fuß in der Tür, wurde wild auf drei verschiedenen Stadtplänen rumgemalt, in der Stadt herumtelefoniert, welches seiner empfohlenen Restaurants noch offen hatte und selbstverständlich mein Zimmer gezeigt. Ich scheine bei der Buchung nicht genau hingesehen zu haben: Ich habe ein eigenes Zimmer und zwar mit (besser im Sitzen weiterlesen) eigenem Bad. Und nicht eine Kakerlake. Nach dem Abendessen habe ich wie ein König geschlafen.
Denn schon um kurz vor 6 Uhr morgens sollte der Wecker klingeln, um mich zum nächsten Highlight zu wecken, der Wanderung im Seoraksan Nationalpark.
Als ich in Busan in mein Hostel eingecheckt habe, habe ich den Rezeptionisten gefragt, wie ich am besten nach Sokcho käme. Seine Antwort war eine Frage: "Was bitte willst Du denn da?" ungläubig starrte er auf die angezeigten sechs Stunden Fahrt. "Ich möchte wandern gehen im Seoraksan Nationalpark." "OH. Ja, ACHSO, natürlich - unbedingt. Highly, highly recommended. Must do." Seine Attitüde hatte sich um 180 Grad gedreht und seine Augen fragten parallel zu seinen schnell tippenden Fingern nur noch "was willst Du denn dann überhaupt noch hier?"
Ich hatte einiges befürchtet, denn groß ich der Park nicht und noch dazu recht gut zu erreichen. Die vier Mitreisenden im Bus konnte aber selbst ich als übermäßig touristenhassender Tourist gut ertragen.

Vorbei an kleinen und großen Tempeln und Klöstern war ich der erste auf dem von mir angestrebten Gipfel, der noch seitlich von der aufgehenden Sonne gold beleuchtet war, wie ich es so liebe und wofür ich noch früher aufgestanden wäre, hätte es einen Bus gegeben. Einziges Manko wiedermal: Die Bäume waren kahl. In einer Woche wird wohl alles explodieren und sich in ein grünes Meer verwandeln. Das heißt, hoffentlich grün und nicht rot. Denn es hat seit Wochen nicht geregnet, auf meinem Handy gehen täglich neue Warnungen zu drohenden oder tatsächlichen Waldbränden ein. Leider ist das auch der Grund, warum ich nicht alles vom Park sehen konnte, was ich gerne gesehen hätte - mehr als die Hälfte war wegen der Waldbrangefahr gesperrt.


Wieder zum Kloster, einen anderen Berg rauf... Ich denke, die Bilder sprechen für sich. Und die Natur war dermaßen schön, dass ich sie trotz allem genussvoll in mich aufsaugen konnte. Beziehungsweise nein, eher das Gegenteil. Denn mit der (in Korea übrigens noch stärker ausgeprägten) Blütenpracht der Baume ging ein mehrstündiges Nieskonzert einher, das seinesgleichen sucht. Während der Kopf also alles aufnahm, stieß der Körper alles ab. Steckste nicht drin.

Der ein oder andere gestreifte Wandergefährte hat es aber gut hinbekommen, mich davon abzulenken.

Als Nachmittagssnack habe ich dann Ramen mit Krabbe am Meer auf dem Fischmarkt gegessen, danach meinen ganzen Scheiß sortiert. Abends dann habe ich noch die mir zuvor empfohlenen Spezialitäten der Stadt probiert, oder mich daran versucht. Während ich den gefüllten Squid noch ganz gut fand, hat mich Asahi Sundae, Eine Blutwurst aus Schweineinnereien nach dem ersten Bissen fast zum Kotzen gebracht. Ich musste es stehen lassen, heute hat das Kopf ausschalten beim Essen nicht so gut funktioniert. Aber mit einem Raspberry-Crumble-Mochi aus einem hübschen Café konnte ich mich kulinarisch wieder besänftigen. Wie toll es ist, sich nicht zu langweilen.

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Max, Korea Tag 2
Geile Snacks, geile Stadt
Wie geil ist eigentlich Boot fahren, hab ich das schon mal erwähnt? Sechs Stunden tuckerte ich über das Meer, um von Fukuoka nach Busan zu kommen. Meinetwegen hätten es auch 40 sein können. Ich habe zwei super nette Leute kennengelernt, mit denen ich, oh Wunder, auch den Abend bzw. den nächsten Tag verbrachte. Ich werde es nicht wieder als Knatsch titulieren, weil es dem Gefühl unangemessen wäre, aber eins sei festgehalten: Wäre Busan in Japan, wäre es meine Lieblingsstadt. Hätte Busan ein lokal besonderes Essensangebot, wäre es mein liebstes. Soll heißen: Verdammte Scheiße, warum habe ich aus Costa Rica und Panama nicht gelernt und dem vermeintlichen Underdog mehr Zeit eingeräumt und stattdessen in Osaka vor mich hin gegammelt?
Naja, Korea also. Das Land, in dem das Essen auf einmal so würzig ist, dass ich drei Essen zum Preis von einem essen kann, weil es anderen nicht schmeckt - und mir umso mehr. Auf einmal gibt es Nightmarkets, eine Grundbildung in Englisch und Rechtsverkehr. Ich hätte nicht gedacht, dass ich südostasiatischer Kultur in diesem Trip so nah kommen würde. Und ich liebe es. Heute Morgen ging ich zu erst nach Chinatown im Versuch, mir eine SIM-Karte zu organisieren. Alles hatte zu. Na gut, dann eben der gute, alte 7Eleven - Eine Karte habe ich bekommen. Wie sich herausstellte, bin ich aber ein Ausländer und somit nicht befugt, sie zu aktivieren.
Blabla, ich langweile mich gerade beim Schreiben, also fast forward:
Ich bin mit meinen neuen Friends zum Gamcheon Cultural Village gefahren. Dabei handelt es sich um einen ehemaligen Slum Busans, der (mutmaßlich, ganz so tief stecke ich nicht in der Materie) mit einem einfachen Trick brutal weg gentrifiziert wurde: Farbe. Die gammligen Häuser wurden bunt gestrichen, der ein oder andere Souvenirshop eingeführt und zack - aus dem Haufen Scheiße von enggassigem Slum wurde eine Art zivilisierte Version einer lateinamerikanischen Favela. Für mich super, endlich mal an so einem Ort Fotos schießen zu können. Für die Leute, die da mal gewohnt haben? Keine Ahnung. Auf jeden Fall teilen die Leute meine Liebe für den kleinen Prinzen, was es nochmal netter gemacht hat.

