Baroque Rocks
Lustwandeln - was herrlich altmodisch klingt, wurde 2015 ohne an Charme einzubüßen für das digitale Zeitalter neu erfunden und hat im Oktober 2016 in seiner 2. offiziellen Auflage in der prachtvollen Schlossanlage Schleißheim einen (hoffentlich nur vorläufigen) Höhepunkt erreicht.
das Neue Schloss Schleißheim - das Bayerische Versailles - haben wir Max Emanuel zu verdanken. #Lustwandeln pic.twitter.com/byW0M6CAr8
— Anja (@PyriteSoulfox)
8. Oktober 2016
Angefixt.
Lustwandeln in Nymphenburg - für mich eigentlich fast alltäglich, ist dieser wunderbare Park doch beinahe mein “Hinterhof”. Als zum Launch der Nymphenburg App zum allerersten Lustwandeln eingeladen wurde - einer eigens konzipierten Führung behind the scenes - war klar: ich will dabei sein.
Bei allerbestem Frühlingswetter bekamen wir die Möglichkeit, Park und Parkburgen unter fachkundiger Anleitung neu zu entdecken: Warum sind manche Bäume gesondert markiert? Wie war das Gartenparterre ursprünglich gestaltet? Warum wachsen an genau einer Stelle am Badenburger See besonders viele Schlüsselblumen? Als echtes Highlight durften wir zudem den Pavillon im Kronprinzengarten besichtigen.
#Lustwandeln in Nymphenburg hat Lust gemacht auf mehr: heute geht’s in Schleißheim behind the scenes! pic.twitter.com/lFTpwq7ZmD
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8. Oktober 2016
Ein geglückter Brückenschlag zwischen analogem Er-Leben und digitaler Reichweite - Lust auf mehr? Unbedingt!
Baroque rocks.
Wenn Lustwandeln in Nymphenburg für mich im Grunde Pflicht war, so war Schleißheim die Kür: die Schlossanlage, unser “Bayerisches Versailles”, zählt zu meinen liebsten und meistbesuchten Ausflugszielen im näheren Münchner Umland (dringende Empfehlung: mit dem Rad entlang der Würm, dem Würm- und dem Schleißheimer Kanal vom Schloss Nymphenburg nach Schleißheim und zum Schloss Dachau).
#Lustwandeln in Schleißheim - das letzte Mal war ich im Sommer hier. pic.twitter.com/dNxqPs0dvh
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8. Oktober 2016
Der Herbst empfing uns eher mürrisch - aber was macht das schon angesichts eines so prächtigen Schlosses!
durch das prächtige Vestibül mit Blick über das Gartenparterre zum Schloss Lustheim betritt man das Neue Schloss. #Lustwandeln pic.twitter.com/FKLjcmj2nF
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8. Oktober 2016
Wie einst die Gäste des Blauen Kurfürsten, wenn auch ungleich zwangloser, begannen wir unseren Besuch des Neuen Schlosses: die Renaissance - das Alte Schloss - sprichwörtlich im Rücken, gibt das Vestibül bereits den Blick frei auf das herrliche Gartenparterre, das wir leider nicht mehr im sommerlichen Farbenmeer erleben konnten, dafür sollte uns aber später der Obstgarten mehr als entschädigen.
vor einigen Jahren wurde das Schleißheimer Gartenparterre saniert - ein wertvolles Blumenparterre, im Sommer besonders schön! #Lustwandeln pic.twitter.com/Lwd8WXrnFv
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8. Oktober 2016
Die imposante Treppe ins Obergeschoss entfaltet auch heute noch ihre Wirkung auf Besucher: der Hausherr stellt sich vor - und gebietet Respekt.
der Besucher wird schon im Treppenhaus auf seinen Gastgeber eingestimmt: bayerischer Kurfürst, Aeneas als Vorbild. #Lustwandeln pic.twitter.com/Sb41Z7L7uE
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8. Oktober 2016
den Beinamen Blauer Kurfürst erhielt Max Emanuel im Krieg gegen die Türken: die Köpfe seiner Gegner in Stuck verewigt. #Lustwandeln pic.twitter.com/LOc3ynw1mn
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8. Oktober 2016
Der Weiße Saal war bei unserer Führung bestuhlt - ein wahrhaft fürstliches Ambiente für Konzerte. Leer wirkt der Raum umso beeindruckender und erzählt, ebenso wie der Viktoriensaal, von Max Emanuels militärischen Erfolgen und Machtansprüchen.
