Tumgik
#worldalcoholismday
agatha-abstinent · 8 years
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Tag 747 / Da ich ja gar nicht mehr abhängig bin, trinke ich jetzt einfach weniger. - Ein Rückfall ist keine Katastrophe, sondern erstmal nur ein Ausrutscher.
Sehr geehrte Frau XYZ,
Mitte Februar habe ich, derzeit trockene Alkoholikerin, den Rundbrief der DHS erhalten. Sowohl in der Email, als auch im Rundbrief werben Sie für die "Aktionswoche Alkohol" unter dem Motto "Weniger ist besser!" Mich triggert das. Für Suchtkranke ist "weniger" nicht besser. Für Suchtkranke ist "nichts" die einzige Überlebenschance. Wenn ich lese "Alkohol? Weniger ist besser!", wird mein Suchtgedächtnis aktiviert und ich komme auf fatale Ideen.
Ich verstehe nicht, dass Sie von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen überhaupt eine solche Alkohol-Promotion machen müssen, zumal es ja auch die Kampagne "Kenn dein Limit" der BZgA gibt.
Genauso irritierend ist für mich, dass Sie in der rechten Spalte auf Ihrer Website unter "Alkohol? Weniger ist besser!" aufmerksam machen für "Unabhängig im Alter - Suchtprobleme sind lösbar" und "Sucht am Arbeitsplatz". "Weniger", "unabhängig" und "Sucht" lese ich da wieder gefährlich nah beieinander, obwohl sie im Konflikt miteinander stehen.
Das Logo der "Aktionswoche Alkohol" zeigt mir, mit meinem Blick als Alkoholabhängige eine segnende Hand über einem Bier- und einem Weinglas. Für mich ist das ein Missbrauch der segnenden und behütenden Geste aus dem Christentum und anderen Religionen. Konsequenter wäre, wenn diese Hand um 45 Grad nach rechts gedreht wäre zur ablehnenden Geste. Denn um "weniger" zu trinken, müsste man als noch nicht Abhängiger hin und wieder ablehnen. Ich frage mich, wie Sie von der DHS "weniger" definieren. Seit meiner zweiten Alkoholentgiftungsbehandlung, nach der ich leider wieder trinken musste, weiß ich, dass der Mensch vier Tage benötigt, bis er körperlich vom Alkohol entgiftet ist. Wenn also Institutionen wie die Ihre lediglich zwei bis drei alkoholfreie Tage in der Woche empfehlen, z.B. in Ihren "10 wichtigsten Regeln" befindet sich das Zell- und Nervengift Alkohol doch permanent in den Suchtmittelkonsumenten.
Je mehr ich mich über Ihre Aktionswoche informiere, desto mehr stört mich auch der Titel. Warum heißt sie nicht "Aktionswoche Alkoholfreiheit"? Oder wie es ja auch den Weltkrebstag, den Welt-Nichtrauchertag, den Deutschen Lebertag gibt, warum kann die DHS keine "Aktionswoche Alkoholabhängigkeit" machen?
In einer Ihrer Fallgeschichten zur "Aktionswoche Alkohol" steht "Wolfgang war abhängig". Und "Wolfgang gehörte zu den 1,7 Millionen alkoholabhängigen Menschen in Deutschland." Mal abgesehen davon, dass sich sein Weg recht bilderbuchmäßig liest, verstehe ich in diesem Kontext die Vergangenheitsform nicht. Ist das wirklich so, dass ich seit zwei Jahren, die ich bisher abstinent lebe, aus der Statistik der Alkoholabhängigen herausfalle? Dabei dachte ich, ich sei gerade erst mit meiner Krankheitseinsicht und dem Schritt, mich in Behandlung zu begeben, offiziell zu den nicht ganz zwei Millionen deutschen Alkoholikern gestoßen. In meinen Überweisungen, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Krankenhausberichten stand letztes und steht dieses Jahr immer noch F10.2 "Alkoholabhängigkeitssyndrom" als Diagnose.