Von dort aus sind wir zum ältesten Tempel Koreas gefahren. Auch das skippe ich hier. War nett. Vorher kurz aus Versehen in einem militärischen Sperrgebiet verlaufen, dann doch angekommen.

Das nächste Ziel, das ich mir für meine wider Willen kurze Zeit in Busan eingeplant hatte, war die kleine Sky Capsule, also sowas wie die kleinste und langsamste S-Bahn der Welt. Natürlich war die Fahrt mit ihr ausgebucht, aber sie anzusehen war mir fast wichtiger. Wiedermal haben wir hier eine Touriattraktion, die, wenn wir mal ganz ehrlich sind, keinerlei Historie oder anderweitigen Nutzen vorzuweisen hat; ich find es trotzdem süß.


Dann trennten sich unsere Wege und ich ging mir ein Abendessen suchen. Und hier beginnt das, was ich als Highlight des Tages krönen möchte: Ich ging zuerst auf einen "gewöhnlichen" Nightmarket und aß Dumplings mit einem der besten Gemüsesalate meines Lebens. Ich hatte aber noch nicht genug und suchte nach dem Markt, über den ich am Vorabend gestolpert war. An einem zufälligen Stand ließ ich mich nieder. "Do you speak english?" fragte ich die handvoll Leute, die sich um die Köchin scharrten. "Yes, a little" wurde mir entgegnet. "Perfect, what can you recommend for dinner?" fragte ich. "Oh, I actually no english". Dann eben Hand und Fuß und (fremde) Übersetzungsapp. "You like everything?" "Yes" antwortete ich stolz. "Even if alive?" stand auf dem Telefon - langsam geriet ich ins Wanken und verneinte mit Blick auf lebendige Seegurken, Oktopusse und Seeigel.
Ich hatte ein paar gegrillte Shrimps, vielleicht die besten meines Lebens. Dazu, wie es sich gehört, eine Flasche Soju. Dieser Zaubertrank ist auf jeden Fall in der Lage, kulturelle Barrieren zu brechen. Und schon bald hatte ich einen weiteren koreanischen Freundeskreis erschlossen. Aus einer Flasche wurden zwei, auf die Shrimps folgte ein zusätzlicher Teller Muscheln. Darauf aus Versehen ein Hühnerfuß. Aus zwei Flaschen wurden drei und auf den Teller Muscheln folgte der lebende Oktopus. „You actually ate it. I never saw a foreigner eat it in my life“ Mehr Details auf Anfrage.

Es ist eine Schande, dass ich morgen schon abhauen muss, aber immerhin bleibt vom unfreiwilligen City-Hopping hängen: Nach Busan muss ich unbedingt wieder.
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Max, Japan Tag 14,5
Konsum
Ich finde es extrem süß, wie viele Leute mir geschrieben haben, ob ich mich denn wieder einbekommen hätte - ja, absolut und das auch schon gestern, danke!!
Mein letzter Tag in Japan war schön und da ich den Eindruck hatte, jetzt wirklich alles in Osaka gesehen zu haben, auch entspannt. Viel außer Essen und Rumlaufen ist nicht passiert. Ich hab mich gefreut, meinen guten alten Kumpel Totoro zu treffen, der mir zugesichert hat, künftig immer mal in meinem Sumpf vorbei zu schauen.

Abends bin ich dann in den Bus nach Fukuoka, wo ich seither rumsitze und auf die Fähre warte.

Denn ab heute Nachmittag bin ich dann endlich in Korea. Und dann gibt es sicher auch wieder die ein oder andere spannende Geschichte. Die spannendste von heute? Ich war in einem Convenience Store und habe mir Sushi zum Frühstück gekauft von dem ich dachte, es sei mit Omelette gefüllt - es war aber so komisches fermentiertes Zeug. Es war dermaßen widerlich, dass ich nach zwei Stücken trotz bester Vorsätze die Wahl auf Auf- statt Übergeben legte und den Scheiß in den Müll schmiss. Geschmacklich kann ich aber nicht ausschließen, dass sich mein Vorgänger nicht vielleicht für die andere Variante entschieden hatte und es danach wieder ins Kühlregal stellte. Auch mal was Neues.
Warum an der Stelle nicht mal wieder ein kleiner Einschub?
Ich hab schon ziemlich oft erwähnt, dass hier kaum Mülleimer präsent sind. Und das finde ich interessant, denn speziell wenn man ohne Rucksack das Haus verlässt, wird einem erst richtig bewusst, wie viel Müll man den ganzen Tag so produziert. Und für mich gesprochen, hat das einen klaren Einfluss auf das Konsumverhalten - wer schleppt schon gerne einen leeren Kaffeebecher, einen Apfel-Grips oder ekelerregendes Kotze-Sushi für 5 Stunden durch die Gegend?
Umso verwunderlicher ist, dass trotzdem dermaßen auf Plastik abgegangen wird. Okay, mit der Pistole auf der Brust, würde man mir vielleicht entlocken können, dass ich Plastikstrohhalme ihren matschigen Papp-Cousins vorziehe. Aber wer bitte kommt auf so eine Idee hier:

