Reportage: Studienreise
Endlich da. Nach gut zweieinhalbstündigem Flug kommen wir (zwei Studienkollegen und ich) schließlich am Zielort unserer Studienreise an. Malta. Besonders viel weiß ich bis jetzt noch nicht über den südeuropäischen Inselstaat im Mittelmeer. Valletta, die Hauptstadt Maltas, ist mir ein Begriff. Vor Kurzem habe ich einen Artikel über die schöne Altstadt, aufgrund derer Valletta 2018 die Kulturhauptstadt Europas wurde gelesen. Naja, ist mir jetzt auch erst einmal egal. Vorerst bin ich froh, einfach angekommen zu sein. Von unserem Host wurde uns im Vorfeld ein Shuttledienst organisiert, der uns vom Flughafen zu unserer Wohnung bringt. Während der Fahrt plagt mich ein etwas schlechtes Gewissen. Erstens ist mir klar, dass der Weg vom Flughafen zur Wohnung leicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu absolvieren wäre, und zweitens vermute ich, dass der Fahrer seinen Job für einen niedrigen Lohn verrichten muss. Bei einem Blick aus dem Fenster fallen mir die vielen alten Gebäude auf, durch diese entsteht für mich ein altertümlicher Eindruck. Im krassen Gegensatz dazu erlebe ich den Straßenverkehr, alle wirken sehr gehetzt, Verkehrsregeln scheinen für die Autofahrer eher unwichtig zu sein, die Fahrstile zeichnen sich durch rasante Manöver und regelmäßiges Hupen aus. Der in Malta vorherrschende, ungewohnte Linksverkehr, ein Überbleibsel aus der Zeit als englische Kolonie, verstärkt das Ganze und führt dazu, dass ich während der Fahrt einige Male überzeugt bin, demnächst in einen Unfall verwickelt zu sein.
Schließlich kommen wir aber gut und sicher bei unserer Wohnung mitten im Zentrum von Valletta an. Gleich am ersten Tag begeben wir uns auf eine kleine Erkundungstour durch Valletta. Unsere Wohnung liegt an der Merchants Street, einer breiten Einkaufsstraße. Hier reiht sich ein Geschäft an das nächste, Restaurants, Bars und Hotels an jeder Ecke. Überall aufgehängte Wimpel, Banner und Flaggen lassen keine Zweifel daran aufkommen, dass der FC Valletta vor Kurzem den Meistertitel in der maltesischen Fußballliga errungen hat. Hier herrscht reges Treiben, Menschen mit Fotoapparaten wohin man sieht. Von den Hauptstraßen weg führen lange, schmale Gassen, auch hier gibt es Unmengen an Restaurants und Hotels, doch wirkt die Atmosphäre auf mich einladender und ruhiger. In diesen Gassen ist beinahe kein Mensch zu sehen. Abgerundet wird das Stadtbild von alten, eindrucksvollen Gebäuden, für die Valletta eigentlich bekannt ist.
Einige Eindrücke aus Valletta:
Abb. 1: Einkaufsstraße in Valletta (2018)
Abb. 2: Parade am 1.Mai (2018)
Abb. 3: Gasse in Valletta (2018)
Abb. 4: Blick auf Valletta (2018)
Alles in allem wirkt es auf mich so, als ob Valletta sehr auf Touristen zugeschnitten ist. Man sieht viele internationale Gewandgeschäfte, Fast-Food Restaurants und Eisgeschäfte mit schön zubereitetem, aber ziemlich überteuertem Eis und viele sehenswerte alte Gebäude. Wohnraum scheint es hier wenig zu geben, die bewohnbaren Gebäude sind entweder Hotels oder werden, wie in unserem Fall, von Agenturen über Airbnb vermietet. Durch das starke Anwachsen des Tourismus in den letzten Jahren ist auch Malta immer stärker von rasant ansteigenden Mietpreisen betroffen. Vor allem die Städte Valletta und Sliema sind Beispiele hierfür. Eine Firma, die hier stark involviert ist, ist „Casa Rooms“. Casa Rooms unterstützt Immobilieneigentümer bei der Vermietung ihrer Immobilien für Urlaube. Hier wird eng mit airbnb zusammengearbeitet, die Wohnungen und Apartments sind auf airbnb ersichtlich, Casa Rooms ist als Gastgeber angegeben und vermittelt diese mit möglichst hoher Rendite für die Eigentümer. Dadurch wird es für die wohnhafte Bevölkerung immer schwerer leistbaren Wohnraum zu finden. Auch unser Apartment, sowie alle anderen in dem Haus, in dem wir lebten, wurden von „Casa Rooms“ vermietet. Mir war bereits vor der Studienreise bewusst, dass die kommerziellen Strukturen, mit denen mittlerweile Wohnungen über airbnb vermietet werden zur Zweckentfremdung von Wohnraum beiträgt. Während unseres Aufenthaltes, hatte ich öfters Gewissensbisse, da ich dies durch meinen Aufenthalt unterstützte, schob diese Gedanken aber mit der Begründung sowieso nichts ändern zu können zur Seite.