der Gardesaal unbestuhlt - im Deckengemälde wieder Aeneas, rundum verweise auf Max Emanuels Erfolge gegen die Türken. #Lustwandeln pic.twitter.com/x1liVcqBwG
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8. Oktober 2016
im Viktoriensaal (Speisesaal) zelebrierte Max Emanuel seine militärischen Erfolge. #Lustwandeln pic.twitter.com/4Dx5Luy1eS
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8. Oktober 2016
Privat gab sich der Blaue Kurfürst eher friedlich und kunstsinnig: die Galerie des Neuen Schlosses - entworfen von Robert de Cotte, dem Star des frühen französischen Rokoko - führt zu den kurfürstlichen Appartements.
Kunst & Frieden statt Krieg: die Galerie zwischen den Privatgemächern, Wiege der Bayerischen Gemäldesammlung. #Lustwandeln pic.twitter.com/xt88adKcyJ
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8. Oktober 2016
… die Besichtigung der kurfürstlichen Privatgemächer lohnt übrigens wirklich. #Lustwandeln pic.twitter.com/3gDn7I8QZO
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8. Oktober 2016
Für den komfortablen Aufenthalt des Kurfürsten in seiner Sommerresidenz sorgte ein ganzes Heer Bediensteter, die weit weniger luxuriös logierten - je niedriger der Status der Dienstboten, desto weiter oben im Schloss lagen ihre Kammern.
dem Kurfürsten auf’s Dach steigen… #Lustwandeln pic.twitter.com/gcs10uh2sD
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8. Oktober 2016
das niedrige Gesinde hatte die heissesten und höchsten Schlafkammern - aber für uns ist die Aussicht großartig. #Lustwandeln pic.twitter.com/gnMZmTdU25
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8. Oktober 2016
Für uns galt das genaue Gegenteil: wir durften sehen, was Schlossbesuchern üblicherweise meist verborgen bleibt - und vom Dach des Schlosses diesen sensationellen Blick über das Gartenparterre genießen. Luxus pur!
cat on a not so hot tin roof… nicht nur behind, sondern on top of the scenes im Neuen Schloss Schleißheim. wow. #Lustwandeln pic.twitter.com/uyDxAy42e9
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8. Oktober 2016
Vom Dach aus ist die intelligente Gartenarchitektur mit den stufenweise angelegten Brunnen besonders gut zu erkennen; ursprünglich sah der Garten allerdings noch etwas anders aus - als passionierter Maille-Spieler nutzte der Kurfürst das Gelände gerne ein wenig anders. Später trug Carl von Effner maßgeblich zum Erhalt des wertvollen Blumenparterres bei: als der Englische Landschaftsgarten bereits angesagt war, bewahrte er entgegen des Trends die barocke Gestaltung.
Effner rekonstruierte die barocke Gartenstruktur als Englische Gartenplanung “in” war, nutzte aber neue Pflanzen. #Lustwandeln pic.twitter.com/7omB7eAwqK
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8. Oktober 2016
Carl von Effners Mrs. Pollock im Gartenparterre! #Lustwandeln pic.twitter.com/ythJDTy3mS
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8. Oktober 2016
Das Gartenparterre musste im 20. Jahrhundert weitere Male restauriert werden: im Krieg verwüstet (Fluch und Segen: der Schleißheimer Flugplatz - ohne die direkte Nähe zum Flugfeld wäre der Garten vielleicht weniger massiv zerstört worden, andererseits hinterließen viele Fluggäste unbezahlbare Luftaufnahmen, die bei der Rekonstruktion des Gartens halfen), wurde das Blumenparterre nach 1945 überpflanzt. Erst durch akribische, gartenarchäologische Detektivarbeit konnte das Parterre authentisch wiederhergestellt werden.