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Max, Japan Tag 13
Knatsch
Heute war ich ziemlich knatschig. Nicht geknetscht, sondern knatschig. Soll heißen, dass ich trotz des feuchtföhlichen Abends gestern keinen Kater hatte und dennoch schlecht drauf war. Es war einer der Tage, an denen ich einer mitreisenden Person sagen würde: "Du, ich bin heute schlecht drauf und würde mal was alleine unternehmen". Aber diese Person gibt es ja nichtmal und niemand zwingt mich, Kontakt zu den Leuten aufzunehmen, mit denen ich die letzten beiden Tage verbracht hatte. Es war dieses klassische von allem und nichts genervt sein, ein umhüllendes Selbstmitleid ohne triftigen Grund. Konkret konnte ich aber zumindest ein paar Anhaltspunkte ausmachen: Klar, ich nehme mich nicht zurück, was Erfahrungen sammeln angeht. Aber der Kontostand purzelt dann doch schneller, als mir lieb wäre - und in Saus und Braus lebe ich hier auf dem Boden in meinem Kakerlakenzimmer mit meinen Supermarkt-Frühstücken und Mittagessen wirklich nicht. Nicht auszudenken, wie es noch vor ein paar Jahren hier ausgesehen hätte. Darüber hinaus habe ich meinem Empfinden nach genug von Osaka gesehen. Nicht falsch verstehen, ich halte es immer noch für die aufregendste und tollste Stadt in Japan, aber wenn ich mich frei bewegen könnte, wäre ich wohl heute gefahren. Wegen der ganzen nervigen Buchungsprozesse ging das aber schlichtweg nicht und ich "musste" und "muss" heute und morgen noch hier verbringen. Ein Grund zum Groll ist das aber wenn wir ehrlich sind, nicht so wirklich. Dieser Umstand, die mangelnde Wertschätzung der faktischen Situation (ich bin in fucking Japan, wie viele Leute würden dafür töten) macht einen dann noch wütender auf sich selbst und die Welt. Eine katastrophale Abwärtsspirale, die es zu bekämpfen galt. Und da ich trotz allem rein gar nichts von Knauserei halte, bin ich los, um ein paar Mitbringsel zu shoppen. Weiter und immer weiter bin ich einfach Richtung Norden gelaufen, bis ich in völlig neuen Vierteln war, die wieder für sich vollkommen anders waren, als das, was ich vorher gesehen hatte.

Die selbstverschriebene Medizin schien zu wirken: Wäre ich gefahren, hätte ich das verpasst. Zum Nachmittag dann entschied ich mich aber doch für ein Stündchen im Hotel, denn - und jetzt kommen wir leider wieder zum Negativen - Rumlungern, eins meiner liebsten Hobbies speziell auf Reisen, ist hier wirklich nicht gern gesehen. Nirgends steht eine Bank, Mülleimer so wie so nicht und es gibt schlichtweg keine Orte, die zum Verweilen einladen, außer den Innenbereichen von Cafés, die einem ebenfalls nicht selten bei Bestellung ein Zeitlimit setzen.
Ein Ziel hatte ich mir heute aber gesetzt, bevor dieser Zug (oder in meinem Fall Bus) noch abfährt: In Japan Sushi essen. Und es ist mir gelungen. Mehr noch: Ich konnte mein Abendessen mit einer zugegebenermaßen etwas fragwürdigen Aktivität füllen: aus einem riesigen Teich, der wie ein Piratenschiff aussah, eine Makrele angeln, die keine drei Minuten später frisch zubereitet auf meinem Tisch landete. Jetzt geht es mir wieder besser, auch wenn ich weiterhin das Kribbeln verspüre, so schnell wie möglich nach Korea zu kommen. Da mein Bus aber morgen Nacht schon fährt, bin ich guten Mutes, das bald zu schaffen.
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Max, Japan Tag 12
Osaka von unten
Irgendwann holt sich der Körper immer, was er braucht. Manchmal ist das ein Apfel, manchmal eine Packung Haribo und manchmal ein Bier. In meinem Fall war es heute der Schlaf. Über zehn Stunden habe ich die Einsamkeit genossen und in meinem privaten Raum geschlafen. Ein Anfänger bin ich ja nun nicht und mit den Kakerlaken schien es kein Problem zu geben - Licht anlassen, Tshirt auf's Gesicht und gut ist. Es folgte das übliche Streunern. Was es mir leichter gemacht hat, dem Tag den "fuck it" Stempel zu geben, war meine gestern getätigte Verabredung: In einer U-Bahn Station, somit nicht nur sprichwörtlich sondern buchstäblich Underground, gibt es einen mehr oder weniger versteckten Punk-Schuppen. Schon gestern bin ich vorbei gegangen, um mir bei einem langhaarigen, am ganzen Körper und im Gesicht tätowierten Typen einen Platz für das heutige Konzert zu ergattern. Nicht sonderlich verwunderlich, aber immer wieder amüsant, wurde mir der Besuch unter tiefen Verbeugungen und gefalteten Händen versprochen.
Warum bin ich hier gelandet? In Tokio habe ich die gesamte Touri-Info verrückt gemacht, als ich nach "alternativen Vierteln", "Subkultur" und "Punk" gefragt habe. Nach zehn Minuten oder so, wurde mir stolz das "Punk Fest 2025" oder ähnlich präsentiert, das am 30.03. stattgefunden hat. Super, dachte ich mir, bis ich das Lineup sah: Bad Religion, Iggy Pop, Sex Pistols. Nee, danke. Wenn ich Bock auf Open Flair gehabt hätte, wäre ich nach Eschwege gefahren und Kirschblüten gibt es auch in Witzenhausen. Anyway:
Der Laden sieht eins zu eins aus wie jedes besetzte Haus in Europa. Tags an den schwarzen Wänden, Poster von vergangenen Konzerten und ein selbstgebauter Tresen, über den erschwingliches Dosenbier gereicht wird. Ich bin direkt zum Einlass, um 17:00 Uhr, um alles in mich aufsaugen zu können und die Chance zu erhöhen, dass mich irgendjemand anlabert. Mit Erfolg: Innerhalb kürzester Zeit wurde ich von einem Metal-Head "adoptiert" und über die hiesige Subkultur unterrichtet. Alsbald war ich dann mindestens angetrunken, weil mir als einziger Langnase in dem Schuppen immer wieder Bier ausgegeben wurde. Und wer bin ich, das auszuschlagen? Als dann irgendwann allen klar war, dass ich nicht nur aus ordinären touristischen Zwecken, sondern aus ehrlichem Interesse bzw. gar der Zugehörigkeit an entsprechender Subkultur anwesend war, wurde ich immer mehr ausgefragt und konnte im Gegenzug umso mehr lernen. Cool!
Ich habe mir sechs Bands und einen DJ angesehen. Alle waren irgendwo zwischen Punk, Hardcore und Metal zu verorten. Und, wie ich es kenne, ist das Publikum erst gegen Ende so richtig aus sich raus gekommen. Allerdings, und das sage ich voller Respekt vor der lokalen Szene, kam ich nicht davon weg, mich über die Gepflogenheiten zu amüsieren. Denn irgendwie wirkte das Ganze auf mich so, als wären alle Beteiligten das erste Mal auf einem Konzert und kannten Punk/Hardcore/Metal nur vom Hörensagen und/oder Videos. Hier etwa haben wir ein Moshpit:
Hervorzuheben ist, wie viele BandleaderINNEN präsent waren, was in Deutschland, zumindest bei einem normalen Konzertabend ohne Anlass, alles andere als selbstverständlich ist. Cool fand ich vor allem die Band, in der die Frontfrauen in Kimonos gehüllt, mit weiß gepuderten Gesichtern an Geishas erinnerten.