Ist es Ihrer Ansicht nach falsch, dass die Ärzte unterschiedlicher Ambulanzen und Kliniken mich trotz 24 Monaten Abstinenz weiter für abhängig halten?
Wenn ich mir nicht regelmäßig vergegenwärtigen würde "Ich BIN süchtig, eine Alkoholabhängige, eine Alkoholikerin und ich BLEIBE es" (anders als die Verbform in den Fallbeispielen "Wolfgang" und "Rolf"), dann käme ich doch wirklich irgendwann auf die Idee "Alkohol? Weniger ist besser!", dann versuche ich es einfach mal mit weniger Alkohol, nur mit eins, zwei Gläsern Wein am Abend.
Und dadurch lande ich im Rückfall, der mir mit meinem Wissen über meine Krankheit, die ich ein Leben lang behalte, auf Ihrer Seite zum "Alkoholrückfall" zu sehr verharmlost wird. Die aller-, allerwenigsten kommen aus dem Rückfall raus, indem es ein einmaliger Vorfall war. Manche erst nach einem oder mehreren Jahren. Manche gar nicht.
Um nicht an Alkoholismus zu sterben, muss ich Ihrer Alkohol-Woche die Worte von Rem Koolhaas entgegensetzen: "Wenn weniger mehr ist, dann ist 'nichts' vielleicht alles."
Meine letzte Anmerkung: In Ihrem Rundbrief 1/2017 hat sich in den Link zur Rückfallwebsite ein Rechtschreibfehler eingeschlichen, dort ist ein T zu viel, daher funktioniert der Link leider nicht. http://www.alkToholrueckfall.de
Mit freundlichen Grüßen, Agatha Abstinent
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http://agatha-abstinent.tumblr.com/
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agatha-abstinent · 6 years
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Tag 1185 / There is still no „World Alcoholism Day“
Wie viele Menschen leben in Deutschland mit Alkoholabhängigkeit?
a) etwa 10 b) etwa 10.000 c) etwa 1.300.000
Wie viel Prozent der Menschen in Deutschland mit Alkoholabhängigkeit begeben sich in eine Behandlung dieser Erkrankung?
a) etwa 10% b) etwa 50% c) etwa 99%
Wie viel Prozent der Menschen in Deutschland mit Alkoholabhängigkeit überleben diese Erkrankung / leben langfristig trocken?
a) etwa 10% b) etwa 5% c) etwa 3%
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c, a, c
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agatha-abstinent · 9 years
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Tag 272 / There is no „World Alcoholism Day“
Weltweit, international und national gibt es die mannigfaltigsten Gedenktage zum Erinnern, zum Aufklären, zum Feiern. Welttag der Lehrerin und des Lehrers, Internationaler Tag des Radios, Weltkatzentag.
Ich, Alkoholikerin, mir dessen jedoch erst seit etwa einem Jahr mal weniger, mal mehr bewusst, bin auf der Suche nach einem Welt-Alkoholismus-Tag, denn der Welt-AIDS-Tag war gerade (1. Dezember). Fast das ganze Jahr ist durchgetaktet - darunter auch Gedenktage hinsichtlich Gesundheit, Krankheiten und Prävention:
4. Februar 
World Cancer Day / Weltkrebstag (WHO) 24. März: World Tuberculosis Day (WHO) 25. April: World Malaria Day (WHO) 31. Mai: World No Tobacco Day / Welt-Nichtrauchertag (WHO) 26. Juni: World Drug Day / International Day Against Drug Abuse and Illicit Trafficking (UN) 28. Juli: World Hepatitis Day (WHO) 09. September: Internationaler Tag des alkoholgeschädigten Kindes (fasworld) 01. Oktober: Europäischer Depressionstag (EDA) 20. November: Deutscher Lebertag (Dt. Leberhilfe)
Es gibt auch einen World Health Day (7. April), einen Weltblutspendetag (14. Juni) und eine ganze Woche, die über lebenswichtige Impfungen weltweit aufklärt. Zwar findet in Deutschland jährlich eine Aktionswoche Alkohol statt. Aber kein Gedenk- bzw. Aktionstag „Alkoholismus“, „Alkoholabhängigkeit“, „Alkoholkrankheit“ oder „Alkoholsucht“. Und bei der Aktionswoche diesen Jahres (13. bis 21. Juni 2015) hieß das Motto „Alkohol? Weniger ist besser!“. Das ist mir als Alkoholikerin eindeutig zu verharmlosend. Weniger Schokolade ist auch immer besser. Weniger Butter auf der Stulle ebenso. Ich würde da mehr auf Schocktherapie als auf moderate Empfehlungen setzen. „Trinken Sie weniger“ ist wie „Komm nicht zu spät nach Hause“, „Reg dich nicht so auf“, „Setz lieber eine Mütze auf“. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung macht Jugendkampagnen. Während bei Nikotin die Ansage im Kampagnennamen eindeutig ist: „rauchfrei!“, stehen die zentralen Kernaussagen der Maßnahmen bzgl. Alkohol einander widersprüchlich gegenüber: „Alkohol? Kenn dein Limit.“ und „Null Alkohol - Voll Power“. Was denn nun? Gemäßigt oder gar nicht trinken?