Effner reconstructed: das Gartenparterre musste (nach veränderter Überpflanzung nach 1945) von Archäologen rekonstruiert werden#Lustwandeln pic.twitter.com/zgRQ6xGUPS
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8. Oktober 2016
sogar der Kies erzählt Geschichte(n): kein Kalkstein im Gartenparterre sondern (archäologisch belegt) Landshuter Quarzkies. #Lustwandeln pic.twitter.com/fqS2Z2pFPT
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8. Oktober 2016
Das Schleißheimer Gartenparterre stellte sich dabei sogar als Unikat heraus: der als Längenmaß verwendete Fuß ist kürzer als alle üblicherweise im bayerischen Raum dokumentierten Fußmaße. Hier mussten die Restauratoren auf intensive mathematische Spurensuche gehen, wie Landschaftsarchitekt Michael Degle uns anschaulich erläuterte.
Detektivarbeit Gartenkunst: in Schleißheim wurde offenbar mit einem eigenen Längenmaß gemessen - ein anderer ‘Fuß’ als anderswo#Lustwandeln pic.twitter.com/GXOGCa3LYQ
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8. Oktober 2016
Fibonacci, greifbar.
Schleißheim kann nicht nur schick sondern auch nützlich - jetzt geht’s durch’s Boskett zum Obstgarten. #Lustwandeln pic.twitter.com/Om1vfvhXCP
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8. Oktober 2016
Zu diesem Zeitpunkt hatte wir, immer noch gnadenlos wissbegierig, den Zeitplan bereits gesprengt, und Petrus schien seine Geduld mit uns zu verlieren - im Gegensatz zu unseren bewundernswert unermüdlichen Gastgebern, die uns mit dem Muttergarten noch das Kontrastprogramm zum sorgfältig strukturierten Barockgarten präsentierten.
Schleißheim war landwirtschaftliches Mustergut, der Obstbau wird heute noch betrieben (incl. Schnapsbrennerei). #Lustwandeln pic.twitter.com/o9qZkLwlrZ
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8. Oktober 2016
Renetten, Parmänen - und ein Übersetzungs-Fauxpas: Wir durften uns durch diverse alte Apfelsorten probieren und darüber schmunzeln, dass die Spitalrenette Opfer mangelnder Englischkenntnisse deutscher Pomologen aus dem 19. Jahrhundert wurde, die den Herkunftsort Sykehouse kurzerhand in ein sick-house verwandelten (sorry, Yorkshire…).
seltene & alte Obstsorten im Muttergarten - sieht nicht perfekt supermarkttauglich aus, schmeckt sensationell. #Lustwandeln pic.twitter.com/NZZv6NDTyh
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8. Oktober 2016
Schleißheimer Obst kann man nicht nur frisch vom Baum (den herbstlichen Obstverkauf haben wir uns wohl alle als Jour Fixe in unseren Kalendern markiert) sondern auch in hochprozentiger Form genießen: Hofgartenbetriebsleiter Alexander Bauer öffnete uns neben diversen ansonsten verschlossenen Türen auch den Spirituosenkeller, krönender Abschluss unserer so wunderbar anderen, ganz besonderen Schlossführung - einige Flaschen aus diesem Keller dürften an diesem Tag ein neues Zuhause gefunden haben.
krönender Abschluss: der Spirituosenkeller. Brände & Liköre aus Schleißheimer Obst - die Schlösserverwaltung gibt einen aus 😉#Lustwandeln pic.twitter.com/oANkgfAhik
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8. Oktober 2016
Die Quadratur des Kreises?
Lustwandeln schlug ein, eroberte auf Twitter sogar bereits vor dem offiziellen Start einen Platz unter den trending topics, und inspirierte on- und offline - nicht nur in unseren bayerischen Barockgärten lässt es sich wunderbar lustwandeln. Sicherlich nicht zuletzt weil es ein wenig kurios wirkt - immerhin haben wir die Bewaffnung mit Smartphones als dreiste Ungehörigkeit im Umgang mit Kunstschätzen verinnerlicht - begleitete auch die Presse unseren Social Walk und bewies damit im Grunde, was mitunter in Frage gestellt wird: Relevanz und Außenwirkung.