Später dann bin ich zum meinen spanischen Friends gestoßen - zuerst in eine Karaoke-Bar voller Briten und dann in einen Irish Pub voller Briten.
Auf Reisen in einen Irish Pub zu gehen ist in meinen Augen unbeschreiblicher Schwachsinn, weil diese merkwürdigen Kaschemmen in jeden Dreckskaff auf der ganzen Welt nicht nur identisch aussehen, sondern auch das selbe anbieten und mit den immer gleichen Leuten gefüllt sind. Needless to say: ich hab reingehauen und bin jetzt im Bett, um morgen wieder tolle Abenteuer zu erleben.
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Max, Japan Tag 11
Endlich mal normale Leute
So langsam war es für mich Zeit, weiter zu ziehen. Aber ein letztes Mal noch musste ich mich zum Frühaufstehen bewegen, um den schönen Tempel mit den -ihr könnt es euch denken- Kirschblüten zu sehen. Ohne andere Touris. Also klingelte der Wecker um 5:30 Uhr. Einmal im Schnelldurchlauf noch meine vorigen Lieblingsspots abgeklappert, hab ich mich erstmal direkt wieder hingelegt. So langsam geht meine Abenteuerlust nämlich an meine eigene Substanz. Was toll am alleine Reisen ist, ist phasenweise nämlich auch anstrengend: Niemand da, der mir sagt „Max du hältst jetzt dein Maul, XY ist auch morgen noch da wir gehen jetzt in dieses Café und chillen für drei Stunden“. Nach einem kleinen Nickerchen habe ich mich auch schon in den Zug nach Osaka gesetzt. Und JUNGE war das schon wieder ein Kontrastprogramm. Osaka ist nämlich noch lebendiger, noch bunter, noch durchgeknallter, als das, was ich von Tokio gesehen habe.
Gut, dachte ich mir - dann halt wieder voll rein tauchen. Ich bin in alle möglichen Anime-Geschäfte, auch weil ich Jannis bescheuerten Pokéball immer noch nicht gefunden hatte. Ich bin zu jedem erdenklichen Wahrzeichen geeiert, hab meine Fotos geschossen und bin wie eine Motte sämtlichen Lichtern wie hypnotisiert hinterher geflattert. Besonders angetan hat es mir dabei der Tsūtenkaku.

Abends dann, direkt hinter dem berühmten „Running Man“, habe ich mich wieder meiner kulinarischen Entdeckungsfreude hingegeben, meinen Hobby-Vegetarismus gänzlich beiseite gelegt und ein Stück Kobe Rind Sushi probiert. Hammergeil. Dabei habe ich zwei coole Leute aus Spanien kennengelernt, mit denen ich den Rest des Abends verbrachte.

Die Metros fahren in Osaka nur kurz und wieder fand ich mich in der Situation, trotz Powerbank keinen Akku zu haben und mich eine Stunde aus dem Gedächtnis durchs nächtliche Osaka navigieren zu müssen. Pfadfinderei in der Jugend scheint empfehlenswert. Auf dem Weg gab es eine Stimmung, die ich in Japan bisher nicht kennengelernt hatte: besoffene Locals, die zusammen Quatsch treiben, die ein oder andere Ratte, der ein oder andere Müllhaufen. Mein Hotel (ohne s!) liegt nämlich in einer verruchten Gegend. Es unterscheidet sich schon sehr von meinen vorigen Unterkünften: meine Zimmernachbarn sind ausnahmslos lokale Tagelöhner, in meinem Zimmer ist nichts als ein Futon auf dem Boden und ein Kühlschrank. Es riecht nach Rauch. Über dem Toilettenpapier hängt ein Schild, man solle es bitte nicht klauen. Die gute Nachricht: Ich muss mir mein Zimmer mit niemandem teilen - also keinem Zweibeiner zumindest. Aber diese Seite von Japan kennenzulernen war fast schon ein Kernbedürfnis dieser Reise. Denn nur Kirschblüte und Kuschelreh ist es nicht, sondern viel mehr. Oder anders ausgedrückt, den Tag zusammenfassend: Endlich mal normale Leute.
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Max, Japan Tag 10
Mini-Wolfgangū und Toilettenkultur
So langsam habe ich in Nara alles erkundet und kann zum Abschluss sagen, dass es eine ganz hervorragende Fügung des Schicksals war, hier so lange unterzukommen. Deutlich entspannter, weil gänzlich von der Stadt gesättigt (buchstäblich, es gibt hier dermaßen gute Takoyaki, dass ich eigentlich nonstop welche in mich reinstopfe), bin ich zum hundertsten Mal in den Park um mit meinen Reh-Freunden rumzuhängen und neue Teile des Umlands zu erleben. Heute schien die Sonne, was es nochmal angenehmer gemacht hat. Viel mehr gibt es nicht zu erzählen, daher ist mal wieder Exkurs-Zeit:



