Tumgik
#Feind in der Fremde Kapitel 23
dramafanforever · 4 years
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Feind in der Fremde
Kapitel 23 
erstes Kapitel
New York         Auflistung einiger Tagebucheinträge von Draco Malfoy von Mai und Juni 2002  
Tagebucheintrag von Mittwoch, 1. Mai 2003 Ankunft in New York Mr Nakamura empfing Fletcher und mich am internationalen Portschlüssel-Bahnhof. Er ist ein sehr alter aber agiler Mann mit wachen Augen und einem freundlichen Lächeln. Wir nahmen das Flohnetzwerk zur Empfangshalle der Mahicantuck University of New York. Die Universität wurde 1708 gegründet und ist überraschend ehrwürdig für eine amerikanische Institution. Das Gebäude besteht aus einem gewundenen Turm in gothischem Design und zahlreichen Anbauten. Es befindet sich auf einer Insel in der Hudson Bay, ein paar Kilometer südlich der Freiheitsstatue auf Höhe von Staten Island. In der Ferne sind die Wolkenkratzer Manhattans zu erkennen. Mr Nakamura führte uns zunächst ins Büro des Dekans Mr Hobbs. Mr Hobbs hatte seinen Wunsch kundgetan mich persönlich zu begrüßen, vermutlich um einen Blick auf den Todesser zu werfen, den er sich da ins Haus geholt hatte. Seinen prüfenden Augen konnte ich nur schwer ausweichen, obwohl sein Verhalten ansonsten von Herzlichkeit geprägt war. Fletcher hielt seine üblichen Lobeshymnen auf das Integrationsprogramm und hob meine guten Studienleistungen, mein hervorragendes Betragen und meine erfolgreiche Assimilation an die Muggelwelt hervor. Ich war ihm dankbar bis zu dem Moment, in dem er meine Freundschaft zu Harry erwähnte. Als Fletcher endlich schwieg, berichtete Mr Hobbs mit genauso großem Enthusiasmus von dem Sportprogramm, das er an der Mahicantuck ins Leben rufen möchte. Dann kam der Moment, auf den ich lange gewartet hatte. Fletcher übergab mir meinen Zauberstab, natürlich nicht, ohne mich zuvor noch einmal an meine Bewährungsauflagen zu erinnern. Mir traten beinahe die Tränen in die Augen, aber das mag daran liegen, dass meine Verfassung im Allgemeinen nicht auf der Höhe ist. Ehrfürchtig hielt ich das Akazienholz in den Händen und spürte sogleich die Widerspenstigkeit des Meteoriten-Kerns.
Mein alter Weißdornstab hatte sich immer wie die Verlängerung meiner Hand angefühlt. Der Akazienstab besitzt einen eigenen Charakter. Das ist nicht weiter problematisch, denn der Stab hat mich gewählt. Ich werde nie vergessen, wie er mir förmlich an den Kopf geflogen ist, als Mutter und ich die Vitrine mit der Zauberstab-Sammlung unserer Ahnen öffneten, damals im Manor, ein paar Tage nach Harrys Flucht. Ich hatte kaum „Qui set meus?“ intonierte, da schoss mir der Stab auch schon entgegen. Ich konnte ihn allerdings nicht auffangen, weil meine Reflexe durch die Bestrafung noch eingeschränkt waren. Der Stab fiel zu Boden, und ich hätte es als böses Omen gesehen, wenn er nicht direkt in meine linke Hand geflogen wäre, als ich mit den Fingern schnippte. Seitdem hat er mir gut gedient. Nach der Übergabe wechselten wir in Mr Nakamuras Büro. Dort bot er uns einen Kaffee an und informierte mich ausführlich über meine zukünftigen Kurse und Studienanforderungen. Desweiteren teilte er mir mit, wann das erste Treffen der Marathon-Gruppe stattfinden würde. Er bat mich, in den ersten Monaten alle zwei Wochen für ein kurzes Gespräch in sein Büro zu kommen. Nachdem alle Formalitäten geklärt waren, ließ Mr Nakamura einen älteren Studenten herbeirufen, der als mein Pate fungieren und mir bei der Eingewöhnung in den Universitätsalltag helfen würde. Sein Name ist Julien March, ein angenehmer Geselle, der Muggel-Beziehungen studiert und in einem Jahr seinen Abschluss machen wird. Julien möchte ebenfalls an der Marathon-Gruppe teilnehmen. Er sieht nicht gerade nach einem Läufer aus, aber ich habe noch ganz andere Figuren unter den Teilnehmern des London Marathons gesehen. Die Ereignisse des Marathons kommen mir wie ein Albtraum vor, der langsam in Vergessenheit gerät. Ich gebe zu, dass Gregs Selbstmord in den Hintergrund getreten ist angesichts meiner letzten Tage mit Harry. Harry zu verlassen, fühlt sich selbst wie ein kleiner Selbstmord an. Julien wollte mir das Universitätsgelände zeigen, brachte mich jedoch als erstes zu meinem Wohnheimzimmer, damit ich meine Koffer abstellen konnte. Es ist ein heller Raum von angemessener Größe, den ich mir - wie hier üblich - mit einem anderen Kommilitonen teilen muss. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Mensa, wo Julien mir ein paar seiner Freunde vorstellte, richtete ich mich in meinem Zimmer ein. Ich setzte mich auf meinen Schreibtischstuhl und sprach alle Zauber, die mir einfielen. Ich merkte schnell, dass ich nach meiner Zeit in Azkaban und in der Muggelwelt einige Zauber vergessen habe. Ich werde sie auffrischen müssen. Es ist ein schönes Gefühl zu spüren, wie die Magie durch meinen Körper in das Akazienholz rauscht, und doch fehlt etwas. Vielleicht liegt es daran, dass die ganze Insel vor Magie pulsiert und meine eigene vor diesem Hintergrund weniger präsent ist als in der Muggelwelt. Ich erinnere mich, dass ich vor eineinhalb Jahren genau das Gegenteil beklagt habe. Und dann war da Harrys Magie, so lebendig und kraftvoll und mit jedem Tag vertrauter. Sie ließ das Brodeln in meinen Adern verklingen und wurde fast wie Luft, die ich zum Atmen brauchte. Wenn ich jetzt daran denke, meine ich zu ersticken. Gegen Abend schleppte ich mich erneut zur Mensa. Der Zeitunterschied und die vielen Eindrücke des Tages forderten ihren Tribut. Am liebsten hätte ich mich ins Bett verkrochen. In diesem Moment wurde mir wieder bewusst, wie sehr ich mich auf Harry verlassen hatte. Als Julien mich im Eingang der Mensa sah, winkte er mich sofort zu seinem Tisch und lud mich ein, mit ihm und seinen Freunden das Abendessen einzunehmen. Ich müsste eigentlich daran gewöhnt sein, mich auf neue Personen einzustellen. Aber nicht zu wissen, was die anderen Zauberer und Hexen über mich gehört haben, verunsichert noch einmal auf ganz andere Art. Haben sie in den Medien von meinen Untaten erfahren? Wissen sie von dem Integrationsprogramm, und wie offen soll ich ihnen gegenüber sein? Wahrheit ist die beste Strategie, nur wünschte ich, die anderen würden mich zuvor ein wenig kennenlernen. Ich hege die Hoffnung, dass sie mich dann nicht sofort ablehnen, wenn ich ihnen von meiner Vergangenheit berichte. Ich stutze bei dem Gedanken. Wo kommt dieses Selbstvertrauen her? War es das, wovon Michael in der letzten Sitzung gesprochen hat? “Was erwartest du von New York? Hoffst du, dort neue Freunde zu finden?” “Natürlich.” “Willst du sie über deine Vergangenheit in Unklaren lassen?” “Nein, natürlich nicht.” “Du glaubst also - und das zu Recht! - dass dir andere verzeihen können. Heißt das nicht, dass du dir auch selbst verziehen hast, Draco?” “Wie kann ich mir jemals verzeihen?” “Vielleicht hältst du es für moralisch verwerflich das zu tun. Aber ich glaube, die Hoffnung, trotz deiner Vergangenheit von anderen akzeptiert zu werden, zeigt, dass du langsam mit dir Frieden geschlossen hast.” Ich konnte dem nicht zustimmen. Gregs Selbstmord, der Artikel im Tagespropheten, die Heuler, all das beherrschte meine Gedanken. “Klammere dich nicht an Schuldgefühle, die du eigentlich gar nicht mehr empfindest. Es ist etwas Positives, sich selbst zu lieben. Wer sich selbst nicht liebt, zweifelt auch immer an der Liebe, die ihm geschenkt wird, und kann keine Liebe zurückgeben." Vielleicht hat Michael recht. Ich merke, dass ich von anderen erwarte, dass sie mich akzeptieren und gerecht behandeln. Irgendwo steckt in mir das Gefühl, es verdient zu haben, denn ich bin nicht wertlos. Ich habe etwas zu geben, und ich möchte etwas geben. Bin ich dann auch Harrys Liebe wert? Als ich nach dem Abendessen in mein Zimmer zurückkehrte, lernte ich meinen Mitbewohner kennen. Er stellte sich als Peter Minuit vor und betonte, ein direkter Nachfahre des gleichnamigen Gründers von New York zu sein. Für nur 60 Gulden hätte sein niederländischer Urahn die Insel Manhattan einem Stamm der Algonquin-Indianer abgekauft. Ich hatte gedacht, Standesdünkel sei Amerikanern fremd, da Geld allein den Ton angeben würde. Das war ein Irrtum. Peter teilte mir auch sogleich mit, dass seine Familie ein Anwesen auf Long Island besäße und er die Sommerferien dort verbringen würde - oder auf Hawaii. Die ganze Art wie er redete - natürlich abgesehen von seinem amerikanischen Akzent - erinnert mich an mich selbst. Es wäre ein Leichtes, in seinen Jargon und sein Gehabe einzufallen und mich mit ihm zu befreunden. Das Auftreten ist wie eine Eintrittskarte in die Kreise dieser Familien, solange man nicht vorhat einzuheiraten – und solange man nicht den Ruf eines verurteilten Straftäters besitzt. Mir ist die ganze Oberflächlichkeit von Peters Welt fremd geworden. Was nicht bedeutet, dass ich mich nicht mit ihm gut stellen will, schließlich teilen wir ein Zimmer und ich würde ihn nicht als unfreundlich bezeichnen. Ein Slytherin durch und durch, vermute ich, obwohl es eine derartige Unterscheidung an der Universität nicht gibt. In Ilvermorny, dem Zauberer-Internat in Nordamerika, sieht das schon anders aus. Soweit ich mich erinnere, teilen sie die Schüler dort nach Kopf, Herz, Körper und Seele ein. Ich wäre wahrscheinlich bei den Denkern gelandet und hätte damit fast das gleiche Wappentier wie in England erhalten. Harrys Wappentier wäre der Wampus (Körper) gewesen, eine magische Raubkatze. Oder wäre er den Abenteurern (Seele) zugeordnet worden? Ich denke permanent an Harry. Sein letzter Blick hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich spreche mit ihm in meinen Kopf. Versuche, noch einmal zu erklären, warum es das Beste ist, dass wir nicht zusammenbleiben. Eines Tages, sage ich Harry in Gedanken, wirst du jemanden finden, der deiner Liebe würdig ist, aber dieses Argument verliert so langsam an Kraft. Aber es gibt schließlich nicht nur einen Grund, der gegen eine Beziehung spricht. Außerdem bleiben wir Freunde, nicht wahr? Das wird reichen. Es wird reichen müssen.