Wer die Berichterstattung in den klassischen Medien verfolgt, könnte allerdings (leider) zuweilen den Eindruck gewinnen, es handle sich bei Social Walks wie dem Lustwandeln um Nischeninteressen innerhalb einer überschaubaren social media community oder im Rahmen von Marketingmaßnahmen. Dabei kann im Gegenteil ein informativer Mehrwert für alle Interessierten entstehen: es gibt keine definierte Zielgruppe, auf die Präsentation und Inhalte zugeschnitten wären. Den besonderen Charme macht das breit gefächerte Spektrum der Teilnehmer aus; die berühmt-berüchtigte social media-Filterblase wird so bewusst zum Platzen gebracht. Jeder Teilnehmer trägt das Erlebte individuell weiter - wer #Lustwandeln (ver-)folgt, erhält gebündelt so verschiedene Eindrücke, dass ein viel umfassenderes, spannenderes und vielfältigeres Gesamtbild entsteht als es eine gezielte Kampagne je vermitteln könnte. Dabei wird (hoffentlich) auch deutlich, wie viel mehr man unseren Museen und (Bau-)Denkmälern noch abgewinnen kann, wenn man sich auf sie einlässt - und dass man eigentlich nie genug gesehen haben kann.
Das oft zitierte und leider immer noch gern bemühte Klischee, die Teilnehmer an Social Walks könnten den Inhalten nur teilweise folgen, weil die Smartphones zu viel Aufmerksamkeit beanspruchen, trifft nur bedingt zu: genau wie bei jeder anderen Führung wird betrachtet, gelauscht, entdeckt - und man legt dazwischen einiges an Wegstrecke zurück. Zuhören und zusehen, fotografisch festhalten und Notizen machen oder twittern lassen sich also durchaus unter einen Hut bringen. Wie für die Teilnahme an klassischen Führungen gilt: wie viel Ablenkung man zu- und wie intensiv man sich auf die Führung einlässt, entscheidet jeder Teilnehmer für sich.
Das Fazit einer Kuratorin, die im Rahmen des Tweetwalks #Spurenleser durch eine Ausstellung in der Pinakothek der Moderne führte, ist wohl bespielhaft: sie habe nie eine so konzentrierte, fokussierte Besuchergruppe erlebt.
Spricht für sich, oder?
Merci beaucoup!
Es braucht Mut und Aufgeschlossenheit, sich auf das Experiment Social Walk einzulassen und Projekte wie Lustwandeln zu realisieren; zudem zeugt es von großem Vertrauen in die Organisatoren sowie die Teilnehmer, wenn Besuchern in einem solchen Rahmen derart einmalige und exklusive Einblicke ermöglicht werden. Die perfekt vorbereitete und koordinierte Führung ließ erahnen, wie aufwändig die Vorbereitungen gewesen sein müssen; Tanja Praske ist es auch diesmal wieder gelungen, mit kompetenten und charmanten Experten der Schlösserverwaltung das Neue Schloss Schleißheim und die Gartenanlagen so vorzustellen, dass mit Faszination und Begeisterung der Blick für außergewöhnliche Details geschärft wurde.
zu Gast beim Kurfürsten - beeindruckender Dachspaziergang, Gartenarchäologie, sensationelle Äpfel ☞ https://t.co/KlVL5EOPYU #Lustwandeln pic.twitter.com/VU52UQSsDn
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9. Oktober 2016
Neue Perspektiven, exklusive Einblicke, faszinierendes Kulturerbe - und das alles völlig entstaubt mit viel Freude und Enthusiasmus: Lustwandeln inspiriert, mit offenen Augen Altbekanntes neu zu entdecken und Unbekanntes zu erkunden und verbindet scheinbar mühelos analoges und digitales Erleben, Geschichte und Gegenwart, Kultur und Vergnügen. Best practice.
tl;dr
ein neuer Blick auf Altbekanntes: beim #Lustwandeln das Neue Schloss Schleißheim & den Obstgarten neu entdeckt. großartig! pic.twitter.com/Jc43Oi0llt
— Anja (@PyriteSoulfox)
9. Oktober 2016
Nachlesen.
Entdecken.
Baroque? rocks!
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