Die Toilettenkultur in Japan bzw. wie ich sie erlebe
Statistisch gesehen war mindestens die Hälfte von Euch schon einmal auf einer öffentlichen deutschen Herrentoilette und weiß, wie es dort zugeht. Auf dem Boden ist Pisse, an den Wänden kleben Pobel, an der Decke hängt Klopapier. Neben dem Eingang stehen Rowdies, die Dir Dein Essensgeld abnehmen. Nagut, das vielleicht nicht, aber Du bezahlst einen Euro oder so, um einem menschlichen Bedürfnis nachzugehen. In Japan ist das auf vielen Ebenen anders: Nicht nur gibt es die beschriebenen beheizten Klobrillen, sondern auch Knöpfe für Musik und Bidets in verschiedenen Ausführungen. Alles kostenlos, versteht sich. Aber da ist noch mehr: Die meisten Spülkästen haben einen kleinen Wasserhahn inklusive kleinem Waschbecken integriert, aus dem das nachlaufende Wasser nach dem Spülvorgang fließt. Dieser erste Händewaschgang ist nicht nur besonders nachhaltig, sondern auch deutlich weniger widerlich: Warum ist es in Deutschland und vielen anderen Ländern normal, dass ich nach Benutzung der Toilettenkabinen den Griff anfassen muss, wo zuvor jeder Einzelne mit seinen Kacke-Händen dran war? Doch als wäre das nicht Grund genug, sich zu freuen, kann ich nach nun zehn Tagen in Japan verkünden: Nicht ein einziges Mal ist es mir untergekommen, dass jemand ohne sich die Hände zu waschen eine öffentliche Toilette verlassen hat. Für diejenigen, die sich eher selten auf Herrentoiletten aufhalten: In Deutschland liegt die Quote je nach Location und Event meiner Einschätzung nach bei rund 10-30 Prozent. Ich wünschte, ich würde gerade übertreiben.

Hier eine kleine Anleitung, die ich in einem Bahnhof fotografiert habe.
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Max, Japan Tag 9
Der Snack-Raub von 2025
Das mit dem Ausschlafen hat natürlich nicht geklappt, zumindest aber bis sieben Uhr habe ich es geschafft, mich zum Schlafen zu nötigen. Mit einem kurzen Umweg über den 7Eleven, in denen es übrigens ein Smoothie-Gerät gibt, das eigentlich jeden Morgen automatisch perfekt macht, bin ich schnurstracks in den Nara Park. Alles voller Kirschblüten, alles voller Rehe. Super! Hier und da gibt es kleine Stände, an denen spezielle Cracker verkauft werden, mit denen man die Rehe füttern kann. Eigentlich nicht ganz mein Ding, aber irgendwie hatte ich ausnahmsweise Lust auf so einen Kram. Schlechte Idee. Die Biester sind nämlich nicht nur süß. sondern auch gewitzt und als wilde Tiere entsprechend vielleicht nicht zwangsläufig gewaltsuchend, der Anwendung von Gewalt allerdings nicht gänzlich abgeneigt. Ohne dass ich es rechtzeitig mitschneiden konnte, hat sich eine kleine Gruppe sportlich orientierter Halbstarker zusammengefunden, um mich durch Gepose abzulenken, nur um dann hinterrücks zum Angriff auszuholen und mit gezielten Aktionen den frisch erworbenen Inhalt meines Rucksacks zu rauben, oder im Szene-Jargon: abzuziehen.
Tags zuvor hatte ich einen kleinen Park oberhalb des Nara Parks gesehen, der einen Euro oder so an Eintritt gekostet hat. Weil es schon spät war, entschied ich mich, ihn nicht zu besuchen. Dafür war er heute dran. Und wie sich herausstellte, war es nicht nur ein kleiner Park, sondern das Eintrittstor zur gesamten Berglandschaft des Umlands. Here we go again dachte ich noch, um genau das dann auch zu tun. Es war super schön, die Stadt von oben zu sehen; und auch die umliegenden Berge, die endlos grün und weiß gescheckt wie die Rehkitze dalagen.

Wieder zurück, habe ich noch etwas dem "Mochi-Meister" bei seiner Arbeit zugesehen und sie verköstigt. Dann ging ich aber auch bald schon zurück ins Hostel - ich war gezeichnet vom Tag, denn wie sich herausstellte bin ich leider ziemlich heftig gegen Sika-Hirsche allergisch. Ganz bestimmt aber nicht gegen echte Rehe und meinen Wolfgang im Garten. Oder?
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Max, Japan Tag 8
Japanische Wolfgang
Tja, das mit den Nachtbussen ist ja immer so eine Sache. An sich in meinen Augen ein unschlagbares Konzept: Ich schlafe und bin am nächsten Tag da, wo ich sein mag. So ungefähr war das heute auch - aber wenn die Fahrtzeit schon nur etwa 6,5 Stunden beträgt, ist die Schlafzeit natürlich nochmal merklich kürzer. Auf einem random Highway wurde ich dann aus meinen überschaubaren Träumen gerissen und aus dem Bus gebeten. Das Gute war: die Sonne war noch nicht aufgegangen und das vor allem für's von Touris überrannt sein bekannte Kyoto schlief. Schnell machte ich mich auf zum Fushimi Inari Taisha, dem Einganz zu den bekannten 1000 Schreinen. Und in der Tat war ich dort einer unter wenigen.