Tagebucheintrag von Montag, 6. Mai 2003 Ich stand heute endlich wieder in einem Tränkelabor und war nervös wie in meiner ersten Stunde bei Severus, weil ich befürchtete, meine alte Routine verloren zu haben. Zum Glück war dem nicht so. Anders als in Hogwarts, arbeitet hier jeder an seinem eigenen Trank. Es gibt jedoch Teams, die sich gegenseitig unterstützen. Ich kam in eine Gruppe mit Joanne und Kim Jung. Joanne ist extrem geschickt bei der Zubereitung und hat eine sehr feine Nase. Kim Jung ist eher der Theoretiker. Er möchte die Apotheke seines Vaters übernehmen, aber in rein leitender Funktion, wie er sagt. Jo möchte in die Forschung gehen und bestehende Tränke verbessern. Ich bin froh, dass ich die Handhabung von Zutaten durch das Kochen trainiert habe, andernfalls würde ich kaum hinterherkommen. Das Niveau ist deutlich höher als in Slughorns UTZ-Kurs, auch wenn ich merke, dass er uns ein paar gute Tricks beigebracht hat. Slughorn war kein Severus, aber untalentiert war er durchaus nicht. Schade, dass dich das Tränkebrauen nie interessiert hat, Harry. Auch Hermine beschäftigt sich lieber mit der Theorie dahinter als mit dem eigentlichen Brauen. Ich wünschte, ich könnte Mary unser Labor zeigen. Ihr würden die Augen übergehen! Wenn ich an Jill denke, muss ich lachen. Sie würde auf dem Absatz kehrtmachen, denn schon Schalentiere und Fische ekeln sie an. Was würde sie erst zu den Moorkäferaugen oder den Zungen von Lindknechten sagen? Du bist auch nichts mehr gewöhnt, Harry. Erinnerst du dich an den Abend, als ich Weinbergschnecken für uns zubereitet habe? Ich vermisse dich Harry. Ich vermisse dich so sehr. Ich weiß, ich schreibe das jede Nacht, aber der Schmerz wird nicht besser, sondern schlimmer. Ich habe dir eine Nachricht geschickt, aber diese verdammten Eulen fliegen über Kanada und Grönland und brauchen fünf bis sieben Tage, je nach Wetter. Für Flohanrufe nach Übersee bedarf es spezieller Kamine, die wir Studenten nur im Notfall benutzen dürfen. Die Kamine in der internationalen Portschlüsselstation kann ich nicht erreichen, da ich die Welt der Magier außerhalb der Insel nicht betreten darf. Ich werde gleich morgen nach dem letzten Kurs in die City apparieren und von dort aus anrufen. Ich muss von dir hören, Harry. Ich muss wissen, wie es dir geht, wie es allen geht.
Telefongespräch von Dienstag, 7. Mai 2003 Hallo? [*Schweigen*] Hallo? Harry. Draco? Oh mein Gott, Draco, bist du das? Ja, ich bin‘s. Die Verbindung ist so schlecht. Ich bin in einer Telefonzelle in Brooklyn. Es ist sehr laut hier. Was ist mit deinem Handy? Ich konnte dich nicht erreichen. Liegt es an der magischen Hintergrundstrahlung in der Uni? Ja, die Uni ist auf einer Insel. Das ganze Gelände ist magisch. In der City funktioniert mein Handy auch nicht. Die haben hier andere Frequenzen. Ich brauche ein Business Handy oder so. Ich muss mich noch weiter erkundigen. Telefonieren nach Übersee ist sowieso extrem teuer. Wie geht es dir? Gut. Wirklich gut. Es ist toll hier. Das Brauen macht Spaß. Alle sind sehr nett. Ich wurde gut aufgenommen. Ah. Schön. Wie geht es dir? Gut, klar. Alles beim Alten. [*Schweigen*] Wie geht es Hermine? Hermine? Wegen der Babys? Geht so. Sie ist müde und morgens ist ihr schlecht. Also alles wie vor einer Woche. Es hat sich nichts geändert. Es kommt mir viel länger vor, dass ich schon weg bin. Kommst du wirklich klar? Ja, natürlich, ich sagte ja, es ist schön hier. Es geht mir gut. Das freut mich.
[*Schweigen*] Ja. Hm, ich teile mir mein Studentenzimmer mit einem Kommilitonen. Er ist nett. Er erinnert mich etwas an mich selbst, wie ich früher war. Dann kann er ja nicht nett sein. Ha. Ja, stimmt. Naja, man mag sich selbst ja doch immer am liebsten. Ich hatte immer den Eindruck, du magst dich nicht besonders. [*Schweigen*] Draco? [*Schweigen*] Draco, das war nicht so ernst gemeint. Oder doch, aber…Gott, scheiße. Ich mag dich jedenfalls lieber als mich. Ich dich auch. Ich vermisse dich. Ich vermisse euch. Sag das den anderen, ja? Ich schreibe euch. E-Mails, wie verabredet. Ich muss mich noch ein bisschen orientieren, hier, aber ich schreibe euch … dir … ganz bald. Draco… Ich muss jetzt auflegen. Der Apparat frisst mein Geld. Ich muss mir noch ein Job suchen, sonst kann ich mir das Telefonieren bald nicht mehr leisten. Draco. Tschüss, ich melde mich bald. Ich habe dir eine Eule geschickt. Ich leg‘ jetzt auf. Tschüss. [*klack*] Tagebucheintrag von Dienstag, 7. Mai 2003
Ich habe heute mit Harry telefoniert. Durch die fünfstündige Zeitverschiebung war es in London bereits 23 Uhr. Die Verbindung war schlecht. Wir haben nur kurz gesprochen. Es tat gut, seine Stimme zu hören. Am Ende musste ich auflegen, ich hätte sonst die Fassung verloren. Tagebucheintrag von Donnerstag, 9. Mai 2003 Nachdem ich nun endlich wieder Magie benutzen darf, wird mir bewusst, wie sehr Magie das Leben vereinfacht. Ich sehe aber auch, dass man viele Dinge auf Muggelart genauso effektiv erledigen kann. Vor allem ist die Muggelart ‘sinnlicher’. Man ist näher dran, fühlt, riecht und sieht direkt, was geschieht. Deshalb gefällt mir das Tränkebrauen auch so. Man arbeitet mit seinen Händen. Selbst die Handhabung eines Föhns – und ich hasse die Dinger wirklich – ist ein sinnlicheres Erlebnis als einfach einen Trocknungszauber zu sprechen. Das heißt natürlich nicht, dass die Bequemlichkeit nicht siegen wird. Auch die Muggel versuchen ständig, sich das Leben durch Technik zu erleichtern. Harry erzählte mal, dass man früher den Fernseher nur an Knöpfen bedienen konnte, die sich direkt an dem Gerät befanden. Ich vermisse das Fernsehen. Ich vermisse meine Küche. Ich vermisse mein Sofa. Auf dem Sofa wäre es fast zu unserem ersten Kuss gekommen. Schon damals wusste ich, dass ich dich liebe. Du weißt es auch, oder? Du wirst nicht denken, dass mir der Abschied leichtgefallen ist? Du glaubst nicht, dass ich dich vergesse, dass ich jemand anderen finde, der mir mehr bedeuten könnte als du? Es war nie nur deine Magie. Immer bist es du, du, du. Tagebucheintrag von Freitag, 10. Mai 2003 Deine Eule ist angekommen. Ich habe deinen Brief immer und immer wieder gelesen und trage ihn den ganzen Tag bei mir. Ich habe zwischen den Zeilen nach Worte der Liebe gesucht und war enttäuscht, dass es der Brief eines guten Freundes war. So dumm bin ich. In Zukunft kann ich dir E-Mails schreiben. In Brooklyn gibt es ein gemütliches Internetcafé, wo man auch einen sehr guten Cappuccino bekommt. Ich werde es dir gleichtun und dir in meinen E-Mails Sentimentalitäten ersparen. Was sollen sie auch bringen? Meine Sehnsucht vertraue ich lieber diesen Seiten an. In den Mails berichte ich von meinem Uni-Alltag und dass ich nach einem Job suche. Meine Kreditraten sind so bemessen, dass ich trotz des Stipendiums einen Nebenjob brauche, wenn ich nicht tagein tagaus auf der Insel hocken will. „Die Insel“, so nennen die Studenten hier ihre Uni. Ich habe am Anfang immer an Azkaban denken müssen, wenn der Begriff fiel. Auf meinen Erkundungstouren durch Manhattan und Brooklyn bin ich übrigens an ein paar netten Muggel-Restaurants vorbeigekommen. Ich werde mich dort vorstellen und nach Arbeit fragen. Hast du etwas dagegen, wenn ich mir ein Referenzschreiben erstelle und die Nummer des Beans angebe? Du kannst doch sicher nur das Beste von mir berichten? Oder würdest du mich am liebsten vergessen? Kurz vorm Einschlafen, wenn es am meisten schmerzt, wünschte ich, ich hätte dich niemals näher kennengelernt. Empfindest du ähnlich? Merlin, es ist verwirrend, dir E-Mails zu schreiben und dich in meinem Tagebuch nun auch persönlich zu adressieren. Es fühlt sich nur so gut an, abends noch mit dir zu sprechen, auch wenn es nur in Gedanken und auf diesem Papier ist. Tagebucheintrag von Dienstag, 14. Mai 2003 Das erste Treffen der Marathon-Gruppe hat stattgefunden. Es sind sehr viele Interessierte gekommen, denn Julien hat kräftig Werbung gemacht. 24 Zauberer und 11 Hexen, von denen 30 in ihrem Leben noch nie gejoggt sind, aber meinen, sie könnten auf Anhieb 10 Kilometer laufen. Ich habe in ihre naiven Gesichter gesehen und mich gefragt, wie Zauberer so weltfremd sein können. Die meisten haben keine Vorstellung davon, was für Disziplin Laufen erfordert. Was mache ich, wenn alle vor dem Marathon abspringen? Wird dann mein Stipendium gestrichen? Der Gedanke hat mich so nervös gemacht, dass ich abends nach Brooklyn appariert bin, um dich Harry anzurufen. Harry hat versucht, mich zu beruhigen und meinte, ich solle die Leute am Anfang nicht überfordern und meine Ansprüche niedrig halten, dann blieben sie auch dabei. Außerdem sollte ich für Gemeinschaftserlebnisse sorgen, Trikots organisieren, ein Maskottchen wählen, einen Stammtisch anbieten, etc. Viele Leute würden durch Sportgruppen Anschluss suchen, die Fitness stände nicht immer im Vordergrund. „Soll ich ein Kaffeekränzchen halten?“, fragte ich etwas ungehalten zurück. „Kuchenessen und Biertrinken statt zu laufen? Dann kommen sie erst recht nicht durchs Ziel.“ „Mach doch Kochabende für „gesunde Ernährung“ mit Smoothies“, lachte Harry nur. „Ich weiß nicht einmal, ob es hier eine Küche gibt.