Am nächsten Tag fahren wir mit der Fähre von Valletta nach Sliema. Sliema besitzt, etwas im Gegensatz zu Valletta, mit seinen altertümlichen Gebäuden, das Flair einer modernen Großstadt. Das Stadtbild ist hier durch Einkaufspassagen und moderne Bürogebäude mit riesigen Glasfenstern geprägt. Direkt an Sliema angrenzend ist San Giljan, von dessen Ursprung als kleines Fischerdorf heute nichts mehr übriggeblieben ist. Heute beheimatet San Giljan Paceville, das berühmteste Partyviertel Maltas. Weiters finden sich hier einige Luxushotels, wie zum Beispiel das Hilton, und der bei der einheimischen Bevölkerung nicht besonders beliebte Portomasmo Business Tower, der, wie der Name schon vermuten lässt, Sitz vieler Konzerne ist.
Doch warum erzähle ich das Ganze?
Einerseits, weil es zwei Orte sind, die mir von meiner Studienreise wesentlich in Erinnerung geblieben sind, und zweitens, weil Sliema und San Giljan im gleichen Ausmaße von Gentrifizierung betroffen sind, wie Valletta. Und besonders in San Giljan sind noch weitere Maßnahmen geplant, die das Ganze verstärken würden.
Konkret betroffen ist das Partyviertel Paceville. Paceville ist der klassische Partyort in Malta. Hier findet man über 350 Discos, Bars, Bordelle, usw. Wir waren während unseres Aufenthaltes zweimal dort um zu feiern und am Wochenende ist dort wirklich die Hölle los. Man kann es sich so vorstellen: Aufgeteilt auf wenige Straßen befinden sich hier eng aneinandergereiht verschiedene Nachtclubs, häufig ziemlich heruntergekommen und dreckig, umgeben von einem Wohnviertel, was auf mich ebenfalls den Eindruck machte, als würde ein dringender Sanierungsbedarf bestehen. Nun plant die maltesische Politik, Paceville sauberer, sicherer und schöner zu machen. Dies soll aber nicht durch die Renovierung, der dort stehenden Clubs und Wohnhäuser passieren, sondern durch Mott McDonald, eine globale Ingenieurs-, Management- und Entwicklungsberatung.