Angekommen auf dem immerhin knapp 600 Meter hohen Berg dann, war ich quasi alleine. Meinen scheiß Rucksack hätte ich allerdings gut und gerne vorher abgeben können, wir reden hier über mehr als 25 Kilo, die ich extra auf Hüften und Schultern trug.
Nach dem Abstieg habe ich mich dann aber mit einem Matcha belohnen können und die nette Cafémitarbeiterin hat das Biest für den Rest des Tages aufbewahrt. Kyoto ist voller Tempel, Schreine und Einkaufszentren - um es mal kurz zusammenzufassen. Und ich fand es wieder aufregend, wieder überwältigend, aber nach was-weiß-ich wie wenig Schlaf, Gepäck auf dem Rücken und später im Hinterkopf, hatte ich dann doch früher als gedacht einfach die Schnauze voll und fuhr nach Nara.
Ich hatte aber eigentlich auch keine Lust auf Nara, das Symbol meiner Niederlage gegen sämtliche Buchungssysteme, Netzwerke und Gehaltsverhandlungen. Doch direkt nach Ankunft lag etwas in der Luft, das mir gefiel; natürlich gab es eine Menge Trubel, Leuchtreklamen, Touris und Verkehr. Aber es war definitiv anders als in den Millionenstädten, die ich bisher gesehen hatte. Es gab kleine Second Hand Läden, Cafés, Sitzgelegenheiten(!) und natürlich eins: eine offensiv nach außen getragene Begeisterung für Sika-Hirsche (im Folgenden Rehe genannt). Alles ist etwas mehr "laid back" als in den anderen Städten, ohne dabei so provinziell zu sein wie Matsumoto.
Mein Plan, mich erstmal im Hostel auszuruhen, ist selbstredend grandios gescheitert und nach einer kurzen Dusche wurde die Stadt weiter erkundet - inklusive eines Reinschnupperns in das offensichtliche Highlight: den Nara Park, in dem 1200 Rehe leben, die zwar wild, aber handzahm sind. Also so sehr, dass ich mir wortwörtlich auch eins auf den Rucksack hätte schnallen können.

Diese Art der Freundlichkeit der Tiere hatte ich nicht erwartet. Ich meine es ernst, wenn ich sage, dass sie Zebrastreifen nutzen, an Ampeln warten und sich vor den Leuten verbeugen, die sie füttern. Bei allen Erfahrungen, die ich sonst ja mitnehme, habe ich mich den Eulen-/Schweine-/Waschbärcafés in Tokyo verweigert, aus offensichtlichen Gründen. Man soll die Viecher einfach in Ruhe lassen. Aber diese wilden Tiere in Nara leben aus freien Stücken seit über 1000 Jahren gemeinsam mit den Menschen! Wie cool ist das? Die Sahnehaube war natürlich die mittlerweile bestimmt 80%ige Kirschblüte. Alles in allem ist Nara trotz der vielen Touris, wenn man einen ruhigen Platz findet, einer der friedlichsten, disneyeskesten (das Wort hab ich mir ausgedacht) Orte überhaupt. Also zumindest dann, wenn hier gerade nicht der ehemalige Premierminister Japans abgeknallt wird, die Nummer sollte aber erstmal durch sein.
Vieles in mir schreit, dass ich morgen als erster im Park sein muss, der erste auf dem Berg. Mein Vorsatz ist aber erstmal der: ich möchte ausschlafen, Kaffee trinken und Wäsche waschen. Zum Glück habe ich ja gegen meinen Willen drei Nächste hier gebucht. Und wenn ich zurück nach Bremen komme, möchte ich mein Reh Wolfgang in meinem Garten zähmen und einen Kirschbaum pflanzen.

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Max, Japan Tag 7
Zug, Berg, Auto, Tschüss
Ich glaube, dass ich mich in Narai verliebt habe, ist kein Geheimnis. Nachdem ich heute also die wegen des am Abend abfahrenden Nachtbusses eher begrenzten Möglichkeiten des Tages erörtert habe, entschied ich mich, schlichtweg wieder hin zu fahren und dieses Mal in die andere Richtung zu wandern.
Gedanklicher Mini-Exkurs: es ist natürlich völliger Blödsinn, dass es mir nicht möglich gewesen wäre, weiter weg zu fahren und einen ganz neuen Ort zu erkundschaften. Ich wäre mit dem Zug hin und wieder zurück gefahren. Aber meine deutsche Sozialisation lässt es buchstäblich nicht zu, dass die Erkenntnis, dass es zuverlässigen Nah- und Fernverkehr gibt, wirklich zu mir durchdringt. Entsprechend bin ich weiterhin immer und überall zu früh am Bahnhof, hektisch, ob es eine Gleisänderung geben könnte, die ich nicht verstehe etc. - gibt es aber einfach nicht.
Dieses Mal etwas später, waren auch andere Touris anwesend - aber deutlich weniger als ich befürchtet hatte. Und so konnte ich das süße Kaff mit seinen kleinen Lädchen nochmal anders erleben. Schön war es. Auf meinem Spaziergang durch die Berge und von Dorf zu Dorf hatte ich einige nette Begegnungen mit Locals, die sehr an mir interessiert waren und nicht ganz verstanden, warum ich nicht einfach den Zug genommen habe - Stattdessen jetzt auf der Suche nach den Affen, die ich gestern aus dem Zugfenster gesehen habe, durchs Gebüsch krabbelte.