Es gab wohl 2008/9 mal bei der WHO (World Health Organization) den Vorschlag aus Südostasien - vorantreibend war Indien - einen „World-No-Alcohol-Day“ am 2. Oktober zu implementieren. Die Ergebnisse der Internetsuchmaschine erwecken bei mir nicht den Anschein, als ob dieser Gedenktag inzwischen begangen wird.
Mein Unabhängigkeitstag ist der 7. März: Der Tag, an dem meine Unabhängigkeit vom Suchtmittel Alkohol begann. Doch ich bleibe ja abhängig, süchtig, alkoholkrank mein Leben lang, heißt es. Daher sagen die Anonymen Alkoholiker zu dem Tag, an dem man das erste Glas bis heute stehen lassen konnte „Trockenheitsgeburtstag“. Und der ist für jeden Alkoholkranken so individuell wie für jeden Krebskranken der Tag der Metastasenfreiheit.
Es geht mir bei so einem Gedenktag ja nicht nur darum, an die Opfer des Alkoholismus zu erinnern und der potentiellen Alkoholsucht übermäßiger Trinker vorzubeugen, sondern auch um den Abbau von Stigmatisierung und den Aufbau von Bewusstsein in der Gesellschaft für die Suchtkranken. Aus Solidarität mit HIV-Infizierten und AIDS-Kranken stecken wir uns eine rote Schleife an. Manchmal rasiert sich eine ganze Handballmannschaft den Schädel kahl, weil einer von ihnen zur Chemo muss. Im November ließen sich einige Männer einen Schnurrbart wachsen, um Aufmerksamkeit und Spenden für männerspezifische Krankheiten zu generieren. Suchtprävention machen entweder die schlechtesten PR-Agenturen der Welt oder die Budgets sind zu klein.
Die AIDS-Kampagnen haben bei mir jedenfalls gewirkt. Ich wusste schon Anfang der 90er vor meinem „Ersten Mal“, dass ich Sex erstmal nur mit Kondom möchte. http://www.dailymotion.com/video/x2hwe92_aids-werbung-1989-nina-wat-kosten-die-kondome-aids-ad-germany-1989_fun
Dafür, dass ein Kondom bei mir selbstverständlich dazugehört, sorgt die Awareness rund um den Welt-AIDS-Tag sowie die nimmer endende Kampagnenarbeit, aktuell mit dem Motto „Mach’s mit“. Es wäre eigentlich simpel, ein „Mach’s ohne“ zu addieren - ohne Alkohol! Denn dass es insbesondere eine hohe Korrelation zwischen übermäßigem Alkoholkonsum und Ansteckung mit Infektionskrankheiten gibt, ist bewiesen. „The latest causal relationships have been established between harmful drinking and incidence of infectious diseases such as tuberculosis as well as the course of HIV/AIDS.“ (Global status report on alcohol and health 2014) Tendenz steigend.
Also her mit dem World Alcoholism Day.
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