“ „Sprich mal mit Mr Nakamura oder diesem Julien. Euch fällt sicher was ein. Du bist ja sehr erfinderisch.“ Ich wollte ihm sagen, dass ich nichts dergleichen bin. Dass ich Angst habe zu versagen und er mir fehlt. „Ich brauche dich, Harry, ich wünschte du wärst hier bei mir“, war das Einzige, was ich denken konnte, was ich immer nur denken kann, wenn ich seine Stimme höre, aber ich sagte nur: „Wir werden sehen“, und fragte stattdessen, was es Neues in London gäbe. Tagebucheintrag von Mittwoch, 15. Mai 2003 Ich habe Mr Nakamura auf meine Befürchtungen bezüglich der Marathon-Gruppe angesprochen. Er bat mich, dem Dekan persönlich davon zu erzählen. Der schmunzelte nur und meinte, es würde ja schon reichen, wenn nur ein Student der Insel den Marathon schaffen würde. Ich fragte, ob diese Person auch ich sein könne, woraufhin er laut auflachte, aber meine Frage nicht beantwortete. Ich nehme an, das war ein Nein. Es gibt in der Uni tatsächlich eine Art Küche in einem verwaisten Tränkelabor. Ich könne mir den Raum ansehen, ob er für mein Vorhaben genügen würde. Trikots in den Unifarben (blau-weiß-grün) gäbe es bereits. Ich müsse im Sekretariat nur sagen, wie viele ich bräuchte. Das Unimaskottchen ist übrigens ein fliegender Fisch namens Aranck, was in Algonquin ‘Stern’ bedeutet. Abends apparierte ich sogleich zu meiner Telefonzelle in Brooklyn. Ich brannte darauf, Harry die guten Nachrichten mitzuteilen. Leider konnte ich ihn nicht erreichen. Stattdessen schaute ich mir den Prospect Park an, um Strecken für das Lauftraining zu finden. Meinem Stadtplan zufolge stellt er die nächstgelegene größere Grünfläche dar. Man kann auch auf der Insel joggen, aber die Länge der Uferpromenade beträgt keine zwei Kilometer. Das reicht gerade einmal für das Anfängertraining, wenn man nicht Runde um Runde drehen will. Ich selber bin bei meinen morgendlichen Läufen bereits etwas gelangweilt. Die Aussicht hinaus in die Bucht ist allerdings sehr schön. Tagebucheintrag von Freitag, 17. Mai 2003 Ich denke immerzu an Harry. Manchmal erinnert mich eine Begebenheit an ihn oder mein Blick bleibt an einem Studenten hängen, der auf die Entfernung ähnlich aussieht. Ein anderes Mal horche ich auf, weil ich ein Lachen höre, das ganz wie das von Harry klingt. Mein Herz bleibt für eine Sekunde stehen. Danach überfällt mich eine so große Sehnsucht, dass es sich fast wie ein körperlicher Schmerz anfühlt. Tagebucheintrag von Sonntag, 19. Mai 2003 Ich war gestern mit Julien und seinen Freunden in einem Muggle-Jazz Club in Harlem. Frank, ein Freund von Julien kennt sich in der Szene gut aus. Obwohl ich immer dachte, mit Jazzmusik nichts anfangen zu können, gefiel mir das Konzert sehr gut. Ein Typ an der Bar nahm Blickkontakt mit mir auf, aber ich merkte, dass mich der Gedanke, jemanden zu berühren, der nicht Harry ist, abstößt. Ebenso wenig möchte ich, von jemand anderem angefasst werden. Ich hoffe, dass das eine Phase ist, die bald vorbeigeht. Ich befriedige mich jeden Tag zu den Gedanken an Harry. Heute war ich Sightseeing mit Jo, die sich nicht alleine in die Muggelwelt hinaustraut. Wir haben uns Ground Zero und das Empire State Building angesehen. Wie es wohl wäre, mit Harry direkt auf einen dieser großen Wolkenkratzer zu apparieren? Seltsamerweise gibt es hier gar kein Riesenrad, wie das London Eye. Im Oktober darf ich wieder fliegen. Harry hatte sich immer gewünscht, gegen mich antreten zu können. Nach den Besichtigungen waren Jo und ich zum Picknicken im Central Park. Ich bemerkte, dass dort noch mehr Jogger unterwegs sind als im Londoner Hyde Park. Die Fitnesswelle hat Amerika viel stärker erfasst als Großbritannien. Tagebucheintrag von Montag, 20. Mai 2003 Ich hatte es etwas hinausgezögert, Julien über meine Vergangenheit aufzuklären. Wie sich heute herausstellte, wusste er bereits alles. Als ein Kommilitone in der Mensa auf mich zutrat und fragte, ob ich der Malfoy sei, der drüben in England die rechte Hand dieses „verrückten Psychopathen“ gewesen sei, antwortete Julien für mich: „Das war Dracos Vater, der dafür seine gerechte Strafe erhalten hat. Draco teilt die Ansichten seines Vaters nicht, daher ist er jetzt auch bei uns.“ Ich war überrascht und fragte Julien, ob das die Version sei, die ihm Mr Nakamura über mich erzählt hätte. Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass du drei Jahre im Gefängnis warst und nur zur Bewährung raus bist. Ich weiß auch, dass du an einem Integrationsprogramm teilnimmst. Mr Nakamura hat mir alles Wichtige über dich berichtet. Außerdem habe ich die Artikel über dich in der Magical World gelesen. Wenn ich glauben würde, dass du noch ein Anhänger Voldemorts wärst, hätte ich nie zugestimmt, dein Pate zu sein. Die Magical World liegt in der Bibliothek aus. Jeder, der sie liest, kann sich über dich informieren. Typen wie dieser Taylor verbreiten gerne dummes Zeug. Darauf musst du nichts geben.“ Abends berichtete ich Harry von Julien. Er war sehr verhalten am Telefon. Ich fragte, was los sei, aber er meinte, er wäre nur müde. Ich wünschte, ich könnte ihn in den Arm nehmen. Ich versuche mir vorzustellen, wie sich seine Haut anfühlt, seine Haare, sein Mund. Ich wünschte, ich besäße ein Denkarium, in dem ich mir jeden Moment mit Harry noch einmal anschauen kann. Es würde mich verrückt machen. Ich würde süchtig danach werden. So wie ich süchtig nach Harry bin. Tagebucheintrag von Donnerstag, 23. Mai 2003 Ich habe einen Job. Das Choyer, ein nobles französisches Restaurant auf Staten Island, wo ich letztens zum Probekochen war, hat mich als Aushilfe eingestellt. Im Juni geht es los. Sie brauchen mich natürlich besonders am Wochenende. Die Bezahlung ist gering, aber das Trinkgeld wird zu festgesetzten Teilen unter den Angestellten aufgeteilt. Da die Kundenzufriedenheit hoch ist, würde man dort gut verdienen, hatte mir die Chefin nicht ohne Stolz mitgeteilt. Schade ist nur, dass die Wochenenden durch die späten Arbeitszeiten etwas zerstört sind. Ich würde Julien und seine Freunde gerne häufiger begleiten, wenn sie New York unsicher machen. Sie treiben sich viel in Muggelclubs rum. Noch lieber würde ich die Stadt mit Harry erkunden. Ob er mich wohl besuchen würde? Aber nein, der Wunsch führt zu nichts. Wir würden doch nur sofort wieder im Bett landen. Oder hat Harry schon mit mir abgeschlossen? Es wäre gut für ihn, ich sollte es mir wünschen, aber der Gedanke macht mich verrückt. Was, wenn Harry schon einen Neuen hat? Jedenfalls bin ich wegen des Nebenjobs froh, dass das Studium nicht so anstrengend ist, da ich fast nur praktische Kurse habe. Einen großen Teil der Theorie habe ich schon in den letzten drei Jahren abgeschlossen. Dafür muss ich in den meisten praktischen Kursen mit Studienanfängern arbeiten. Bald gibt es die erste Exkursion. Es geht unter Wasser zum Sammeln von Rotmandaren und anderes Getier. Exkursionen werden an der Mahicantuck großgeschrieben, ebenso wie die Aufzucht der Pflanzen, Pilze, Insekten, etc. für die Zaubertränke. Unsere zoologische und botanische Abteilung ist riesig. Ebenso die Gewächshäuser. Es gibt sogar Unterwassergärten. Neville hätte hier seine wahre Freude. Tagebucheintrag von Donnerstag, 29. Mai 2003 Ich hatte gedacht, meine Vergangenheit hätte sich auf der Insel inzwischen rumgesprochen, denn ab und an werfen mir Kommilitonen komische Blicke zu oder vermeiden es, mit mir zusammen zu arbeiten. Ich komme damit klar und bin eher überrascht, dass es so wenige sind. Wahrscheinlich hat Julien recht und Lunas Berichterstattung über mich hat die Gemüter besänftigt. Es fühlt sich immer noch ein wenig falsch an, irgendwie unverdient, aber ich werde mich nicht darüber beschweren. Jedenfalls war ich ziemlich überrascht, dass sich ausgerechnet Peter ab Montag so abweisend verhalten hat. Ich habe ihn heute zur Rede gestellt. Er hatte am Wochenende zuhause von mir erzählt. Sein Vater war sofort hellhörig geworden und ist gar nicht glücklich darüber, dass sein Sohn mit einem Todesser das Zimmer teilen muss. Offenbar wollte er sich beim Dekan beschweren. Heute Nachmittag kam dann auch tatsächlich Mr Nakamura zu uns, um mir ein neues Zimmer zuzuweisen. Der Druck durch Peters Vater, der ein wichtiger Sponsor unserer Uni ist, war anscheindend zu groß geworden. Mein neuer Raum ist ein Zweibettzimmer, aber einen Mitbewohner habe ich nicht. Julien freute sich. Er meinte, wenn Franks Freundin zu Besuch käme, könne er jetzt bei mir übernachten, denn die wären so laut, dass auch einen Stillezauber Stufe 8 nichts bringen würde. Ich kenne keine Stufeneinteilung von Stillezaubern. Als ich Julien danach fragte, kringelte er sich vor Lachen und meinte nur: „Ihr Briten!“ Morgen werde ich nach Brooklyn apparieren, um Harry mal auf dem Handy anzurufen oder ihm zumindest per Mail von Peter und meinem Zimmerwechsel zu berichten. Auf dem Festnetz konnte ich ihn in den letzten Tagen nicht mehr erreichen. Ich muss auch Hermine noch schreiben, was ich von der Auseinandersetzung zwischen Gatsby und Tom auf der Fahrt nach New York halte. Ich glaube, sie ist schon in Kapitel 6. Ich bin etwas hinterher. Mein Postfach ist immer voll von Mails, aber Harry schreibt kaum noch. Ich weiß nicht, was los ist.