Als ich irgendwann keine Lust mehr hatte, wollte ich in einem der kleinen Postdörfchem dann auch tatsächlich in den Zug - leider war ich aber innerhalb einer dreistündigen Verkehrspause am Bahnhof. Dann also trampen. Nach keinen zehn Minuten schon saß ich im Auto eines Mannes, der ebenfalls als Hobbyfotograf durch die Berge gezogen war. Und er war so ziemlich der sweeteste Mensch, der mich jemals mitgenommen hat. Unsere Kommunikation verlief anfangs mit Hand und Fuß, dann mit meiner Übersetzungs-App. Unser Gespräch in den eineinhalb Stunden Fahrt bestand zu einem Drittel aus der geteilten Liebe zu den Bergen, einem Drittel aus Entschuldigungen seinerseits, dass er kein gutes Englisch sprach und einem Drittel überschwänglicher Dankesreden auf mich, dass ich ihm die Gelegenheit bat, mich mitzunehmen und mit mir im Gespräch zu sein. Versuche, ihm klar zu machen, dass er derjenige ist, der mir einen Gefallen tut, stellte ich nach dem vierten Anlauf ein. Schweren Herzens musste ich dann seine Einladung zum Essen ausschlagen - es wäre mir einfach zu viel Gastfreundschaft gewesen, zumal ich mich ja nichtmal in einer Notsituation befand, sondern einfach mehr Lust auf Trampen statt auf Warten hatte. Unter beidseitigen tiefen Verbeugungen stieg ich dann vor meinem Hostel aus und verbrachte die nächste Minute noch damit, das Winken zum Wiedersehen zu erwidern.
Das tolle Hostel in dem ich in Matsumoto gewohnt habe, hat mir noch gestattet, bis zur Abfahrt meines Nachtbusses im Aufenthaltsraum rumzuhängen. Bis zu meinem Abendessen tat ich das auch und plante die nächsten Tage. Jetzt sitze ich in eben jenem Nachtbus nach Kyoto. Dort werde ich eine Lösung für meinen Rucksack finden müssen, denn wegen der Kirschblüte und der allgemeinen Hostelsituation kann ich es mir nicht leisten, dort zu schlafen und habe mir ein Hostel in Nara gebucht. Das wird wieder ein Abenteuer, aber wofür geht man denn sonst reisen?
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Max, Japan Tag 6
Hann. Münden und Wasabi
Um halb sechs also klingelte schon der Wecker. einmal kurz frisch machen, schnell zu 7Eleven und mit ordentlich Onigiris, Erdnüssen, Kaffee und was man sonst noch so braucht eindecken. Noch bevor wir am Bahnhof waren und die zuvor wolkenverhangenen, schneebedeckten Berggipfel sich zeigten, wusste ich: Heute wird anders. Die Zugfahrt durchs Tal war trotz der Tristesse der kahlen Landschaft wunderschön. Mit der kindlichen Vorfreude auf den Tag, die ich ausschließlich auf Reisen empfinden kann, grinste ich dümmlich, verschlafen und ausgeglichen vor mich hin. Ich schlürfte meinen Kaffee und freute mich, wie anders die Züge aussehen, wie höflich die Menschen sind, wie gut ein Kaffee auf reisen schmeckt; wenn er nicht als notwendige Droge zum Funktionieren heruntergezwungen wird, sondern im Takt der Gleise vor sich hin und her wippen kann.
Narai und Yabuhara liegen am Nakasendo Trail, einem alten Postweg. Bekannt sind die kleinen Ortschaften entsprechend als Postdörfer. Heute sind sie wohl eher als Ausgangs-, Ankunfts- oder Durchreiseorte der Wanderei bekannt.
Und tja, was soll ich sagen - das frühe Aufstehen hat sich gelohnt. Bestimmt eine halbe Stunde saßen wir einfach da und haben die schöne Aussicht, die Ruhe und mystische Stimmung kurz nach Sonnenaufgang genossen. Ich hatte das japanische Hann. Münden gefunden.



Der Wanderweg selbst war dann auch überragend. Leider haben wir zwar keinen Schwarzbären gesehen, verschiedene heilige Orte, Buddha-Statuen im Schnee und die Aussicht von den Bergen waren aber auch toll. Mein einziges Problem war, dass es so scheiße schön war, dass ich wusste, wäre ich nur ein paar Wochen später gekommen und in das Grün des Frühlings eingetaucht - es wäre vermutlich ein neuer Platz in meinen Top 3 liebsten Wanderungen entstanden. Hin und wieder hat Oscar über mich gelacht, weil ich mich ärgerte, es hätte doch zumindest ein wenig hässlicher sein können.

Weit war die Wanderung wirklich nicht, trotz einiger Höhenmeter. Und so blieb uns noch eine Menge Zeit, als wir zurück nach Matsumoto kamen. Wir entschieden uns dazu, eine Wasabi Farm zu besuchen, etwa eine halbe Stunde mit dem Zug entfernt. Dort konnten wir die Regenbogenforellen betrachten, die in den glasklaren Kanälen schwammen, die Mühle ansehen und durch die parkähnlichen Anlagen spazieren. Highlight zum Ende: Ich konnte ein Wasabi-Eis essen und zum ersten Mal frischen, echten, puren und lokalen Wasabi probieren. Ganz schön scharf.


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Max, Japan Tag 5
Kassel
Gestern Nacht bin ich in Matsumoto angekommen. Entgegen meiner Einschätzung war es dann aber doch recht anders, als ich im letzten Beitrag proklamierte - während ich im Vorfeld noch recherchiert habe, wie es hier um die Supermärkte steht (vielleicht hätte ich mich ja vorher mit Proviant versorgen müssen) bin ich an einer Art Partymeile, umgeben von Leuchtreklame, Karaokebars und 7Elevens aus meinem Bus gestiegen. Vielleicht hätte ich etwas zu meinem "Dorf", das etwas größer ist als Kassel, recherchieren sollen. Wieder ohne Internet, dafür aber mit Kompass und Karte habe ich mich zu meinem Hostel gekämpft und erstmal wie ein Baby in meinem privaten Zimmer (ge/ver)schlafen. Gegen neun Uhr morgens dann, viel zu spät, um eine Wanderung zu beginnen, habe ich mein eigentliches Hostel aufgesucht, das wirklich absolut wunderbar ist. Ich schlafe auf einem Futon in einem Altbau mit wunderschöner traditioneller Einrichtung, ohne dass sie dabei kitschig wäre. Nachdem ich mich sortiert hatte, ging es auch schon los, in den Norden in Richtung der Berge. Hier kommen wir leider zu meiner zweiten Fehleinschätzung: der Host meiner Unterkunft schrieb noch irgendwas vonwegen Ende des Winters. Was für eine merkwürdige Bezeichnung für Frühling, dachte ich mir da noch. Aber hier gibt es keinen Baum mit Blättern, es ist scheiße kalt und grau. Trostlos krepiert der ein oder andere zusammengeschobene Schneehaufen am Straßenrand vor sich her. Während ich durch die graue Stadt stapfte und mich fragte, ob das denn wirklich so eine gute Idee war, vom schönen Kirschblütenfrühling und Tshirtwetter in die Berge zu fahren, stolperte ich über das Wahrzeichen der Stadt: Die älteste erhaltene Burg Japans, tatsächlich umgeben von Kirschbäumen, deren Blüten sich zaghaft, aber sicher aus der Deckung zu trauen scheinen. Irgendwie Kassel hier, dachte ich mit Blick auf die grauen Häuser, das eine wichtige historische Wahrzeichen und die umliegenden Berge.
Da erinnerte ich mich an eine halbironische Unterhaltung mit Jannis: Kassel ist Deutschland. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Wenn Du Kassel gesehen und verstanden hast, dann hast Du das Land verstanden. Mittig gelegen, arm und reich, kulturell viel- und einfältig. Und so sah ich es als Chance, einfach mal zu sehen, wie denn normale Leute in diesem Land leben. Vielleicht ist Matsumoto ja Japan.
Ich ging auf einen Berg, der mir den Blick über die Stadt ermöglichte. Es war ganz nett, aber auch nicht mehr. Die im Tal hängenden Wolken taten ihr übriges. Kassel, dachte ich mir. Aber wo es ein Kassel gibt, da gibt es auch ein Hann. Münden.