In einem Kommentar der Online-Ausgabe von „malta today“ wird die Befürchtung geäußert, dass San Giljan zu einem Dubai mit mediterranem Flair verkommen könnte. Bei der Planung werden jegliche Bedürfnisse der Anrainer missachtet, während für Baukonzerne neue Sonderregelungen für die Höhe von Hochhäusern geschaffen werden. Die reichsten Immobilienmogule Maltas würden daran verdienen, während die Bevölkerung noch weiter verdrängt werden wird und leistbarer Wohnraum noch weiter verschwindet. (vgl. MediaToday Co. Ltd: 2016)
Ein Phänomen, welches mit dem Verschwinden von leistbaren Wohnraum einhergeht, ist das Ansteigen der Obdachlosigkeit. Aufgrund dessen wurde im Juli 2016 die erste Notschlafstelle in Malta eröffnet. Diese befindet sich in Birkirkara, der größten Stadt Maltas, und trägt den Namen „Dar Papa Frangisku“. Diese Notschlafstelle besuchten wir im Laufe der Studienreise. Wir wurden dort vom Leiter, ein Sozialarbeiter, empfangen, der sich für uns Zeit nahm und bereitwillig alle unsere Fragen beantwortete. „Dar Papa Frangisku“ bietet 20 obdachlosen Männern einen vorübergehenden Schlafplatz in Mehrbettzimmern. Des Weiteren gibt es für die arme Bevölkerung Maltas hier die Möglichkeit, zu Mittag und am Abend ein warmes Essen zu konsumieren. Das Angebot zu sozialarbeiterischen Gesprächen besteht, muss aber nicht wahrgenommen werden. (vgl. Times of Malta 2016)
Die Ressourcen der Einrichtung wurden uns als äußerst knapp beschrieben, die 20 zur Verfügung stehenden Plätze sind, laut dem Leiter der Einrichtung beinahe jede Nacht restlos belegt. Im Gespräch wird uns erzählt, dass es in Malta eine riesige Anzahl an Menschen gibt, die zu den „working poor“ gehören. So sind über zwei Drittel der Männer, die in der Notschlafstelle nächtigen berufstätig, ihr Einkommen reicht aber nicht aus um sich Essen und ein Dach über dem Kopf leisten zu können. Auf Nachfrage erfahren wir, dass das durchschnittliche Einkommen in Malta circa 1000€ - 1200€ beträgt. Einkaufen im Supermarkt ist meiner Erfahrung eine Spur teurer als in Österreich. Doch als hauptverantwortlich für die große Anzahl der „woorking poor“ sieht der Leiter der Notschlafstelle die stark steigenden Mieten. So sind Mietpreisverdoppelungen innerhalb eines Jahres nichts Ungewöhnliches in Malta. Dies führt häufig dazu, dass mehr als die Hälfte des Einkommens für die Miete aufgebracht werden muss. Ein staatliches Auffangnetz, wie die Mindestsicherung in Österreich, gibt es in Malta nicht. Menschen in prekären Lebenslagen werden hauptsächlich durch Charity-Organisationen unterstützt. Hier bestehe noch viel Verbesserungsbedarf, auch die neue sozialdemokratische Regierung konnte bei der Eindämmung der Mietpreise und einer besseren Absicherung gegen Armut noch nicht viel bewirken.
Trotz der vielen Probleme sollen auch die schönen Seiten Maltas nicht unerwähnt bleiben. Wunderschöne weiße Sandstrände, raue Felsküsten, die Inseln Gozo und Comino, die mittelalterliche Festung von Mdina und die bereits erwähnte Altstadt von Valletta liefern gute Gründe Malta einen Besuch abzustatten. Zum Abschluss noch einige Bilder, damit ihr euch einen besseren Eindruck verschaffen könnt.
Abb. 5: St. Peter´s Pool (2018)
Abb. 6: Blick auf Mdina (2018)
Abb. 7: Strand von Comino (2018)
Literatur:
MediaToday Co. Ltd (2016): Malta Today. The Paceville master plan is a violent form of gentrification. https://www.maltatoday.com.mt/comment/blogs/71239/the_paceville_master_plan_is_a_violent_form_of_gentrification#.Wy57GCDLhPY [Zugriff: 22.06.2018]
Times of Malta (2016): Homeless emergency shelter to open in summer. First of its kind in Malta to help those without food or roof over their heads. https://www.timesofmalta.com/articles/view/20160610/local/homeless-emergency-shelter-to-open-in-summer.614871 [Zugriff: 22.06.2018]
Abbildungen:
Abb. 1 Wenda, Lukas (2018): Einkaufsstraße in Valletta. Eigene Aufnahme
Abb. 2 Wenda, Lukas (2018): Parade am 1.Mai. Eigene Aufnahme
Abb. 3 Wenda, Lukas (2018): Gasse in Valletta. Eigene Aufnahme
Abb. 4 Wenda, Lukas (2018): Blick auf Valletta. Eigenen Aufnahme
Abb. 5 Wenda, Lukas (2018): St. Peter´s Pool. Fotografiert von David Detmers
Abb. 6 Wenda, Lukas (2018): Blick auf Mdina. Eigene Aufnahme
Abb. 7 Wenda, Lukas (2018): Strand von Comino. Fotografiert von David Detmers
-Lukas
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