          Telefongespräch von Freitag, 30. Mai 2003            Hier’s Harry.         Hi, ich bin’s.       Draaacoooo!         Wo bist du?       Ich weiß nich’. So’n neuer Club in Knock-Knockt‘n.         Ich kann dich kaum verstehen, es ist so laut bei dir.        Is’n Taaanz-Clupp. Ich taanze.         Bist du allein?       Al-lein? Is’ voll hier.         Ich meine, sind die anderen auch da? Ron und Dean?       Jup. [Oh, hihi. Nee, ich t-telefonier’ grad’ mit meeinem Freund. K-Kumpel, isch mein‘ Kump’l.]    
Draaacooo!         Ich glaube, ich rufe ein anderes Mal wieder an.       Neeeeiiiin. L-leg doch nich‘ auf. Ich hab’ dir ‚ne Mail g’schrie’bn. Mit…mit Pansys und Blaischs Adresse. Du kannscht ihn’n schr-schreib’n. All’s wied’r gut machen. Un‘ dann…un’ dann kön‘ wir z’mann‘n sein. Ja?         Du bist betrunken.       Joa, n’bisschen. Wir ham n’biss’n Spasss hier. [Ohh, nich. Hihihihi! Lass das. Ich musch mit mein’m Freund red’n. Exxx-freund.]         Harry?       Jaaa?         Ich leg jetzt auf.       Neeein! Drayiii. Wann k-kommms‘ du wieder? [Jetz‘ lass mall.] Ich vermiss-e dich. Ich kann-n nich…[Oh, Ronnn, was is’en? D-Draco is dran. Sag ihm, er muss zurückkomm’n.]  
Draco? Ron? Hör mal. Wir sind hier in einem neuen Club. Wird Harry da gerade von jemanden angemacht? Wie? Ähm. Ja. Aber daraus wird nichts. Harry ist viel zu betrunken. Wie geht es ihm? [*Schweigen*] Ron? [Ron, gib'm mein Handy. Daz is mein Televon.] Nicht gut, um ehrlich zu sein. Er vermisst dich. Hör mal, ich glaube, es tut ihm nicht gut, mit dir in Kontakt zu bleiben. Ich glaube, ihr solltet mal … hm… eine Pause machen. Harry kommt so nicht von dir los. Du musst ihn eine Zeitlang in Ruhe lassen. Er sagte, es ginge ihm gut. Ich wusste nicht… Er hat gelogen. Er macht sich ständig einen Kopf darüber, was du in New York so treibst, wen du so kennenlernst. Es quält ihn, deine Nachrichten zu lesen. Ich habe ihn lange nicht mehr so erlebt. Wie nach dem Krieg oder als Sirius gestorben ist. Das kann so nicht weitergehen. Verstehst du das? Ich verstehe. Ey Mann, es tut mir leid. Wir bleiben natürlich in Kontakt. Wir freuen uns, von dir zu hören. Wir vermissen dich, Draco. Aber Harry, das geht nicht, der dreht total am Rad. [Ich will mit Draco red’n. Draaccooo!] Bring ihn nach Hause, Ron. Werde ich. Hör mal. Ruf Harry morgen an, wenn du kannst. Red‘ mit ihm, wenn er nüchtern ist. Okay , ja, okay , mach ich. Nichts gegen dich, Draco. [Draco, komm bitse z'rück zu mir!] Ich weiß, ich verstehe. Ciao. Grüß die anderen. Ciao.
    Telefongespräch von Samstag, 1. Juni 2003  
Harry Potter. Ich bin’s Draco. Hallo. Wie geht es dir? Ganz gut. Ich habe heute Morgen einen Trank gegen den Kater genommen. Es tut mir leid wegen gestern. Kein Ding, warum solltest du nicht feiern gehen dürfen. Das meine ich nicht. [*Schweigen*] Ich meine, dass ich dich quasi angefleht habe zurückzukommen. Das ist okay . Ich vermisse dich auch. Ist doch klar. Ja? Ja, klar, natürlich. Hör mal, ich weiß, was Ron zu dir gesagt hat. Ja. Deswegen rufe ich auch an. Ich weiß. Und … und… Ron hat recht. Ich kann das nicht mehr. Es sind erst vier Wochen. Ich weiß, aber…Merlin, sie kommen mir wie Jahre vor. Ich brauche Abstand. Richtigen Abstand. Deine Mails, deine Anrufe. Mich macht das fertig. Dieses Freundschafts-Ding…ich hatte dir bereits gesagt, dass ich das nicht kann. [*Schweigen*] Draco? War’s das dann? Nein. Oder ja. Ich brauche Zeit. Ich würde mich melden, wenn … wenn ich soweit bin. Ich will dich nicht verlieren, Draco. Deine Freundschaft bedeutet mir viel, aber … im Moment geht es einfach nicht. Deine Freundschaft bedeutet mir auch sehr viel, Harry. Du bedeutest mir viel. Ich weiß, aber du wolltest doch auch Abstand und dein Ding machen. Dich sozusagen von mir emanzipieren… [*Schweigen*] Ich meine, du bist auf einem guten Weg. Es läuft doch gut für dich dort in New York, nicht wahr? Alles ist neu und aufregend. Du hast schon neue Freunde gefunden. Dieser Julien… [*Schweigen. Räuspern.*] Ich freue mich für dich, Draco, wirklich. Ich brauche DICH, Harry. [*Schnauben*] Eben nicht, Draco. Du brauchst mich nicht. Du kommst klar. Und ich…ich auch. Irgendwann. Aber nicht so. Verstehst du? Ich verstehe es, aber…ich weiß nicht, wie ich auf dich verzichten soll. Aber darum geht es doch. Du wolltest neu anfangen und ohne mich auskommen. Das stimmt doch, oder? [*Schweigen. Schnäuzen.*] Ich weiß nicht. Ja. Dann mach das. [*zittriges Atmen*] Ich leg jetzt auf, Draco. Harry. Ich wünsche dir alles Gute. Irgendwann melde ich mich wieder bei dir. Ich wünsche dir auch alles Gute. Tschüss, mach’s gut. Mach du es auch gut.
Tagebucheintrag von Donnerstag, 4. Juni 2003 Ich hatte wieder diesen Traum, wie Freitagnacht nach dem Gespräch mit Harry. Dieses Mal ging der Traum aber weiter. Ich war auf der Hochzeitsfeier von Ron und Hermine. Alles war genauso surreal wie beim letzten Mal. Das Landhaus, die Blumen, der Brunnen. Dann waren da die Gäste, die auf dem Vorplatz herumstanden, Teddy, der durchs “Bild” huschte. Wieder suchte ich nach etwas, konnte es aber nicht finden und geriet in Panik. An dieser Stelle war ich beim letzten Mal aufgewacht, schweißgebadet, mit Tränen in den Augen. Mein Herz raste. Ich stand kurz vor einem Panikanfall. Dieses Mal wachte ich nicht auf. Greg erschien auf der Hochzeitsfeier. Er war plötzlich da, hielt eine Waffe in der Hand und zielte damit auf Hermine. Keiner wagte, etwas gegen ihn zu unternehmen, weil die Kugel schneller gewesen wäre als jeder Zauber. (Ich nehme an, dass das Unsinn ist. Ich muss Ron mal danach fragen.) Jedenfalls griff Greg nach Hermines Arm und zog sie zu seinem Auto. Vermutlich wollte er sie als Geisel nehmen, weil er auf der Flucht war. Ich stellte mich ihnen in den Weg und schrie: „Nimm mich!“ Greg ließ sich darauf ein, warum auch immer. Wir stiegen ins Auto und fuhren die Auffahrt hinunter. Ich empfand nichts als Erleichterung. An der Grundstücksgrenze befand sich ein steinerner Torbogen. Dort standen Harry und Ron. Sie sahen das Auto herannahen, realisierten aber nicht, was vor sich ging. Dann stürzte sich Harry auf die Straße, um den Wagen aufzuhalten. Warum er keinen Zauber sprach, weiß ich nicht. Anstatt anzuhalten, beschleunigte Greg und raste genau auf Harry zu. Der machte nicht die geringsten Anstalten auszuweichen. In letzter Sekunde griff ich in das Lenkrad und riss es herum. Der Wagen krachte in die Mauer. Wie in Zeitlupe schlug ich durch die Frontscheibe, Kopf voran, ganz wie der Dummy, den ich mal in einer Dokumentation über Verkehrsunfälle gesehen hatte. Ich wusste, dass ich den Unfall nicht überlebt hatte. Am anderen Tag titelte der Tagesprophet: „Vom Todesser zum Helden. Tragischer Tod eines gefallenen Jungen. Draco Malfoy hat seine Schuld gesühnt.“ An der Stelle wurde ich wach. Ich lag im Bett und wurde von einem irrsinnigen Zorn übermannt. Ich war so wütend, dass ich meinen Zauberstab zu mir rief und das Zimmer verwüstete. Danach spürte ich nichts. Völlige Leere. Für ein paar Minuten war ich von der Traurigkeit befreit, die mich seit dem Gespräch mit Harry nicht mehr losgelassen hat. Da war nichts von der Verzweiflung und Angst, wieder einmal die falsche Entscheidung getroffen und das Wichtigste in meinem Leben verloren zu haben.