Abends dann habe ich mich wieder in meinem Hostel eingefunden und mich mit Oscar, einem netten Australier, angefreundet. Wir gingen gemeinsam unfassbar gute Ramen essen. Auf dem Rückweg fiel uns ein Pachinko-Laden auf. Pachinko ist ein tolles Spiel, wenn man es versteht. Also, ganz bestimmt ist es das. Man schmeißt etwas Geld in einen Automaten, dann leuchtet alles und macht unvorstellbare Geräusche; irgendwelche Manga-Figuren schreien einen an, dann schießen Kugeln durch die Gegend und man bekommt mehr Kugeln. Und irgendwann sind die Kugeln weg.
Gegen Mitternacht verabredeten wir uns für eine kleine Wanderung für den folgenden Tag, von Narai nach Yabuhara. Leider konnte ich bis dato nur Züge ab halb 12 Uhr mittags finden. Eine etwas tiefergehende Recherche hat dann aber ergeben, dass der erste Zug schon um kurz nach 6 Uhr morgens fährt. Und welcher Touri hat darauf schon Lust?
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Max, Japan Tag 4
Der jüngste alte Mann der Welt
Mein Zimmer hätte ich heute mit einem Pärchen aus Malaysia teilen sollen. Sie waren sehr nett, ich schätze sie auf etwa Ende 50. Eine der beiden allerdings war offensichtlich schwer erkältet und hat das aus mir unverständlichen Gründen vehement verleugnet, was es für mich erst so richtig weird gemacht hat. Selten hab ich so einen Husten gehört. Als ich dann den Beitrag gestern Abend geschrieben habe, habe ich mir das von außerhalb des Zimmers, etwa dreißig Meter durch zwei geschlossene Türen angehört, bis ich mich entschied an der Rezeption nach einem anderen Raum zu bitten. Freundlicherweise bekam ich den auch. Aber wie das so ist, selten geht man einen Tausch ein, der ohne eigene Einbußen ist. Den von mir gezahlten Preis habe ich dann heute Morgen erfahren, als ich mich wiedermal in der Situation fand, dass mein Zimmergenosse so laut geschnarcht hat, dass Noise-Cancelling In-Ear Kopfhörer mit Podcast auf voller Lautstärke und Kissen auf beiden Ohren nicht gegen ihn ankamen. Um vier Uhr begann dann der andere eine der großzügigsten Snooze-Parties, denen ich je beiwohnen durfte. Von Punkt vier bis 5 Uhr hat - ich übertreibe hier nicht - sein Wecker alle fünf Minuten geklingelt. Wie lange danach noch weiß ich nicht, mir wurde es zu blöd und ich bin aufgestanden. Aber hey - der Jetlag ist nun wirklich passé.
Wie ihr wisst, bin ich nichts weiter als ein Greis, tragisch gefangen im Körper eines jungen Mannes, der noch mindestens 40 Jahre arbeiten gehen muss. Deswegen habe ich mich heute altersgerecht verhalten. Was habe ich nicht alles überlegt, wie ich zum Mount Fuji kommen sollte - Zug fahren, Moped mieten, trampen.
Ich habe mich in einen Reisebus inklusive Reiseleitung gesetzt. Praktisch, weil alle der Spots angefahren wurden, die ich eh sehen wollte. Und flexibler im Wetter war ich so auch. Eigentlich war das auch alles ganz nett. Amüsiert habe ich mich über die Reiseleiterin, die wunderbares Englisch sprach, abgesehen davon, dass ihr scheinbar jemand das Wort „afraid“ im gegenteiligen Sinn gelehrt hat. „If you have any question, please be afraid to ask.“ „Oh just be afraid, we will be there on time“ etc.

Nervig halt, weil man einem Stundenplan folgen muss und so ein Berg von fast 4000 Metern Höhe sich ja nur gelegentlich in voller Pracht zeigt. An manch einer Stelle starrte ich also nur auf Wolken. Hätte ich eine Stunde mehr gehabt wiederum, hätte ich ihn wohl von überall ganz sehen können. Aber was soll’s - dort, wo ich ihn sah, war es umso toller. Nur als wir zwischendurch an einem kleinen Fußballstadion vorbeigefahren sind, direkt am Fuße des sonnenbestrahlten Fuji, war ich kurz davor, mich zu verabschieden und doch zurück zu trampen.

Tokio (und Umgebung) war unfassbar cool. Ein wenig Abstand schadet mir jetzt aber auch nicht nach all dem Trubel. Gerade sitze ich im Bus nach Matsumoto. In der Umgebung möchte ich die nächsten Tage wandern gehen. Ich komme so spät an, dass ich leider, leider vom Hostel auf ein Einzelzimmer geupgradet wurde, damit ich niemanden wecke. Wahrscheinlich erwartet mich jetzt der nächste Kulturschock: so richtig Dorf, mit traditioneller japanischer Einrichtung, Futons und Matcha. Ich bin bereit.

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