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dramafanforever · 4 years
Text
Feind in der Fremde
Kapitel 25
Kapitel 1
Von Sonnenfinsternissen und Sonnenaufgängen
London, 23. Juli 2003
Mein Neffe, du wirst überrascht sein, von mir zu hören, nachdem ich in all den Jahren keinen Kontakt zu dir aufgenommen und auch die Briefe deiner Mutter aus Azkaban ignoriert habe. Ich ahnte, sie wollte dich mir anvertrauen, und ich sah mich außerstande, ihrem Wunsch nachzukommen, zu groß war meine Trauer und Verbitterung über die Verluste, die ich erlitten habe. Wie du weißt, steht Harry mir nahe, und so habe ich mitbekommen, wie du seine Freundschaft und dann seine Liebe gewonnen hast. Ich gebe zu, eure Beziehung hat keine Begeisterung in mir ausgelöst. Ich war fast erleichtert, als er erzählte, dass du nach New York gehen wirst. Erst einige Wochen später erfuhr ich, wie ernst eure Verbindung gewesen ist. Harry berichtete mir, von der Harmonie eurer Magie und dass du den Gedanken an eine Seelenverwandtschaft ablehnst. Du möchtest der Magie nicht mehr den Stellenwert geben, den sie für den Dunklen Lord, die Todesser und damit auch deine Eltern und dir gehabt hat. Magie soll nicht etwas sein, dass dich über die Muggel erhebt und auch nichts, das deinen Lebensweg bestimmt. Mich hat Harrys Erzählung sehr beschäftigt. Ich möchte dich für deine Einstellung loben. Vielleicht hat sich Harry doch nicht in dir getäuscht und du hast dich tatsächlich von den Idealen deines Vaters entfernt. Manchmal vergesse ich, dass auch ich einst das Lied der Blacks gesungen und mich nur durch die Liebe zu meinem muggelstämmigen Mann davon emanzipiert habe. Nie jedoch, habe ich die Magie in Frage gestellt und welches Geschenk sie darstellt. In Andenken an deine Mutter, meine Schwester, die die Magie liebte und die ich geliebt habe, möchte ich dich daran erinnern, was das Wesen der Magie ist. Sie ist eine Gabe, die sowohl befreit als auch bindet. Sie abzulehnen oder einzelne Aspekte von ihr zurückzuweisen ist keine Tugend und auch keine Frage der Rebellion. Du kannst dadurch keine Widergutmachung erlangen. Du verleugnest nur, wer du wirklich bist – ein Zauberer. Magie erhebt uns nicht über andere. Sie macht uns nicht besser, genauso wenig wie eine Hochbegabung, sportliche Exzellenz oder technischer Fortschritt uns zu besseren Menschen macht. Allein, was wir mit diesen Gaben anstellen, entscheidet, wie gut man ist. Magie bedarf Verantwortung. Aber nicht nur das kann eine Bürde sein. Magie reizt zum Missbrauch, verwandelt uns in Kreaturen, setzt uns Flüchen, Tierwesen und anderen Gefahren der magischen Welt aus. Sie kann uns von denen trennen, die wir lieben, und bindet uns an Prophezeiungen und andere Menschen. Wir können sie nicht ablegen, nicht vor ihr davonlaufen. Nimm die Ganzheit deiner Magie an und lebe mit ihr im Einklang, Draco. Sie ist ein Erbe der Malfoys und Blacks, das du bedenkenlos annehmen kannst. Glaube an sie und tue Gutes mit ihr. Das wird es sein, was dich über andere erhebt, egal ob Zauberer oder Muggel. Bedenke, auch deine Mutter war mit deinem Vater verbunden, wie ich mit meinem geliebten Ted oder Sirius mit Remus Lupin. Bindungen können Schmerzen bringen, aber gebunden zu sein, ist ein Glück das mit keinem anderen vergleichbar ist. Wirf es nicht weg. Ich würde mich freuen, wenn du bei deinem nächsten Besuch in London bei mir vorbeischauen würdest. Deine Tante Andromeda PS: Harry weiß nicht, dass ich dir geschrieben habe. Es liegt mir fern, mich in seine Beziehungen einzumischen. ***
Pünktlich um halb 12 traf Harry bei Ron und Hermine ein. Die Wohnung vibrierte vor Aufregung. Hermines Vater Andrew drückte Harry sogleich ein Glas Sekt in die Hand und Hermines Brautjungfern, Ginny, Mary, Luna und Hermines Cousine Charlotte ergingen sich in anzüglichen Komplimenten über Harrys Aussehen. Er trug einen dunkelblauen Dreiteiler, dessen Farbe zu dem Kleid der Trauzeugin passte. Jasmine war mit Molly und Arthur bereits im Holmhurt Manor, um die Dekorationen aufzubauen und die Arbeit der Hotelangestellten zu kontrollieren. Hermines Mutter Sandra kam gerade aus dem Schlafzimmer, wo sie Hermine angeblich frisiert hatte. In Wahrheit hatte Hermine lange recherchiert, um Zauber zu finden, die ihre krausen Haare in einen eleganten Dutt legten. Als sie nun ebenfalls in den Flur trat, konnte Harry feststellen, dass sie sehr erfolgreich gewesen war. Auch ihr cremefarbenes, bodenlanges Kleid sah wunderschön aus. Aus Erzählungen wusste Harry, dass es sich um ein Model im Empirestil handelte. Hermine hatte es ausgewählt, damit ihr Babybauch nicht unangenehm eingeschnürt wurde. Ron trat zu seiner Frau, umarmte sie von hinten und drückte einen Kuss auf ihren Hals. Harry beneidete die beiden sehr und freute sich gleichzeitig sehr für sie. Trotz des ganzen Trubels war ein Teil seines Bewusstseins von Draco reserviert. Zum ersten Mal seit Monaten bereitete der Gedanke keinen Schmerz, sondern Freude. Dass er Draco am Vorabend getroffen hatte, behielt er für sich wie ein kleines, liebevoll gehütetes Geheimnis. Bevor Harry mit den Brautjungfern in Marys Auto stieg, kontrollierte er noch einmal die Taschen seiner Anzugjacke, in denen der Zettel mit seiner Rede und – noch wichtiger – die Trauringe steckten. Zwar hatte er sie mit einem Zauber vor dem Herausfallen geschützt, aber allein der Gedanke, sie verlieren zu können, machte ihn nervös. Die Fahrt zum Herrenhaus dauerte 40 Minuten. Ron und Hermine würden zusammen mit Hermines Eltern nachkommen. Holmhurst Manor war ein altes Gut mit einem Haupthaus und mehreren Nebengebäuden, darunter eine entweihte Kapelle, in der die Hochzeit stattfinden würde. Der Anblick der prächtigen Sandsteinfassade und des breiten kiesbelegten Vorhofes mit dem englischen Rasen und den gerade geschnittenen Büschen war für Harry jedes Mal aufs Neue ein Erlebnis. Als Erstes bezogen sie ihre Hotelzimmer, dann gesellte sich Harry zu Jasmine und Molly. Sie begrüßten die ankommenden Gäste, zeigten ihnen, wo die Geschenke abgestellt werden konnten, beantwortete Fragen zum Programm und nahmen den Standesbeamten in Empfang. Die ganze Zeit hielt Harry nach Draco Ausschau, der von Dean und Marc mitgenommen würde, konnte ihn aber nirgends ausfindig machen. Kurz vor der Trauung um 14 Uhr nahmen die Gäste ihre Plätze in der Kapelle ein, während der Standesbeamte seine Unterlagen am Altar sortierte und eine gewichtige Miene aufsetzte. Harry und Jasmine gingen zu den für sie reservierten Plätzen vorne in der ersten Reihe. Noch immer waren Dean, Marc und Draco nicht aufgetaucht. Harry schob es auf Deans übliche Trödelei und ihm tat Draco leid, der es hasste, zu spät zu kommen. Die Spannung stieg. Als sich die Tür zur Kapelle einen Spaltbreit öffnete, entschlüpften Fleur, die den Einzug des Brautpaares mit einem französischen Choral begleiten wollte, die ersten Töne. Sie verstummte schnell, als sie sah, dass es sich nur um die drei verspäteten Männer handelte, die versuchten, unauffällig in die Kapelle zu schleichen. Alle Augen waren auf sie gerichtet. Ein Lachen ging durch die Reihen der Gäste. Dracos Kopf leuchtete rot vor Scham. Harry hörte, wie an verschiedenen Plätzen sein Name gemurmelt wurde. Dann ging die Tür noch einmal auf. Rons roter Schopf schaute hinein, offenbar um zu kontrollieren, ob die Männer einen Platz gefunden hatten. Als er sah, dass ihn alle anstarrten, hob er die Hand zu einem verlegenen Gruß und zog sich schnell wieder zurück. Harry war zu nervös zum Lachen, aber viele Gäste kicherten. Ein drittes Mal ging die Tür auf, dieses Mal mit solcher Wucht, dass einige erschrocken zusammenzuckten. Das Brautpaar trat ein und Fleurs glockenhelle Stimme erklang. Für Harrys Geschmack war das Lied viel zu melancholisch, aber Molly hatte es als „erhebend“ befunden und sich durchgesetzt – wie immer. Hermines Eltern hatten sich aus allem herausgehalten. Sie fanden, dass es nicht die Aufgabe der Brauteltern war, die Hochzeit zu planen. Die ganze Hochzeit war wirklich sehr klassisch. Seine eigene Hochzeit würde Harry viel lockerer gestalten, ohne das ganze Brimborium. Anderseits verstand er den Wunsch nach etwas Zeremoniellen, das dem Ereignis Gewicht verlieh. Draco würde sicher auch etwas sehr Tragendes bevorzugen. Das wäre dann auch kein Problem für Harry… Der Standesbeamte erhob die Stimme. Nach der Trauung und den Glückwünschen gab es einen Sektempfang auf der Terrasse des Herrenhauses. Harry sah von seinem Platz neben dem Brautpaar, wie Draco von seinen Freunden fröhlich begrüßt und gedrückt wurde. Er bemerkte auch, wie ihm immer wieder prüfende Blicke zugeworfen wurden, so als ob die anderen unsicher waren, wie er auf Draco Erscheinen reagieren würde. Tatsächlich war Harry froh, Draco schon am Vorabend getroffen zu haben. Andernfalls wäre er jetzt nicht so unbefangen geblieben. Erst recht nicht, da Draco in seinem dunkelblauen Anzug einfach umwerfend aussah. Interessanter Weise schien Teddy Gefallen an Draco entwickelt zu haben, denn er hatte seinen Haaren die Farbe von Dracos hellblonden Strähnen gegeben und imitierte auch Dracos Haarschnitt. Zum Glück hatte Andromeda einen komplizierten Illusionszauber auf Teddy gelegt, damit den Muggel-Gästen Teddys Zauberei nicht auffiel. Harry wäre gerne zu Draco hinübergegangen, aber der war ständig mit irgendjemanden im Gespräch und für Harry selbst stand nun der Fototermin mit dem Hochzeitspaar an. Der Nachmittag verging wie im Fluge. Harry bekam keine Gelegenheit, mit Draco zu sprechen. Sie tauschten Blicke aus, lächelten sich an, aber jedes Mal, wenn Harry sich zu ihm setzen wollte oder wenn Draco auf Harry zuging, kam irgendetwas oder irgendwer dazwischen. Für einen längeren Zeitraum schien Draco sogar mit Andromeda in ein Gespräch vertieft zu sein. Er wirkte wie ein kleiner Junge, hielt den Kopf gesenkt und lauschte respektvoll den Worten seiner Tante. Harry hatte das Gefühl, ihn beschützen zu müssen, als er es sah, schließlich hatte Andromeda noch nie ein gutes Wort an Draco ausgelassen. Bevor er zu den beiden gehen konnte, wurde er jedoch von Jason angesprochen, den Ron für die Musik engagiert hatte. Harry fühlte sich auf die Silvesterfeier im Beans von vor zwei Jahren zurückversetzt. Auch da war er nicht dazu gekommen, den Abend mit Draco zu verbringen. Als er endlich Zeit gefunden hatte, war es zu spät gewesen. Draco und John hatten… Harry wollte lieber gar nicht daran denken. Es blieb die Angst, dass das heute wieder geschehen würde. Draco war in sexueller Hinsicht immer ein sehr aktiver Mensch gewesen. Außerdem hatte er sich Harry früher bewusst vom Leib gehalten, indem er mit anderen Männer rummachte. War ihm Harry gestern zu sehr auf die Pelle gerückt und würde sich das heute rächen? In einer Beziehung schien Draco nicht zu sein, jedenfalls hatte er nichts dergleichen durchblicken lassen. Vor dem Abendessen zog sich Harry in den Garten zurück, um sich noch einmal seine Rede durchzulesen, die er gleich halten würde. Mit einem Baum als Publikum probierte er verschiedene Betonungen aus. Er bemerkte Draco erst, als er neben ihn trat. „Die erste Version war besser. Nicht so pathetisch.“ Harry verzog das Gesicht und las den Abschnitt noch einmal vor. Kaum da er geendet hatte, meinte er: „Ich hasse es, Reden halten zu müssen. Auch ein Grund, warum ich nie zu den Veranstaltungen des Ministeriums gehe.“ „Das war aber schon sehr gut. Deine Stimme hat einen sehr angenehmen Klang, und wenn du nicht weiterweißt, kannst du ja auch deinen berühmten Hawaiianischen-Tanz aufführen. Hula Hoop, oder wie der hieß.“ „Hula hula.“ „Genau der. Die Gäste würden sich freuen.“ „Der ist aber erst für Mitternacht geplant, und ich zähle natürlich auf deine Unterstützung. Schließlich habe ich dir ausführlich demonstriert, wie der geht.“ „Zeig es mir doch noch mal“, foppte Draco. „Nur, wenn du mitmachst.“ Harry steckte den Zettel mit seiner Rede in die Tasche und begann, die Hüften zu kreisen und die Arme zu schlängeln. „Jetzt du!“ Draco lachte. Dann bewegte auch er seinen Körper. Es sah furchtbar steif aus. Harry legte ihm die Hände auf die Taille und drückte ihn sanft in die verschiedenen Richtungen. „So! Nein! Geschmeidig. Kreisen, nicht so ruckartig!“ Sie alberten etwas rum, aber Harry war sich Dracos Hüften zwischen seinen Händen wohl bewusst. Er blickte hoch. Dracos Gesicht hatte jeden Schalk verloren. In seinen Augen schien sich der Mond zu spiegeln, dabei war die Sonne noch nicht ganz untergegangen. Harry schluckte. Da erklang Jasmines Stimme: „Harry, wo bist du? Das Essen wird gleich serviert.“ Draco trat schnell zurück. „Bist du sofort mit deiner Rede dran?“ „Nein, nach der Vorspeise.“ „Dann viel Glück!“ Er verschwand in Richtung Haus. Harry folgte ihm langsam. Sein Herz schlug hart gegen seinen Brustkorb. Die Rede wurde ein voller Erfolg, wenn man es als Erfolg betrachtete, dass die Braut zu weinen begann und der Bräutigam ebenfalls feuchte Augen bekam. Es gab aber auch einige Lacher und wenn Harrys Blick ebenso oft zu Draco wanderte wie zum Brautpaar, dann bemerkte er es selber nicht. Die anderen schon. Nach dem Dessert kam der Hochzeitstanz. Ron machte eine überraschend elegante Figur. Er strahlte Hermine mit so viel Liebe an, dass Harry ganz warm ums Herz wurde. Erneut schaute er zu Draco, der wie alle anderen Gäste an der Tanzfläche stand, um dem Paar zuzusehen. Teddy zupfte gerade an seinem Hosenbein, um ihm seinen neuen Spielzeugdrachen zu zeigen. Draco kniete sich hin, um mit seinem Großneffen zu reden. Ginny legte Harry einen Arm um die Schultern. Anscheinend hatte sein Gesicht genau gezeigt, was er empfand. „Ach Harry“, versuchte sie ihn zu trösten. „Ich will ihn so sehr, Ginny. Warum kann ich ihn nicht haben?“ Ginny schüttelte nur mit einer Mischung aus Bedauern und Ratlosigkeit den Kopf. Sie beobachten beide, wie Andromeda zu Draco und Teddy trat. „Oh Merlin“, murmelte Ginny. „Glaubst du, das gibt Ärger?“ Harry konnte nicht antworten, denn nun wurde er von Jasmine auf die Tanzfläche gezogen und musste sich auf seine Schritte konzentrieren. Zum Glück stellte er sich nicht mehr so ungeschickt an wie zu Schulzeiten. Bevor er es sich versah hatten ihn Hermine, Molly, Dean und schließlich Mary abgeschlagen. Jeder einzelne fragte ihn, wie er damit zurechtkam, Draco wiederzusehen. „Gut, klar. Wir haben uns gestern Abend getroffen und ausgesprochen“, gab Harry widerwillig zu. Dass sie sich ausgesprochen hatten, war eine Lüge, wie Harry sehr wohl bewusst war. Draco und er hatten zwar über viel Persönliches gesprochen, aber kein Wort über ihre Beziehung verloren.
***
Nachdem der offizielle Teil des Abends vorbei war, ging die Party richtig los. Jason schaffte es wie üblich, für gute Stimmung zu sorgen. Die Männer lösten ihre Krawatten, die ein oder andere Frau wechselte zu bequemeren Schuhen. Grüppchen versammelten sich an der Bar, strömten auf die Tanzfläche. Die älteren Gäste zogen sich auf die Terrasse zurück, wo die Musik nicht so laut war. Befreit von aller Verantwortung strebte Harry auf den Stehtisch zu, an dem Draco stand und ihm schon entgegenlächelte. Wie selbstverständlich gaben ihm die anderen den Platz an Dracos Seite frei. Genauso selbstverständlich fielen Draco und Harry zurück in ihre alte Vertrautheit. Der Alkohol floss reichlich, die Stimmung war ausgelassen. Das Brautpaar stand im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber Harrys Fokus wurde immer wieder von Draco gefangen genommen. Wenn er zu nah bei ihm stand, so lag das nur an dem Gedränge vor der Theke. Wenn Dracos Handrücken den seinen berührte, so nur, weil der Zufall es so wollte. Manchmal verhakten sich ihre Blicke und alles andere trat in den Hintergrund. Wenn Harry für diesen Moment dem Gespräch nicht mehr folgen konnte, lag das allein am Alkohol, der das Denken zunehmend schwerer machte. So verschwammen die Grenzen zwischen Wunsch und Wirklichkeit im Dunst der Trunkenheit und unter dem Druck von fünfeinhalb Monaten Sehnsucht. Irgendwo gab es da auch die Befürchtung, Draco könne sich einen anderen für den Abend suchen, wenn Harry nicht präsent blieb. Daher ignorierte er die skeptischen Blicke seiner Freunde und Nevilles geflüsterte Warnung: „Weißt du, was du da tust, Harry?“ Auch Hermine zog ihn zur Seite und sagte mit eindringlichem Ton: „Er fliegt Montag wieder zurück, Harry. Willst du, dass alles von vorne beginnt?“ Aber was sollte von vorne beginnen? Es hatte ja nie aufgehört. So verklangen die Worte zu Schall und Rauch. In feuchtfröhliche Ekstase versetzt war da nur das Bedürfnis, den Abend in vollen Zügen zu genießen. Draco war hier, beim ihm, inmitten von Harrys besten Freunden und seiner Wahlfamilie. Sie hatten Spaß, allen ging es gut. Ein Feiertag für Ron und Hermine – und für Harry auch. Gegen zwei waren sie wieder auf der Tanzfläche und verließen diese nur, um ein weiteres Glas Bier zu leeren oder zusammen mit den anderen noch einen Kurzen hinunterzukippen. Beim Tanzen konnte sich Harry der Illusion hingeben, dass es wie früher war, wie im Duckie, wo sie verschwitzt und atemlos umeinandergekreist waren. Nur der Abstand zwischen ihren Körpern verriet, dass sich alles geändert hatte. Aber da war Dracos Lächeln, die strahlenden Augen, die geraden Linien seines weißen Hemdes und der blauen Hose und alles, was sich darunter verbarg. All das, wovon Harry viel zu oft geträumt hatte, und das ihn morgens unbefriedigt und mit einem Gefühl der Leere aufwachen ließ. Harry fiel es immer schwerer zu verbergen, wie sehr er Draco wollte, und er glaubte, sein eigenes Begehren in Dracos alkoholvernebelten Blick gespiegelt zu sehen. Als gegen halb vier die meisten Gäste fort waren und die Tanzfläche zunehmend verwaiste legte Jason alte Pop- und Rockballaden auf, vermutlich, um den Abend mit melancholischen Erinnerungen an die guten alten Zeiten ausklingen zu lassen. Es waren Rausschmeißer-Songs, aber Harry und Draco schwankten noch immer über die Tanzfläche und versuchten, die Muggel-Lieder mitzusingen. „Never cared for what they say”, krakelte Draco und spielte das Luftgitarrensolo von James Hetfield so übertrieben, dass Harry sich vor Lachen bog, während er weiter den Drummer gab. „Nothing else matters” brummte er so tief wie möglich. Dann kam Bonnie Tylers „Total Eclypse of The Heart“. Harry hatte es seit Jahren nicht mehr gehört, aber der Text drang in seine Erinnerung, als ob er ihn als Kind auswendig gelernt hätte. Schwankend stand er inmitten der Tanzfläche, die Augen auf ein imaginäres Publikum gerichtet. “(Turn around) Every now and then I get a little bit lonely And you're never coming 'round” (Turn around) Every now and then I get a little bit tired Of listening to the sound of my tears Dean prostete ihm zu. Harry war verwirrt. Er drehte sich um. Wo war Draco? Ach da. Warum sang er denn nicht mit? (Turn around, bright eyes) Every now and then I fall apart (Turn around, bright eyes) Every now and then I fall apart Harry sang ein wenig lauter, sein Blick auf Draco geheftet. Er fühlte sich komisch, so bewegt von dem Lied. And I need you now tonight And I need you more than ever And if you only hold me tight We'll be holding on forever Harrys verlor den Rhythmus. Wie ging der Text doch noch? Als er wieder ansetzte, war seine Stimme so rau wie die von Bonnie Tyler. Er schmetterte sie Draco entgegen. I don't know what to do and I'm always in the dark We're living in a powder keg and giving off sparks Harry riss die Arme hoch. Funken flogen aus seinen Händen. Ups. Irgendjemand applaudierte. I really need you tonight Forever's gonna start tonight Forever's gonna start tonight Draco stand erstarrt vor ihm. Er wirkte ein wenig erschrocken. Harry musste lachen. Merlin, er war wirklich betrunken. Dennoch sang er weiter, wie unter Zwang. Er hatte Draco noch so viel zu sagen. Die Melodie wurde auf einmal schwermütig. Once upon a time I was falling in love But now I'm only falling apart Da war so ein Kloß in Harrys Hals. Seine Stimme drohte zu brechen. Außerdem schmerzte seine Brust. Dracos Augen, Dracos Augen… There's nothing I can do A total eclipse of the heart Harry kicherte freudlos und stand hilflos auf der Tanzfläche. Draco griff nach seiner Hand und zog ihn sanft zu sich. Harrys Zuhause. Er legte seine Stirn an Dracos Schläfe. Langsam wiegten sie zur Musik. Den Rest des Textes hauchte Harry an Dracos Wange, am Rand von Dracos Mund. Once upon a time there was light in my life But now there's only love in the dark Nothing I can say A total eclipse of the heart Dann berührten sich ihre Lippen.
***
Verschwommen dachte Harry, sein Kuss hätte hart sein sollen, wie eine Bestrafung für all das Leid, das Draco ihm zugefügt hatte. Aber er war betrunken und traurig und das war Draco, den er liebte. So saugte er nur zärtlich an Dracos Unterlippe. Draco schmeckte süß wie kostbarer Nektar, und Harrys Körper wurde warm und selig und ein bisschen schwindelig war ihm auch. Die Musik, die anderen Gäste, der kommende Morgen, nichts davon spielte eine Rolle. Aber … Oh! … Draco nahm Harrys Gesicht in beide Hände, öffnete den Mund und drang mit der Zunge in seinem Mund ein, heiß und fordernd. Harry reagierte instinktiv. Innerhalb weniger Sekunde loderte die Wärme in seinem Körper zu einem Feuer auf. Verlangend erwiderte er Dracos Kuss. Eng drängte er sich an ihn und glitt mit den Händen unter Dracos Hemd. Hätte Draco ihn nicht von der Tanzfläche gezogen, Harry wäre an Ort und Stelle sehr unanständig geworden. Er erinnerte sich nur entfernt daran, dass sie sich nicht im Duckie, sondern auf einer Hochzeitsfeier befanden. Auf den Weg aus dem Saal hinaus, griff Draco noch schnell nach ihren Anzugjacken, dann taumelten sie die Treppe zum Obergeschoss hoch. Sich küssend und umarmend bewegten sie sich in Richtung von Dracos Zimmer. Jedenfalls vermutete das Harry, denn er nahm kaum etwas anderes wahr als Dracos Lippen, seine Hände und seinen Körper. Es dauerte lange, bis Draco seinen Zimmerschlüssel aus der Tasche gefummelt und aufgeschlossen hatte. Zweimal fiel ihm der Schlüssel aus der Hand, was damit zu tun haben könnte, dass Harry sich von hinten an ihn drückte und seine rechte Hand vorne in Dracos Hose verschwinden ließ. Es half auch nicht gerade, dass Draco sich erst bückte und beim zweiten Mal hinkniete, um den Schlüssel wieder aufzuheben. Dracos festes Hinterteil an seiner Leistengegend war sehr verlockend. Das Gleiche galt für Dracos Kopf in Höhe von Harrys Körpermitte. Harry hatte den Verdacht, dass Draco es absichtlich machte. Kaum ging die Tür auf, fielen sie auch schon aufs Bett. Harry kniete über Draco und konnte ihn gar nicht schnell genug von seiner Kleidung befreien. Gierig umschloss er Dracos kleine, rosafarbene Nippel mit dem Mund und versuchte, sich gleichzeitig Hemd und Hose abzustreifen. Die Schuhe waren ein echtes Hindernis. Als er sich der lästigen Klamotten endlich entledigt hatte, fiel er direkt wieder über Draco her und bahnte sich mit den Lippen einen Weg hoch zu dieser reizvollen Stelle an Dracos Hals. Die Vorstellung, Dracos Haut mit seinem saugenden Mund zu markieren, bereitete Harry seltsame Freude. Wie schade, dass Magie diese süßen Flecke so schnell beseitigen konnte. Ebenso löste der Anblick von Dracos Sectumsempra-Narbe eine dunkle Befriedigung in Harry aus. Er hatte Draco gezeichnet. Draco würde sich nie ganz von ihm befreien können. Ein lustvolles Stöhnen glitt über Dracos Lippen, und Harry fühlte Dracos Magie so deutlich als wäre es seine eigene. Er konnte sie förmlich riechen und auf der Zunge schmecken. Er hätte sich gerne Zeit gelassen und ihn genüsslich auseinandergenommen. Ihn zum Zittern und Stöhnen gebracht, bis er Harry anbettelte, ihn kommen zu lassen und Harrys Name den Raum ausfüllte. Doch die Sehnsucht nach Draco entlud sich wie eine Explosion, die Zurückhaltung unmöglich machte. Alles in Harry strebte nach dem Augenblick der Vereinigung, nach dem Moment, in dem Draco sein war, nur ihm gehörte. „Ich will dich, Draco. Ich will dich jetzt.“ „Wie willst du mich?“, fragte Draco zurück. Seine Stimme war rau. „Ich weiß nicht, ich kann nicht denken. Hauptsache jetzt, sofort und nah, ganz nah.“ Draco lachte. Harry verstand nicht warum, es war ihm alles so ernst. Er wusste auch kaum, wo er Draco zuerst berühren sollte, getrieben von seinem Verlangen und gleichzeitig ungeschickt in seiner Fahrigkeit. Draco löste das Problem, indem er Harry flach auf sich zog und küsste. Harry seufzte vor Glück über das Gefühl von Dracos nackter Haut an der seinen. „Dann nimm mich, Harry“, flüsterte Draco zwischen ihren Küssen. „Aber sei vorsichtig. Ich hatte sehr lange keinen Sex mehr. Das letzte Mal war mit dir.“ Was? Harrys Herz machte einen freudigen Hüpfer. Erleichterung überschwemmte seinen Körper mit einer Flut an Glückshormonen. Auf einmal war jede Eile wie weggeblasen. Oh, er würde Draco vorbereiten. Er hatte viel Zeit. Draco hatte sich keinen anderen Liebhaber genommen. Harry würde ihn dafür belohnen, so gut belohnen. Er sprach die nötigen Zauber wie ein Mantra und deutete Draco an, sich umzudrehen und hinzuknien. Dann leckte er alles, was er erreichen konnte, feucht und gierig und berauscht von Dracos Geschmack und seinem Geruch. Harrys Zunge fand den feinen Muskelring und schob sich aufreizend darüber. Draco keuchte auf und Harry ahnte, wie er in dem Moment aussah, die Augen halb geschlossen, den Mund geöffnet, rote Flecken auf den Wangen. Harry war so unglaublich angetörnt, er wusste nicht, wie er durchhalten sollte. Als Draco soweit war schob er seinen Finger tief in ihn hinein und rieb seine empfindlichste Stelle. Gleichzeitig umfasste er Dracos Glied und pumpte den Schaft. Draco drückte sich Harrys Finger entgegen und zog sich wieder zurück, bestimmte den Rhythmus. Er murmelte Bestätigungen und kleine Anweisungen. „Tiefer. Ja, so, so ist es gut. Oh Merlin, ja-a. Schneller. Noch einen. Harry, ich brauche mehr, bitte. Oh-ah.“   Harry überließ Draco die Kontrolle. Er selbst befand sich am Rand der Klippe  und konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, nicht loszulassen. „Harry…jetzt. Ich bin soweit, ich bin soweit. Gib mir… gib mir…“ Harry befeuchtete sein Glied. Dann kniete er sich dicht hinter Draco und glitt mit einer einzigen fließenden Bewegung in ihn hinein. Er zog Dracos Oberkörper zu sich heran, so dass er seine gesamte Vorderseite an Dracos Rücken pressen konnte. Kraftvoll stieß er nach oben, vergrub sich in Draco, pfählte ihn wieder und wieder. Es gab keine Grenze mehr, wo der eine aufhörte und der andere begann. Endlich wieder zusammen, endlich wieder eins. „Gott!“ und „Ja!“ und „Ah!“ rief Draco. Es war Musik in Harrys Ohren. Harrys freie Hand glitt über Dracos Bauch und Brust. Er kniff leicht in seine Brustwarzen, hielt Dracos Kehle umfasst. Schon bald wimmerte Draco und flehte Harry an, ihn zu erlösen, ganz so wie Harry es sich erträumt hatte. Harry ließ noch einmal seine Hand über Dracos Glied gleiten, den Daumen an der Eichel. Ein letzter Stoß. Ihre Magie vereinigte sich, ihre Körper waren verschmolzen. „Harry“, rief Draco und ergoss sich zitternd über die Bettdecke. Nichts konnte Harry mehr halten. Er kam in langen, intensiven Eruptionen. Schweratmend sanken sie auf die Matratze. Draco drehte sich sofort auf die Seite. Er legte einen Arm um Harry und drückte sein Gesicht an dessen Schulter. Dann schlief er ein. Harry folgte ihm wenige Sekunden später.
***
Harrys Kopf dröhnte, als er wenige Stunden später durch ein Klopfen an der Tür geweckt wurde. „Harry? Bist du da drin? Du wirst beim Frühstück erwartet!“ Deans Lachen, Schritte. Harry hob den Kopf und öffnete die Augen einen Spaltbreit. Blitze zuckten durch seinen Kopf. Ermattet ließ er sich zurück in die Kissen sinken und versuchte zu verstehen, wo er sich befand. Abgesehen von den Kopfschmerzen fühlte sich alles ganz wunderbar vertraut an. Wie früher. Die Erkenntnis kam mit einem Schlag. Draco. Die Hochzeit. Bonnie Tyler. Der Sex. Oh mein Gott. Harry öffnete nun doch die Augen und schaute nach links, wo ein wohlbekannter und sehr nackter Körper neben ihm auf der Matratze lag. Harry hätte sich am liebsten in ein Loch verkrochen. ‘Total Eclipse of My Heart‘. Draco wollte Freundschaft und Harry hatten ihn ins Bett gezerrt. Oder war es anders herum gewesen? Egal. Die Nacht würde Konsequenzen haben. Fragte sich nur, welche. Was, wenn Draco zu dem Schluss kam, dass eine Freundschaft mit ihm nicht möglich war, jetzt, wo Harry bereit war, sich auf eine einzulassen? Er würde mit Draco reden müssen. Schwerfällig erhob sich Harry vom Bett und versuchte, das leichte Übelkeitsgefühl und den schmerzenden Kopf zu ignorieren. Er brauchte einen Anti-Kater-Trank, aber den würde er bei Draco nicht finden, oder doch? Immerhin studierte Draco Zaubertränke und konnte sich alles brauen, was nötig war. Harry ging ins Badezimmer und schaute in Dracos Kulturbeutel. Da war tatsächlich ein Fläschchen, aber die Portion würde gerade mal für eine Person reichen. Dann musste Harry eben bei jemand anderen schnorren. Dean! Dean dachte immer an so etwas. Harry zog sich gerade die Hose an, als ein weiteres Klopfen erklang. Dieses Mal war es Mary. „Draco? Kommst du zum Frühstück. Wir müssen das Hotel bis 11 Uhr räumen. Es ist schon nach zehn.“ Harry sah, wie Draco sich auf den Rücken rollte und die Augen aufschlug, sie schnell wieder zumachte und sich an die Stirn fasste. „Au.“ „Morgen“, flötete Harry und bereute den schrillen Ton sogleich. „Ich gehe mal rüber in mein Zimmer zum Duschen. Kommst du runter zum Frühstück, ja?“ Draco brummte etwas Unverständliches. Harry wiederstand dem Drang, zu ihm zu gehen. Bevor er aus dem Zimmer schlüpfte, meinte er noch mit einer Mischung aus Unsicherheit und Schärfe: „Wir müssen reden, also verschwinde nicht, bevor wir das nicht getan haben.“ Eine halbe Stunde später erschien Harry frisch geduscht und mit gepackter Tasche im Frühstücksraum. Viele der anderen Hochzeitsgäste sahen auch nicht fitter aus als Harry, wie er mit Genugtuung feststellte. Trotzdem brachten sie die Energie auf, ihm vielsagende Blicke zuzuwerfen. Als sich Harry am Büffet einen Kaffee einschenkte, erschien Draco neben ihm und drückte zur Begrüßung leicht die Schulter gegen Harrys. Draco roch frisch und ein paar Haarspitzen waren noch feucht. „Na?“, machte er. Harry wurde rot. Er fühlte sich etwas überfordert von der Situation. Erst recht, als er merkte, dass die anderen ihn noch immer beobachteten. Neugieriges Pack! „Du wolltest mit mir reden?“, hakte Draco nach. „Oder möchtest du mir lieber noch ein Ständchen halten?“ Harry wäre gerne auf Dracos Frotzelei eingegangen, aber seine emotionale Gesangseinlage am Vorabend war ihm viel zu peinlich, um darüber Witze zu machen. „Lass uns einen Platz auf der Terrasse suchen“, antwortete er daher nur leise. Während Draco sich ein englisches Breakfast auf seinen Teller lud und noch einmal losging, um Orangensaft und Jogurt zu besorgen, wartete Harry draußen an einem der Tische. Es hatte am Morgen geregnet, daher waren keine Plätze eingedeckt, aber unter einer Linde, deren Blätterdach noch über die Terrasse reichte, fand er eine trockene Holzbank mit Tisch. Draco setzte sich neben ihn und begann, in aller Seelenruhe zu frühstücken. „Alles gut?“, fragte er nach einer Weile des Schweigens. „Hm“, machte Harry und verstummte wieder. „Möchtest du nichts essen?“ „Nein, mir ist nicht gut.“ „Ah. Ich habe einen sehr guten Anti-Kater-Trank…“ „Ich habe schon einen von Dean.“ „Na dann.“ Draco spießte ein bisschen Rührei auf die Gabel. Er sah Harry erwartungsvoll an. „Also… äh“, Harry wusste nicht, wie er anfangen sollte. „Das gestern, das mit dem Lied...“ „Ja?“ Draco legte seine Gabel an den Tellerrand und nippte stattdessen an seinem Cappuccino. Er wandte die Augen nicht von Harry ab. „Also, das… ich weiß auch nicht. Das war nicht so gemeint, wie es aussah.“ „Nein?“ Draco blinzelte. „Nein. Doch. Aber ich meine, es hat nichts zu bedeuten.“ „Und der Sex auch nicht?“, fragte Draco fast zu sanft. „Ähm.“ Harry räusperte sich. „Doch, aber nicht, wenn…wenn…“, Er sah hilflos zu Boden. „Ich meine, wir können trotzdem Freunde sein. Das muss nicht noch einmal passieren. Ich möchte nicht, dass es zu einem Problem wird.“ Harry knibbelte mit dem Fingernagel etwas Dreck von vom Holz des Tisches und warf einen schnellen Blick auf Draco. Der sah ihn unverwandt an. Harry schaute zurück auf dem Fleck. Er holte Luft. „Ich möchte nicht, dass wir deswegen keinen Kontakt mehr haben. Ich möchte dich nicht noch einmal verlieren wegen eines … Ausrutschers. Ich habe meine Gefühle unter Kontrolle.“ Plötzlich legte sich eine Hand auf die seine. Harry schaute hoch. Draco Gesicht war vollkommen ernst. Er zog Harrys Hand zu seinem Mund und drückte seine Lippen auf Harrys Handrücken. Dann sah er Harry direkt in die Augen. „Es bedeutet mir aber etwas, und ich möchte, dass es noch einmal passiert. Viele Male.“ Harrys Herz stockte. Draco kam ein wenig näher und hielt Harrys Hand fest umschlossen. „Ich bin nicht nur wegen der Hochzeit nach England gekommen, sondern auch, um mit dir zu reden. Ich hätte es dir schon gestern gesagt, aber ich war so…überwältigt, dich wiederzusehen. Ich hatte dich so sehr vermisst.“ In Dracos Gesicht lag so viel Verletzlichkeit, Harry hielt den Atem an. „Ich habe mir eingeredet, Freundschaft würde mir reichen. Die Wahrheit ist, es war die Hölle. Noch schlimmer war es allerdings, gar nichts mehr von dir zu hören.“ Draco lächelte schief. Harry wollte etwas sagen, aber Draco fuhr fort: „Ich habe schon so viele dumme Dinge in meinem Leben gemacht und so viele falsche Entscheidungen getroffen. Deine Liebe zurückzuweisen, war mit das Dümmste, was ich getan habe, und es tut mir leid, Harry. Es tut mir unendlich leid. Ich war…ich konnte nicht klar denken nach Gregs Tod. Oder vielleicht brauchte ich auch einfach Zeit für mich, Abstand. Die Sache mit Greg hat mich so runtergezogen, ich habe einfach nicht mehr gewusst, was ich fühlen sollte…fühlen durfte.“ Draco holte Luft. Seine Augen waren ganz klar und er sprach mit Bestimmtheit: „In New York ist mir vieles klargeworden. Ich liebe dich, Harry. Nicht erst seit New York. Merlin, schon lange davor, aber ich dachte nicht, dass ich deiner Liebe wert bin. Ich konnte mich nicht neben dir sehen. Aber das kann ich jetzt. Ich weiß nicht, ob es zu spät ist, aber ich werde alles tun, was nötig ist, damit wir zusammen sein können. In zwei Wochen hört meine Bewährungszeit auf. Ich bin dann frei und ich kann machen, was ich will. Wenn du keine Fernbeziehung willst, dann komme ich zurück nach London. Ich habe dann zwar einen Haufen Schulden wegen des abgebrochenen Studiums, aber ich kann  mir eine Arbeit suchen. Ich möchte mit dir zusammen sein. Ich werde dich nicht noch einmal verletzen. Ich liebe dich, ich …“ Weiter kam er nicht, denn Harry verschloss Dracos Mund mit seinen Lippen. Es waren zärtliche Küsse, voller Liebe und Hingabe. Harry zog Draco zu sich, näher und noch näher, bis Draco auf seinem Schoß saß. Draco küsste Harrys Gesicht, seine Wangen und Augenlider. „Ich liebe dich“, flüsterte er, und: „Du bist das Wichtigste auf der Welt.“ Harry hörte auch, wie Draco um Verzeihung bat. „Es gibt nichts zu verzeihen“, hauchte er atemlos zurück. „Du hast mir so gefehlt. Hauptsache, jetzt ist alles gut. Hauptsache, du verlässt mich nicht noch einmal.“ Sie klammerten sich aneinander. Dracos Augen waren feucht. „Das werde ich nicht. Ich liebe dich. Ich habe dich so sehr vermisst.“ Als sie einige Minuten später in den Frühstücksaal zurückgingen, waren die Plätze verwaist und das Personal räumte das Büfett ab. Sie nahmen ihre Koffer und liefen Hand in Hand durch den Eingangsbereich hinaus auf den Vorplatz, wo sich die anderen bereits zum Aufbruch versammelt hatten. Kaum traten Harry und Draco nach draußen, wurden sie von Klatschen und Pfiffen empfangen. Dean johlte und Hermine und Ron kamen auf sie zu und umarmten sie beide, als hätten sie ihre Verlobung bekannt gegeben. Harry schwebte viel zu sehr auf einer rosa Wolke, als dass ihm die öffentliche Anteilnahme seiner Freunde peinlich gewesen wäre. Das allgemeine Durcheinander wurde von Hermines Vater unterbrochen, der in einem schwarzen, mit Girlanden und einem „Just married“-Schild geschmückten Oldtimer in den Hof einfuhr. Alle Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf das Brautpaar, das sich von seinen Gästen mit Umarmungen und Küsschen verabschiedete und dann in den Wagen stieg. In London wartete bereits ein Portschlüssel nach Neuseeland, wo sie ihre Hochzeitsreise verbringen wollten. Harry umarmte Ron als letzter. Als er Ron wieder freigab, fragte dieser: „Wirst du jetzt also nach Amerika auswandern?“ Harry zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie wir das alles regeln werden. Ich weiß nur, dass jetzt alles gut wird.“ Draco, der Rons Frage mitbekommen hatte, schlang von hinten seine Arme um Harry und bekräftigte fröhlich: „Wir kriegen das hin und es wird nicht nur gut. Es wird großartig!“ „Ja, das wird es“, bestätigte Harry und strahlte über das ganze Gesicht. Er war noch nie so glücklich gewesen. Die Zukunft war ein Geschenk voller Möglichkeiten, und er freute sich darauf, es zusammen mit Draco auszupacken.
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